4 Ni 29/11
BUNDESPATENTGERICHT Ni 29/11 (Aktenzeichen)
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am
6. August 2013 …
In der Patentnichtigkeitssache …
BPatG 253 08.05
…
betreffend das deutsche Patent 195 19 060 hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. August 2013 durch den Vorsitzenden Richter Engels, den Richter Dr. agr. Huber, die Richterin Friehe, den Richter Dipl.-Ing. Univ. Rippel und den Richter Dr.-Ing. Dorfschmidt für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 195 19 060 wird für nichtig erklärt. II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des deutschen Patents 195 19 060 (Streitpatent), das am 2. März 1995 angemeldet wurde. Die Erteilung des Streitpatents wurde am 8. März 2007 veröffentlicht; es ist in Kraft. Es betrifft ein Kreissägeblatt mit nach außen in Stufen abnehmender Dicke und weist drei Patentansprüche auf, die sämtlich angegriffen sind.
Patentanspruch 1 der geltenden B4-Schrift lautet:
Hinsichtlich der auf den Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 wird auf die Streitpatentschrift DE 195 19 060 B4 Bezug genommen.
Die Kläger und Klägerinnen sind der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, für den Fachmann nicht ausführbar offenbart und gegenüber dem Inhalt der Anmeldung unzulässig erweitert.
Sie berufen sich auf folgende Unterlagen Ni 1 US 4 979 417 A Ni 1a deutsche Übersetzung der Ni 1 Ni 2 US 334 440 A Ni 2a deutsche Übersetzung der Ni 2 Ni 3 Prospekt Richard Jansen von 1994 Ni 4 Messprotokoll 12:09:18 Ni 5 Messprotokoll 12:05:45 Ni 6 IMW Institutsmitteilung Nr. 22 (1997) – nachveröffentlicht K3 bis K6 Unterlagen und Zeichnungen des Patentinhabers Ni 7 EP 0 637 433 A1 Ni 8 DE 24 53 205 A1 Ni 9 DE 32 16 357 A1 Ni 10 DE 37 37 574 A1 In der Streitpatentschrift wird ferner auf die DE 87 03 531 U1 (Ni 11) Bezug genommen.
Die Kläger und Klägerinnen beantragen,
das Patent in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit dem Hilfsantrag 1 aus dem Schriftsatz vom 22. August 2011 verteidigt wird, wobei sich an Patentanspruch 1 die Patentansprüche 2 und 3 anschließen,
weiter hilfsweise,
die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit dem Hilfsantrag 2 aus dem Schriftsatz vom 22. August 2011 verteidigt wird, wobei sich an Patentanspruch 1 der Patentanspruch 2 anschließt und Patentanspruch 3 entfällt.
Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 lautet:
Kreissägeblatt mit radial nach außen in Stufen abnehmender Dicke, wobei um die Mittenbohrung des Sägeblattes (3) ein konzentrischer Absatz (d4) exakt gleicher Dicke (s1) vorgesehen ist, wobei außerhalb des konzentrischen Absatzes (d4) die Dickenänderung maximal 1,2 mm beträgt, wobei außen in dem vom SägenaußenDurchmesser (d1) bis zum Zahngrund-Durchmesser (d2) reichenden Bereich der Zähne eine Sägendicke einer Zahnverdickung (s4) vorhanden ist, wobei diese Sägendicke der Zahnverdickung (s4) mindestens auf einer Seite mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich des Sägeblattes (3) eine Ebene bildet.
Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 lautet:
Kreissägeblatt mit radial nach außen in Stufen abnehmender Dicke, wobei um die Mittenbohrung des Sägeblattes (3) ein konzentrischer Absatz (d4) exakt gleicher Dicke (s1) vorgesehen ist, wobei außerhalb des konzentrischen Absatzes (d4) die Dickenänderung maximal 1,2 mm beträgt, wobei außen in dem vom SägenaußenDurchmesser (d1) bis zum Zahngrund-Durchmesser (d2) reichenden Bereich der Zähne eine Sägendicke einer Zahnverdickung (s4) vorhanden ist, wobei diese Sägendicke der Zahnverdickung (s4) mindestens auf einer Seite mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich des Sägeblattes (3) eine Ebene bildet und das Sägeblatt (3) innerste Raumschneiden (4) aufweist, wobei der Außendurchmesser des konzentrischen Absatzes (d4) bis etwa an den inneren Endpunkt der innersten Räumschneiden (4) reicht.
Der Beklagte hält die Angriffe auf das Streitpatent für unbegründet. Er legt folgende Unterlagen vor:
Anlage 1 Buntzeichnung Anlage 2 Foto des Musters Anlage 3 Foto des Spaltes Anlage 4 Foto des Richthammers Anlage 5 Anlageflächen gemäß Streitpatent Anlage 6a-d Abbildungen Anlage 7 Schreiben mit Messprotokoll Anlage 8 Besprechungsprotokoll Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet; auf Bl. 164 ff. der Akten wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe I.
Die Klage ist zulässig. Sie ist auch begründet und führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents, da die Gegenstände des Streitpatents weder in der erteilten noch in einer mit Hilfsantrag beschränkt verteidigten Fassung patentfähig sind (§§ 22, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).
II.
1. Das Streitpatent betrifft nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift nach Absatz [0002] ein Kreissägeblatt mit nach außen in Stufen abnehmender Dicke.
Zum Stand der Technik verweist die Streitpatentschrift in Absatz [0002] auf das durch die DE 87 03 531 U1 (Ni 10) bekannt gewordene Kreissägeblatt mit einer Stufe, bei dem im Außenbereich keine Verdickung des Sägeblattes vorhanden ist, so dass sich daraus Probleme beim Richten und Kontrollieren des Sägeblattes und bei dessen Herstellung ergeben.
2. Ausgehend hiervon liegt gemäß den Ausführungen in Absatz [0003] der Streitpatentschrift der vorliegenden Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Kreissägeblatt bereitzustellen, welches einfach und exakt bezüglich seiner Planheit kontrolliert werden kann. Aus Absatz [0004] des Streitpatents ergibt sich weiter, dass das erfindungsgemäße Sägeblatt auch die Aufgaben erfüllen soll, dass es einfacher zu vermessen und kostengünstiger herzustellen ist sowie vergrößerte Lötflächen aufweist.
3. Zur Lösung dieser Aufgabe sieht der nach Merkmalen gegliederte Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag vor (wobei das im Streitpatent im Patentanspruch fälschlicherweise für das Sägeblatt angegebene Bezugszeichen 3 bereits korrigiert und mit (1) angegeben ist):
1. Kreissägeblatt, 2. mit radial nach außen in Stufen abnehmender Dicke; 3. um die Mittenbohrung des Sägeblattes (1) ist ein konzentrischer Absatz (d4) exakt gleicher Dicke (s1) vorgesehen; 4. außerhalb des konzentrischen Absatzes (d4) beträgt die Dickenänderung maximal 1,2 mm; 5. außen im Bereich der Zähne ist eine Sägendicke einer Zahnverdickung (s4) vorhanden; 6. die Sägendicke der Zahnverdickung (s4) bildet mindestens auf einer Seite mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich des Sägeblattes (1) eine Ebene.
Nach dem mit Hilfsantrag 1 verteidigen Patentanspruch 1 wird Merkmal 5 durch folgendes Merkmal 5a ersetzt:
5A. außen in dem vom Sägenaußen-Durchmesser (d1) bis zum Zahngrund - Durchmesser (d2) reichenden Bereich der Zähne ist eine Sägendicke einer Zahnverdickung vorhanden; Nach Hilfsantrag 2, der aus einer Kombination des erteilten Anspruchs 1 mit dem Anspruch 3 gebildet ist, schließen sich an die Merkmale 1 bis 6 gemäß Hauptantrag folgende Merkmale an:
7. das Sägeblatt (1) weist innerste Räumschneiden (4) auf,
a. wobei der Außendurchmesser des konzentrischen Absatzes (d4) bis etwa an den inneren Endpunkt der innersten Räumschneiden (4) reicht
3. Als für die Beurteilung der objektiven und in der Streitpatentschrift auch genannten Problemstellung berufener Fachmann ist vorliegend ein DiplomIngenieur mit Fachhochschulausbildung der Fachrichtung Werkzeugtechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Säge- und Schneidwerkzeugen anzusehen.
4. Nach dessen maßgeblichem Verständnis und einer am Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs orientierten Betrachtung (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2011, 129 – Fentanyl-TTS; GRUR 2004, 845 – Drehzahlermittlung, m. w. N.) ist unter Einbeziehung von Beschreibung und Zeichnungen und unter Beachtung der durch den Wortlaut des Patentanspruchs gesetzten Grenzen zu beurteilen, welche technische Lehre Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist und welchen technischen Sinngehalt den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit zukommt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung m. w. N.). Der Senat legt danach dem erteilten Patentanspruch 1 folgendes Verständnis zu Grunde:
Der Streitpatentgegenstand nach Hauptantrag betrifft ein Kreissägeblatt mit radial nach außen in Stufen abnehmender Dicke. Hierbei handelt es sich ganz offensichtlich, wofür auch die Gesamtoffenbarung gemäß dem einzigen Ausführungsbeispiel sowie die Ausführungen in Absatz [0004] sprechen, um ein Verbundkreissägeblatt – also um ein aus einem Metalltragkörper bestehendes Sägeblatt, auf dem Schneiden aus Hartmetall oder polykristallinen Diament aufgelötet werden – auch wenn der Wortlaut des Patentanspruchs 1 dies nicht ausdrücklich erwähnt.
Der Begriff „Stufen“ vermittelt dem Fachmann, dass es sich zum einen um Absätze, also Übergänge mit signifikanten Kanten handelt, und zum anderen, dass mehrere Stufen oder Absätze vorgesehen sind. Das Sägeblatt weist nach Merkmal 3 um die Mittelbohrung einen konzentrischen Absatz exakt gleicher Dicke auf, wobei der Terminus „exakt“ dem Fachmann zwar besonders enge Toleranzen signalisiert, diese jedoch nicht weiter spezifiziert sind.
Gemäß Merkmal 4 beträgt die Dickenänderung außerhalb des konzentrischen Absatzes maximal 1,2 mm. Eine Dickenänderung ist gemäß herkömmlichem Sprachgebrauch üblicherweise eine Dickenänderung pro Stufe.
Nach Merkmal 5 ist bei dem streitpatentgemäßen Sägeblatt außen im Bereich der Zähne eine „Sägendicke einer Zahnverdickung (S4)“ vorgesehen. Nach Merkmal 6 bildet diese „mindestens auf einer Seite mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich des Sägeblattes eine Ebene“.
Hinsichtlich der Formulierung „Sägendicke einer Zahnverdickung“ erschließt sich dem Fachmann aus der zeichnerischen Darstellung in der Figur 2 und dem dort befindlichen Bezugszeichen S4, dass hiermit ausschließlich eine Verdickung am Metalltragkörper des Verbundkreissägeblatts im Bereich der Zähne und nicht etwa – wie die Kläger vortragen – eine Verdickung durch den aufgelöteten Zahn gemeint ist. Auch die Vorteilsangaben in den Absätzen [0002] und [0004] der Beschreibung, wonach diese mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich eine Ebene bildenden Verdickungen „zur einfacheren Vermessung der Säge, zur Kostensenkung in der Herstellung und zur Vergrößerung der Lötflächen beitragen soll, lassen ausschließlich diese Auslegung zu. Im Übrigen sind aufgelötete Zähne immer konisch, haben also an ihrer vorderen Fläche die größte Breite und in der Nähe der Lötstelle die geringste Breite, so dass die aufgelöteten Zähne mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich des Sägeblattes nie eine Ebene gemäß Merkmal 6 des Patentanspruch 1 des Streitpatents bilden könnten.
Eine derartige Auslegung des Streitpatentgegenstandes macht deshalb auch Sinn im Hinblick auf die in der Beschreibung enthaltenen Angaben zur Aufgabe der Erfindung, die als Hinweis auf das richtige Verständnis des Patentanspruchs heranzuziehen sind (BGH GRUR 2012, 803 – Calcipotriol-Monohydrat). Das im Hilfsantrag 1 ergänzte Merkmal 5A, wonach die Sägendicke einer Zahnverdickung außen in dem vom Sägenaußen-Durchmesser (d1) bis zum Zahngrund - Durchmesser (d2) reichenden Bereich der Zähne vorhanden ist, legt den Bereich fest, in dem diese Verdickung des Metalltragkörpers angeordnet ist. Aufgrund der gewählten Formulierung lässt dieses Merkmal jedoch offen, ob die Verdickung des Metalltragkörpers sich über den gesamten Bereich oder lediglich über einen Teil dieses Bereichs erstreckt, wie es in Figur 1 des Streitpatents auch dargestellt ist.
III.
1. Patentanspruch 1 nach Hauptantrag Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die Lehre des Streitpatents entsprechend dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag für den Fachmann ausführbar oder dessen Gegenstand gegenüber der Ursprungsoffenbarung unzulässig erweitert ist.
Insoweit ist allerdings anzumerken, dass der Senat – wie auch in der mündlichen Verhandlung erörtert – erhebliche Zweifel hat, ob der ursprüngliche Offenbarungsgehalt der Anmeldung, so wie er auch der Offenlegungsschrift entspricht, die nach Patentanspruch 1 beanspruchte Lehre in der nun beanspruchten Allgemeinheit offenbart und – wie die Beklagte geltend gemacht hat –, eine parallele Aufgabenstellung vorliegt, welche sich im verteidigten Patentanspruch realisiert. Denn in der ursprünglichen Beschreibung stehen die nach außen abnehmenden Dicken des Kreissägeblatts in Beziehung zu den tangentialen Fliehkraftspannungen (vgl. Offenlegungsschrift DE 195 19 060 A1, Spalte 1, Zeilen 38 bis 59). Dies entspricht auch der in der Offenlegungsschrift angegebenen Aufgabe, ein Kreissägeblatt zu schaffen, dessen Dicke so gestaltet ist, dass die Fliehkraftdehnungen im gesamten Sägeblatt etwa gleich sind (Offenlegungsschrift, Spalte 1, Zeilen 27 ff.), und den ursprünglichen Ansprüchen wie den Zeichnungen Fig. 1, 4 und 5 der Offenlegungsschrift, die in der Patentschrift nicht mehr enthalten sind. Die Kläger haben darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die Anpassung an die Fliehkraftspannungen in der Offenlegungsschrift keine beliebige Ausgestaltung der Abstufungen und Dicken zugelassen ist. Soweit die Offenlegungsschrift vorsieht, dass das Sägeblatt außen im Bereich der Zähne mindestens auf einer Seite Verdickungen aufweisen kann, die mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich eine Ebene bilden,
vorzugsweise mit dem am weitesten innen liegenden Bereich, zur einfacheren Vermessung der Säge, zur Kostensenkung in der Herstellung und zur Vergrößerung der Lötflächen, ist darauf hinzuweisen, dass diese Gestaltung in der Offenlegungsschrift ausdrücklich das erfindungsgemäße Sägeblatt betrifft (vgl. Spalte 1 Zeile 68). Das nach der Offenlegungsschrift erfindungsgemäße Sägeblatt könnte aber eines sein, dessen Dickenunterschiede sich an der Verteilung der tangentialen Fliehkraftspannungen orientieren.
Auch kommt es für den auf fehlende Patentfähigkeit gerichteten Angriff gegen das Streitpatent nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die danach verteidigte Lehre gegenüber dem Stand der Technik neu ist. Denn das Kreissägeblatt in seiner Ausgestaltung nach dem Patentanspruch 1 ergab sich für den angesprochenen Fachmann im Zeitpunkt der Anmeldung in naheliegender Weise aus dem von den Klägern entgegengehaltenen Stand der Technik nach der US 4 979 417 (Ni 1) und der DE 24 53 205 A1 (Ni 8).
Für die Frage der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit ist zum einen entscheidend, um welche Leistung der Stand der Technik bereichert wird, was die Erfindung also gegenüber diesem tatsächlich leistet (BGH GRUR 2009, 382 – Olanzapin; BGH GRUR 2009, 1039 – Fischbissanzeiger), und zum anderen, ob der Fachmann Veranlassung hatte, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH GRUR 2009, 746 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung). Dies ist vorliegend zu bejahen, da der Fachmann sowohl ausgehend von der D1 als auch der D8 in naheliegender Weise zur Lehre des Patentanspruchs 1 gelangte.
1.1. Die US 4 979 417 (Ni 1) zeigt ein Kreissägeblatt mit radial nach außen in 2 Stufen abnehmender Dicke (Merkmale 1und 2), das nach den Ausführungen in Spalte 6, Zeilen 28 bis 35 insbesondere ein Verbundkreissägeblatt ist, jedoch auch ein einteiliges Kreissägeblatt sein kann, bei dem die Zähne aus demselben Material wie der Grundkörper sein können.
Um die Mittenbohrung dieses Sägeblattes ist ein (erster) konzentrischer Absatz von exakt gleicher Dicke vorgesehen (Merkmal 3); außerhalb des konzentrischen Absatzes erfolgt in Stufen nur noch eine einzige Dickenänderung, die gemäß den Ausführungen in Spalte 6, Zeilen 58 bis 62 etwa 0,01 inch (= 0,25 mm) beträgt, was kleiner als 1,2 mm ist, so dass auch Merkmal 4 des Patentanspruchs 1 verwirklicht ist.
Entgegen dem Vortrag der Kläger vermag der Senat bei diesem bekannten Kreissägeblatt außen im Bereich der Zähne keine „Sägendicke einer Zahnverdickung“, also eine Verdickung des Metalltragkörpers entsprechend Merkmal 5 des Streitpatents, unmittelbar und eindeutig erkennen. Zwar könnte – wie die Kläger vortragen – die einheitliche Schraffur der Sägeblattbereiche (16, 18, 20) und des Zahns (22) in Figur 1 der Ni 1 sowie die gezeigte Darstellung des Zahns (22) als Rechteck durchaus darauf deuten, dass die in Figur 1 gezeigte Schnittdarstellung nicht durch einen (aufgelöteten) Zahn verläuft, sondern durch den hinter dem Zahn befindlichen Metalltragkörper.
Demgegenüber ist jedoch in Spalte 6, Zeilen 47/48 der Ni 1 (wörtlich) beschrieben, dass das „peripheral member 20“ die aufgelöteten Zähne (22) trägt, wobei das „peripheral member 20“ gemäß den Figuren und auch gemäß den Ausführungen in Spalte 6, Zeile 62 den geringsten Querschnitt, nämlich 0,04 inches, aufweist, so dass hier offensichtlich keine Verdickung des Metalltragkörpers im Bereich der Zähne vorliegen kann.
Die Ni 1 stellt mithin ein Kreissägeblatt mit den Merkmalen 1 bis 4 bereit, das einfach herzustellen ist, das einen gleich dicken inneren Bereich besitzt, dessen Dicke nach außen radial in Stufen abnimmt, das jedoch im äußeren Bereich nur eine geringe Dicke aufweist. Das bedeutet, dass es einerseits im inneren gleich dicken Bereich gut, außen aber nur schwer auf seine Planheit überprüft werden kann und andererseits auch die im Streitpatent geforderte Vermeidung der Herstellungsprobleme durch Vergrößerung der Lötflächen für die Zähne nicht liefert, denn nach der Ni 1 werden diese ja gerade am „peripheral member“ (20) angebracht, der die geringste Dicke von 0,04 inches aufweist.
Der Fachmann kennt jedoch unterschiedliche Arten von Kreissägeblättern. Er wird daher weitere Druckschriften prüfen und hierbei auch die Ni 8 (DE 24 53 205 A1) zu Rate ziehen. Aus dieser von der Klägerin benannten Druckschrift ist bekannt, Kreissägeblätter mit unterschiedlichen Dickenbereichen durch Stanzen oder Schneiden eines Sägeblattrohlings aus einer ebenen Platine (Stahlplatte) herzustellen und kreisförmige bzw. konzentrische Vertiefungen (Spuren 6, 7) anschließend in das Stammblatt durch spanabhebende Bearbeitung, wie beispielsweise Schleifen (Seite 4, Zeile 4 der Ni 8), einzuarbeiten.
Die Figur 1 der Ni 8 zeigt ein derartig hergestelltes Kreissägeblatt (Merkmal 1), bei dem um die Mittenbohrung bis zu dem Beginn der Spuren (6) und (7) ein konzentrischer Absatz mit ersichtlich gleicher Dicke vorhanden ist (Merkmal 3).
In der Schnittansicht gemäß Figur 2 ist deutlich zu erkennen, dass die Dicke des Stammblatts im Anschluss an den konzentrischen Absatz in einem Teilbereich (Zonenbereich 6) zunächst radial nach außen abnimmt (Teilmerkmal 2) bis die dünnste Stelle des Kreissägeblatts an der Längsmittellinie (8) erreicht ist (Figur 1),
an der auch Sägezahnlücken (2) enden und sich daher die Böden (4) der Sägezahnlücken (2) befinden. Anschließend nimmt die Dicke des Stammblatts (3) wieder zu und erreicht die ursprüngliche Dicke des Stammblatts. Denn weil die kreisförmigen Spuren (6, 7) eingeschliffen werden (Seite 4, oben der Beschreibung), muss das Stammblatt zwangsläufig außerhalb der Spuren (6,7), also im Bereich der Zähne, wieder die ursprüngliche Dicke aufweisen, die jedoch gegenüber der dünnsten Stelle an der Längsmittellinie (8) verdickt ist, so dass dort – entsprechend der im Merkmal 5 des Streitpatents gewählten Formulierung – eine Sägendicke einer Zahnverdickung vorhanden ist.
Ebenso durch dieses aus der Ni 8 bekannte Herstellungsverfahren bedingt, bildet diese „Sägendicke der Zahnverdickung“ mindestens auf einer Seite mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich – nämlich dem Bereich 3 – des Sägeblattes eine Ebene (Merkmal 6).
Nach den Ausführungen auf Seite 4, letzter Absatz der Ni 8 beträgt die Dickenänderung im Bereich der Spuren (6, 7), also außerhalb des konzentrischen Absatzes, 0,5 bis 0,7 mm, so dass auch Merkmal 4 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents verwirklicht ist.
Damit weist die Ni 8 die Merkmale 1 sowie 3 bis 6 auf. Unterschiedlich zum Streitpatent ist bei dem bekannten Kreissägeblatt nach der Ni 8 somit nur, dass die Dicke in einem Teilbereich (Zonenbereich 6) radial nach außen nicht in Stufen, sondern gemäß Seite 4, Zeile 6 entlang eines Kreisbogens – also kontinuierlich – abnimmt (Merkmal 2).
Der Fachmann hatte die Wahl, die stufenförmige Ausgestaltung des Sägeblattes nach der Ni 1 zu wählen oder die Vertiefungen wie in der Ni 8 beschrieben auszuschleifen. Den Umstand, dass mehrere gleichwertige Lösungswege verfolgt werden konnten, sieht der Senat nicht als wesentliches Argument für die Annahme einer erfinderischen Tätigkeit. Denn ergibt sich aus dem Stand der Technik eine überschaubare Zahl von möglichen Lösungsansätzen, von denen jeder spezifi- sche Vor- und Nachteile hat, gibt dies in der Regel Veranlassung, jeden dieser Lösungsansätze in Betracht zu ziehen (BGH GRUR 2012, 261 – E-Mail via SMS), zumal die unterschiedlichen Lösungsansätze stark davon abhängen, welches konkrete Ziel vorgegeben oder verfolgt werden sollte.
Will der Fachmann die stufenförmige Ausgestaltung des Sägeblattes wie in der Ni 1 beibehalten und gleichwohl die für seine Aufgabe relevanten Vorteile der Ni 8 erzielen, so wird er nach Überzeugung des Senats – entsprechend der Gestaltung der Ni 8 – bei der Bearbeitung des Sägeblattrohlings im Bereich der Zähne einen unbearbeiteten Bereich belassen, so dass er zwangsläufig bei seinem Kreissägeblatt einen gegenüber den abgetragenen Bereichen verdickten Bereich („Sägendicke der Zahnverdickung“) erhält, der mit einem radial weiter innen liegenden, ebenfalls unbearbeiteten Dickenbereich des Sägeblattes eine Ebene bildet.
Damit ist der Fachmann aber, ohne erfinderisch tätig gewesen zu sein, bei der Gestaltung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents.
1.2. Dasselbe Ergebnis stellt sich ein, wenn der Fachmann von der Ni 8 ausgeht. Wie oben ausgeführt, zeigt ihm diese die Merkmale 1 sowie 3 bis 6 des Streitpatents. Neben der Ni 8 kennt der Fachmann auch die US 4 979 417 A (Ni 1), die er bei seiner Recherche nach geeigneten Vorbildern für die Lösung der sich ihm stellenden Aufgaben ebenso studieren wird. Aus dieser ist ihm ein Kreissäge- und insbesondere ein Verbundkreissägeblatt (Spalte 6, Zeilen 28 bis 35) mit radial nach außen in 2 Stufen abnehmender Dicke bekannt, das aufgrund dieses Aufbaus entsprechend den Ausführungen in Spalte 1, Zeilen 10 bis 15 eine Steigerung der kritischen Geschwindigkeit der Säge und damit höhere Betriebsdrehzahlen bzw. eine geringere Sägendicke verspricht.
Veranlasst durch die Vorteilsangaben in der Ni 1 wird der Fachmann bei dem bekannten Kreissägeblatt der Ni 8 auch eine in 2 Stufen abnehmende Dicke in Betracht ziehen, um im Bedarfsfall eine Steigerung der kritischen Geschwindigkeit der Säge und damit höhere Betriebsdrehzahlen oder eine geringere Sägendicke zu erreichen insbesondere wenn es ihm auf die von der Ni 8 intendierte Geräuschminderung nicht wesentlich ankommt. Dies gilt umso mehr, als die Problemstellungen der Ni 1 und der Ni 8 in dieselbe Richtung zielen.
Zum anderen erkennt der Fachmann, dass mit dem aus der Ni 8 bekannten Verfahren zum Herstellen von Kreissägeblättern mit kontinuierlich abnehmender Dicke auch ein in Stufen abnehmendes Kreissägeblatt ohne wesentliche Zusatzkosten herstellbar ist. Der Fachmann hatte die Wahl, es bei der Lehre der Ni 8 zu belassen oder aber die stufenförmige Ausgestaltung des Sägeblattes nach der Ni 1 zu wählen, welche ihm mindestens als eine ebenso Erfolg versprechende Lösung erschien. Auch hier gilt, dass der Umstand, dass mehrere gleichwertige Lösungswege verfolgt werden konnten, kein wesentliches Argument für die Annahme einer erfinderischen Tätigkeit darstellt (s. o.).
Entgegen dem Vortrag des Beklagten trägt der Fachmann dabei nicht die dünnste Stufe bis ganz radial nach außen ab, wie es möglicherweise – was allerdings zwischen den Parteien höchst umstritten ist – durch die Ni 1 nahegelegt sein könnte. Vielmehr belässt der Fachmann, nach Überzeugung des Senats, im Bereich der Zähne einen unbearbeiteten Bereich, weil es einerseits genauso durch die Ni 8 vorgegeben ist und er andererseits erkennt, dass hiermit weitere aufgabengemäße Vorteile, wie insbesondere eine einfachere Vermessung der Säge sowie eine Vergrößerung der Lötflächen, verbunden sind.
Der Fachmann war deshalb in naheliegender Weise veranlasst, das aus der Ni 8 bekannte Kreissägeblatt, das die Merkmale 1, 3 bis 6 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents aufweist, mit radial nach außen in 2 Stufen abnehmender Dicke entsprechend dem Vorbild der Ni 1 auszubilden, um im Bedarfsfall die Betriebsdrehzahl weiter zu erhöhen.
Auch ausgehend von der Ni 8 gelangt der Fachmann also unter Hinzuziehung der Ni 1 zum Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag hat daher keinen Bestand.
2. Die nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 verteidigte Fassung des Streitpatents ist gegenüber dem Inhalt der Anmeldung, wie er auch der Offenlegungsschrift entspricht, unzulässig erweitert und deshalb unzulässig. Die mit den ursprünglichen Anmeldeunterlagen gleichlautende Offenbarungsschrift offenbart, worauf der Senat bereits im qualifizierten Hinweis hingewiesen hat, lediglich eine Sägendicke der Zahnverdickung bis zum „Innendurchmesser des äußeren Absatzes d6“, nicht jedoch bis zum Zahngrund-Durchmesser d2. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, dass sich die Offenbarung aus den Figuren 1 und 2 ergebe, teilt der Senat diese Auffassung nicht, weil diese eine Verdickung nur zwischen den Durchmessern d1 und d6 zeigen.
Zudem war auch das so ausgestaltete Sägeblatt ausgehend vom Stand der Technik nach den Druckschriften Ni 1 und der Ni 8 für den Fachmann nahegelegt.
Denn das ergänzte Merkmal, wonach die Sägendicke einer Zahnverdickung außen in dem vom Sägenaußen-Durchmesser bis zum Zahngrund-Durchmesser reichenden Bereich der Zähne vorhanden ist, wird ersichtlich durch die Ni 8 vorweggenommen, weil – wie die Figur 1 zeigt – auch dort die Verdickung des Kreissägeblatts (Sägendicke einer Zahnverdickung) ganz radial außen im Schatten der Zähne (5) angeordnet ist und deshalb entsprechend der Formulierung des Merkmals 5A „außen in dem vom Sägenaußen-Durchmesser bis zum Zahngrund-Durchmesser reichenden Bereich der Zähne“ liegt.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 hat daher ebenfalls keinen Bestand.
3. Aus den zu Hilfsantrag 1 genannten Gründen stellt sich auch die Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 als eine unzulässige Änderung des Inhalts der Anmeldung dar und ist deshalb unzulässig.
Zudem ergab sich auch das so ausgestaltete Kreissägeblatt für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Denn das ergänzende Merkmal M7, wonach das Sägeblatt innerste Räumschneiden aufweist, und wobei der Außendurchmesser des konzentrischen Absatzes bis etwa an den inneren Endpunkt der innersten Räumschneiden reicht, vermag keinen erfinderischen Beitrag zu leisten.
Denn Räumschneiden bei Kreissägeblättern sind dem Fachmann seit sehr langer Zeit bekannt. Diesbezüglich ist beispielsweise auf die in der Streitpatentschrift genannte DE 87 03 531 U1 (Ni 11) oder auf die in der mündlichen Verhandlung eingereichte DE 37 37 574 A1 (Ni 10) – Offenlegung am 22. September 1988 – hinzuweisen, die beide innerste Räumschneiden aufweisen. Die Anordnung derartiger (innerer) Räumschneiden erfolgt je nach Anwendungsfall demnach im inneren und/oder im innersten Bereich des Kreissägeblatts und obliegt der willkürlichen Auswahl des Fachmanns.
Zwar wurde die erst in der mündlichen Verhandlung überreichte Druckschrift DE 37 37 574 A1 (Ni 10) verspätet nach Ablauf der im Zwischenbescheid gesetzten Frist nach § 83 Abs. 2 PatG vorgelegt. Die Klagepartei hat die Verspätung auch weder entschuldigt noch einen Entschuldigungsgrund glaubhaft gemacht, obwohl sie über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden war, § 83 Abs. 4 PatG. Gleichwohl war die Druckschrift nicht zurückzuweisen, weil ihre Berücksichtigung in Anbetracht ihres Inhalts und Umfangs eine Vertagung der mündlichen Verhandlung nicht erforderlich machte.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 hat daher ebenfalls keinen Bestand.
4. Auch die weiteren, in den Fassungen nach Haupt- und Hilfsanträgen enthaltenen abhängigen Patentansprüche (Patentansprüche 2 und 3 erteilter Fassung nach Hilfsantrag 1 und Patentanspruch 2 erteilter Fassung nach Hilfsantrag 2), welche die Beklagte zudem nicht ausdrücklich verteidigt hat und welche bereits deshalb keiner Sachprüfung bedürfen (siehe Senat Urteil v.
12.3.2013, 4 Ni 13/11 – Dichtungsring), rechtfertigen keine abweichende Bewertung: Denn weder hat die Beklagte geltend gemacht noch ist sonst ersichtlich, dass die zusätzlichen Merkmale dieser Unteransprüche zu einer anderen Beurteilung im Hinblick auf dessen Patentfähigkeit führen. Deshalb war das Streitpatent auch insoweit für nichtig zu erklären (BGH GRUR 2012, 149, 156 (Rn. 96) – Sensoranordnung).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG in Verbindung mit § 709 ZPO.
Engels Dr. Huber Friehe Rippel Dr. Dorfschmidt Pr