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VIII ZR 314/20

BUNDESGERICHTSHOF VIII ZR 314/20 BESCHLUSS vom 2. August 2022 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2022:020822BVIIIZR314.20.0 Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. August 2022 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Fetzer, die Richter Dr. Schneider und Kosziol sowie die Richterinnen Dr. Liebert und Wiegand beschlossen:

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis zu 13.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat die Beklagten auf Räumung und Herausgabe einer Vierzimmerwohnung in Berlin, über die die Parteien im April 2013 einen zunächst bis zum 1. Juli 2016 befristeten und im Juni 2016 bis zum 1. Juli 2018 verlängerten Mietvertrag abgeschlossen hatten, in Anspruch genommen. Die Beklagten haben mit ihrer Hilfswiderklage die Zustimmung der Klägerin zur Verlängerung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit, hilfsweise auf bestimmte Zeit verlangt. Als Grund für die Befristung des Mietverhältnisses gab die Klägerin in § 4 des Mietvertrags an, dass sie die Wohnung nach Ablauf der vereinbarten Mietdauer für sich oder ihre beiden - namentlich benannten - Kinder nutzen sowie wesentliche Veränderungen des Mietobjekts in der Küche und dem Bad nebst einem Mauerdurchbruch durchführen wolle. Die Beklagten gaben die Wohnung zum Ende der Befristung nicht an die Klägerin heraus.

Die Klägerin hat in den Instanzen vorgetragen, ihr erwachsener Sohn M. wolle nach Auszug der Beklagten in die Wohnung einziehen; anlässlich der Nutzung durch den Sohn seien Umbaumaßnahmen notwendig. Die Beklagten haben behauptet, weder habe bei Vertragsschluss eine Umbauabsicht noch ein Nutzungswunsch des Sohns bestanden. Jedenfalls aber sei der Befristungsgrund zum Ende der Befristung nicht mehr vorhanden gewesen mit der Folge, dass gegen die Klägerin ein Anspruch auf Zustimmung zur Verlängerung des Mietverhältnisses bestehe, der im Wege der Hilfswiderklage geltend gemacht werde.

Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Mietvertrag der Parteien enthalte keine wirksame Befristung, weil die Befristungsgründe in § 4 des Mietvertrags nur formelhaft wiedergegeben seien. Zuvor hatte es über die Absicht des Sohns der Klägerin, die Wohnung nutzen zu wollen, Beweis durch dessen Einvernahme als Zeugen erhoben. Nach Zustellung des Urteils kündigte die Klägerin das Mietverhältnis vorsorglich wegen Eigenbedarfs ihres Sohnes M. .

Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung stattgegeben; die Widerklage hat es abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, die Beklagten könnten mit ihrem auch im Berufungsverfahren verfolgten Einwand, der Sohn der Klägerin habe keinen eigenen ernsthaften Wunsch, die Wohnung zu nutzen, angesichts des Inhalts der in erster Instanz protokollierten Zeugenaussage des Sohns der Klägerin nicht durchdringen. Insbesondere zeigten die Beklagten keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage auf, die eine Wiederholung der Beweisaufnahme gebieten würden. Darauf, dass das Amtsgericht sein Urteil nicht auf das gewonnene Beweisergebnis gestützt habe, komme es nicht an, da protokollierte Zeugenaussagen im Rahmen des Urkundenbeweises durch das Berufungsgericht in freier Beweiswürdigung verwertet werden dürften. Danach habe das Berufungsgericht keinen Zweifel an dem Eigennutzungswunsch des Sohns der Klägerin.

Dagegen haben sich die Beklagten mit der vom Senat zugelassenen Revision gewendet und zur Begründung unter anderem vorgetragen, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft den in erster Instanz vom Amtsgericht vernommenen Zeugen M.

nicht erneut als Zeugen gehört.

Die Klägerin hat den Räumungsrechtsstreit mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 16. Mai 2022 für erledigt erklärt; zudem hat sie einer etwaigen Erledigungserklärung der Beklagten in Bezug auf den Widerklageantrag vorsorglich zugestimmt. Dieser Schriftsatz ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zusammen mit einem Hinweis nach § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO zugestellt worden, woraufhin dieser mit Schriftsatz vom 2. Juni 2022 die hilfsweise erhobene Widerklage gleichfalls für erledigt erklärt und ausgeführt hat, der Erledigungserklärung der Klägerseite im Hinblick auf die Räumungsklage werde nicht widersprochen.

II.

Gemäß § 91a ZPO ist über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Danach waren die Kosten gegeneinander aufzuheben, da es nach der gebotenen summarischen Prüfung offen ist, welche Partei im Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre.

1. Die Erledigungserklärungen sind wirksam. Eine Erledigung der Hauptsache kann noch im Revisionsverfahren erklärt werden (BGH, Beschlüsse vom

23. Oktober 2018 - VIII ZR 96/16, juris Rn. 7; vom 14. März 2022 - VIa ZR 3/21 juris Rn. 2; vgl. auch Senatsbeschluss vom 9. Februar 2021 - VIII ZR 346/19, NJW 2021, 1887 Rn. 4; jeweils mwN).

2. In der Sache wäre auf die von der Revision erhobene Rüge, das Berufungsgericht habe mit dem Absehen von einer erneuten Vernehmung des erstinstanzlich bereits vernommenen Zeugen M.

das ihm durch § 398 ZPO eingeräumte Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt, das Berufungsurteil durch den Senat voraussichtlich nach § 562 Abs. 1 ZPO aufgehoben und der Rechtsstreit gemäß § 563 Abs. 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden.

a) Nach § 398 Abs. 1 ZPO ist die erneute Vernehmung eines in erster Instanz vernommenen Zeugen auch dann geboten, wenn der Erstrichter von einer Würdigung der Aussage und einer Erörterung der Glaubwürdigkeit des vernommenen Zeugen abgesehen hat, es jedoch vom Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts betrachtet entscheidungserheblich auf die Verlässlichkeit des Inhalts der Aussage und damit auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen ankommt, die regelmäßig nur durch einen persönlichen Eindruck vermittelt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1999 - III ZR 295/98, NJW-RR 2000, 432 unter II 2 b; Beschluss vom 27. April 2021 - VI ZR 845/20, NJW-RR 2021, 1074 Rn. 9; jeweils mwN; vgl. auch BGH, Urteile vom 23. November 2017 - I ZR 51/16, NJW-RR 2018, 551 Rn. 29; vom 7. Juli 1981 - VI ZR 48/80, NJW 1982, 108 unter II 1 a, b).

b) Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht nach diesen Maßstäben das ihm in § 398 ZPO eingeräumte Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat. Das Berufungsgericht hat einen Räumungsanspruch der Klägerin nach § 546 Abs. 1 BGB mit der Erwägung bejaht, der Grund für die in § 4 des Mietvertrags wirksam vereinbarte Befristung - Eigenbedarf des Sohns der Klägerin - sei auch im Zeitpunkt des Ablaufs der Befristung (noch) vorhanden gewesen

(vgl. § 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 BGB). Die Überzeugung hiervon hat es sich allein aus der Niederschrift über den Inhalt der Aussage des in erster Instanz vernommenen Zeugen M.

verschafft. Danach stehe fest, dass dieser nach Auszug der Beklagten und der Vornahme einiger baulicher Veränderungen in die Wohnung habe einziehen wollen. Obwohl sich das Amtsgericht nicht mit dem Beweisergebnis der Zeugeneinvernahme befasst habe, unterliege deren Inhalt dennoch durch Verwertung des Protokolls der Niederschrift der freien Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Dies trifft nicht zu. Denn das Amtsgericht hat eine Beweiswürdigung nicht vorgenommen und sich infolgedessen auch nicht mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen M.

auseinandergesetzt. Daher wäre das Berufungsgericht gehalten gewesen, sich einen persönlichen Eindruck von dem Zeugen zu verschaffen.

12 c) Die erneute Vernehmung des Zeugen M.

hätte vom Berufungsgericht nach Zurückverweisung der Sache nachgeholt werden müssen,

denn der in sein Wissen gestellte Umstand, ob in seiner Person bei Ablauf der vereinbarten Mietdauer beziehungsweise bei Ausspruch der Kündigung ein ernsthafter Eigennutzungswunsch bestand, wäre entscheidungserheblich gewesen.

Es kann dahinstehen, ob - wozu der Senat neigt - die Parteien im April 2013 ein zeitlich befristetes Mietverhältnis nach § 575 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam abgeschlossen haben und es deshalb darauf angekommen wäre, ob der Zeuge M. am Ende der vereinbarten Frist den ernsthaften Wunsch hatte, die Wohnung zu nutzen (vgl. § 575 Abs. 3 Satz 2 BGB). Denn selbst, wenn es sich nach § 575 Abs. 1 Satz 2 BGB um ein unbefristetes Mietverhältnis gehandelt haben sollte, wäre ein ernsthafter Nutzungswunsch des Zeugen von streitentscheidender Bedeutung gewesen, da die Klägerin das Mietverhältnis nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils vorsorglich wegen Eigenbedarfs ihres Sohnes ordentlich nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB gekündigt hat.

3. Wie der Rechtsstreit vom Berufungsgericht nach der nach allem gemäß

§ 398 ZPO gebotenen erneuten Vernehmung des Zeugen M.

entschieden worden wäre, ist offen. Infolgedessen entspricht es billigem Ermessen,

die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.

Dr. Fetzer Dr. Liebert Dr. Schneider Wiegand Kosziol Vorinstanzen: AG Berlin-Schöneberg, Entscheidung vom 22.05.2019 - 16 C 332/18 LG Berlin, Entscheidung vom 06.10.2020 - 63 S 235/19 -

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