• Suche
  • Impressum

caselaw.de²

  • caselaw.de²

  • Suche
  • Impressum

  • Suche
  • Filter
  • Ergebnis
  • Entscheidung
Entscheidung
Paragraphen
Original
Teilen

VIa ZR 26/24

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIa ZR 26/24 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2025:030925UVIAZR26.24.0 Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. August 2025 durch die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. C. Fischer als Vorsitzende, die Richterin Dr. Brenneisen, die Richter Dr. Ostwaldt und Dr. Tausch sowie die Richterin Pastohr für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 7. Dezember 2023 insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht auch hinsichtlich einer Zahlung von 43.393,28 € nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs, der Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie des hilfsweise begehrten Ersatzes von 15 % des Kaufpreises abzüglich von der Beklagten darzulegender Vorteile nebst Prozesszinsen zum Nachteil des Klägers erkannt hat.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 45.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im Jahr 2017 von einem Händler ein neues Wohnmobil Dethleffs Globebus GT 06. Das von der Beklagten hergestellte Basisfahrzeug Fiat Ducato ist mit einem 2,3-Liter-Dieselmotor des Typs Multijet (Baumusterbezeichnung F1AGL411C, Schadstoffklasse Euro 6) mit einer Leistung von 110 kW ausgerüstet. Für den Typ des Basisfahrzeugs hatte das Ministero delle Infrastrutture e dei Trasporti (MIT) der Republik Italien eine EG-Typgenehmigung erteilt.

Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt die Zahlung von 70.464,28 € (Kaufpreis von 69.700 € und Kosten für nachträgliche Einbauten von 764,28 €) nebst Prozesszinsen abzüglich einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs, die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung entstandener oder entstehender weiterer Schäden, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner dagegen gerichteten Berufung hat der Kläger seine Klageanträge weiterverfolgt. Für den Fall, dass er keinen "großen" Schadensersatz verlangen könne, hat er hilfsweise den Ersatz von 15 % des Kaufpreises abzüglich von der Beklagten darzulegender Vorteile nebst Prozesszinsen begehrt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers im Beschlussweg zurückgewiesen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge zuletzt mit der Maßgabe weiter, dass er wegen der weiteren Nutzung des Fahrzeugs statt eines Betrags von 70.464,28 € lediglich noch einen Betrag von 43.393,28 € nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des erworbenen Fahrzeugs verlangt. Darüber hinaus verfolgt der Kläger nur noch den Antrag auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und den Hilfsantrag auf Ersatz von 15 % des Kaufpreises abzüglich etwaiger von der Beklagten darzulegender Vorteile nebst Prozesszinsen weiter.

Entscheidungsgründe: 5 Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die vom Kläger in erster Linie gestellten Anträge seien unbegründet. Ein Anspruch nach § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bestehe nicht. Selbst wenn die behauptete Abschaltung der Abgasreinigung nach einem Zeitfenster (sogenannter "Timer") und die temperaturgesteuerte Abgasrückführung (sogenanntes "Thermofenster") vorhanden und als unzulässige Abschalteinrichtungen zu qualifizieren seien sowie prüfstandsbezogen arbeiten sollten, scheiterten sämtliche deliktischen Ansprüche daran, dass es an einem Verschulden der Beklagten fehle, weil diese sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden habe. Aufgrund der Zurückweisung der Hauptanträge im Beschlussweg sei der im Berufungsverfahren klageändernd gestellte Hilfsantrag wirkungslos.

II.

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann weder ein Anspruch aus § 826 BGB noch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV verneint werden.

1. Die bislang getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei einem ihr Verschulden ausschließenden unvermeidbaren Verbotsirrtum erlegen.

a) Diese Annahme setzt voraus, dass der Fahrzeughersteller sowohl einen konkreten Rechtsirrtum seiner verfassungsmäßig berufenen Vertreter als auch die Unvermeidbarkeit des Rechtsirrtums mit Blick auf sämtliche für die Prüfung der Zulässigkeit einer Abschalteinrichtung maßgeblichen Einzelheiten konkret darlegt und erforderlichenfalls beweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 63 ff.; Urteil vom 25. September 2023

- VIa ZR 1/23, NJW 2023, 3796 Rn. 13 f.). Insbesondere genügt - wovon das Berufungsgericht allerdings auch nicht ausgegangen ist - für die Entlastung des Herstellers nicht seine Berufung darauf, dass ihm eine EG-Typgenehmigung erteilt wurde oder erteilt worden wäre. Denn eine solche (hypothetische) Genehmigung muss nicht in jedem Fall in Kenntnis sämtlicher für die Prüfung der Zulässigkeit einer Abschalteinrichtung maßgeblichen Einzelheiten erteilt sein. Folglich bedeutet sie nicht zwangsläufig, dass die zuständige Behörde die Einschätzung des Herstellers bezüglich der angeblichen Zulässigkeit der in Rede stehenden Abschalteinrichtung bestätigt hat oder hätte (vgl. EuGH, Urteil vom 1. August 2025 - C-666/23, juris Rn. 79 ff.; BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, aaO Rn. 63 ff.).

b) Die von dem Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen reichen nach diesen rechtlichen Maßstäben für eine Entlastung der Beklagten nicht aus. Zu der Frage, welche konkreten (Fehl-)Vorstellungen die verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten hinsichtlich der genauen Bedatung und Funktionsweise eines im Fahrzeug des Klägers verbauten "Thermofensters" und/oder eines darin implementierten "Timers" sowie der Rechtmäßigkeit der Einrichtungen in ihrer konkreten Ausgestaltung und gegebenenfalls ihrer Kombination hatten, fehlen jegliche Feststellungen.

2. Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen lassen sich Ansprüche aus § 826 BGB auch im Übrigen nicht verneinen.

a) Hat die Genehmigungsbehörde die gerügten Funktionen im Rahmen ihrer Untersuchungen überprüft und nicht als unzulässige Abschalteinrichtungen eingestuft, bleibt zwar kein Raum für die Annahme, der beklagte Hersteller habe eine dieser Funktionen im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit und unter billigender Inkaufnahme des Gesetzesverstoßes implementiert; ebenso scheidet ein Schädigungsvorsatz aus (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2024 - VIa ZR 506/21, juris Rn. 11 mwN). Dass es sich hier so verhielt, ergeben die von dem Berufungsgericht bisher getroffenen Feststellungen jedoch ebenfalls nicht. Das Berufungsgericht hat sich zwar die Überzeugung gebildet, dass das MIT die beanstandeten Funktionen selbst für den Fall ihrer von dem Kläger behaupteten Prüfstandsbezogenheit für zulässig erachte beziehungsweise erachtet habe. Die von dem Berufungsgericht hierfür herangezogenen Indizien erlauben jedoch nicht den ausreichend sicheren Schluss auf eine solche Sicht des MIT (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91, NJW 1993, 935, 938 mwN). Weder die von dem Berufungsgericht in diesem Zusammenhang angeführten Unterlagen noch die von ihm für erheblich erachteten weiteren Umstände weisen einen ausreichenden inhaltlichen Bezug zur etwaigen Prüfstandsbezogenheit der hier gerügten Funktionen und einer auch und gerade darauf bezogenen (damaligen) Beurteilung des MIT auf. Sie sind nicht geeignet, den Einwand des Klägers auszuräumen, die Prüfstandsbezogenheit sei nicht Gegenstand seinerzeit angestellter Untersuchungen von Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) oder MIT gewesen und über eine solche habe das KBA das MIT auch nicht informiert.

b) Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Rechtsauffassung der Beklagten ist eine Haftung nach § 826 BGB aus Rechtsgründen auch nicht bereits deswegen ausgeschlossen, weil feststünde, dass die Beklagte nicht für die etwaige Ausstattung des in dem Fahrzeug verbauten Motors mit unzulässigen Abschalteinrichtungen verantwortlich wäre oder Personen, deren Kenntnis sie sich zurechnen lassen müsste, davon nicht gewusst hätten. Feststellungen des Berufungsgerichts dazu fehlen.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist im tenorierten Umfang aufzuheben, § 562 ZPO, weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023

(VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der bislang lediglich unterstellten Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer deliktischen Haftung der Beklagten zu treffen haben.

C. Fischer Tausch Brenneisen Pastohr Ostwaldt Vorinstanzen:

LG Würzburg, Entscheidung vom 27.06.2022 - 94 O 2154/21 OLG Bamberg, Entscheidung vom 07.12.2023 - 3 U 194/22 - Verkündet am: 3. September 2025 Neumayer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Wir stellen das Dokument etwas schmaler dar, um die Lesbarkeit zu erhöhen.

Bitte nutzen Sie nur das Original für den Druck des Dokuments.

Werbung

Urheber dieses Dokuments ist der Bundesgerichtshof. Nach § 5 UrhG geniessen Entscheidungen und Gesetze keinen urheberrechtlichen Schutz. Auflagen des Gerichts können aber die kommerzielle Verwertung einschränken. In Anlehnung an Creative Commons Lizenzen ist die Nutzung mit einer CC BY-NC-SA 3.0 DE Lizenz vergleichbar. Bitte beachten Sie, dass diese Entscheidung urheberrechtlich geschützte Abbildungen enthalten kann. Vor einer Nutzung - über die reine Wiedergabe der Entscheidung hinaus - sind in solchen Fällen entsprechende Nutzungsrechte bei den jeweiligen Rechteinhabern einzuholen.

▲ Anfang

Paragraphen in VIa ZR 26/24

Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit Paragraph
4 826 BGB
2 823 BGB
2 563 ZPO
1 561 ZPO
1 562 ZPO

Die aufgeführten Paragraphen wurden durch eine ausgeklügelte Software ermittelt.

Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass dabei auch falsche Kombinationen aus Paragraph und Gesetz ermittelt werden können.

Sollte ein Gesetz in Gänze übersehen worden sein, dann teilen Sie uns diesen Umstand bitte mit.

Sortiert nach dem Alphabet
Häufigkeit Paragraph
2 823 BGB
4 826 BGB
1 561 ZPO
1 562 ZPO
2 563 ZPO

Original von VIa ZR 26/24

Der nachfolgende Link führt Sie zum originalen Dokument. Aufgrund der technischen Natur des Internets ist es möglich, dass der Link zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gültig ist. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir nicht alle Links einer ständigen Prüfung unterziehen können.

Öffnen

Bitte nutzen Sie möglichst das Original für den Druck des Dokuments.

Teilen von VIa ZR 26/24

Wenn Sie in einer E-Mail auf diese Entscheidung hinweisen möchten, dann können Sie diese komfortabel erstellen lassen, wenn Ihr Mail-Programm diese Option unterstützt. Alternativ können Sie den nachfolgenden Link in Ihre E-Mails und Webseiten einbauen:

Bitte nutzen Sie den Link in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Google+.

Das ist ein wirksames Mittel um mehr Menschen auf unsere Dienste aufmerksam zu machen.

Eine Dienstleistung von caselaw.de | Diese Datensammlung unterliegt der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 DE | Impressum