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3 Ni 17/11 (EP)

BUNDESPATENTGERICHT Ni 17/11 (EP) (Aktenzeichen)

…

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In der Patentnichtigkeitssache Verkündet am 25. September 2012 Paffrath Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 1 127 032 (DE 699 14 501)

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm sowie des Richters Guth, der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig, des Richters Dipl.-Chem. Dr. Gerster und der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Münzberg für Recht erkannt:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 24. September 1999 beim europäischen Patentamt in der Amtssprache Englisch angemeldeten, die Prioritäten der europäischen Anmeldung EP 98307761 vom 24. September 1998 und der britischen Anmeldungen GB 9916174, GB 9916175, GB 9916176 jeweils vom 9. Juli 1999 in Anspruch nehmenden, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 127 032 B1 (Streitpatent) mit der Bezeichnung „MAN-MADE VITREOUS FIBRE PRODUCTS FOR USE IN THERMAL INSULATION, AND THEIR PRODUCTION“ (Synthetische Glasfaserprodukte für Wärmeisolierung und deren Herstellung), das vom deutschen Patentamt unter der Nummer 699 14 501 geführt wird.

Das Streitpatent, das mit Hauptantrag in vollem Umfang und drei Hilfsanträgen beschränkt verteidigt wird, umfasst 33 Patentansprüche.

Die nebengeordneten Patentansprüche 1, 15 und 20 lauten in deutscher Übersetzung:

„1. Wärmeisolierprodukt umfassend ein im Luftstrom gelegtes, künstliches, glasartiges Fasermaterial, in dem Graphit im Wesentlichen homogen verteilt ist und die Graphitteilchen in dem künstlichen, glasartigen Fasermaterial gehalten werden, indem sie durch ein organisches Bindemittel an die Oberflächen der künstlichen, glasartigen Fasern gebunden sind.

15. Verwendung eines Produkts nach Anspruch 1 als Wärmeisolierprodukt, vorzugsweise bei einer Temperatur von -80 bis 800°C.

20. Verfahren zur Herstellung eines Produktes nach Anspruch 1 oder Anspruch 2, umfassend die Bildung einer Wolke aus künstlichen, glasartigen Fasern, die von Luft mitgeführt werden, durch Zerfasern einer mineralischen Schmelze in einen Luftstrom, Einschließen eines organischen Bindemittels und von Graphit in einem Teil oder in der ganzen Faserwolke, das Im-Luftstrom-Legen der Fasern und von Graphit auf eine Sammelvorrichtung als Bahn und das Umwandeln der Bahn in ein Vlies.“

Die auf Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 14, 30 und 31, die auf die Patentansprüche 1 und 15 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Patentansprüche 16 bis 19 und 32 sowie die auf Patentanspruch 20 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Patentansprüche 21 bis 29 und 33 betreffen besondere Ausgestaltungen des patentgegenständlichen Wäremisolierproduktes, dessen Verwendung oder dessen Herstellungsverfahrens. Hinsichtlich des Wortlauts dieser Ansprüche wird auf die Patentschrift EP 1 127 032 B1 verwiesen.

Die Klägerin greift das Streitpatent in vollem Umfang an und macht den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend. Sie stützt ihr Vorbringen auf folgende Druckschriften:

D1: D1A: D2: D3: D4: D5: D6: D6A: D7: D8: D9: D10: D11:

D12:

D13: D14:

FR 842 585 A Übersetzung der FR 842 585 A WO 92/04301 A1 US-A-5 244 722 US-A-2 809 397 US-A-3 793 204 SU 367 062 A Übersetzung der SU 367 062 A DE 42 15 468 C2 DE 199 11 559 A1 US 2 225 009 DE 39 28 018 A1 Auszug aus Holleman-Wiberg: „Lehrbuch der Anorganischen Chemie", Walter De Gruyter & Co, Berlin 1971, S. 451 Auszug aus Max Schmidt: „Anorganische Chemie" Band 1, Bibliographisches Institut AG, Mannheim, 1967, S. 234 EP 0 620 246 A1 Prioritätsdokument EP 98 307 761 vom 24. September 1998 Die Klägerin ist der Ansicht, die Gegenstände der Patentansprüche 1, 2, 4 bis 12, 15 bis 21, 24 und 30 bis 33 seien vor dem Hintergrund des nachgewiesenen Standes der Technik, nämlich D1, D2, D3, D5, D8 und D9 nicht neu. Die Gegenstände der Patentansprüche 1, 15 und 20 beruhten außerdem nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Sie seien insbesondere von der Kombination der Entgegenhaltungen D2 und D5 oder von D2 in Verbindung mit dem in D5, D7 und D13 dokumentierten allgemeinen Fachwissen nahegelegt. Dies gelte auch für die übrigen Patentansprüche, deren weitere Merkmale lediglich im Belieben des Fachmanns liegende Selbstverständlichkeiten darstellten.

Die Klägerin stellt den Antrag,

das europäische Patent 1 127 032 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 3 gemäß Schriftsatz vom 12. September 2012 erhält.

In Patentanspruch 1 aller Hilfsanträge wird die Obergrenze der Produktdichte mit „von nicht mehr als 120 kg/m3“ definiert. Hilfsantrag 2 enthält in Patentanspruch 1 zusätzlich das Merkmal, dass die Maximalmenge an Graphit 7 Gew.% beträgt und die Patentansprüche 11 und 21 werden gestrichen. Hilfsantrag 3 enthält in Patentanspruch 1 darüber hinaus das Merkmal, dass die Obergrenze der BET-Oberfläche der Graphitteilchen nicht mehr als 40 m2/g beträgt.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und verweist auf folgende Dokumente:

B1 EP 1 127 032 B1 B2 Bescheid der Einspruchsabteilung des europäischen Patentamts vom 15. September 2009 betreffend Anmeldungsnummer/Patentnummer 99947421.6 – 1218 / 1127032 B3 Einstellungsentscheidung über das Einspruchsverfahren nach Rücknahme des Einspruchs betreffend Anmeldungsnummer/Patentnummer 99947421.6 – 1218 / 1127032 vom 19. Januar 2010 B4 Atul Dahiya et al, Dry-Laid Nonwovens, updated April 2004, Internetausdruck vom 21. September 2011 B5 Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 4. Aufl., Band 14, Verlag Chemie, Weinheim 1977, S: 595 bis 596 Entscheidungsgründe I.

Die auf den Nichtigkeitsgrund mangelnder Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit a EPÜ) gestützte Klage ist zulässig. Sie erweist sich jedoch nicht als begründet.

1. Das Streitpatent betrifft Wärmeisolationsprodukte auf Basis von künstlichen glasartigen Fasern (MMVF), die auf einfache Weise modifiziert sind, um eine verbesserte Wärmeisolierung zu ergeben, wie durch einen reduzierten λ-Wert angezeigt wird.

Es ist bekannt, dass MMVF-Produkte in Abhängigkeit von ihrem beabsichtigten Einsatz allgemein entweder durch nasses Legen oder im Luftstrom Legen hergestellt werden können. Das nasse Legen wird für Produkte verwendet, die eine hohe Baufestigkeit und hohe Dichte aufweisen sollen. Dies beinhaltet das Bilden einer Aufschlämmung in Wasser von MMVF zusammen mit verschiedenen Additiven und Formen der Aufschlämmung zu der gewünschten Gestalt. Derartige Produkte haben typischerweise eine Dichte von über 400 und häufig über 750 kg/m3. Für die herkömmliche Wärmeisolierung, z.B. bei Wänden und Dächern von Bauwerken, sind dichte Produkte dieser Typen im allgemeinen unzweckmäßig. Es werden stattdessen im Luftstrom gelegte MMVF-Vliese mit niedriger Dichte verwendet. Diese werden durch im Luftstrom gelegte MMVF-Fasern als Bahn und Umwandeln der Bahn zu einem Vlies, z. B. durch eine Kombination von kreuzweisem Aufeinanderlegen, Komprimieren und Härten des Bindemittels in der Bahn, hergestellt. Typische Wärmeisoliermaterialien dieses Typs haben Dichten von 10 bis 300 kg/m3, gewöhnlich unter 180 kg/m3. Die Wärmeleitfähigkeit hängt von einer Reihe von Faktoren ab, einschließlich der chemischen Zusammensetzung der Faser, des Bereichs der Fasergrößen, des Umfangs an Teilchen mit Übergröße und der Dichte des Vlieses.

Es hat verschiedene Vorschläge gegeben, um die Wärmeleitfähigkeit oder den λWert irgendeines bestimmten MMVF-Vlieses durch Aufnahme von verschiedenen Additiven in das Vlies zu verbessern. Schon 1937 ist vorgeschlagen worden, die Isoliereigenschaften von Glasfilamenten oder Silicat-, Mineral- oder Schlackenfilamenten in Form einer Wolle durch Aufnahme einer pulvrigen Substanz, die die Filamente umgibt und die Räume zwischen ihnen vollständig oder teilweise füllt, zu verbessern. Die Reduzierung der Wärmeleitfähigkeit bei hohen Temperaturen durch Einblasen von Additiven, wie Silizium, Germanium, Ruß oder faserartigem Kaliumtitanat wurde bereits angestrebt. Diese Vorschläge haben sich technisch oder wirtschaftlich nicht bewährt. Auch werden Glaswollplatten produziert, die im Vakuum eingebettet werden. Diese enthalten ein sehr kleinteiliges Material, wie pyrogene und gefällte Kieselsäure, andere Kieselsäuren oder Graphit. Es ist auch bekannt, Graphitfasern, die mit organischen Fasern gemischt sind, oder Graphit enthaltende organische Fasern in verschiedene Strukturen aufzunehmen, um die mechanischen Eigenschaften zu verbessern. All dies steht aber nicht in Beziehung zur Verbesserung der Wärmeisoliereigenschaften einer im Luftstrom gelegten MMVF-Wärmeisolierung (vgl. Streitpatent DE 699 14 501 T2 Abs. [0001, 0002, 0003,0008, 0009, 0010, 0011, 0012 und 0013]).

Davon ausgehend liegt dem Streitpatent die objektive Aufgabe zugrunde, luftgelegte Fasermaterialien mit verbesserten Wärmeisoliereigenschaften, d. h. verringerter Wärmeleitfähigkeit ausgedrückt als λ-Wert bereitzustellen (vgl Streitpatent Abs. [0001, 0013])

2. Diese Aufgabe wird durch das Wärmeisolierprodukt nach Patentanspruch 1 mit folgenden Merkmalen gelöst:

(M1) Wärmeisolierprodukt umfassend ein künstliches, glasartiges Fasermaterial, bei dem

(M2) das künstliche, glasartige Fasermaterial in einem Luftstrom gelegt worden ist,

(M3) und in dem künstlichen, glasartigen Fasermaterial Graphit im Wesentlichen homogen verteilt ist,

(M4)

sowie die Graphitteilchen in dem künstlichen, glasartigen Fasermaterial gehalten werden, indem sie durch ein organisches Bindemittel an die Oberflächen der künstlichen, glasartigen Fasern gebunden sind.

3. Zuständiger Fachmann ist ein Team aus einem Ingenieur, der über mehrjährige Industrieerfahrung bei der Herstellung von Dämmmaterialien verfügt und einem Diplomchemiker, der sich mit Mineralfasern, Bindemitteln und Additiven auskennt.

4. Der erteilte und weiterhin geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag geht auf die ursprünglichen Ansprüche 1 und 10 i. V. m. S. 5 Z. 30 bis 32 der Erstunterlagen (WO 00/017120 A1) zurück. Die Patentansprüche 2 bis 31 sind aus den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 9 und 11 bis 32 ableitbar. Die Ansprüche 32 und 33 basieren auf dem ursprünglichen Anspruch 31. Die Anspruchsfassung ist daher aus den ursprünglichen Unterlagen ableitbar, was auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt wurde.

5. Die Prüfung der Patentfähigkeit erfordert regelmäßig eine Auslegung des Patentanspruchs, bei der dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag,

den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen sind. Die Bestimmung des Sinngehalts eines einzelnen Merkmals muss stets in diesem Kontext erfolgen, aus dem sich ergeben kann, dass dem Merkmal eine andere Bedeutung zukommt als einem entsprechenden Merkmal in einer zum Stand der Technik gehörenden Entgegenhaltung. Denn für das Verständnis entscheidend ist die Funktion, die das einzelne technische Merkmal für sich und im Zusammenhang mit den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs bei der Herbeiführung des erfindungsgemäßen Erfolgs hat (BGH Urteil vom 17. Jul 2012 – X R 117/11, Rdn. 27 – Polymerschaum m. w. N., veröffentlicht in juris).

Das Merkmal (M2), wonach das künstliche, glasartige Fasermaterial in einem Luftstrom gelegt worden ist, ist als Verfahrensmerkmal zur Kennzeichnung eines Erzeugnisses geeignet, sofern sich aus dem angegebenen Herstellungsweg durch diesen bedingte Merkmale des daraus hergestellten Erzeugnisses ergeben, die das Erzeugnis als anspruchsgemäß qualifizieren (vgl BGH GRUR 2001, 1129 – zipfelfreies Stahlband). Dies ist hier der Fall. Denn, wie aus der Beschreibungseinleitung hervorgeht, sind zur Herstellung von MMVF-Produkten zwei prinzipielle Herstellungswege, nämlich nasses Legen oder Legen im Luftstrom bekannt, die Produkte insbesondere unterschiedlicher Dichte liefern, wobei die luftgelegten Produkte durch ihre niedrigere Dichte zur Wärmeisolierung von Bauwerken geeigneter sind (vgl. Streitpatent Abs. [0002] und [0008]). Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist dieses Merkmal daher nicht als unbeachtlich aufzufassen, sondern als kennzeichnendes Merkmal der vom Patentanspruch 1 des Hauptantrags umfassten Wärmeisolierprodukte, das zur Abgrenzung der Wärmeisolierprodukts gegenüber dem Stand der Technik herangezogen werden kann. Des Weiteren weist das Wärmeisolierprodukt gemäß Patentanspruch 1 des Hauptantrags nach Merkmal (M3) Graphit auf. In der Patentschrift ist angegeben, was unter dem Begriff Graphit zu verstehen ist. Demnach wird zwar natürlicher und synthetischer Graphit umfasst, aber Ruß, auch durch Pyrolyse erhalten, der in Wirklichkeit Aggregate winziger Graphitkristalle darstellt (vgl. D12), oder andere amorphe Formen oder verkohltes organisches Material fallen nicht unter diese Begriffsbestimmung (Streitpatent Abs. [0025]). Der Auffassung der Klägerin, dass der Begriff „Graphit“ so auszulegen sei, dass jeglicher Kohlenstoff, der nicht Diamant ist, als Graphit zu betrachten sei, kann damit nicht gefolgt werden. Die Begriffsbestimmung im Streitpatent ist maßgeblich, denn in Patentschriften stellen die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar (vgl BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube).

6. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Hauptantrags ist neu.

D2 beschreibt ein Wärmeisolationsmaterial umfassend eine Faserplatte einer Dichte von 128 bis 449 kg/m3 bei dem ein teilchenförmiges Material in den Zwischenräumen der Platte eingelagert ist. Dieses teilchenförmige Material kann Graphit sein. Das Fasergebilde wird durch Legen im Luftstrom hergestellt, worauf auch die Dichte hinweist, die mit der im Streitpatent angegeben Dichte von 10 bis 300 kg/m3 für luftgelegte Fasermaterialien überlappt (Anspruch 1, S. 1 Abs. 1, S. 3 Z. 20 bis 27, S. 5 Z. 26 bis 29 und S. 7 Z. 24 bis 30 i. V. m. Fig. 4). Das Wärmeisolationsmaterial enthält aber kein Bindemittel (Anspruch 1). Die Figur 1 veranschaulicht neben der Angabe im Anspruch 1, dass kein Bindemittel auf den Fasern aufgebracht ist, dass das teilchenförmige Material in den Zwischenräumen (Hohlräumen) des Fasergebildes vorliegt, und nicht an den Fasern anhaftet. Auch in der Beschreibung wird nicht darauf hingewiesen, dass ein Bindemittel vorhanden sein könnte. Auf S. 6 Z. 12 bis 16 wird erläutert, dass es sehr wünschenswert sei, dass die Glasfasern sauber sind und kein Bindemittel, insbesondere kein organisches Bindemittel, enthalten sollen. Dies bedeutet im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin nicht, dass bei D2 auch ein Fasermaterial mit einem Bindemittel verwirklicht werden soll. Das Merkmal (M4) ist damit bei D2 nicht erfüllt.

D1 betrifft ein poröses Fasergebilde, bestehend aus auf Silicaten basierenden Fasern (Glasfasern), bei dem auf den Fasern ein organisches Bindemittel aufgebracht wird, das anschließend teilweise oder vollständig in Kohlenstoff überführt wird (Ansprüche 1 und 4). Graphit wird in D1 als Form des Kohlenstoffs nicht erwähnt. Damit ist jedenfalls das Merkmal (M3) nicht erfüllt. Außerdem ist nicht angegeben auf welche Weise das Fasergebilde hergestellt wird. Auch Dichteanga- ben oder ähnliches finden sich nicht. Bevorzugt werden aber bei D1 die Fasern parallel zueinander in den jeweiligen Richtungen des Gebildes angeordnet (D1a: S. 6 Z. 26 bis 28), was gegen die Verwirklichung des Merkmals (M2) in D1 spricht. Die in einer Form vorliegende Mineralwolle der D3 ist zwar mit einem Binder stabilisiert und kann Graphit enthalten (Anspruch 1 i. V. m. Sp. 2 Z. 42 bis 46). Diese wird aber nicht luftgelegt, sondern im Nassgussverfahren (molded casting) hergestellt, was vom Gegenstand des Anspruchs 1 abweichende Eigenschaften bedingt. Das Merkmal (M2) ist damit bei D3 jedenfalls nicht erfüllt. Das Wärmeisolationsmaterial der D5 enthält zwar zufällig angeordnete Fasern, die mit einem Bindemittel verbunden sind und in das Graphitflocken eingebracht sind. Das Material wird aber in einem Vakuum-Nassverfahren hergestellt, womit jedenfalls Merkmal (M2) nicht erfüllt ist. Auch sind die Fasern der D5 aus Kohlenstoff gewonnene Fasern oder refraktäre Fasern, die künstliche glasartige Fasern gemäß Anspruch 1 nicht umfassen (Sp. 2 Z. 32 bis 50 i. V. m. Anspruch 1). D8 beschreibt Mineralwollebahnen mit organischem Bindemittel und Graphit als eingelagerte athermane Partikel (Anspruch 1, Sp. 1 Z. 25 bis 47). Das Merkmal (M2), d. h. das künstliches glasartiges Fasermaterial in einem Luftstrom gelegt worden ist, ist aber nicht verwirklicht. Gemäß D9 werden Glasfasern mit aus organischen Klebstoffen gebildeten Kohlenstoff gebunden. Graphit wird dabei nicht erwähnt (Anspruch 1, S. 1 li. Sp. Z. 47 bis 52).

Die weiteren Entgegenhaltungen liegen vom Gegenstand des Anspruchs 1 weiter entfernt. D4 betrifft eine selbstschmierende Abdichtung mit Asbestfasern und einem feinteiligen Abrasiv (Anspruch 1). Aus D6 geht eine Schlichte für Glasfasern auf Basis einer wässrigen Emulsion mit Kolloidgraphit und Polymethylphenylsiloxan hervor (D6a Anspruch 1). Aus D7 sind Verbunddämmstoffkörper bekannt, die aus einem bekannten anorganischen oder organischen Dämmstoff, beispielsweise einer Glas- oder Steinfasermatte, durch Umschäumen mit einer Suspension aus Alkaliwasserglas, mineralischen Füllstoffen und einem Treibmittel hergestellt werden, wobei als mineralischer Füllstoff unter anderem Graphit eingesetzt werden kann (Ansprüche 1, 4 und 5). D10 beschreibt Flächenelemente aus Glaswolle mit Streifen aus mit Graphit getränktem Glasfaservlies (Sp. 3 Z. 49 bis 56). D13 offen- bart Formkörper aus Polystyrol-Hartschaum. D11 und D12 betreffen Auszüge aus Lehrbüchern für anorganische Chemie.

7. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Hauptantrags beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Dem Streitpatent liegt, wie vorstehend ausgeführt, die Aufgabe zu Grunde, die Wärmeisoliereigenschaften von im Luftstrom gelegten MMVF-Wärmeisolierungen zu verbessern. Zur Lösung der Aufgabe geht der Fachmann von bekannten luftgelegten Wärmeisolierprodukten aus. D2 beschreibt als einzige Entgegenhaltung luftgelegte Wärmeisolierprodukte und stellt damit für den Fachmann den Ausgangspunkt zur Lösung der Aufgabe dar. Wie vorstehend dargelegt, sind aus D2 Produkte bekannt, die in einem luftgelegten glasartigen Fasermaterial 5 bis 40 Gew.-% eines teilchenförmigen Materials in den Zwischenräumen der Faserplatte enthalten. Diese Produkte weisen kein organisches Bindemittel auf, sondern das bevorzugt als teilchenförmiges Material eingesetzte Siliziumdioxid, insbesondere amorphe Siliziumdioxid, wirkt dabei als eine Art Bindemittel, das die Glasfasern in der plattenartigen Struktur zusammenhält (Ansprüche 1, 4 und 6 i. V. m. S. 4 Z. 4 bis 7 und S. 6 Z. 3 bis Z. 25). Zwischen den Fasern befinden sich große Abstände und Hohlräume, die mit teilchenförmigem Material gefüllt sind, wobei auf den Fasern nur wenige Teilchen vorliegen (Fig. 2 i. V. m. S. 6 Z. 3 bis 11). Die Angabe in D2, dass die Glasfasern insbesondere kein organisches Bindemittel enthalten sollen, da dadurch ein Ausgasen von organischem Material im Vakuum vermieden wird, kann daher im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin nicht so verstanden werden, dass das Produkt gemäß D2 nur bevorzugt kein organisches Bindemittel enthält (S. 6 Z. 13 bis 25). Auch aus dem Herstellungsverfahren der bekannten Produkte lässt sich die Verwendung eines organischen Lösungsmittels nicht entnehmen. Denn dabei wird während des Luftlegeverfahrens der Glasfasern eine wässrige Suspension von Siliziumdioxidteilchen auf die nach unten sich bewegenden Glasfasern aufgesprüht, wobei in der heißen Umgebung die Flüssigkeit der Suspension verdampft, bis die Fasern das Sammelband erreicht haben (S. 7 Z. 31 bis S. 8 Z. 8 i. V. m. Fig. 4). Neben Siliziumdioxid wird in D2 zwar auf Graphit als teilchenförmiges Material hingewiesen (S. 5 Z. 26 bis 29). Aber auch in Zusammenhang mit Graphit findet sich in D2 kein Hinweis, dass ein Bindemittel eingesetzt werden soll. Die Füllung stellt gemäß D2 jedenfalls unabhängig davon ob bevorzugt Siliziumdioxid oder Graphit eingesetzt wird, eine gute Barriere gegen den Wärmeübergang durch Wärmeleitung von Gasen dar (S. 3 Z. 28 bis 30). Mit diesem Material wird also bereits eine dem Streitpatent vergleichbare Aufgabe gelöst, nämlich u. a. die Wärmeisoliereigenschaften von luftgelegten Wärmeisolierprodukten auf Glasfaserbasis zu verbessern (S. 3 Abs. 2). Einen Hinweis die Aufgabe gemäß den Merkmalen des Anspruchs 1 des Hauptantrags zu lösen, nämlich Graphit als teilchenförmiges Material auszuwählen und dieses dann mit einem organischen Bindemittel auf das Fasermaterial aufzubringen, kann aber der Fachmann D2 nicht entnehmen. Bei D2 wird im Gegenteil nicht nur kein organisches Bindemittel verwendet, sondern ausdrücklich davon abgeraten, ein Bindemittel, insbesondere ein organisches Bindemittel zu verwenden. Denn die eingebrachten Teilchen, hier Siliciumdioxidpartikel, wirken bereits als Bindemittel, das die Glasfasern zusammenhält (S. 6 Z. 12 bis 20).

Der Fachmann erhält auch aus D5 keine Anregung, ausgehend von D2 nunmehr ein organisches Bindemittel zur Bindung von Graphitteilchen an die Oberflächen der künstlichen, glasartigen Fasern zu verwenden. Denn die D5 betrifft, wie vorstehend dargelegt, ein Faserisolationsmaterial durch Formung aus Kohlenstoff gewonnener Fasern oder refraktärer Fasern mit Graphitplättchen und Stärke, bei dem die Graphitplättchen orthogonal zur Richtung des Wärmeflusses durch das Formmaterial orientiert sind (Anspruch 1, Abstract, Sp. 2 Z. 1 bis 10). Die VakuumFormung eines Slurry erfolgt dabei in einer Form und die Stärke wird dann in inerter Atmosphäre verkohlt (carbonize) (Anspruch 4, Beispiel). Mit diesem Material wird die Aufgabe gelöst, ein verbessertes Faserisolationsmaterial bereitzustellen, bei dem der Wärmedurchgang durch das Material bei reduzierter Wärmeleitfähigkeit verringert ist, wenn das Material Temperaturen oberhalb von 1000 F (540°C) ausgesetzt wird (Sp. 1 Z. 63 bis Sp. 2 Z. 1). D5 kann den Fachmann in Zusammenschau mit D2 höchstens dazu anregen, unter den Füllmaterialen Graphit als den Wärmedurchgang verringerndes Material auszuwählen und damit auch ein Material niedriger Dichte bereitzustellen (Sp. 4 Z. 20 bis 35). Eine Anregung oder einen Anlass, die streitpatentgemäße Aufgabe durch den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents gemäß Hauptantrag ausgehend von D2 zu lösen, nämlich ein Produkt bereitzustellen, bei dem Graphit durch ein organisches Bindemittel an die Oberflächen der luftgelegten, künstlichen, glasartigen Fasern gebunden ist, kann daher D5 nicht liefern, da D5 ausschließlich nassgeformte Produkte mit vom Streitpatent verschiedener Zielrichtung beschreibt.

Eine Betrachtungsweise der, dass nämlich der Fachmann von D5 ausgeht und in Zusammenschau mit D2 die Aufgabe löst, kann bereits deshalb nicht durchgreifen, da der Fachmann zur Lösung der Aufgabe sich zunächst mit dem Nächstliegenden befasst, nämlich einem Wärmeisoliermaterial auf Basis luftgelegter glasartiger Fasermaterialien und nicht einem in einem Nassformverfahren hergestellten Wärmeisoliermaterial auf der Basis von Kohlenstofffasern bzw refraktären Fasern für Hochtemperaturanwendungen (vgl BGH GRUR 2010, 607 – Fettsäurezusammensetzung).

Auch die Zusammenschau von D2 mit den Druckschriften D7 und D13 kann den Gegenstand des Anspruchs nicht nahelegen. Denn D7 betrifft zunächst keine luftgelegten Wärmeisolierprodukte sondern geschäumte Verbunddämmstoffe, die aus einer Vielzahl von Dämmstoffen hergestellt werden können. Nach der Tabelle 1 zählen dabei auch Glasfasern ohne Bindemittel und daraus gebildete Platten mit Bindemittel als Ausgangsmaterialien dazu. Mit Graphit als mineralischer Füllstoff kann durch Aufschäumen eines Gemisches mit Alkaliwasserglas ein anorganischer Dämmstoff niedriger Rohdichte und damit günstiger Wärmeleitzahl und äußerst hoher Hitzebeständigkeit gebildet werden (S. 5 Z. 17 bis 20). D13 betrifft Formkörper aus Polystyrol-Hartschaum, die mit einem athermanen Material versehen sind. Als athermane Materialien werden dabei eine Reihe Infrarotstrahlen absorbierende Materialien aufgezählt, unter anderem Nichtmetalloxide, wie Siliziumdioxid, und Graphit (Anspruch 1 i. V. m. Sp. 3 Z. 26 bis 32). D7 und D13 belegen damit lediglich, dass Graphit als Infrarotstrahlen absorbierendes Material für die Anwendung in Wärmeisolierprodukten geeignet ist. Diese Druckschriften kön- nen aber den Fachmann nicht dazu anregen, zur Lösung der Aufgabe in Zusammenschau mit D2 gemäß Streitpatent Graphitteilchen in einem luftgelegten, künstlichen, glasartigen Fasermaterial durch ein organisches Bindemittel an die Oberflächen dieser Fasern zu binden.

Auch das Einbeziehen der weiteren Druckschriften kann in Zusammenschau mit D2 den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahelegen. Daraus ergeben sich keine zusätzlichen Anhaltspunkte, die den Fachmann zur Lösung der Aufgabe gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags anregen könnten. Diese wurden in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr in Betracht gezogen.

8. Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag hat daher Bestand. Mit ihm haben die darauf mittelbar und unmittelbar rückbezogenen Ansprüche 2 bis 14, 30 und 31, die vorteilhafte Ausführungsformen des Wärmeisolierprodukts des Patentanspruchs 1 betreffen, ebenfalls Bestand.

9. Der nebengeordnete Anspruch 15 ist auf die Verwendung des Wärmeisolierprodukts nach Anspruch 1 und der nebengeordnete Anspruch 20 ist auf das Verfahren zur Herstellung des Wärmeisolierprodukts nach Anspruch 1 gerichtet. Bezüglich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gelten für diese Ansprüche die oben für den Anspruch 1 dargelegten Gesichtspunkte gleichermaßen, sodass auch diese Ansprüche Bestand haben. Mit diesen Ansprüchen haben die mittelbar und unmittelbar auf den Anspruch 15 rückbezogenen Ansprüche 16 bis 19 und 32 sowie die auf Anspruch 20 mittelbar und unmittelbar rückbezogenen Ansprüche 21 bis 29 und 33, die besondere Ausgestaltungen der Verwendung nach Anspruch 5 und des Verfahrens nach Anspruch 20 betreffen, ebenfalls Bestand.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Schramm Guth Dr. Proksch-Ledig Dr. Gerster Dr. Münzberg Pr

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