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2 StR 71/25

BUNDESGERICHTSHOF StR 71/25 BESCHLUSS vom 24. April 2025 in der Strafsache gegen

1. 2.

wegen Raubes u.a.

ECLI:DE:BGH:2025:240425B2STR71.25.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 24. April 2025 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. September 2024 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe: 1 Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren (Angeklagter B.) bzw. einem Jahr und zehn Monaten (Angeklagter S.), jeweils unter Strafaussetzung zur Bewährung, verurteilt und bei dem Angeklagten B. die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 500 Euro angeordnet. Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Rechtsmittel haben bereits mit der Sachrüge Erfolg; auf die erhobenen Verfahrensbeanstandungen kommt es danach nicht mehr an. 2 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der geschädigte Zeuge M. vormals in dem von dem Angeklagten B. mitgeführten Umzugsunternehmen gearbeitet und in einem Monat Lohnfortzahlung erhalten, obwohl er aus Sicht von B. arbeitsfähig war. Aus diesem Grund hatte B. in der Vergangenheit M. mehrfach vergeblich aufgefordert, ihm „sein Geld zurückzugeben“, und diesen auch beleidigt. Der Geschädigte hatte eine Rückzahlung wiederholt abgelehnt und schließlich die Telefonnummer von B. blockiert.

Am 9. Juli 2023 gegen 20.00 Uhr trafen M. und der Zeuge R. in der F. Innenstadt zufällig auf die beiden Angeklagten. B. beschimpfte M. und schlug ihm mit der flachen Hand auf die linke Wange. R. ging dazwischen und hielt B. fest. Auf Vorschlag des R. begaben sich die vier Personen in eine Seitengasse. Dort beleidigte B. den Geschädigten weiter und schlug erneut auf diesen ein. Der Angeklagte S. „trat den Handlungen des Angeklagten B. bei und begann ebenfalls auf den Geschädigten einzuschlagen“. Dabei schlugen beide Angeklagte sowohl mit ihren Fäusten als auch mit der flachen Hand auf den Kopf- und Nackenbereich des Geschädigten. Als eine Frau rief, ließen die Angeklagten von ihrem Opfer ab und liefen davon.

Spätestens jetzt fiel dem Geschädigten auf, dass sein linkes Ohr blutete. An der Ohrmuschel befand sich ein circa ein Zentimeter großer Schnitt, der durch einen von einem der Angeklagten geführten scharfkantigen Gegenstand hervorgerufen worden war. Nachdem Polizei und Krankenwagen eingetroffen waren, wurde der Geschädigte von einem Sanitäter nach seinen Papieren gefragt. Als er in seine Gesäßtasche griff, bemerkte er, dass sein Portemonnaie fehlte. Die Angeklagten hatten ihm „unter Einwirkung ihrer Schläge unbemerkt das Portemonnaie entwendet, das Geld an sich genommen um die vermeintliche Forderung des B. auszugleichen, und das Portemonnaie mit den dort aufbewahrten Karten an einem anderen Ort in der Öffentlichkeit zurückgelassen“. Das Portemonnaie wurde dem Geschädigten nach zwei bis drei Wochen samt den darin befindlichen Karten zugesendet, die zuvor ebenfalls enthaltenen 500 Euro fehlten.

Das Landgericht ist zum Beleg eines mittäterschaftlichen Raubvorsatzes „jedenfalls davon aus(gegangen), dass einer der beiden Angeklagten die Fortwirkung der Gewaltanwendung zu der Wegnahme ausnutzte“. Zudem hat sich die Strafkammer davon „überzeugt, dass der andere Angeklagte die Wegnahme billigte und der Angeklagte B., der sich auf einen Anspruch gegenüber dem Geschädigten berief, sich das Geld aneignete“.

2. Die Verurteilung der Angeklagten hat keinen Bestand; die Beweiswürdigung erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft.

a) Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder einen gesicherten Erfahrungssatz verstößt. Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit des Richters setzt aber auch objektive Grundlagen voraus. Diese müssen aus rationalen Gründen den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung daher auch, wenn die vom Tatrichter gezogenen Schlussfolgerungen sich so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie nur noch einen Verdacht zu begründen vermögen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Mai 2024 – 4 StR 138/22, NJW 2024, 2856, 2857 Rn. 13, und vom 19. November 2024 – 2 StR 414/23, Rn. 13, jew. mwN).

b) Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe nicht.

aa) Zunächst erfährt die Annahme eines mittäterschaftlichen Raubvorsatzes der Angeklagten während der Tatausführung keinerlei Beleg; sie bleibt eine bloße Vermutung. Sollte B., was nach den Feststellungen möglich ist, das Portemonnaie an sich genommen haben, erschließt sich nicht, warum S. diese Tathandlung gebilligt haben sollte. Denn er entschloss sich nach den Feststellungen spontan, durch Gewaltanwendung auf den Geschädigten einzuwirken, um B. bei der Durchsetzung dessen vermeintlichen Anspruchs zu helfen. Danach war die Tathandlung darauf gerichtet, den Geschädigten zu einer künftigen Zahlung zu veranlassen. Ein Raubvorsatz ist damit nicht belegt. Dies gilt umso mehr, als nicht festgestellt ist, dass S. eine vom Geschädigten nicht bemerkte Wegnahme durch B. seinerseits wahrnahm. Gleiches gilt – bezogen auf B. – für den Fall, dass S. das Portemonnaie an sich genommen haben sollte.

Ohne nähere Erläuterung erschließt sich auch nicht, wann und weshalb der zunächst dargestellte Nötigungsvorsatz in einen Raubvorsatz umgeschlagen sein soll, zumal nicht erkennbar ist, dass einer der Angeklagten angesichts des von der Strafkammer angenommenen zufälligen Zusammentreffens mit dem Geschädigten davon Kenntnis gehabt haben könnte, dass ihr Opfer am Tattag ausnahmsweise 500 Euro bei sich führte.

bb) Eine Wegnahme durch die Angeklagten ist ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei belegt.

(1) Das Landgericht hat seine entsprechende Überzeugung darauf gestützt, „dass das Portemonnaie nach dem Einschlagen der Angeklagten auf den Geschädigten fehlte, später ihm aber ohne Geld zurückgesandt wurde“. Dies spreche dafür, „dass es die Angeklagten waren, die dem Geschädigten das Geld entwendeten, das Portemonnaie in die Straße warfen und jemand anderes es fand und die Rücksendung zum Geschädigten veranlasste“. Dies sei „naheliegend“. Alternative Möglichkeiten seien „fernliegend“. Dies gelte für einen Taschendiebstahl unmittelbar vor der Tat. Soweit dem Geschädigten das Portemonnaie während der Gewaltanwendung aus der Tasche gefallen sein könnte, hätte es noch am Tatort liegen müssen. Es sei auch „fernliegend“, dass eine dritte Person im letzten Fall das Portemonnaie gefunden habe, das Geld an sich genommen und dieses in einen Briefkasten geworfen habe, damit es dem Geschädigten zugesendet werde. Ebenso sei es „unwahrscheinlich“, dass die potentielle Person das Geld an sich genommen und eine vierte Person das Portemonnaie ohne Geld gefunden und es in einen Briefkasten zur Zurücksendung geworfen habe.

(2) Der Senat kann offenlassen, ob die vom Landgericht gewählten Formulierungen noch den für eine Verurteilung erforderlichen tatrichterlichen Überzeugungsgrad zum Ausdruck bringen (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2015 – 2 StR 29/15, StV 2015, 740 Rn. 26, und vom 20. Dezember 2022 – 2 StR 232/21, NJW 2023, 1828, 1830 Rn. 27). Jedenfalls entbehren die letzten beiden Wertungen des Landgerichts einer tragfähigen Grundlage. Denn der Umstand, dass das Portemonnaie, das die Angeklagten nach den Feststellungen ohne Geld „mit den dort aufbewahrten Karten an einem anderen Ort in der Öffentlichkeit zurückgelassen“ hatten, an den Geschädigten zurückgelangte, ist nur dadurch zu erklären, dass eine weitere Person dieses an sich nahm und an den Geschädigten sandte. Wieso dieses Verhalten einer dritten Person plausibel, ein Auffinden des Portemonnaies, Entnehmen des Geldes und anschließende Rücksendung durch eine dritte Person jedoch „fernliegend“ sein soll, erschließt sich nicht. Dies gilt umso mehr, als das Landgericht es auch für „unwahrscheinlich“ gehalten hat, dass die dritte potentielle Person das Geld an sich nahm und eine vierte Person das Portemonnaie ohne Geld fand und es in den Briefkasten zur Zurücksendung warf; denn nach den Feststellungen des Landgerichts hat eine unbekannte Person genau eine solche Rücksendung veranlasst, nachdem die Angeklagten – nach der Überzeugung der Strafkammer – das Geld entnommen hatten.

cc) Schließlich ist der für einen Raub erforderliche Finalzusammenhang nicht rechtsfehlerfrei belegt.

(1) Ein Raub erfordert den Einsatz von Gewalt gegen eine Person oder die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben als Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme einer Sache. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn der Täter zwar Gewalt gegen das Opfer verübt, aber den Raubvorsatz erst nach Abschluss der Gewaltanwendung fasst. Als Raubmittel kommt zwar auch die konkludente Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben, nämlich mit der Fortführung der Gewalt, in Betracht. Hierfür genügt es jedoch nicht, dass die Wirkung eines ohne Wegnahmevorsatz eingesetzten Nötigungsmittels noch andauert und der Täter dies lediglich ausnutzt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 7. November 2023 – 4 StR 115/23, NStZ 2024, 290 mwN).

(2) Hier hat das Landgericht nicht die aufgrund der fehlenden Feststellungen zum konkreten Tathergang jedenfalls in Betracht kommende Möglichkeit ausgeschlossen, dass das Portemonnaie dem Geschädigten während der Gewalthandlung aus der Gesäßtasche fiel, dies nach Beendigung des Übergriffs einer der Angeklagten bemerkte und das Portemonnaie aufgrund eines nunmehr gebildeten Tatentschlusses an sich nahm. In dieser Fallvariante fehlte es, unabhängig davon, dass ohnehin nicht festzustellen war, wer von den beiden Angeklagten eine solche Tathandlung durchgeführt haben soll, am erforderlichen Finalzusammenhang für die Annahme eines Raubes.

Zeng Lutz Meyberg Schmidt Zimmermann Vorinstanz: Landgericht Frankfurt am Main, 25.09.2024 - 5/06 KLs-3110 Js 252162/23 (28/23)

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