Paragraphen in X ZR 135/23
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| 1 | 121 | PatG |
| 1 | 97 | ZPO |
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BUNDESGERICHTSHOF X ZR 135/23 IM NAMEN DES VOLKES URTEIL in der Patentnichtigkeitssache Verkündet am: 16. Oktober 2025 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2025:161025UXZR135.23.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2025 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, die Richterin Dr. Kober-Dehm und die Richter Dr. Rensen, Dr. Crummenerl und Dr. Kochendörfer für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 24. Juli 2023 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 926 224 (Streitpatents), das am 13. Juli 2006 unter Inanspruchnahme einer spanischen Priorität vom 17. August 2005 angemeldet worden ist und ein Verfahren zur Leistungssteuerung in der äußeren Schleife betrifft.
Patentanspruch 1, auf den drei weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:
An outer-loop power control method for CDMA technology-based wireless communication systems, comprising the following phases: estimating a received desired signal-to-interference ratio based on a received data signal (107, 108) coming from a base station (102, 103) or from a mobile station (104), establishing a first desired signal-to-interference ratio target (SIRtarget) that is an estimation of a required desired signal-to-interference ratio (SIRrequired) during the normal mode of the outer loop, detecting (402) the wind-up of the outer loop, establishing a second desired signal-to-interference ratio target (SIRtarget) during the wind-up of the outer loop, detecting the beginning (403) of the unwinding of the outer loop, characterized by further comprising modifying the second desired signal-to-interference ratio target (SIRtarget) at the beginning (403) of the unwinding of the outer loop so as to adjust its value for outer-loop power control in normal mode, which is the mode being before detecting (402) the wind-up of the outer loop and before a quality degradation starts (410).
Patentanspruch 5, auf den fünf Ansprüche zurückbezogen sind, stellt eine Vorrichtung unter Schutz, die ein solches Verfahren ausführen kann.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinaus und sei nicht so offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten und hilfsweise in einer geänderten Fassung verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Hauptantrag weiterverfolgt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung für die Leistungssteuerung in der äußeren Schleife in einem zellularen Mobilfunknetz.
1. Nach der Beschreibung des Streitpatents ist in zellularen Netzwerken, die auf dem Protokoll WCDMA (Wideband Code Division Multiple Access) basieren, eine Leistungssteuerung vorgesehen, um die notwendige Dienstgüte mit einem möglichst geringen Sendeleistungspegel zu erreichen. Die Leistung müsse kontinuierlich angepasst werden, weil alle Nutzer den gleichen Frequenzbereich verwendeten, ihre Codes nicht vollständig orthogonal seien und es deshalb zu Interferenzen komme (Abs. 7 f.).
Während des zufälligen Zugriffs beim Aufbau einer Verbindung erfolge die Anpassung in einer offenen Schleife. Die Mobilstation und die Basisstation schätzten die Verlustleistung im Uplink bzw. Downlink und passten ihre Sendeleistung daran an.
Bei der Steuerung in der inneren oder geschlossenen Schleife, die auch als schnelle Leistungsteuerung (1500 Hz) bezeichnet werde, vergleiche das empfangende Gerät das Signal-zu-lnterferenz-Verhältnis (signal-to-interference ratio, SIR) des empfangenen Signals mit einem Zielwert SIRtarget, der zum Erreichen einer bestimmten Dienstqualität erforderlich sei. In Abhängigkeit vom Ergebnis versende das empfangende Gerät ein Bit, das anzeige, ob die Sendeleistung erhöht oder gesenkt werden soll.
Der Zielwert für das Signal-zu-Interferenz-Verhältnis werde in einer äußeren Schleife bestimmt. Dieses Verfahren sei deutlich langsamer (10-100 Hz). Als Kriterium für die Verbindungsqualität werde die Rahmenfehlerrate (frame error rate, FER) oder die Blockfehlerrate (block error rate, BLER) herangezogen. Um die Rate in einem gewünschten Bereich zu halten, werde der Zielwert SIRtarget variabel auf einen die Umgebungsbedingungen berücksichtigenden geeigneten Wert eingestellt (Abs. 10).
Verschlechterten sich plötzlich die Übertragungsbedingungen oder habe ein Sender seine maximale Sendeleistung erreicht, könne es vorkommen, dass das tatsächliche Signal-zu-Interferenz-Verhältnis dauerhaft unter dem Zielwert SIRtarget liege. Laufe die Kommunikation weiter, entstehe eine als Wind-up bezeichnete Situation. Der Zielwert SIRtarget werde immer weiter erhöht, ohne tatsächlich erreicht zu werden (Abs. 11-14).
Verbesserten sich die Umgebungsbedingungen wieder oder sei die Begrenzung der Sendeleistung beim Sender behoben, werde der Zielwert SIRtarget erreicht. Dieser sei dann in der Regel viel höher als notwendig, was zu einer erhöhten Interferenz im Kanal führe. Deshalb werde der Zielwert in einer als Unwinding bezeichneten Phase schrittweise gesenkt, bis er wieder den Wert erreicht habe, der der gewünschten Rahmenfehlerrate entspreche. Da die von dem Algorithmus verwendete Abwärtsschrittgröße, gemessen in Dezibel, in der Größenordnung der Zielrahmenfehlerrate liege, sei sie - anders als die Aufwärtsschrittgröße - sehr klein. Deshalb betrage der für eine Absenkung um 1 dB erforderliche Zeitraum Dutzende von Sekunden (Abs. 15-19).
2. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, das Auftreten von Interferenzen nach einem Wind-up zu verringern.
3. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
1 An outer-loop power control Verfahren zur Leistungsregelung in method for CDMA technology- der äußeren Schleife für auf der based wireless communication CDMA-Technologie basierende drahtsystems, comprising the follow- lose Kommunikationssysteme, mit foling phases:
genden Phasen:
estimating a received desired Schätzen eines empfangenen gesignal-to-interference ratio wünschten Signal-zu-Interferenz-Verbased on a received data signal hältnisses auf der Basis eines empfan-
(107, 108) coming from a base genen Datensignals (107, 108), das station (102, 103) or from a mo- von einer Basisstation (102, 103) oder bile station (104),
von einer mobilen Station (104)
stammt.
establishing a first desired sig- Erstellen eines ersten gewünschten nal-to-interference ratio target Ziel-Signal-zu-Interferenz-Verhältnis-
(SIRtarget) that is an estimation of ses (SlRtarget), bei dem es sich um eine a required desired signal-to-in- Schätzung eines erforderlichen geterference ratio (SIRrequired) dur- wünschten Signal-zu-Interferenz-Vering the normal mode of the outer hältnisses (SIRrequired) während des loop,
Normalmodus der äußeren Schleife handelt.
detecting (402) the wind-up of Erkennen (402) des Wind-Up der äuthe outer loop,
ßeren Schleife.
establishing a second desired Erstellen eines zweiten gewünschten signal-to-interference ratio target Ziel-Signal-zu-Interferenz-Verhältnis-
(SIRtarget) during the wind-up of ses (SIRtarget) während des Wind-Up the outer loop,
der äußeren Schleife.
detecting the beginning (403) of Erkennen des Beginns (403) des Unthe unwinding of the outer loop, winding der äußeren Schleife.
modifying the second desired Modifizieren des zweiten gewünschsignal-to-interference ratio target ten Ziel-Signal-zu-lnterferenz-Verhält-
(SIRtarget) at the beginning (403) nisses (SlRtarget) zu Beginn (403) des of the unwinding of the outer loop Unwinding der äußeren Schleife, um so as to adjust its value for outer- dessen Wert für die Regelung der Leiloop power control in normal stung der äußeren Schleife im Normalmode,
modus anzupassen,
7.1 which is the mode being before bei welchem es sich um den Modus detecting (402) the wind-up of vor dem Erkennen (402) des Wind-Up the outer loop der äußeren Schleife
7.2 and before a quality degradation und vor dem Beginn (410) einer Quastarts (410).
litätsverschlechterung handelt.
4. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung.
a) Die Merkmale 1 bis 3 sehen die Festlegung eines Zielwerts SIRtarget in einer äußeren Schleife vor, wie dies im Streitpatent als Stand der Technik beschrieben wird.
Auf welche Weise und nach welchen Kriterien dieser Zielwert bestimmt wird, lässt Patentanspruch 1 weitgehend offen. Merkmal 3 gibt lediglich vor, dass der Zielwert SIRtarget eine Schätzung des angestrebten Werts SIRrequired ist. Dies ist der theoretische Mindestwert, der erforderlich ist, um die gewünschte Rahmenfehlerrate zu erzielen (Abs. 43). Wie diese Schätzung erfolgt und wie genau sie sein muss, ist nicht festgelegt.
b) Ein Wind-up im Sinne von Merkmal 4 ist, wie das Patentgericht zutreffend und von den Parteien unbeanstandet angenommen hat, eine Situation, in der das gemessene Signal-zu-Interferenz-Verhältnis einer Erhöhung des Zielwerts SIRtarget nicht mehr folgt (Abs. 13).
Anhand welcher Kriterien das Vorliegen einer solchen Situation erkannt wird, ist in Patentanspruch 1 nicht festgelegt.
Die Beschreibung verweist insoweit auf die US-Patentanmeldung 2003/0148769 A1 (NK3). Danach wird ein Wind-up festgestellt, wenn die Differenz zwischen dem gemessenen Wert und dem Zielwert des Signal-zu-Interferenz-Verhältnisses eine bestimmte Schwelle überschreitet (Abs. 20).
c) Mit dem in Merkmal 5 vorgesehenen Erstellen eines zweiten Zielwerts für das Signal-zu-Interferenz-Verhältnis kann verhindert werden, dass der Wert während des Wind-up immer weiter steigt.
Wie der zweite Zielwert zu setzen ist, legt Patentanspruch 1 nicht fest. Aus der Vorgabe, dass es sich um einen zweiten Wert handeln muss, ergibt sich aber, dass es sich um einen Wert handeln muss, der dem erkannten Wind-up Rechnung trägt.
d) Das Unwinding im Sinne von Merkmal 6 ist die Phase nach dem Ende eines Wind-up (Abs. 28).
Diese Situation kann zum Beispiel daran erkannt werden, dass die Differenz zwischen Zielwert und gemessenem Wert des Signal-zu-Interferenz-Verhältnisses einen bestimmten Schwellenwert wieder unterschritten hat.
Patentanspruch 1 schließt andere Methoden zum Erkennen eines Unwinding nicht aus. Insbesondere muss nicht dieselbe Methode wie beim Erkennen des Wind-up zur Anwendung kommen.
e) Um Interferenzen wegen des aufgrund des Wind-up festgelegten hohen Zielwerts rasch zu vermeiden, sieht Merkmalsgruppe 7 vor, nach Erkennen des Unwinding wieder einen Wert vorzugeben, der für die Regelung im Normalmodus angepasst ist.
aa) Die in der Beschreibung des Streitpatents als bevorzugt bezeichnete Vorgehensweise ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 4 veranschaulicht.
Eine kurz gestrichelte Linie zeigt den erforderlichen Wert SIRrequired an. Die durchgezogene, in Stufen verlaufende Linie zeigt den festgesetzten Zielwert SIRtarget, die in Kurven verlaufende Linie den gemessenen Wert SIRmeasured. Dieser liegt bis zum Zeitpunkt (410) oberhalb des erforderlichen Werts. Im weiteren Verlauf sinkt er weiter ab, was zu mehreren Erhöhungen des Zielwerts führt. Im Zeitpunkt (402), der in der Beschreibung als Beginn des Wind-up bezeichnet wird (Abs. 42, 44), hat die Differenz zwischen dem Zielwert und dem gemessenen Wert eine festgelegte Schwelle (M) überschritten. Dies hat zur Folge, dass der Zielwert bis auf weiteres nicht weiter erhöht wird. Der ursprüngliche Wert (401) wird als letzter korrekter Wert (last correct value) bezeichnet.
Nachdem im Zeitpunkt (403) das Unwinding erkannt worden ist, wird der Zielwert um den Wert (M) reduziert. Dadurch liegt er nahe dem Wert (401), den er vor Beginn des Wind-up im Zeitpunkt (402) und vor der Qualitätsverschlechterung im Zeitpunkt (410) hatte (Abs. 44). Im dargestellten Beispiel liegt dieser Wert etwas unterhalb des erforderlichen Werts. Dies kann aber schnell angepasst werden, weil eine Erhöhung in sehr kurzer Zeit möglich ist (Abs. 45).
bb) Patentanspruch 1 gibt nicht im Detail vor, auf welchen Wert der Zielwert nach Beginn des Unwinding festgesetzt werden muss. Insbesondere ist nicht zwingend erforderlich, dass wie bei dem in Figur 4 dargestellten Beispiel der letzte Zielwert vor der zum Wind-up führenden Qualitätsverschlechterung gewählt wird.
(1) Merkmal 7 gibt lediglich vor, dass ein Wert festgesetzt ist, der für die Regelung im Normalmodus angepasst ist. Die Merkmale 7.1 und 7.2 konkretisieren dies dahin, dass es sich um den Modus vor dem Erkennen des Wind-up im Zeitpunkt (402) und vor dem Beginn einer Qualitätsverschlechterung im Zeitpunkt (410) handelt.
Wie das Patentgericht zu Recht angenommen hat, liegt der Zeitpunkt (410) typischerweise vor dem Zeitpunkt (402), weil ein Wind-up in der Regel erst einige Zeit nach Beginn einer ihn verursachenden Qualitätsverschlechterung erkannt wird.
(2) Eine Beschränkung auf einen bestimmten Punkt oder Bereich vor diesen beiden Zeitpunkten ist den Merkmalen 7.1 und 7.2 nicht zu entnehmen.
Insbesondere besteht keine Vorgabe, dass nur die Werte aus dem Zeitraum unmittelbar vor dem Wind-up und der Qualitätsverschlechterung verwendet werden dürfen. Aus dem zusätzlichen Merkmal in Patentanspruch 4, wonach der ursprüngliche Wert (401), der nach dem Ende des Wind-up verwendet wird, durch Subtrahieren der Erkennungsmarge (M) von dem zweiten Zielwert (SIRtarget) geschätzt werden soll, ergibt sich keine Einschränkung des weiter gefassten Gegenstands von Patentanspruch 1. Nach diesem sind die Merkmale 7, 7.1 und 7.2 vielmehr schon dann erfüllt, wenn der Zielwert nach dem Erkennen eines Unwinding auf einen Wert gesetzt wird, wie er vor den beiden genannten Zeitpunkten vorkommen kann.
(3) Aus der Vorgabe in Merkmal 7, wonach der Wert für die Leistungsregelung in der äußeren Schleife angepasst werden muss, ergibt sich allerdings, dass keine Werte verwendet werden dürfen, die für eine Regelung in der äußeren Schleife nicht geeignet sind.
Auch daraus folgt jedoch keine Beschränkung auf einen bestimmten Wert oder auf Werte, wie sie unter optimalen Übertragungsbedingungen verwendet werden. Vielmehr kommt grundsätzlich jeder Wert in Betracht, der zur Regelung in der äußeren Schleife vor dem Beginn einer Qualitätsverschlechterung und eines daraus resultierenden Wind-up gesetzt werden kann.
5. Die in Patentanspruch 5 geschützte Vorrichtung wird durch ihre Eignung für das Verfahren nach Anspruch 1 geprägt und unterliegt deshalb keiner abweichenden Beurteilung.
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit im Berufungsverfahren von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:
Merkmal 7.2 sei nicht ursprungsoffenbart. Dieses Merkmal schränke den Gegenstand der erteilten Fassung gegenüber dem Gegenstand der Anmeldung aber nur ein und könne daher im Anspruch verbleiben. Bei der Prüfung auf Patentfähigkeit dürfe Merkmal 7.2 jedoch nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden. Die weiteren Änderungen würden durch die ursprüngliche Anmeldung getragen.
Der Gegenstand des Streitpatents sei so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann, ein Ingenieur der Nachrichten- oder Informationstechnik mit Universitätsabschluss (Diplom oder Master) und mehrjähriger Berufserfahrung sowie einschlägigen Kenntnissen auf dem Gebiet der Entwicklung von Mobilfunk-Systemen, ihn ausführen könne. Dies könne jedoch im Ergebnis dahinstehen.
Der Gegenstand der Patentansprüche 1 und 5 sei gegenüber der Europäischen Patentanmeldung 1 487 132 (NK2) nicht neu.
NK2 betreffe die Leistungsregelung in W-CDMA-Systemen mit äußerer und innerer Schleife und befasse sich mit Problemen, die beispielweise bei der vorübergehenden Abschattung durch Gebäude aufträten. Das dort beschriebene Verfahren für die Phase nach dem Ende eines Wind-up verwirkliche (mit Ausnahme des nicht beachtlichen Merkmals 7.2) sämtliche Merkmale der Patentansprüche 1 und 5. Ein Normalmodus sei in NK2 zwar nicht explizit definiert. Er werde aber vom Fachmann basierend auf der Abgrenzung des normalen Betriebs (ordinary operation) gegenüber der Situation bei einer Verschlechterung der Übertragungsqualität mitgelesen. Dass der nach NK2 vorgegebene Zielwert vorab festgelegt sei, stehe der Vorwegnahme der Merkmale 7 und 7.1 nicht entgegen.
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren im Ergebnis stand.
1. Ob das Patentgericht zu Recht angenommen hat, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 mit dem in der erteilten Fassung vorgesehenen Merkmal 7.2 über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgeht, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.
2. Auch unter der Prämisse, dass Merkmal 7.2 bei der Prüfung auf Patentfähigkeit zu berücksichtigen ist, hat das Patentgericht den Gegenstand von Patentanspruch 1 im Ergebnis zu Recht als durch NK2 vorweggenommen angesehen.
a) NK2 befasst sich mit der Steuerung der Übertragungsleistung in drahtlosen Kommunikationssystemen mit dem Protokoll W-CDMA (Wideband Code Division Multiple Access).
Ähnlich wie das Streitpatent beschreibt NK2 als Stand der Technik eine innere Schleife, die das gemessene Signal-zu-Interferenz-Verhältnis an einen Zielwert anpasst (Abs. 3), und eine äußere Schleife, die den Zielwert in Abhängigkeit von der angestrebten Blockfehlerrate bestimmt (Abs. 6 f.).
Bei einer plötzlichen Änderung der Umgebungsbedingungen, etwa wegen Abschattungen durch Gebäude, könnten die Messwerte für das Signal-zu-Interferenz-Verhältnis und die Blockfehlerrate sich schnell verschlechtern, was zu einem plötzlichen Anstieg des Zielwerts für das Signal-zu-Interferenz-Verhältnis führe. Sei die Aktualisierungszeit (T) für den Zielwert lang, sinke er nach einer Verbesserung der Umgebungsbedingungen nur langsam wieder ab (Abs. 40).
Zur Verbesserung schlägt NK2 einen Mechanismus vor, der eine kontinuierliche Verschlechterung der Qualität und eine nachfolgende Phase mit kontinuierlich hoher Qualität erkennen kann. In der zuletzt genannten Situation wird die Zielqualität auf einen Initialwert eingestellt (Abs. 50). Hierdurch könne die Konvergenzzeit für das Erreichen eines passenden Zielwerts nach dem Ende einer Abschattung verringert werden (Abs. 83).
Diese Vorgehensweise ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 7 veranschaulicht.
Nach den allgemeinen Erläuterungen in der Beschreibung von NK2 ist der Initialwert für alle Träger (Dienste) gleich und liegt über dem Konvergenzpunkt des Signal-zu-Interferenz-Verhältnisses. Dieser Wert wird gegebenenfalls so lange verringert, bis eine Überprüfung der Daten mit Hilfe eines Redundanztests (cyclic redundancy code check, CRC check) einen Fehler meldet (CRC no good, CRC NG). Diese Phase wird als Initialzustand (initial state) bezeichnet (Abs. 14). Nach dem Erkennen eines CRC-Fehlers wird der Zielwert für das Signal-zu- Interferenz-Verhältnis wie bereits erwähnt auf der Grundlage der angestrebten Blockfehlerrate bestimmt. Diese Phase bezeichnet NK2 als stabilen Zustand (steady state) (Abs. 15).
b) Damit werden, was die Berufung nicht in Zweifel zieht, die Merkmale 1 bis 6 offenbart.
c) Die Merkmale 7 und 7.1 sind entgegen der Auffassung der Berufung ebenfalls vorweggenommen.
aa) Das Patentgericht hat zu Recht angenommen, dass der Initialwert, auf den der Zielwert für das Signal-zu-Interferenz-Verhältnis nach dem Erkennen eines Unwinding gesetzt wird, ein Wert ist, der im Sinne von Merkmal 7 an die Regelung der äußeren Schleife im Normalmodus angepasst ist.
Wie oben dargelegt wurde, genügt es zur Verwirklichung der Merkmalsgruppe 7, wenn der Zielwert nach dem Erkennen eines Unwinding auf einen Wert gesetzt wird, der zur Regelung in der äußeren Schleife vor den beiden in den Merkmalen 7.1 und 7.2 genannten Zeitpunkten eingesetzt werden kann. Der in NK2 verwendete Initialwert erfüllt diese Voraussetzung, weil er die Regelung in der äußeren Schleife einleitet.
Dem widerspricht es entgegen der Auffassung der Berufung nicht, dass NK2 zwischen einer Initialisierungsphase und einer stabilen Phase unterscheidet.
Schon in der Initialisierungsphase erfolgt die Regelung nicht in einer offenen Schleife, sondern in Reaktion auf das Auftreten eines CRC-Fehlers. Wie die Berufungserwiderung zu Recht geltend macht, gehört damit auch das Verfahren in der Initialisierungsphase zum Normalmodus im Sinne des Streitpatents.
bb) Die von der Berufung angeführten Entscheidungen des US-amerikanischen Patent- und Markenamts (FF3) und des chinesischen Patentamts (FF6a) zu parallelen Patenten sowie des spanischen Berufungsgerichts in Barcelona (FF10a) zum spanischen Teil des Streitpatents enthalten keine Erwägungen, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen.
Die ersten beiden Entscheidungen sind für den Streitfall zudem schon deshalb nicht relevant, weil sie sich auf abweichende Anspruchsfassungen beziehen. Die Entscheidung des spanischen Gerichts befasst sich mit den aus Sicht des Senats ausschlaggebenden Gesichtspunkten allenfalls am Rande und vermag nicht zu überzeugen.
d) Das vom Patentgericht bei der Neuheitsprüfung nicht berücksichtigte Merkmal 7.2 ist durch NK2 ebenfalls vorweggenommen.
Die in NK2 als Initialphase bezeichnete Phase steht am Anfang der Steuerung in der äußeren Schleife. Sie geht folglich nicht nur dem Zeitpunkt des Erkennens eines Wind-up voraus, sondern auch dem Zeitpunkt einer diesen verursachenden Qualitätsverschlechterung.
3. Für die in Patentanspruch 5 geschützte Vorrichtung, die durch die Eignung für das Verfahren nach Patentanspruch 1 geprägt ist, ergibt sich keine abweichende Beurteilung.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.
Bacher Kober-Dehm Rensen Crummenerl Kochendörfer Vorinstanz: Bundespatentgericht, Entscheidung vom 24.07.2023 - 4 Ni 22/22 (EP) -
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