AK 20/22
BUNDESGERICHTSHOF AK 20/22 BESCHLUSS vom 14. Juni 2022 in dem Strafverfahren gegen wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2022:140622BAK20.22.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Angeklagten und seiner Verteidiger am 14. Juni 2022 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Kammergericht übertragen.
Gründe:
I.
Der Angeklagte befindet sich seit dem 4. August 2021 ununterbrochen in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 30. Juli 2021 (4 BGs 103/21), nunmehr aufgrund Haftbefehls des Kammergerichts vom 5. Mai 2022 ([2] 3 StE 7/22-4 [1/22]).
Gegenstand des aktuellen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeklagte habe am 23. März 2014 in Syrien durch dieselbe Handlung im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen die Zivilbevölkerung als solche oder gegen einzelne Zivilpersonen, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilgenommen hätten, gerichtet und hierdurch vorsätzlich den Tod von mindestens sieben Zivilpersonen herbeigeführt, in sieben tateinheitlichen Fällen aus niedrigen Beweggründen einen Menschen getötet, in drei tateinheitlichen Fällen versucht, aus niedrigen Beweggründen einen Menschen zu töten, und in drei tateinheitlichen Fällen eine andere Person körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt, wobei die Körperverletzung mittels einer Waffe sowie einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen wurde, strafbar gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 VStGB, § 211 Abs. 1 und 2, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5, §§ 22, 23 Abs. 1, § 52 StGB.
Der Senat hat mit Beschluss vom 22. Februar 2022 (AK 3/22, NStZ-RR 2022, 153 f.) die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Der Generalbundesanwalt hat wegen des den Haftbefehlen zugrundeliegenden Sachverhalts unter dem 31. März 2022 Anklage zum Kammergericht erhoben. Dieses hat den neuen Haftbefehl am 12. Mai 2022 verkündet und am 16. Mai 2022 mit Eröffnung des Hauptverfahrens abermals über die Haft entschieden.
II.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus liegen vor (§ 121 Abs. 1, § 122 Abs. 4 Satz 2 StPO).
1. Hinsichtlich des dringenden Tatverdachts, der diesen belegenden Umstände, der rechtlichen Bewertung und der Haftgründe der Fluchtgefahr sowie der Schwerkriminalität wird auf die fortgeltenden Ausführungen in dem Beschluss des Senats vom 22. Februar 2022 Bezug genommen. Mit Blick auf das Gewicht der dort näher dargelegten Straftatbestände sind ergänzende Ausführungen zu weiteren Mordmerkmalen sowie den Delikten des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung entbehrlich. Unter Berücksichtigung der zusätzlichen, sich insbesondere aus der Anklageschrift und der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 18. Mai 2022 ergebenden Ermittlungsergebnisse liegt ein dringender Tatverdacht auch nach dem gegenwärtigen Sachstand vor. So haben etwa über die bei der letzten Entscheidung des Senats vorliegende Beweislage hinaus zwei im Rechtshilfeweg vernommene Zeugen die Täterschaft des Angeklagten ebenfalls bestätigt, der eine aus eigener Anschauung, der andere vom Hörensagen.
2. Die besondere Schwierigkeit sowie der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen weiterhin die Haftfortdauer. Ergänzend zu den bereits im Beschluss vom 22. Februar 2022 genannten Erwägungen ist von Belang, dass Antworten auf Rechtshilfeersuchen sowie zusätzliche Ermittlungsergebnisse erst im Februar und März 2022 eingegangen sind. Der Generalbundesanwalt hat im Anschluss daran, noch vor dem Zugang weiterer Erkenntnisse, zeitnah Anklage erhoben. Das Kammergericht hat das Verfahren alsdann schnellstmöglich betrieben und bereits am 16. Mai 2022 die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen.
3. Der andauernde Vollzug der Untersuchungshaft steht nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Angeklagten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits nicht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Dies gilt nach den gegebenen Umständen auch mit Blick auf die Bestimmung der Hauptverhandlungstermine ab dem 25. August 2022. Zwar ist im Regelfall innerhalb von drei Monaten nach dem Eröffnungsbeschluss mit der Hauptverhandlung zu beginnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1853/20, NStZ-RR 2021, 50, 51 mwN). Allerdings überschreitet der in Aussicht genommene Beginn diese - nicht starre - Frist zum einen nur geringfügig. Zum anderen ermöglicht die Terminierung, die bislang auf 21 Tage bestimmte Hauptverhandlung nach der Urlaubszeit stringent ohne längere Unterbrechungen durchzuführen.
Schäfer Wimmer Anstötz