IX ZB 44/21
BUNDESGERICHTSHOF IX ZB 44/21 BESCHLUSS vom 13. Januar 2022 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2022:130122BIXZB44.21.0 Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Grupp, die Richterin Lohmann, die Richter Prof. Dr. Schoppmeyer, Röhl und Dr. Schultz am 13. Januar 2022 beschlossen:
Die Gehörsrüge des Antragstellers gegen den seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Senats vom 8. November 2021 wird als unzulässig verworfen.
Gründe:
1. Die Gehörsrüge nach § 321a Abs. 1 ZPO gegen den den Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers und Rechtsbeschwerdeführers ablehnenden Beschluss ist statthaft (vgl. Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 23. Aufl., § 321a Rn. 15; BeckOK-ZPO/Bacher, 2021, § 321a Rn. 5), aber unzulässig, weil es an der vorgeschriebenen Darlegung (§ 321a Abs. 2 Satz 5 iVm Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung durch den Senat fehlt. Die Gehörsrüge wäre nur dann begründet, wenn durch den Beschluss, den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren abzulehnen, das Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) neu und eigenständig durch den Bundesgerichtshof verletzt worden wäre. Daher hätte die Darlegung erkennen lassen müssen, aus welchen konkreten Gründen der Antragsteller und Rechtsbeschwerdeführer meint, die Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrags lasse nur den Schluss zu, sein Vorbringen sei vom Senat nicht zur Kenntnis genommen worden (vgl. für die Nichtzulassungsbeschwerde BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 - VIII ZR 353/18, juris Rn. 2). Daran fehlt es. Der Antragsteller und Rechtsbeschwerdeführer macht in seinem Schriftsatz vom 20. Dezember 2021 allein Gehörsverstöße des Berufungsgerichts geltend.
2. Davon abgesehen wäre die Gehörsrüge und ist eine etwaig in dem Schriftsatz des Antragstellers und Rechtsbeschwerdeführers vom 20. Dezember 2021 liegende statthafte Gegenvorstellung (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 127 Rn. 69) auch unbegründet. Der Senat hat das Vorbringen des Antragstellers und Rechtsbeschwerdeführers auf der Grundlage des gesamten Akteninhalts vollständig berücksichtigt, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Er sieht nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage keinen Anlass, seine Entscheidung vom 8. November 2021 abzuändern. Der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts vom 28. April 2021 ist richtig; die Berufung des Antragstellers und Rechtsbeschwerdeführers wurde nicht innerhalb der bis zum 5. März 2021 nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO verlängerten Berufungsbegründungsfrist durch einen Rechtsanwalt begründet (§ 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine der gesetzlich oder durch die Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen vom Anwaltszwang lag nicht vor (vgl. dazu BeckOK-ZPO/Piekenbrock, 2021, § 78 Rn. 30 ff). Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO durch das Berufungsgericht kam nicht in Betracht, weil der Antragsteller und Rechtsbeschwerdeführer die versäumte Prozesshandlung (Berufungsbegründung durch einen Rechtsanwalt) nicht nachgeholt hat. Dass in der zweiten Instanz ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden ist, macht der Antragsteller und Rechtsbeschwerdeführer nicht geltend. Zudem liegen die Voraussetzungen des § 233 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vor. Der Antragsteller und Rechtsbeschwerdeführer war zweitinstanzlich anwaltlich vertreten. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich (§ 85 Abs. 2 ZPO). Dieser hat während des laufenden Mandats nicht für die rechtzeitige Begründung der Berufung gesorgt. Ihm hätte bekannt sein müssen, dass der zweite auf § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestützte Verlängerungsantrag keinen Erfolg haben konnte (BGH, Beschluss vom 4. März 2004 - IX ZB 121/03, NJW 2004, 1742). Er hätte deswegen während des bestehenden Mandats (BGH, Beschluss vom 11. Juni 2008 - XII ZB 184/07, NJW 2008, 2713 Rn. 13) entweder das Rechtsmittel begründen oder den Antragsteller mit der Kündigung des Mandats während laufender Frist rechtzeitig auf den Fristablauf und die Notwendigkeit hinweisen müssen, einen Rechtsanwalt mit der Rechtsmittelbegründung zu beauftragen.
Der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts vom 28. April 2021 ist entgegen der Ansicht des Antragstellers und Rechtsbeschwerdeführers hinreichend begründet, weil sich ihm alle für die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlichen Tatsachen entnehmen lassen. Soweit der Antragsteller und Rechtsbeschwerdeführer beanstandet, der Senatsbeschluss vom 8. November 2021 trage nicht die Unterschriften der an der Entscheidung mitwirkenden Richter, verkennt er, dass einer Partei nicht das von den erkennenden Richtern unterzeichnete Original der Entscheidung, sondern lediglich eine beglaubigte Abschrift oder - auf Antrag - eine Ausfertigung der erlassenen und unterschriebenen Entscheidung zugestellt wird (§ 317 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO - bei Urteilen,
§ 329 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO - bei Beschlüssen; vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2020 - VIII ZB 28/20, juris Rn. 3).
Grupp Röhl Lohmann Schoppmeyer Schultz Vorinstanzen: AG Kassel, Entscheidung vom 02.12.2020 - 432 C 4129/19 LG Kassel, Entscheidung vom 28.04.2021 - 1 S 1/21 -