XII ZB 440/23
BUNDESGERICHTSHOF XII ZB 440/23 BESCHLUSS vom 14. August 2024 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: BGHZ: BGHR: JNEU:
ja nein ja nein BGB § 1880 Abs. 2; SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 9; VBVG § 5 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 aF a) Die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses stellt eine stationäre Einrichtung im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VBVG aF dar.
b) Es ist nicht generell ausgeschlossen, dass ein zivilrechtlich untergebrachter Betroffener seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 VBVG aF in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses hat. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Aufenthalt erkennbar auf längere Zeit und nicht lediglich auf einen vorübergehenden Verbleib zu Behandlungszwecken ohne nachhaltige soziale Integration angelegt ist, was nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden kann.
c) Der Vergütungsanspruch des Betreuers richtet sich gegen die Staatskasse, wenn der Betreute zum Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung mittellos ist (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 6. Februar 2013 - XII ZB 582/12 - FamRZ 2013, 620).
BGH, Beschluss vom 14. August 2024 - XII ZB 440/23 - LG Lübeck AG Lübeck ECLI:DE:BGH:2024:140824BXIIZB440.23.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. August 2024 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur und die Richterinnen Dr. Krüger und Dr. Recknagel beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 25. August 2023 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Wert: 252 €
Gründe: I.
Das Verfahren betrifft die Festsetzung der Vergütung eines Berufsbetreuers.
Bei der 71-jährigen Betroffenen besteht eine schizoaffektive Störung mit ausgeprägter Negativsymptomatik. Im Jahr 2022 hatte sie eine gemischte Episode mit manischen und depressiven Anteilen sowie diverse somatische Erkrankungen. Für die Betroffene ist seit vielen Jahren eine Betreuung eingerichtet, zuletzt mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge, Vermögenssorge und Behördenangelegenheiten sowie Postangelegenheiten im Rahmen des Aufgabenkreises. Zum Betreuer ist der Beteiligte zu 1, ein Rechtsanwalt, bestellt.
Die Betroffene hielt sich ab Ende Mai 2021 freiwillig in einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie (im Folgenden: Klinikum) auf. Zuvor war sie obdachlos. Ab Mitte November 2021 genehmigte das Amtsgericht - teilweise im Wege einstweiliger Anordnungen - mehrfach die Unterbringung der Betroffenen durch den Betreuer in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses für Zeiträume von jeweils vier bis maximal sechs Wochen. Zeitweise verblieb die Betroffene auch freiwillig im Klinikum. Seit Anfang August 2022 lebt sie in einer Senioren-Wohngemeinschaft.
Mit Schreiben vom 27. Juli 2022 hat der Betreuer die Festsetzung seiner Betreuervergütung aus dem Vermögen der Betroffenen für den Zeitraum vom 30. März 2022 bis zum 29. Juni 2022 in Höhe von insgesamt 633 € beantragt. Seinem Antrag hat er zugrunde gelegt, dass die Betroffene nicht mittellos sei und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einer anderen Wohnform als einer stationären Einrichtung oder einer gleichgestellten ambulant betreuten Wohnform habe.
Das Amtsgericht hat eine Vergütung in Höhe von 381 € festgesetzt und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen, weil die Betroffene im maßgeblichen Zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der geschlossenen Abteilung des Klinikums und somit in einer stationären Einrichtung gehabt habe. Die Erinnerung des Betreuers ist ebenso erfolglos geblieben wie dessen zugelassene Beschwerde, die das Landgericht zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Betreuers, mit der er weiterhin die Festsetzung der beantragten Vergütung begehrt.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Dieses hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass sich die Vergütung des Betreuers nach der monatlichen Fallpauschale in C5.1 der Vergütungstabelle der Anlage zu § 4 Abs. 1 VBVG aF richte, weil die Betroffene im maßgeblichen Abrechnungszeitraum in einer stationären Einrichtung im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VBVG aF gelebt habe. Die Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses sei hinsichtlich des Betreuungsaufwands einer Heimunterbringung gleichzusetzen. Denn der Betreuer habe während des Krankenhausaufenthalts der Betroffenen im Bereich der Gesundheitssorge keinen größeren Aufwand gehabt als bei einem Heimaufenthalt, da die Betroffene im Klinikum Anspruch auf Krankenbehandlung gehabt habe. Dort sei auch ihr gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 VBVG aF gewesen. Zwar werde bei einem kürzeren Aufenthalt in einem psychiatrischen Krankenhaus in der Regel kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet. Bezogen auf den Abrechnungszeitraum umfasse der bis dahin bereits elf Monate währende Aufenthalt der Betroffenen im Klinikum jedoch eine derartig lange Zeitspanne, dass kein nur vorübergehender Verbleib vorliege, sondern von einem gewöhnlichen Aufenthalt gesprochen werden könne. Auch der Umstand, dass die Betroffene zeitweise freiwillig im Klinikum gewesen sei, stelle einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür dar, dass sie während ihres dortigen Aufenthalts an keinem anderen Ort den Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen gehabt habe,
die sie nach ihrer Entlassung hätte fortsetzen oder wieder aufnehmen wollen, zumal sie vor ihrer Behandlung im Klinikum obdachlos gewesen sei.
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass auf den für den Zeitraum vom 30. März 2022 bis zum 29. Juni 2022 geltend gemachten Vergütungsanspruch nach § 18 VBVG das Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz in der ab dem 27. Juli 2019 (Art. 4 des Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom 22. Juni 2019, BGBl. I S. 866) bis zum 31. Dezember 2022 geltenden Fassung anzuwenden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 23. August 2023 - XII ZB 470/21 - Rpfleger 2024, 32 mwN) und sich die Höhe der monatlichen Fallpauschale gemäß § 5 Abs. 1 VBVG aF nach der Dauer der Betreuung sowie dem gewöhnlichen Aufenthaltsort und dem Vermögensstatus des Betreuten richtet.
b) Ebenfalls richtig ist die Annahme des Landgerichts, dass sich die Betroffene während des maßgeblichen Vergütungszeitraums in einer stationären Einrichtung im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VBVG aF befunden hat.
aa) § 5 Abs. 3 Satz 1 VBVG aF unterscheidet in Bezug auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Betreuten zwischen stationären Einrichtungen und diesen nach § 5 Abs. 3 Satz 3 VBVG aF gleichgestellten ambulant betreuten Wohnformen einerseits und anderen Wohnformen andererseits. Stationäre Einrichtungen sind nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VBVG aF solche, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung oder Pflege zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden.
bb) Die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses erfüllt die Voraussetzungen für eine stationäre Einrichtung im diesem Sinne. Zwar mag ein Krankenhaus nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht in erster Linie dazu bestimmt sein, seinen Patienten „Wohnraum“ zu überlassen (vgl. LG Stendal FamRZ 2007, 500 f.). Gleichwohl wird den Patienten für die Dauer ihres Aufenthalts neben der eigentlichen Heilbehandlung und Pflege rein tatsächlich auch eine Unterkunft gewährt. Ausgehend vom Zweck des § 5 Abs. 3 VBVG aF, dem die Vorstellung zugrunde liegt, dass der Aufwand der rechtlichen Betreuung geringer ist, wenn der Betreute in einer stationären Einrichtung oder einer gleichgestellten ambulant betreuten Wohnform lebt (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Mai 2021 - XII ZB 580/20 - FamRZ 2021, 1314 Rn. 11 mwN), kann grundsätzlich eine Herabsetzung der monatlichen Fallpauschale auch im Falle eines Aufenthalts des Betreuten in einem Krankenhaus gerechtfertigt sein. Denn ebenso wie in einem Pflegeheim wird der Betreute auch in einem psychiatrischen Krankenhaus weitgehend versorgt, wodurch sich der Aufwand für den Betreuer regelmäßig reduziert (vgl. OLG Rostock FamRZ 2007, 1916, 1917; OLG München FamRZ 2007, 83; LG Koblenz FamRZ 2007, 501, 502 und Beschluss vom 13. Juli 2006 - 2 T 444/06 - juris Rn. 15).
c) Allerdings hatte die Betroffene im hier maßgeblichen Vergütungszeitraum entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 VBVG aF im Klinikum.
aa) Ob eine Person, die zivilrechtlich in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht ist, dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründen kann, ist umstritten.
(1) Teilweise wird diese Frage verneint, weil die zivilrechtliche Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auf eine möglichst kurzfristige Anwendung und damit Aufenthaltsdauer ausgelegt sei (LG Stendal FamRZ 2007, 500, 501), so dass eine soziale Integration angesichts der durchschnittlichen Aufenthaltszeiten nicht erfolge (vgl. BeckOGK/Bohnert [Stand: 15. Dezember 2022] VBVG § 5 Rn. 13.1).
(2) Dagegen geht die wohl überwiegende Meinung davon aus, dass eine in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte Person dort auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründen kann, insbesondere wenn sie keinen anderen Daseinsmittelpunkt als den der zwangsweisen Unterbringung hat, etwa weil keine Wohnung vorhanden ist, in die sie zurückkehren könnte (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 2007, 1833; Jürgens/Luther Betreuungsrecht 7. Aufl. § 9 VBVG Rn. 8; zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus im Rahmen des Maßregelvollzugs vgl. BayObLG NJOZ 2003, 638, 639; OLG Rostock FamRZ 2007, 1916, 1917; OLG München FamRZ 2007, 83, 84; OLG Köln NJOZ 2006, 4741, 4742; LG Koblenz Beschluss vom 21. August 2006 - 2 T 619/06 - juris Rn. 7).
(3) Eine vermittelnde Auffassung hält - auch im Falle einer langjährigen zivilrechtlichen Unterbringung - das Hinzutreten weiterer Umstände für erforderlich, um einen gewöhnlichen Aufenthalt der untergebrachten Person in einem psychiatrischen Krankenhaus bejahen zu können. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles sei festzustellen, ob der Aufenthalt zwangsläufig auf längere Zeit angelegt gewesen sei (LG Freiburg Rpfleger 2015, 644, 645; vgl. auch MünchKommBGB/Fröschle 9. Aufl. § 9 VBVG Rn. 36; Toussaint/Felix Kostenrecht 54. Aufl. § 9 VBVG Rn. 39; Deinert FamRZ 2005, 954, 957).
bb) Zutreffend ist im Ausgangspunkt, dass sich eine schematische Betrachtungsweise verbietet und nicht generell ausgeschlossen ist, dass ein zivilrechtlich untergebrachter Betroffener seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 VBVG aF in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses hat. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Aufenthalt erkennbar auf längere Zeit und nicht lediglich auf einen vorübergehenden Verbleib zu Behandlungszwecken ohne nachhaltige soziale Integration angelegt ist, was nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden kann.
(1) Einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes hat eine Person dort, wo sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (vgl. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). Es handelt sich um den Ort, an dem die Person sozial integriert ist und ihren auf längere Zeit angelegten tatsächlichen Lebensmittelpunkt hat. Auf den Willen, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen, kommt es nicht an. Entscheidend sind vielmehr die tatsächlichen Verhältnisse. Die für einen gewöhnlichen Aufenthalt erforderliche Dauer ist unter Berücksichtigung des jeweiligen Normzwecks nach den Umständen des Einzelfalles zu bestimmen. Dabei ist auch der Zweck der Vorschrift, nämlich die Gewährung einer geringeren Vergütung für einen geringeren Betreuungsaufwand bei einem Aufenthalt des Betreuten in einer Einrichtung, mit zu berücksichtigen (Senatsbeschlüsse vom 26. März 2014 - XII ZB 256/13 - FamRZ 2014, 1015 Rn. 9 und vom 14. Dezember 2011 - XII ZB 521/10 - NJW-RR 2012, 451 Rn. 12 ff.).
(2) Da sich der gewöhnliche Aufenthalt nicht nach dem Willen der Person, sondern nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt, kann grundsätzlich auch die zwangsweise Unterbringung in einer stationären Einrichtung einen gewöhnlichen Aufenthalt der betroffenen Person begründen. So hat der Senat im Falle der Verbüßung einer mehrjährigen Haftstrafe durch einen Betreuten die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in der Justizvollzugsanstalt im vergütungsrechtlichen Sinne bejaht (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2011 - XII ZB 521/10 - NJW-RR 2012, 451 Rn. 15 ff.).
Demgegenüber hat der Senat ausgesprochen, dass eine Untersuchungshaft regelmäßig keinen gewöhnlichen Aufenthalt des Betreuten in der Justizvollzugsanstalt zu begründen vermag. Denn eine Untersuchungshaft kann jederzeit beendet werden, etwa weil der Haftgrund entfallen ist oder ein dringender Tatverdacht nicht (mehr) besteht. Die Untersuchungshaft ist von vornherein auch nicht auf Dauer angelegt, weil ihr Vollzug wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur unter den Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO aufrechterhalten werden darf (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 2014 - XII ZB 256/13 FamRZ 2014, 1015 Rn. 13). Der Senat hat indes ausdrücklich dahinstehen lassen, ob bei einer lang andauernden Untersuchungshaft (etwa von einem halben Jahr oder länger) etwas anderes zu gelten hat (Senatsbeschluss vom 26. März 2014 - XII ZB 256/13 - FamRZ 2014, 1015 Rn. 14).
(3) Ähnlich wie eine Untersuchungshaft kann die Unterbringung eines Betreuten nach § 1831 Abs. 3 Satz 1 BGB (bis 31. Dezember 2022: § 1906 Abs. 3 Satz 1 BGB) jederzeit beendet werden, wenn ihre Voraussetzungen weggefallen sind. Insofern stellt die gerichtliche Genehmigung lediglich eine Höchstfrist für die Unterbringung dar, die der Betreuer - gegebenenfalls nach ärztlicher Beratung - beenden muss, sobald die Unterbringungsvoraussetzungen nicht mehr gegeben sind (LG Freiburg Rpfleger 2015, 644, 645). Die Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses erfolgt regelmäßig nur vorübergehend für den Zeitraum der erforderlichen Heilbehandlung. Dieser Umstand gibt dem Verbleib im Krankenhaus grundsätzlich das Gepräge eines vorübergehenden Aufenthalts ohne nachhaltige soziale Integration.
(4) Gleichwohl kann es besondere Ausnahmefälle geben, in denen die Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses erkennbar auf längere Zeit angelegt ist, etwa wenn die betroffene Person auf Dauer einer ärztlichen Behandlung bedarf, die nur im Krankenhaus und nicht in einer anderen (Pflege-)Einrichtung erfolgen kann. In derartigen Fällen kann ausnahmsweise auch im Krankenhaus ein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 VBVG aF begründet werden.
(5) Solche besonderen Umstände sind hier indes nicht ersichtlich.
Zunächst hielt sich die Betroffene in der Zeit von Ende Mai bis Mitte November 2021 freiwillig zu Behandlungszwecken im Klinikum auf. Dass dieser freiwillige Behandlungsaufenthalt bereits zur Begründung eines neuen Lebensmittelpunkts geführt hat, kann nicht angenommen werden, zumal die Betroffene jederzeit die Möglichkeit hatte, das Klinikum auch wieder zu verlassen. In der Folgezeit genehmigte das Amtsgericht mehrfach die Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses für jeweils wenige Wochen, wobei die Betroffene zeitweise auch freiwillig im Klinikum verblieb. Die kurzzeitigen Unterbringungen erfolgten ausschließlich vor dem Hintergrund, dass nach Abschluss der Heilbehandlung eine für die Betroffene geeignete Folgeeinrichtung trotz entsprechender Bemühungen des Betreuers zunächst nicht gefunden werden konnte. Der Aufenthalt der Betroffenen im Klinikum hätte also jederzeit enden können und auch deutlich vor dem erst im August 2022 erfolgten Wechsel in die Senioren-Wohngemeinschaft enden sollen. Er war somit gerade nicht auf längere Zeit angelegt. Diese Umstände geben dem Aufenthalt der Betroffenen im Klinikum trotz seiner tatsächlichen Dauer - ähnlich wie bei einer Inhaftierung in Untersuchungshaft - das Gepräge eines vorübergehenden Aufenthalts ohne nachhaltige soziale Integration. Hieran vermag auch der zeitweise freiwillige Verbleib der Betroffenen im Klinikum nichts zu ändern, weil auch dieser nur darauf angelegt war, die Zeit bis zum Wechsel in eine Folgeeinrichtung zu überbrücken. Dabei fällt vorliegend nicht maßgeblich ins Gewicht, dass die Betroffene in Ermangelung einer eigenen Wohnung seinerzeit keine Möglichkeit der Rückkehr in eine solche hatte.
3. Die angefochtene Entscheidung kann mithin keinen Bestand haben. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt, weil noch weitere Ermittlungen durchzuführen sind, so dass die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG).
Dieses hat bislang keine hinreichenden Feststellungen zum Vermögensstatus der Betroffenen getroffen. Von diesem hängt nicht nur ab, ob eine Vergütung nach der monatlichen Fallpauschale in C5.2.1 oder in C5.2.2 der Vergütungstabelle der Anlage zu § 4 Abs. 1 VBVG aF beansprucht werden kann, sondern auch, gegen wen sich der Vergütungsanspruch des Betreuers richtet.
Die Vorinstanzen sind - dem Vergütungsantrag des Betreuers insoweit entsprechend - davon ausgegangen, dass die Betroffene vermögend ist. Während für den Umfang des dem Betreuer zu vergütenden Zeitaufwands maßgeblich ist, ob die betreute Person im Vergütungszeitraum mittellos war (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Februar 2013 - XII ZB 582/12 - FamRZ 2013, 620 Rn. 16), ist hinsichtlich der Frage des Vergütungsschuldners für die Feststellung des Vermögensstatus auf den Zeitpunkt der Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz abzustellen, weil die betreute Person durch die Kosten der Betreuung nicht in ihren vorhandenen Lebensgrundlagen wesentlich beeinträchtigt werden soll (Senatsbeschluss vom 6. Februar 2013 - XII ZB 582/12 - FamRZ 2013, 620 Rn. 18).
Das Beschwerdegericht wird daher mit Blick auf die Frage des Vergütungsschuldners zu prüfen haben, ob die Betroffene zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch als vermögend anzusehen ist, also ob sie über nach Maßgabe des § 90 SGB XII für die Vergütung einzusetzendes Vermögen verfügt (§ 1880 Abs. 2 BGB; bis 31. Dezember 2022: §§ 1908 i, 1836 c Nr. 2 BGB). Zum 1. Januar 2023 hat sich der Betrag des nicht einzusetzenden Schonvermögens im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von 5.000 € auf 10.000 € erhöht (Art. 9 des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze - Einführung eines Bürgergeldes [Bürgergeld-Gesetz] vom 16. Dezember 2022 [BGBl. I S. 2328]). Dies muss bei allen Vergütungsansprüchen berücksichtigt werden, über die nach dem 31. Dezember 2022 zu befinden ist, auch wenn sie Zeiträume vor dem 1. Januar 2023 betreffen (vgl. Bauer/Lütgens/ Schwedler/Deinert HK zum Betreuungs- und Unterbringungsrecht [Stand: April 2023] § 1880 BGB nF Rn. 5). Je nach aktuellem Vermögensstatus der Betroffenen könnte daher die Staatskasse (und nicht die Betroffene) Vergütungsschuldnerin sein, auch wenn sich die Betreuervergütung selbst nach der monatlichen Fallpauschale in C5.2.2 der Vergütungstabelle der Anlage zu § 4 Abs. 1 VBVG aF für einen nicht mittellosen Betreuten richtet.
Guhling Nedden-Boeger Botur RinBGH Dr. Krüger ist wegen Urlaubs an der Signatur gehindert.
Guhling Recknagel Vorinstanzen: AG Lübeck, Entscheidung vom 25.11.2022 - 416 XVII 42980 LG Lübeck, Entscheidung vom 25.08.2023 - 7 T 464/22 -