19 W (pat) 14/18
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 14/18 Verkündet am 14. März 2019
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 10 2008 003 867 …
ECLI:DE:BPatG:2019:140319B19Wpat14.18.0
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hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Ing. J. Müller und Dipl.-Phys. Dr. Haupt beschlossen:
Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Auf die am 7. Januar 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Gebrauchsmusteranmeldung 20 2007 001 079.6 vom 18. Januar 2007 eingegangene Patentanmeldung ist das Patent 10 2008 003 867 mit der Bezeichnung „Kraftfahrzeugheizung“ erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 3. März 2016 erfolgt.
Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 28. November 2016, eingegangen am 1. Dezember 2016, Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Einsprechende hat geltend gemacht,
der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG),
der Gegenstand von Anspruch 1 sei für den Fachmann nicht ausführbar offenbart (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG),
der Gegenstand des Patents sei nicht patentfähig, weder neu noch beruhe dieser auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).
Zum Stand der Technik hat die Beschwerde führende Einsprechende auf folgende Unterlagen Bezug genommen:
D1 CH-PS 259576 D2 US 2004/0084431 A1 D3 US 2006/0222346 A1 D4 US 3 447 121 D5 US 5 919 048 A D6 CA 1 305 748 C D8 KR 1020060014656 A D9 KR 100496598 B1 D10 EP 1 580 495 A1 D11 EP 1 253 807 A2 D12 Konvolut von Screenshots verschiedener Internetseiten zum Stichwort „Bolzen“.
Die Patentinhaberin hat folgende Druckschrift zitiert:
Duden Band 10 – Das Bedeutungswörterbuch, 3. neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Dudenverlag, Mannheim et al., Seite 228 mit Stichwort Bolzen.
Mit am Ende einer Anhörung am 25. Januar 2018 verkündetem Beschluss hat die Patentabteilung 1.34 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent aufrechterhalten.
Die Beschwerde der Einsprechenden vom 23. März 2018, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag, richtet sich gegen die Aufrechterhaltung des Patents.
Die Einsprechende beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 1.34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Januar 2018 aufzuheben und das Patent 10 2008 003 867 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt,
die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen,
hilfsweise das Patent – unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde – mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 14 gemäß Hilfsantrag 1 vom 8. November 2018,
weiter hilfsweise, Patentansprüche 1 bis 14 gemäß Hilfsantrag 2 vom 8. November 2018,
weiter hilfsweise, Patentansprüche 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag 3 vom 8. November 2018,
Beschreibung und Zeichnungen zu den Hilfsanträgen jeweils wie erteilt.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:
Kraftfahrzeugheizung mit mehreren Heizelementen, mehreren Potentialanschlüssen (5) zum Anlegen einer Versorgungsspannung an die Heizelemente, und einer Steckverbinderaufnahme (10), in der die Potentialanschlüsse (5) in Form von Kontaktzungen zur Spannungsversorgung der Heizelemente angeordnet sind, wobei in der Steckverbinderaufnahme (10) ein Massebolzen (6) zum Anschließen der Kraftfahrzeugheizung (1) an Masse angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Steckverbinderaufnahme (10) Seitenwände (13) aufweist, die einen Innenraum umschließen, in dem die Potentialanschlüsse (5) und der Massebolzen (6) angeordnet sind, und die Steckverbinderaufnahme (10) eine seitliche Aussparung für ein Masseanschlusskabel (24) aufweist.
Der erteilte Patentanspruch 11 lautet:
Heizungssystem mit einer Kraftfahrzeugheizung (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche und wenigstens einem Potentialanschlusskabel (21, 22, 23), das an seinem Ende mit einem Steckverbinder (20) verbunden ist, der zu der Steckverbinderaufnahme (10) der Kraftfahrzeugheizung (1) passt.
Zum Wortlaut der auf die erteilten Patentansprüche 1 oder 11 rückbezogenen Patentansprüche, zu den Hilfsanträgen sowie wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Patentabteilung hat das Patent zu Recht aufrechterhalten.
2. Die vorliegende Erfindung betrifft eine Kraftfahrzeugheizung zur Beheizung des Innenraums von Kraftfahrzeugen. Solche elektrischen Zusatzheizungen sind beispielsweise bei sehr kraftstoffeffizienten Dieselmotoren erforderlich, da bei Frost die Abwärme des Motors nicht ausreicht, um den Fahrzeuginnenraum innerhalb kurzer Zeit auf eine angenehme Temperatur aufzuheizen (Absätze 0001 und 0002 der Patentschrift).
Bei der Entwicklung solcher Kraftfahrzeugheizungen seien folgende Anforderungen zu beachten:
• Die Heizleistung soll möglichst groß sein, damit der Kraftfahrzeuginnenraum in möglichst kurzer Zeit aufgeheizt werden kann;
• die Kraftfahrzeugheizung soll einschließlich der nötigen Anschlüsse möglichst klein und kompakt sein;
• die Fertigung soll möglichst kostengünstig und • die Montage der fertigen Kraftfahrzeugheizung in ein Kraftfahrzeug soll mit möglichst geringem Aufwand möglich sein (Absatz 0003).
Der Erfindung liege daher die Aufgabe zugrunde, einen Weg aufzuzeigen, wie die Entwicklungsanforderungen einer möglichst großen Heizleistung, eines kleinen Einbauvolumens, geringer Fertigungskosten und einer einfachen Montage möglichst gut erfüllt werden können (Absatz 0005).
Als Lösung ist gemäß erteiltem Patentanspruch 1 eine Kraftfahrzeugheizung vorgesehen, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
M1.1 M1.2 M1.3 M1.4 M1.5 M1.6 M1.7 M1.8 M1.9 Kraftfahrzeugheizung mit mehreren Heizelementen, mehreren Potentialanschlüssen (5) zum Anlegen einer Versorgungsspannung an die Heizelemente, und einer Steckverbinderaufnahme (10), in der die Potentialanschlüsse (5) in Form von Kontaktzungen zur Spannungsversorgung der Heizelemente angeordnet sind, wobei in der Steckverbinderaufnahme (10) ein Massebolzen (6) zum Anschließen der Kraftfahrzeugheizung (1) an Masse angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Steckverbinderaufnahme (10) Seitenwände (13) aufweist, die einen Innenraum umschließen, in dem die Potentialanschlüsse (5) und der Massebolzen (6) angeordnet sind, und die Steckverbinderaufnahme (10) eine seitliche Aussparung für ein Masseanschlusskabel (24) aufweist.
3. Vor diesem Hintergrund legt der Senat seiner Entscheidung als zuständigen Fachmann einen Diplomingenieur bzw. Bachelor (FH) oder Techniker der Fachrichtung Feinwerk- oder Fertigungstechnik zugrunde, der die Aufgabe hat, elektrische Steckverbinder sowie deren Herstellung zu optimieren und dazu auch über mehrjährige Erfahrung auf diesem Gebiet verfügt.
4. Einige Angaben im Patentanspruch 1 bedürfen der Erläuterung:
4.1 Im Patentanspruch 1 sind zum einen gegenständliche Merkmale genannt, zum anderen aber auch funktionelle, da sich die Angaben in Merkmal M1.3: „zum Anlegen einer Versorgungsspannung“ sowie in Merkmal M1.6: „zum Anschließen … an Masse“ auf die elektrische Schaltung der Heizelemente beziehen. Daraus lässt sich zwar nicht unmittelbar eine bestimmte konstruktive Ausgestaltung ableiten. Der Begriff „Masse“ steht in der Elektrotechnik jedoch üblicherweise für das gemeinsame Bezugspotential für alle Signal- und Betriebsspannungen. Im Falle von Kraftfahrzeugen ist üblicherweise das Massepotential auch das Potential der Karosserie.
4.2 In Merkmal M1.5 sind für die Potentialanschlüsse „Kontaktzungen“ genannt, in Merkmal M1.6 ein „Massebolzen“. Aus dieser Nebeneinanderstellung schließt der Fachmann, dass die Kontaktzungen einen vergleichsweise flachen rechteckigen Querschnitt aufweisen und der Kontaktbolzen demgegenüber einen eher runden oder auch mehreckigen (mit gleichen Seitenlängen). Aus der Tatsache, dass zwar mindestens zwei Kontaktzungen vorgesehen sind, jedoch nur ein Massebolzen, schließt der Fachmann, dass der Massebolzen so dimensioniert sein muss, dass er die Summe aller Ströme (einschließlich der Kurzschlussströme) führen können muss, die durch die Kontaktzungen fließen können.
5. Hinsichtlich der von der Einsprechenden schriftlich sowie mündlich vorgetragenen Widerrufsgründe hat der Senat keine Anhaltspunkte, die jeweiligen Sachverhalte anders zu beurteilen als die Patentabteilung. Vielmehr macht sich der Senat die Ausführungen der Patentabteilung in der den Beteiligten mit Schreiben vom 7. März 2018 übersandten Begründung in vollem Umfang zu eigen.
5.1 Insbesondere zeigt keine der von der Einsprechenden als relevant dargestellten Druckschriften KR 1020060014656 A [D8], KR 100496598 B1 [D9] oder EP 1 580 495 A1 [D10] eine Steckverbinderaufnahme, die Seitenwände aufweist, die mit einer seitlichen Aussparung für ein Masseanschlusskabel versehen ist.
Vielmehr entnimmt der Fachmann beispielsweise der Druckschrift D9 (vgl. Fig. 9) lediglich ein Steckverbinderteil 400, das mit einem Gehäuseoberteil 420 sowie einem damit korrespondierenden Gehäuseunterteil 410 versehen ist. Zwischen diesen beiden Gehäuseteilen 410 und 420 sind elektrische Kontaktteile 430 angeordnet, die zum einen dem Anschluss von Potential- sowie Masseleitungen 450 dienen und zum anderen auf zungenartige Kontaktelemente 130 und 300 der Heizelemente 100 aufgesteckt sind.
Der Vortrag der Einsprechenden, das Gehäuseunterteil 410 sei im Sinne des Streitpatents eine Steckverbinderaufnahme sowie das Gehäuseoberteil 420 einschließlich der Kontaktelemente 430 ein damit korrespondierender Stecker, ist nach Überzeugung des Senats weder der Druckschrift D9 zu entnehmen, noch handelt es sich um eine sinnvolle Betrachtungsweise durch den Fachmann.
5.2 Der dem Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nächstkommende Stand der Technik ist nach Erkenntnis des Senats ohnehin aus der Druckschrift EP 1 253 807 A2 [D11] bekannt.
Selbst wenn man unbeachtet lässt, dass der Anschlussbolzen 8a nicht auf Massepotential gelegt, sondern die Plusverbindung für die Heizelemente 2 ist (Absatz 0032), und die zungenartigen Anschlüsse 15 demzufolge über den weiteren Anschlussbolzen 8b (Absatz 0035) auf Massepotential gelegt sind, ist der Druckschrift D11 (vgl. insbesondere Figur 3) hinsichtlich des Gegenstandes des erteilten Patentanspruchs 1 lediglich Folgendes zu entnehmen: Eine M1.1 M1.2 Kraftfahrzeugheizung (siehe Bezeichnung und Absatz 0016: elektrischen Heizvorrichtung 1) mit mehreren Heizelementen (Absatz 0016: Mehrzahl geschichteter oder gestapelter Heizelemente 2),
M1.3 M1.4 M1.5 M1.6Teil M1.7 M1.8 mehreren Masse-Potentialanschlüssen (Anschlussfahnen 15 bzw. Anschlusslaschen 15) zum Anlegen einer Versorgungsspannung an die Heizelemente 2, und einer Steckverbinderaufnahme (Seitenholm 5), in der die Potentialanschlüsse 15 in Form von Kontaktzungen zur Spannungsversorgung der Heizelemente 2 angeordnet sind (Absätze 0032 und 0035), wobei in der Steckverbinderaufnahme 5 ein Anschlussbolzen 8a zum Anschließen der Kraftfahrzeugheizung 1 an Pluspotential angeordnet ist, wobei die Steckverbinderaufnahme 5 Seitenwände (siehe Figur 3) aufweist, die einen Innenraum umschließen, in dem die Masse-Potentialanschlüsse 15 und der Anschlussbolzen 8a angeordnet sind.
Eine seitliche Aussparung für ein Anschlusskabel zur Kontaktierung des – nicht an Massepotential, sondern an den Pluspol angeschlossenen (Rest von Merkmal M1.6) – Anschlussbolzens 8a an der Steckverbinderaufnahme 5 entsprechend Merkmal M1.9 ist der Druckschrift D11 jedoch nicht zu entnehmen und wird durch diese auch nicht angeregt.
6. Da keiner der von der Einsprechenden geltend gemachten Widerrufsgründe vorliegt, war die Beschwerde zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. 5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. 6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreich- bar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck J. Müller Dr. Haupt Ko