VIII ZR 159/23
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VIII ZR 159/23 URTEIL Verkündet am: 27. November 2024 Reiter, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja JNEU:
nein in dem Rechtsstreit BGB § 126 Abs. 1, 3, § 126a Abs. 1, § 568 Abs. 1 ZPO § 130e, § 173 Abs. 2, 4, § 298, § 416a a) Bei einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist es auch für die elektronische Form zur Wahrung der Form nicht ausreichend, dass die Willenserklärung formgerecht abgegeben wurde; diese muss dem Erklärungsgegner vielmehr auch in der entsprechenden Form zugehen. Für den Zugang einer in einem qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Dokument enthaltenen Willenserklärung ist es daher erforderlich, dass dieses Dokument so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden und damit die Echtheit des Dokuments prüfen kann.
ECLI:DE:BGH:2024:271124UVIIIZR159.23.0 b) Diese Voraussetzungen sind in dem Zeitraum vor dem Inkrafttreten der Vorschrift des § 130e ZPO am 17. Juli 2024 erfüllt, wenn in einem Zivilprozess ein elektronischer Schriftsatz mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur, der eine empfangsbedürftige Willenserklärung enthält, vom Gericht unter Aufrechterhaltung der elektronischen Signatur elektronisch an den Empfänger der Willenserklärung weitergeleitet wird.
c) In dem Zeitraum vor dem Inkrafttreten des § 130e ZPO bewirkt die Übermittlung eines Ausdrucks eines mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur versehenen, bei Gericht im Rahmen eines Zivilprozesses eingegangenen elektronischen Dokuments unter Beifügung eines Transfervermerks im Sinne des § 298 Abs. 3 ZPO keinen wirksamen Zugang der in dem Dokument enthaltenen empfangsbedürftigen Willenserklärung beim Erklärungsgegner.
BGH, Urteil vom 27. November 2024 - VIII ZR 159/23 - LG Mainz AG Mainz Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 2024 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bünger, den Richter Kosziol sowie die Richterinnen Dr. Liebert, Wiegand und Dr. Böhm für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 20. Juni 2023 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen Tatbestand: 1 Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung der Klägerin in M. . Die Bruttomiete betrug zuletzt monatlich 648,97 €. Ab dem Frühjahr 2019 bis Januar 2021 geriet der Beklagte in Höhe von rund 2.600 € mit der Miete in Zahlungsrückstand. Ab Februar 2021 reduzierte sich der Mietrückstand durch kontinuierliche Überzahlungen des Beklagten, betrug jedoch im Februar 2022 weiterhin mehr als zwei Monatsmieten. 2 Mit Schreiben vom 10. Februar 2022 erklärte die Klägerin die außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen des Zahlungsrückstands. 3 In der qualifiziert elektronisch signierten Klageschrift vom 9. März 2022 hat die Klägerin erneut die außerordentliche fristlose Kündigung wegen des Zahlungsrückstands erklärt. Eine weitere außerordentliche fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung ist mit dem qualifiziert elektronisch signierten Schriftsatz vom 13. Mai 2022 erfolgt. Beide als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsätze sind durch das Gericht ausgedruckt und dem - erstinstanzlich noch nicht anwaltlich vertretenen - Beklagten zugestellt worden. 4 Das Amtsgericht hat die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht beschränkt zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe: 5 Die Revision hat keinen Erfolg.
I. 6 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt: 7 Die Kündigung vom 10. Februar 2022 sei unwirksam, weil sie zu diesem Zeitpunkt überraschend und damit rechtsmissbräuchlich gewesen sei. 8 Die beiden Kündigungserklärungen in der Klageschrift vom 9. März 2022 und im Schriftsatz vom 13. Mai 2022 seien formunwirksam. 9 Nach § 568 Abs. 1 BGB bedürfe die Kündigung des Mietverhältnisses der schriftlichen Form. Sei durch Gesetz die schriftliche Form vorgeschrieben, müsse die Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden (§ 126 Abs. 1 BGB). Solle die Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden - was bei der Kündigung eines Mietverhältnisses mangels abweichender gesetzlicher Regelung zulässig sei (§ 126 Abs. 3 BGB) -, müsse der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen (§ 126a Abs. 1 BGB). Vorliegend habe die Klägerin die Kündigungserklärungen vom 9. März 2022 und vom 13. Mai 2022 in die entsprechenden Schriftsätze aufgenommen, diese mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen und die so signierten Schriftsätze auf dem gemäß § 130d ZPO vorgeschriebenen Weg bei Gericht eingereicht.
Es genüge jedoch nicht, dass die Erklärung formgerecht abgegeben worden sei; darüber hinaus müsse dem Erklärungsempfänger die formgerechte Urkunde zugehen. Der Empfänger habe ein schutzwürdiges Interesse, Gewissheit und sichere Beweisunterlagen darüber zu erlangen, dass die ihm zugegangene Erklärung formgerecht und damit wirksam abgegeben worden sei. Bei einer Kündigung durch prozessualen Schriftsatz sei zu Zeiten des papiergebundenen Rechtsverkehrs zwar anerkannt gewesen, dass die Schriftform auch dann gewahrt sei, wenn der vom Erklärenden bevollmächtigte Rechtsanwalt nur die für das Gericht bestimmte Urschrift des Schriftsatzes handschriftlich unterzeichnet und der Kündigungsempfänger lediglich eine mit einem Beglaubigungsvermerk des schriftsatzverfassenden Rechtsanwalts versehene Abschrift erhalten habe. Eine Beglaubigung durch andere Personen, auch durch die Geschäftsstelle des Gerichts, habe hingegen nicht genügt.
Im vorliegenden Fall seien die in den Schriftsätzen vom 9. März 2022 und vom 13. Mai 2022 enthaltenen Kündigungserklärungen dem seinerzeit anwaltlich nicht vertretenen Beklagten nicht elektronisch, sondern nach Ausdruck auf dem Postweg übermittelt worden und damit weder in Schriftform noch in sie ersetzender elektronischer Form zugegangen. Durch den mit dem Ausdruck verbundenen Medienbruch sei die elektronische Signatur zwangsläufig verloren gegangen.
Die Kammer folge nicht der in der Literatur teilweise vertretenen Auffassung, dass dem Transfervermerk (§ 298 Abs. 3 ZPO) materiell-rechtliche Bedeutung zukomme und daher die Schriftform gewahrt sei, wenn mit dem Ausdruck der Erklärung zugleich der Transfervermerk zugestellt werde.
Der Ausdruck eines Dokuments sei der Urschrift entgegen dieser Auffassung nicht näher als eine beglaubigte Abschrift. Zudem beruhe die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wahrung des Schriftformerfordernisses nur bei Zugang eines handschriftlich unterzeichneten Originals oder einer vom Bevollmächtigten des Erklärenden beglaubigten Abschrift auf der Überlegung, der Erklärungsempfänger solle im Interesse der Rechtssicherheit selbst die Möglichkeit haben, sich von der Authentizität der Erklärung zu überzeugen, und sich insoweit nicht auf die Beurteilung eines Dritten, auch nicht auf die des Gerichts, verlassen müssen. Der Transfervermerk sei aber lediglich eine automatisiert erstellte Erklärung des Gerichts über die Existenz der qualifizierten elektronischen Signatur und über technische Vorgänge rund um die Übermittlung des signierten Dokumentes an das Gericht. Der Empfänger eines Schriftsatzausdrucks nebst Transfervermerk habe daher gerade nicht die Möglichkeit, die qualifizierte elektronische Signatur eigenständig zu überprüfen.
Die Klägerin könne sich schließlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, materiell-rechtliche Erklärungen könnten unzweifelhaft im Rahmen eines Prozesses erfolgen. Dass materiell-rechtliche Erklärungen grundsätzlich auch im Rahmen eines Prozesses abgegeben werden könnten, stehe außer Streit. Bei der Frage, ob dies bei einem Medienbruch auch schriftformwahrend möglich sei,
könne das Ziel, eine letztlich pragmatische Handhabung auch weiterhin zu ermöglichen, nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Gesetzgeber mit der Änderung prozessualer Formvorschriften im Zuge der Digitalisierung des Zivilprozesses eine Modifikation von § 568 BGB nur im Rahmen des § 126 Abs. 3 BGB vorgenommen, nicht aber zugleich die Regelungen über den Zugang formbedürftiger Willenserklärungen geändert habe. Dass - was der Gesetzgeber möglicherweise übersehen habe - Schriftformkündigungen anwaltlich vertretener Parteien gegenüber nicht anwaltlich vertretenen Parteien vorübergehend nicht mehr möglich seien, sei hinzunehmen, zumal es dem Vermieter auch während eines laufenden Rechtsstreits jederzeit unbenommen bleibe, eine Kündigung außergerichtlich unmittelbar an den Mieter zuzustellen und den Nachweis darüber in den Rechtsstreit einzuführen.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung, soweit sie aufgrund des beschränkten Umfangs der Revisionszulassung eröffnet ist, stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
1. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam beschränkt. Die Zulassung erfasst allerdings nicht nur die vom Berufungsgericht im Tenor seiner Entscheidung genannte Kündigungserklärung in der Klageschrift vom 9. März 2022, sondern - wie die Revision zu Recht geltend macht und auch die Revisionserwiderung nicht in Zweifel zieht - auch diejenige im Schriftsatz vom 13. Mai 2022.
a) Die vom Berufungsgericht im Urteilstenor formulierte Zulassungsbeschränkung "hinsichtlich der Frage […], ob die Kündigungserklärung im Schriftsatz vom 9. März 2022 die gesetzliche Form nach §§ 568, 126 Abs. 1, § 126a BGB gewahrt hat", zielt ihrem Wortlaut nach auf die Klärung (nur) einer bestimmten Rechtsfrage ab, was unzulässig ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 26. April 2016 - XI ZR 108/15, WM 2016, 1031 Rn. 11; vom 22. September 2016 - VII ZR 298/14, BGHZ 212, 90 Rn. 18; vom 29. April 2020 - VIII ZR 355/18, NJW 2020, 1947 Rn. 16; vom 28. Oktober 2020 - VIII ZR 230/19, NJW-RR 2021, 15 Rn. 21; vom 15. September 2021 - VIII ZR 76/20, WM 2021, 2046 Rn. 20; vom 6. Juli 2022 - VIII ZR 155/21, juris Rn. 22).
Anerkanntermaßen hat das Berufungsgericht jedoch die Möglichkeit, die Revision nur hinsichtlich eines tatsächlich und rechtlich selbstständigen und abtrennbaren Teils des Gesamtstreitstoffs zuzulassen, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte. Dafür ist es erforderlich, dass der von der Zulassungsbeschränkung betroffene Teil des Streits in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Fall einer Zurückverweisung kein Widerspruch zu dem unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 15. März 2017 - VIII ZR 295/15, NJW 2017, 2679 Rn. 13 f.; vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 118/20, juris Rn. 20; vom 6. April 2022 - VIII ZR 219/20, WuM 2022, 331 Rn. 16 f.; vom 6. Juli 2022 - VIII ZR 155/21, juris Rn. 22; vom 31. August 2022 - VIII ZR 232/21, juris Rn. 22; vom 10. Mai 2023 - VIII ZR 204/21, juris Rn. 25; Senatsbeschluss vom 21. Februar 2023 - VIII ZR 106/21, WuM 2023, 610 Rn. 8 f.; jeweils mwN).
Ist die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, bei mehreren Streitgegenständen nur für einen von ihnen erheblich, liegt in der Angabe des Zulassungsgrundes regelmäßig die eindeutige Beschränkung der Zulassung auf diesen Streitgegenstand (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 12. Mai 2010 - VIII ZR 96/09, NJW 2010, 3015 Rn. 18; vom 2. Mai 2017 - VI ZR 262/16, NJW-RR 2017, 1516 Rn. 16; vom 24. Oktober 2017 - II ZR
16/16, WM 2017, 2363 Rn. 9; vom 13. Mai 2020 - VIII ZR 222/18, NZM 2020, 713 Rn. 9; vom 17. August 2021 - VIII ZR 378/19, juris Rn. 8).
b) Danach hat das Berufungsgericht hier die Zulassung der Revision wirksam beschränkt auf die beiden - jeweils einen eigenen Streitgegenstand bildenden (vgl. Senatsurteile vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 175/14, BGHZ 204, 134 Rn. 14; vom 10. April 2019 - VIII ZR 12/18, NJW 2019, 2308 Rn. 33; Senatsbeschlüsse vom 20. November 2012 - VIII ZR 157/12, juris Rn. 8; vom 6. Oktober 2015 - VIII ZR 321/14, WuM 2016, 225 Rn. 4; vom 15. Mai 2018 - VIII ZR 150/17, WuM 2018, 514 Rn. 11 f.) - Kündigungserklärungen in der Klageschrift vom 9. März 2022 und im Schriftsatz vom 13. Mai 2022. Nur bei diesen Kündigungserklärungen, nicht aber bei derjenigen im Schreiben der Klägerin vom 10. Februar 2022 stellt sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage, ob das Schriftsatzerfordernis gemäß § 568 Abs. 1 BGB dadurch gewahrt werden konnte, dass die qualifiziert elektronisch signierten und als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsätze vom Gericht ausgedruckt und dem Beklagten übermittelt worden sind. Der Umstand, dass das Berufungsgericht in der Entscheidungsformel zur beschränkten Zulassung der Revision nur die Klageschrift vom 9. März 2022, nicht aber den Schriftsatz vom 13. Mai 2022 erwähnt hat, beruht auf einer offenbaren Unrichtigkeit (§ 319 ZPO); eine unterschiedliche zulassungsrechtliche Behandlung der beiden vorgenannten Schriftsätze ist seitens des Berufungsgerichts ausweislich der in den Gründen seiner Entscheidung enthaltenen Zulassungsbegründung, die allein die Kündigungserklärung vom 10. Februar 2022 von der Zulassung ausnimmt, ersichtlich nicht gewollt.
2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die beiden Kündigungserklärungen in der als elektronisches Dokument eingereichten Klageschrift vom 9. März 2022 und im ebenfalls elektronisch übermittelten Schriftsatz vom 13. Mai 2022 gemäß § 125 Satz 1 BGB unwirksam sind, weil sie das Schriftformerfordernis gemäß § 568 Abs. 1 BGB mangels Zugangs einer formgerechten Willenserklärung beim Beklagten (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht erfüllt haben.
a) Seit dem 17. Juli 2024 gilt für empfangsbedürftige Willenserklärungen, die der schriftlichen oder elektronischen Form bedürfen und die klar erkennbar in einem vorbereitenden (zivilprozessualen) Schriftsatz enthalten sind, die durch das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz vom 12. Juli 2024 (BGBl. I Nr. 234, vgl. zum Inkrafttreten Art. 50) geschaffene Norm des § 130e ZPO. Diese fingiert in Satz 1 für die genannten Willenserklärungen, sofern der Schriftsatz als elektronisches Dokument nach § 130a ZPO bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder mitgeteilt wurde, den formwirksamen Zugang. Nach dem Willen des Gesetzgebers schließt diese Fiktion jene der formgerechten Abgabe der Willenserklärung ein (vgl. BT-Drucks. 20/10943, S. 57). Die Formfiktion gilt nach § 130e Satz 2 ZPO auch dann, wenn die Ersetzung der schriftlichen Form durch die elektronische Form ausgeschlossen ist. Über die Verweise insbesondere in § 70 Abs. 2, § 253 Abs. 4, § 519 Abs. 4, § 520 Abs. 5, § 549 Abs. 2, § 551 Abs. 4 und § 575 Abs. 4 Satz 1 ZPO ist die Vorschrift des § 130e ZPO auch auf bestimmende Schriftsätze anwendbar.
Eine Anwendung dieser Regelung auf den vorliegend bereits vor deren Inkrafttreten erfolgten Eingang der elektronischen Klageschrift vom 9. März 2022 und des elektronischen Schriftsatzes vom 13. Mai 2022 bei Gericht sowie die Weiterleitung dieser Schriftsätze durch Ausdruck und Zustellung an den Beklagten in Papierform kommt jedoch nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteile vom 18. Oktober 1965 - II ZR 36/64, BGHZ 44, 192, 194; vom 10. Juli 2024 - VIII ZR 276/23, NJW 2024, 2909 Rn. 15; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl., Einl. vor § 241 Rn. 14).
Unter Heranziehung dieser verfassungsrechtlich verankerten Grundsätze kann der Vorschrift des § 130e ZPO keine Rückwirkung dergestalt zukommen, dass sie auf die bereits vor ihrem Inkrafttreten erfolgte Abgabe und den Zugang einer in einem prozessualen Schriftsatz enthaltenen Willenserklärung Anwendung findet. Denn die Norm regelt, obgleich wegen ihrer Anknüpfung an einen prozessualen Schriftsatz in der Zivilprozessordnung enthalten, die das materielle Recht betreffenden Fragen der Abgabe und des Zugangs form- und empfangsbedürftiger Willenserklärungen. Ob eine form- und empfangsbedürftige Kündigungserklärung wirksam abgegeben und zugegangen ist, muss sich jedoch aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nach dem in diesem Zeitpunkt geltenden Recht beurteilen (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 2024 - VIII ZR 276/23, aaO Rn. 16).
Insofern richtet sich die Beurteilung des vorliegenden Falles nach der vor dem Inkrafttreten des § 130e ZPO geltenden Rechtslage.
b) Ob - wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist - die gemäß § 568 Abs. 1 BGB für die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses erforderliche Schriftform, welche nach § 126 Abs. 1 BGB eine Unterzeichnung der Urkunde mittels eigenhändiger Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens voraussetzt, gemäß § 126 Abs. 3 BGB in dem hier vorliegenden Fall durch die elektronische Form im Sinn von § 126a Abs. 1 BGB ersetzt werden konnte, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn es fehlt jedenfalls - wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat - der erforderliche formgerechte Zugang der in den qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Schriftsätzen enthaltenen Kündigungserklärungen beim Beklagten (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB).
aa) Nach der durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1542) mit Wirkung vom 1. August 2001 eingeführten Vorschrift des § 126 Abs. 3 BGB kann die schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass § 568 Abs. 1 BGB - anders als beispielsweise die Formvorschriften der §§ 623, 766 Satz 2, § 780 Satz 2 und § 781 Satz 2 BGB - für die Kündigung eines Mietverhältnisses die elektronische Form nicht ausschließt.
bb) Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob sich der Regelungsgehalt des § 126 Abs. 3 BGB darin erschöpft, die Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form für den Fall zu ermöglichen, in dem eine abweichende gesetzliche Regelung fehlt, oder ob die Möglichkeit der Ersetzung der für die Wirksamkeit einer Willenserklärung angeordneten Schriftform durch die elektronische Form gemäß § 126 Abs. 3 BGB bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. den Regierungsentwurf des oben genannten Gesetzes [BT-Drucks. 14/4987, S. 15], die Stellungnahme des Bundesrates [BT-Drucks. 14/4987, S. 34 f.] und die Gegenäußerung der Bundesregierung [BT-Drucks. 14/4987, S. 41 f.]) zudem - wie die Revisionserwiderung meint - voraussetzt, dass der Empfänger der Willenserklärung hiermit einverstanden ist (so Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Aufl., § 126a Rn. 6; Erman/Arnold, BGB, 17. Aufl., § 126a Rn. 8; Staudinger/Hertel, BGB, Neubearb. 2023, § 126 Rn. 167; Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2021, § 568 Rn. 16; jurisPK-BGB/Junker, Stand: 1. Mai 2020, § 126 Rn. 87; Schmidt-Futterer/ Streyl, Mietrecht, 16. Aufl., § 568 BGB Rn. 26; Himmen, ZMR 2021, 711, 715; aA LG Itzehoe, Urteil vom 18. Februar 2022 - 9 S 33/21, juris Rn. 33; BeckOGKBGB/Hecht, Stand: 1. Juli 2024, § 126 Rn. 82 ff.; BeckOK-BGB/Wendtland, Stand: 1. Mai 2024, § 126 Rn. 12 f.; MünchKommBGB/Einsele, 9. Aufl., § 126 Rn. 28 ff.; Fleindl, NZM 2024, 65, 66; Heukenkamp, ZfDR 2022, 53, 65 f.; auf Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs abstellend Hinz, MDR 2022, 1383, 1384 f.).
cc) Die Frage bedarf allerdings vorliegend auch keiner Entscheidung. Denn unabhängig von einem eventuell erforderlichen Einverständnis des Beklagten mit der Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form, zu dessen Vorliegen das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat (zu einem eventuell erforderlichen, jedenfalls aber in den Fällen der Weiterleitung der in einem elektronischen Schriftsatz enthaltenen empfangsbedürftigen Willenserklärung an einen von der Gegenseite bestellten anwaltlichen Prozessbevollmächtigten infolge der Vorschrift des § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO als erteilt anzusehenden Einverständnis siehe das Senatsurteil vom heutigen Tag - VIII ZR 155/23, unter II 1 b bb, zur Veröffentlichung bestimmt), sind die in den - nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts den Anforderungen des § 126a Abs. 1 BGB an die formgerechte Abgabe einer elektronischen Willenserklärung entsprechenden - elektronischen Schriftsätzen vom 9. März 2022 und 13. Mai 2022 enthaltenen Kündigungserklärungen dem Beklagten nicht formgerecht zugegangen.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung ist es zur Wahrung einer für eine empfangsbedürftige Willenserklärung vorgeschriebenen Form nicht ausreichend, dass diese nach den jeweiligen Formvorschriften abgegeben wurde. Sie muss vielmehr, um wirksam zu werden, dem Erklärungsgegner auch in der vorgeschriebenen Form gemäß § 130 BGB zugehen (vgl. BGH, Urteile vom 26. Februar 2015 - IX ZR 174/13, NJW-RR 2015, 735 Rn. 11; vom 6. Dezember 2005 - XI ZR 139/05, BGHZ 165, 213, 216; vom 30. Juli 1997 - VIII ZR 244/96, NJW 1997, 3169 unter II 2 b bb; vom 30. Mai 1962 - VIII ZR 173/61, NJW 1962, 1388 unter II 2; Beschluss vom 4. Juli 1986 - V ZR 41/86, WuM 1987, 209 unter II 3).
Dieses Zugangserfordernis gilt - wie das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision insoweit nicht angegriffen angenommen hat - auch für den Fall einer empfangsbedürftigen Willenserklärung in elektronischer Form.
Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung der Möglichkeit der Wahrung von gesetzlichen Formvorschriften durch ein elektronisches Dokument mit qualifizierter elektronischer Signatur zwar auf besondere Regelungen über den Zugang bewusst verzichtet, ist aber davon ausgegangen, dass auch auf in elektronischen Dokumenten abgegebene Willenserklärungen § 130 BGB Anwendung findet (vgl. BT-Drucks. 14/4987, S. 20). Dies erklärt sich durch das gesetzgeberische Ziel einer Funktionsäquivalenz zwischen der Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB und der elektronischen Form des § 126a Abs. 1 BGB. Danach muss die elektronische Form so ausgestaltet sein, dass sie die mit der Schriftform bezweckten Leistungsfunktionen regelmäßig sicherstellt, wenn auch eine völlige Gleichheit hinsichtlich aller Funktionen wegen der tatsächlichen Unterschiede zwischen den beiden Formen nicht erreichbar ist (vgl. BT-Drucks. 14/4987, S. 15). Zu den mit der Schriftform bezweckten Leistungsfunktionen, welche die elektronische Form in vergleichbarer Weise sicherstellen soll, gehört - neben der Identitätsfunktion (Erkennbarkeit des Erklärenden und Möglichkeit der Identifizierung durch dessen unverwechselbare Unterschrift) und der Echtheitsfunktion (Gewährleistung der inhaltlichen Urheberschaft des Unterzeichners durch die räumliche Verbindung der Unterschrift mit dem Dokument) - auch die damit in Zusammenhang stehende Verifikationsfunktion, nach der es dem Empfänger des Dokuments möglich sein soll, zu überprüfen, ob die Unterschrift echt ist (BT-Drucks. 14/4987, S. 16 f.). Diese Funktion kann nur erfüllt werden, wenn das Dokument selbst dem Empfänger für eine Überprüfung zur Verfügung steht.
Insofern ist es für den Zugang einer in einem qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Dokument enthaltenen Willenserklärung gemäß § 126a Abs. 1 BGB - vergleichbar dem Zugang einer papiergebundenen Willenserklärung - erforderlich, dass dieses Dokument so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden und damit die Echtheit des Dokuments prüfen kann.
(2) Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn in einem Zivilprozess ein elektronischer Schriftsatz mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, der eine empfangsbedürftige Willenserklärung enthält, vom Gericht unter Aufrechterhaltung der qualifizierten elektronischen Signatur elektronisch an den Empfänger der Willenserklärung weitergeleitet wird.
Zwar wird in der Instanzrechtsprechung (LG Bonn, Urteil vom 29. Juni 2023 - 6 S 97/22, juris Rn. 16 [aufgehoben durch Senatsurteil vom heutigen Tag - VIII ZR 155/23, zur Veröffentlichung bestimmt]; AG Charlottenburg, Urteil vom 22. Februar 2023 - 215 C 120/22, juris Rn. 30) und dem Schrifttum (vgl. BeckOGK-BGB/Geib, Stand: 1. Oktober 2024, § 568 Rn. 27; BeckOGKBGB/Mehle, Stand: 1. Juli 2024, § 542 Rn. 14; BeckOK-BGB/Wöstmann, Stand: 1. August 2024, § 568 Rn. 7; Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2021, § 568 Rn. 22; Fritzsche, NJW 2022, 3620 Rn. 6, 8; Meyer-Abich, NJW 2022, 3200 Rn. 17; BeckOK-Mietrecht/R. Schultz, Stand: 1. August 2024, § 568 BGB Rn. 11) teilweise vertreten, die Legitimationswirkung der Signatur des Absenders gelte nur gegenüber dem Gericht, nicht aber auch im Verhältnis zu der anderen Partei, welcher der Schriftsatz durch das Gericht übermittelt werde.
Diese - häufig auf eine entsprechende Formulierung des Amtsgerichts Hamburg in einem Urteil vom 25. Februar 2022 (48 C 304/21, juris Rn. 40) gestützte - Ansicht ist für die elektronische Weiterleitung qualifiziert elektronisch signierter elektronischer Schriftsätze durch das Gericht unter Aufrechterhaltung der qualifizierten elektronischen Signatur jedoch nicht zutreffend; eine solche Fallkonstellation war auch in dem der Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg zugrundeliegenden Sachverhalt nicht gegeben (aaO Rn. 10).
Anders als die in § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 ZPO vorgesehene Einreichung eines elektronischen Dokuments über einen sicheren Übermittlungsweg, die an das Verhältnis von Absender und erstem (unmittelbaren) Empfänger anknüpft, ist eine qualifizierte elektronische Signatur (Art. 3 Nr. 12, Art. 26 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG, ABl. L 257 S. 73; im Folgenden eIDAS-VO) in dem Sinne verkehrsfähig, dass ihre Validierung (Art. 32, 33 eIDAS-VO) nicht nur für den ersten Empfänger möglich ist, sondern auch für Dritte, denen das elektronische Dokument mitsamt der qualifizierten elektronischen Signatur elektronisch weitergeleitet wird. Daher kann ein wirksam qualifiziert elektronisch signierter elektronischer Schriftsatz grundsätzlich unter Aufrechterhaltung der gültigen und prüfbaren elektronischen Signatur elektronisch vom Gericht an den gegnerischen Prozessbevollmächtigten oder - im Fall des § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO - auch an den Gegner persönlich übermittelt werden (vgl. OLG Bamberg, NJW 2022, 3451 Rn. 24 [zur Weiterleitung einer qualifiziert elektronisch signierten Beschwerdeschrift an ein anderes Gericht]; Siegmund in Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, 7. Aufl., § 568 BGB Rn. 17; Fleindl, NZM 2024, 65, 71; Hinz, MDR 2022, 1383 Rn. 20; Müller, NJW 2015, 822, 825; Himmen, ZMR 2021, 711, 715 f.; Ehrmann/Streyl, NZM 2019, 873, 874; vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Mai 2019 - XII ZB 573/18, BGHZ 222, 105 Rn. 18).
(3) Die - hier vorliegende - Übermittlung eines Ausdrucks eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen, bei Gericht im Rahmen eines Zivilprozesses eingegangenen elektronischen Dokuments (§ 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO) vermag hingegen - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - nach den vorgenannten Ausführungen einen formgerechten Zugang der in ihm enthaltenen Willenserklärung (hier: der Kündigungserklärung) im Sinn von § 126a Abs. 1 BGB beim Erklärungsgegner auch dann nicht zu bewirken, wenn - wovon vorliegend mangels entsprechender Feststellungen des Berufungsgerichts nach dem entsprechenden Klägervortrag revisionsrechtlich hinsichtlich der beiden hier in Rede stehenden Kündigungserklärungen auszugehen ist - dem Ausdruck ein Transfervermerk gemäß § 298 Abs. 3 ZPO beigefügt ist. Die hiergegen erhobenen Einwände der Revision, die sich auf einen materiell-rechtlichen Gehalt des Transfervermerks beruft (vgl. LG Berlin, WuM 2023, 566 f.; AG Dresden, ZMR 2023, 375; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 16. Aufl., § 568 BGB Rn. 29; Ehrmann/Streyl, NZM 2019, 873, 876 f.), greifen nicht durch.
(a) Gemäß § 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO in der seit dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I 3786) ist, sofern die Akten in Papierform geführt werden, von einem elektronischen Dokument ein Ausdruck für die Akten zu fertigen. Nach § 298 Abs. 3 ZPO muss dieser Ausdruck im Falle eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen und nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereichten elektronischen Dokuments einen (Transfer-)Vermerk über das Ergebnis der Integritätsprüfung des Dokuments (Nr. 1), den Inhaber der Signatur (Nr. 2) und den Zeitpunkt der Signatur (Nr. 3) enthalten. Die Integritätsprüfung (§ 298 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) erfolgt dabei durch einen - automatisierten - Abgleich der sogenannten Hash-Werte zum Zeitpunkt des Signierens und zum Zeitpunkt des Ausdrucks für die Akten (vgl. BT-Drucks. 15/4952, S. 48). Durch diesen Abgleich wird überprüft, ob die übermittelten Daten in der Zwischenzeit verändert oder gar verfälscht wurden. Die Angabe, wer das Dokument signiert hat (§ 298 Abs. 3 Nr. 2 ZPO; Authentizitätsprüfung), ermöglicht zusammen mit der Mitteilung, wann das Dokument signiert worden ist, die Überprüfung, ob die Signatur gültig war (vgl. zum Ganzen Saenger/Kießling, ZPO, 10. Aufl., § 298 Rn. 7; BeckOK-ZPO/Bacher, Stand: 1. Juli 2024, § 298 Rn. 8d ff.; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 5. Aufl., § 298 Rn. 16 f.).
(b) Für eine materiell-rechtliche Bedeutung des einem Ausdruck eines elektronischen Dokuments beigefügten Transfervermerks im Hinblick auf die Er- füllung der Voraussetzungen des Zugangs einer Willenserklärung in elektronischer Form im Sinn von § 126a Abs. 1 BGB findet sich weder im Wortlaut des § 298 ZPO noch in den diesbezüglichen Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 17/12634, S. 29; zur vorherigen Fassung BT-Drucks. 15/4067, S. 32) ein Anhaltspunkt.
Zwar wird von § 298 ZPO über seinen unmittelbaren Wortlaut (§ 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO: "Ausdruck für die Akten") hinaus auch der Ausdruck eines elektronischen Dokuments zum Zweck der Zustellung an einen auf elektronischem Weg nicht erreichbaren Prozessbeteiligten erfasst (BeckOK-ZPO/ Bacher, aaO Rn. 7; Saenger/Kießling, ZPO, aaO Rn. 1; Wieczorek/Schütze/ Assmann, aaO Rn. 3; MünchKomm-ZPO/Prütting, 6. Aufl., § 298 Rn. 3; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. Rn. 2; Ehrmann/Streyl, NZM 2019, 873, 875; für eine analoge Anwendung des § 298 ZPO jurisPK-ERV/Gomm, Stand: 1. September 2022, § 298 Rn. 28 ff.; vgl. zur vorherigen Fassung des § 298 Abs. 1 ZPO BT-Drucks. 15/4067, S. 32). Beide Konstellationen betreffen dennoch lediglich die zivilprozessuale Gleichsetzung eines elektronischen Dokuments mit einem Ausdruck desselben (vgl. Ulrich/Schmieder, jM 2017, 398, 399 [zu § 298 Abs. 2 BGB aF]; Himmen, ZMR 2021, 711, 716).
Insbesondere die Regelungen in § 298 Abs. 2 und 3 ZPO sprechen dagegen, dass der Gesetzgeber dem einem Ausdruck eines elektronischen Dokuments beigefügten Transfervermerk eine Bedeutung im Hinblick auf die materiellrechtliche elektronische Form beigemessen hat. Denn gemäß § 298 Abs. 3 ZPO ist bei einem mit einer qualifizierten elektronischen Signatur eingereichten elektronischen Dokument ein Transfervermerk nur dann zu fertigen, wenn das elektronische Dokument nicht über einen sicheren Übermittlungsweg im Sinn von § 130a Abs. 4 ZPO eingereicht wird. Wenn also ein qualifiziert elektronisch signiertes Dokument über einen solchen sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das elektronische Behördenpostfach vom 24. November 2017 - Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung, ERVV; BGBl. I S. 3803), muss nach der Regelung von § 298 ZPO der Ausdruck den Umstand, dass eine qualifizierte elektronische Signatur vorlag und damit auch die Anforderungen an die materiell-rechtliche elektronische Form (§ 126a Abs. 1 BGB) erfüllt sein können, nicht erkennen lassen; nach § 298 Abs. 2 ZPO genügt es vielmehr, die Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg aktenkundig zu machen (vgl. BeckOK-ZPO/Bacher, aaO Rn. 8 f.). Der Zweck des Gesetzes besteht demnach ersichtlich allein darin, die Erfüllung der Voraussetzungen einer prozessrechtlich wirksamen Einreichung eines elektronischen Dokuments bei Gericht im Sinne des § 130a ZPO zu dokumentieren (vgl. BT-Drucks. 17/12634, S. 29).
(c) Auch nach der vom Gesetzgeber beabsichtigten Funktionsäquivalenz zwischen Schriftform und elektronischer Form (BT-Drucks. 14/4987, S. 15, vgl. auch oben unter II 2 b cc (1)) liegt ein formwirksamer Zugang einer mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Willenserklärung nicht vor, wenn lediglich ein Ausdruck des Dokuments und der zugehörige Transfervermerk gemäß § 298 Abs. 3 ZPO in den Machtbereich des Empfängers gelangen.
(aa) Zwar lässt - wie die Revision unter Hinweis auf eine in der Literatur vertretene Ansicht (Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 16. Aufl., § 568 BGB Rn. 29; Ehrmann/Streyl, NZM 2019, 873, 876) zu Recht betont - ein einem Ausdruck eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Dokuments beigefügter und auf dieses Dokument bezogener Transfervermerk im Sinne des § 298 Abs. 3 ZPO die Identität des Erklärenden und die Echtheit des elektronischen Dokuments erkennen, indem er darüber Auskunft gibt, wer Inhaber der Signatur ist, deren mathematisch-logischer Verbindung zum elektronischen Text die inhaltliche Urheberschaft des Signierenden sicherstellt
(vgl. BT-Drucks. 14/4987, S. 16 f.). Dabei gewährleistet die Integritätsprüfung, dass das elektronische Dokument auch nicht nachträglich verändert wurde.
(bb) Allerdings ermöglicht - worauf das Berufungsgericht zutreffend maßgeblich abgestellt hat - der einem Ausdruck eines elektronischen Dokuments beigefügte Transfervermerk im Sinne des § 298 Abs. 3 ZPO, der lediglich das Ergebnis einer entsprechenden Prüfung durch das Gericht dokumentiert, es dem Empfänger nicht, die Echtheit der Signatur auch seinerseits zu überprüfen. Deshalb ist die nach Auffassung des Gesetzgebers mit der Formvorschrift zu erfüllende Verifikationsfunktion (vgl. BT-Drucks. 14/4987, S. 16 f.) der qualifizierten elektronischen Signatur in einem solchen Fall nicht gewahrt (vgl. auch Hinz, MDR 2022, 1383 Rn. 28; BeckOK-Mietrecht/Bruns, Stand: 1. Mai 2024, § 542 BGB Rn. 135; im Ergebnis ebenso Fleindl, NZM 2024, 64, 70). Der Möglichkeit einer eigenen Verifizierung durch den Erklärungsempfänger kommt auch deshalb Bedeutung zu, weil gemäß § 298 Abs. 4 ZPO ein bei Gericht eingereichtes elektronisches Dokument - sofern die Akten in Papierform geführt werden - nach Ablauf von sechs Monaten gelöscht werden kann, so dass bei nachträglich aufkommenden Zweifeln hinsichtlich der Echtheit des Dokuments eine Überprüfung (vgl. Müller, NJW 2015, 822, 824) unmöglich werden kann.
(cc) Die fehlende Erfüllung der Verifikationsfunktion im Falle der Zusendung eines Ausdrucks eines qualifiziert signierten elektronischen Dokuments nebst Transfervermerk im Sinne des § 298 Abs. 3 ZPO wird auch nicht durch den Umstand aufgewogen, dass das Risiko, dass eine Signatur bei der gerichtlichen Prüfung fehlerhaft als gültig ausgewiesen wird, nur theoretischer Natur sein mag (vgl. hierzu Bacher, NJW 2015, 2753, 2755; Ehrmann/Streyl, NZM 2019, 873, 876).
Dass dieses Risiko nicht rechtlich unbeachtlich ist, belegt die am 1. Januar 2018 in Kraft getretene Bestimmung des § 4 Abs. 2 ERVV, die im Bereich der prozessrechtlichen elektronischen Form die zuvor in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für zulässig erachtete Verwendung der sogenannten ContainerSignatur (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - VI ZB 7/13, BGHZ 197, 209 Rn. 10 mwN) mit der Begründung untersagt, andernfalls sei eine Überprüfung der Authentizität und Integrität der elektronischen Dokumente im weiteren Verfahren insbesondere für den Prozessgegner oder andere Verfahrensbeteiligte regelmäßig nicht mehr möglich, da die Container-Signatur nach der Trennung der elektronischen Dokumente nicht mehr überprüft werden könne (vgl. BR-Drucks. 645/17, S. 15; vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Mai 2019 - XII ZB 573/18, BGHZ 222, 105 Rn. 11 ff.).
(d) Entgegen der Auffassung der Revision spricht auch die durch das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRuG) vom 5. Juli 2021 (BGBl. I S. 3338) mit Wirkung vom 1. August 2022 neu gefasste Vorschrift des § 47 Alt. 2 BeurkG nicht gegen die Ansicht des Berufungsgerichts.
Die Revision lässt bei ihrer Argumentation außer Betracht, dass § 298 ZPO - anders als § 47 Alt. 2 BeurkG - gerade keine materiell-rechtliche Regelung dahingehend enthält, dass der mit einem Transfervermerk versehene Ausdruck eines elektronischen Dokuments das Original im Rechtsverkehr vertrete.
(e) Der Annahme der Revision, bei einem Ausdruck eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen elektronischen Dokuments nebst Transfervermerk im Sinne des § 298 Abs. 3 ZPO handele es sich materiell-rechtlich um eine "Urschrift im Rechtssinn", steht zudem die Vorschrift des § 416a Alt. 2 ZPO entgegen.
(aa) Nach dieser Regelung steht der Ausdruck eines gerichtlichen elektronischen Dokuments (§ 130b ZPO), der einen Vermerk des zuständigen Gerichts gemäß § 298 Abs. 3 ZPO enthält, einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich. Der Gesetzgeber hat sich dabei bewusst für eine Gleichsetzung lediglich mit der beglaubigten Abschrift, nicht aber mit der (elektronischen) Urschrift entschieden (vgl. BT-Drucks. 15/4067, S. 35).
(bb) Dem Rechtsgedanken der Bestimmung von § 416a ZPO entsprechend könnte dem Ausdruck eines von einer Partei eingereichten elektronischen Dokuments (§ 130a ZPO) nebst Transfervermerk gemäß § 298 Abs. 3 ZPO - was hier allerdings letztlich offenbleiben kann (vgl. für eine entsprechende Anwendung auf private elektronische Dokumente BeckOK-ZPO/Bacher, Stand: 1. September 2024, § 298 Rn. 16; jurisPK-ERV/Gomm, Stand: 1. September 2022, § 298 ZPO Rn. 70; aA Anders/Gehle/Gehle, ZPO, 82. Aufl., § 416a Rn. 1; vgl. auch Prütting/Gehrlein/Preuß, ZPO, 16. Aufl., § 416a Rn. 9) - allenfalls der Beweiswert einer vom Gericht beglaubigten Abschrift des Dokuments, nicht jedoch der Beweiswert einer Urschrift zukommen.
Vor diesem Hintergrund vermag - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - die von einigen Stimmen in der Literatur vertretene Ansicht, der Ausdruck eines elektronischen Dokuments stehe der Urschrift näher als eine beglaubigte Abschrift (Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 16. Aufl., § 568 BGB Rn. 29; Ehrmann/Streyl, NZM 2019, 873, 876), nicht zu überzeugen.
(cc) Soweit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Zugang von der Schriftform bedürfender Willenserklärungen anerkannt ist, dass eine in einer beglaubigten Abschrift eines prozessualen Schriftsatzes enthaltene Willenserklärung das materiell-rechtliche Schriftformerfordernis trotz fehlender Unterschrift des Erklärenden ausnahmsweise auch dann erfüllt, wenn der Erklärende selbst die Beglaubigung vorgenommen hat, weil er mit seiner Unterschrift unter dem Beglaubigungsvermerk nicht nur die Übereinstimmung mit der Urschrift bezeugt, sondern zugleich die Verantwortung für den Inhalt der Urkunde übernommen hat (BGH, Urteil vom 25. März 1987 - VIII ZR 71/86, NJW 1987, 2506 unter II 1; Beschluss vom 4. Juli 1986 - V ZR 41/86, NJW-RR 1987, 395 unter II 3; BAG, NJW
2007, 250 Rn. 28; NJW 2021, 1551 Rn. 64; so auch die st. Rspr. zur prozessrechtlichen Schriftform; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 22. März 2022 - VI ZB 27/20, NJW-RR 2022, 716 Rn. 9 ff.; vom 10. April 2018 - VIII ZB 35/17, juris Rn. 11 ff.; vom 26. März 2012 - II ZB 23/11, NJW 2012, 1738 Rn. 9; jeweils mwN), gilt dies nicht für die - der vorliegenden Fallgestaltung vergleichbare - gerichtliche Beglaubigung (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 1986 - V ZR 41/86, aaO; AG Gelsenkirchen, WuM 2016, 737, 739; AG Wiesbaden, NZM 2013, 424; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 16. Aufl., § 568 BGB Rn. 27; Ehrmann/Streyl, NZM 2019, 873, 876; Lützenkirchen/Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl., § 568 BGB Rn. 21; vgl. auch BeckOK-BGB/Wöstmann, Stand: 1. August 2024, § 568 Rn. 7; BeckOK-Mietrecht/Bruns, Stand: 1. Mai 2024, § 542 BGB Rn. 133; BeckOK-Mietrecht/Schultz, Stand: 1. August 2024, § 568 Rn. 11; Siegmund in Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, 7. Aufl., § 568 BGB Rn. 15; Bub/Treier/ Fleindl, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kapitel IV Rn. 40; Himmen, ZMR 2021, 711, 715; Hinz, MDR 2022, 1383 Rn. 2).
(f) Ein gegenteiliges Ergebnis rechtfertigt sich entgegen der Ansicht der Revision (vgl. auch Ehrmann/Streyl, NZM 2019, 873, 877) letztlich auch nicht dadurch, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 die sinnvolle und möglichst weitgehende Nutzung der - zum damaligen Zeitpunkt - neuen Technologien im Rechtsverkehr ermöglichen wollte (vgl. BT-Drucks. 14/4987, S. 10). Eine vorbehaltlose Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs unter Zurückstellen sonstiger allgemeiner Grundsätze des Rechts der Willenserklärung und insbesondere des Erfordernisses des Zugangs war mit dieser Zwecksetzung nach der Vorstellung des Gesetzgebers gerade nicht verbunden (BT-Drucks. 14/4987, S. 11, 20).
Demzufolge ist es hinzunehmen, dass bis zu dem am 17. Juli 2024 erfolgten Inkrafttreten der Vorschrift des § 130e ZPO (BGBl. I Nr. 234) die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch zivilprozessualen - und wegen § 130d ZPO zwingend elektronischen - Schriftsatz eines Rechtsanwalts gegenüber einer anwaltlich nicht vertretenen Naturalpartei, die keine Zustimmung im Sinne des § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO erteilt hat, nicht formwirksam erklärt werden kann. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kündigungsmöglichkeiten ist damit nicht verbunden, da die Kündigung in der genannten Konstellation auch während eines Räumungsprozesses ohne Weiteres außergerichtlich unter Wahrung der Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB erfolgen und der diesbezügliche Vortrag sodann durch elektronischen Schriftsatz in den Prozess eingeführt werden kann.
Ebenfalls bis zu dem vorstehend genannten Zeitpunkt hinzunehmen ist der von der Revision (vgl. auch Ehrmann/Streyl, NZM 2019, 873, 877; SchmidtFutterer/Streyl, Mietrecht, 16. Aufl., § 568 BGB Rn. 29) kritisierte Umstand, dass im - hier nicht gegebenen - Fall, dass eine medienwahrende elektronische Zustellung einer in einem mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen elektronischen Schriftsatz enthaltenen Kündigungserklärung an den Erklärungsempfänger möglich ist (§ 173 Abs. 2, Abs. 4 Satz 1, 3 ZPO), das Gericht zu einer elektronischen Zustellung nur berechtigt, aber nicht verpflichtet ist (vgl. BT-Drucks. 19/28399, S. 34 f.; Hinz, MDR 2022, 1383 Rn. 21), und die Frage eines formwirksamen Zugangs der Willenserklärung damit von der Vorgehensweise des Gerichts abhängt, auf die der Erklärende keinen Einfluss hat. Die hierin liegende Beeinträchtigung der Rechtssicherheit (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2019 - XII ZB 573/18, BGHZ 222, 105 Rn. 20) erscheint angesichts der in diesem Fall bestehenden Möglichkeit, die Kündigungserklärung außergerichtlich entweder in einer der Vorschrift des § 126a Abs. 1 BGB entsprechenden Form oder - wie soeben ausgeführt - in der Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB zu erklären und den diesbezüglichen Vortrag sodann in den Prozess einzuführen, als zumutbar.
Dr. Bünger Wiegand Kosziol Dr. Liebert Dr. Böhm Vorinstanzen: AG Mainz, Entscheidung vom 19.09.2022 - 86 C 59/22 LG Mainz, Entscheidung vom 20.06.2023 - 3 S 98/22 -