3 Ni 14/15 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 14/15 (EP) (Aktenzeichen)
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IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am
7. März 2017 …
In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05
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betreffend das europäische Patent 1 069 893 (DE 699 34 305)
hat der 3. Nichtigkeitssenat des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm, des Richters Kätker, der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Münzberg, des Richters Dipl.-Chem. Dr. Jäger und der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Wagner für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 069 893 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Patentansprüche folgende Fassung erhalten:
1. Verwendung von Dexmedetomidin oder einem pharmazeutisch verträglichen Salz davon zur Herstellung eines Medikaments zum Sedieren eines kritisch kranken Patienten, der unter Intensivbehandlung steht, wobei der Patient erregbar und orientiert bleibt, wobei das Dexmedetomidin oder ein pharmazeutisch verträgliches Salz davon intravenös verabreicht wird, wobei eine Ladungsdosis und die Erhaltungsdosis verabreicht werden und wobei das Dexmedetomidin oder ein pharmazeutisch verträgliches Salz davon in einer solchen Menge verabreicht wird, dass eine Plasmakonzentration von 0,1 bis 2 ng/ml erreicht wird.
2. Verwendung nach Anspruch 1, wobei das Dexmedetomidin oder ein pharmazeutisch verträgliches Salz davon im Wesentlichen der einzige Wirkstoff oder der einzige Wirkstoff ist.
3. Verwendung nach Anspruch 1 oder 2, wobei die Ladungsdosis und die Erhaltungsdosis einem Menschen verabreicht werden.
4. Verwendung nach Anspruch 3, wobei die Ladungsdosis von Dexmedetomidin 0,2 bis 2 μg/kg beträgt.
5. Verwendung nach Anspruch 4, wobei die Ladungsdosis innerhalb von etwa 10 Minuten verabreicht wird.
6. Verwendung nach Anspruch 5, wobei die Ladungsdosis von Dexmedetomidin 1 μg/kg beträgt.
7. Verwendung nach Anspruch 3, wobei die Erhaltungsdosis von Dexmedetomidin 0,1 bis 2,0 μg/kg/h beträgt.
8. Verwendung nach Anspruch 7, wobei die Erhaltungsdosis von Dexmedetomidin 0,2 bis 0,7 μg/kg/h beträgt.
9. Verwendung nach Anspruch 8, wobei die Erhaltungsdosis von Dexmedetomidin 0,4 bis 0,7 μg/kg/h beträgt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der ausscheidbaren Kosten des Zwischenstreits tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3. Die Beklagte trägt die Kosten der Nebenintervention mit Ausnahme der ausscheidbaren Kosten des Zwischenstreits zu 2/3.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu jeweils vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 31. März 1999 unter Inanspruchnahme der amerikanischen Prioritäten US 80287 P vom 1. April 1998 und US 110944 P vom 4. Dezember 1998 als internationale Patentanmeldung PCT/FI1999/000266 in englischer Sprache angemeldeten und vor dem Europäischen Patentamt in der regionalen Phase erteilten europäischen Patents 1 069 893 (Streitpatent), dessen Erteilung mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland am 6. Dezember 2006 bekannt gemacht wurde und das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 699 34 305 geführt wird. Das Streitpatent, das in vollem Umfang und hilfsweise beschränkt mit vier Hilfsanträgen verteidigt wird, trägt die Bezeichnung „Use of Dexmedetomidine for ICU Sedation“ („Verwendung von Dexmedetomidine zur Sedierung auf der Intensivstation“) und umfasst 12 Patentansprüche. Der erteilte Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
„1. Use of dexmedetomidine or a pharmaceutically acceptable salt thereof in the manufacture of a medicament for use in sedating a critically ill patient who is given intensive care, wherein the patient remains arousable and orientated.”
In deutscher Fassung lautet er:
„1. Verwendung von Dexmedetomidin oder einem pharmazeutisch verträglichen Salz davon zur Herstellung eines Medikaments zur Sedierung eines schwerkranken Patienten, der unter Intensivbehandlung steht, wobei der Patient erregbar und orientiert bleibt.“
Wegen des Wortlauts der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen weiteren Patentansprüche wird auf die Patentschrift EP 1 069 893 B1 verwiesen.
Die Klägerin, die das Streitpatent in vollem Umfang angreift, macht den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend. Sie stützt ihr Vorbringen auf folgende Dokumente:
NiK1 NiK2 NiK3 NiK4 NiK5 NiK6 NiK7 EP 1 069 893 B1 („Streitpatent“) M.S. Aho et al., „Effect of Intravenously Administered Dexmedetomidine on Pain After Laparoscopic Tubal Ligation“, Anesth. Analg., 1991, 73, Seiten 112 bis 118 P. Talke et al., „Effects of Perioperative Dexmedetomidine Infusion in Patients Undergoing Vascular Surgery“, Anesthesiology, 1995, 82, Seiten 620 bis 633 EP 0 300 652 A1 R. Aantaa, “Assessment of the Sedative Effects of Dexmedetomidine, an α2-Adrenoceptor Agonist, with Analysis of Saccadic Eye Movements”, Pharmacology & Toxicology, 1991, 68, Seiten 394 bis 398, P. Bischoff, E. Kochs, „Alpha2-Agonisten in Anästhesie und Intensivmedizin“, Anästhesiol. lntensivmed. Notfallmed. Schmerzther., 1993, 28, Seiten 2 bis 12 J.B. Dyck et al. „The Pharmacokinetics and Hemodynamic Effects of Intravenous and Intramuscular Dexmedetomidine Hydrochloride in NiK8 NiK9 NiK10 NiK11 Adult Human Volunteers“, Anesthesiology, 1993, 78, Seiten 813 bis 820 Gutachtliche Stellungnahme von Prof. E.F. Kochs vom 16. September 2016, 11 Seiten, nebst Anlagen N.W. Lawson „Autonomic Nervous System Physiology and Pharmacology”, in P.G. Barash, B.F. Cullen, R.K. Stoelting (Eds.) Clinical Anesthesia, 2nd Ed., J.P. Lippincott Co., Philadelphia, 1992, Seiten 319 und 374 Zweite gutachtliche Stellungnahme Prof. E.F. Kochs vom 26. Januar 2017, 7 Seiten M.A. Mirski et al., „Sedation for the critically ill neurologic patient”, Critical Care Medicine, 1995, 23, Seiten 2038 bis 2053; Ausdruck mit Ausdruckdatum 2. September 2016, 30 Seiten Die Nebenintervenientin, die mit Schriftsatz vom 17. Januar 2017 dem Verfahren auf Seiten der Klägerin beigetreten ist, verweist weiterhin auf folgende Dokumente:
NI1 Stellungnahme Prof. U. Hörnchen aus dem parallelen österreichischen Nichtigkeitsverfahren vom 21. Januar 2016, 6 Seiten NI2 Stellungnahme Prof. P. Gerner aus dem parallelen österreichischen Nichtigkeitsverfahren vom 19. Januar 2016, 7 Seiten NI3 K. Reid et al., „Chronic Administration of an α2 Adrenergic Agonist Desensitizes Rats to the Anesthetic Effects of Dexmedetomidine”, Pharmacology Biochemistry and Behavior, 1994, 47, Seiten 171 bis 175 NI4 R. Aantaa et al., „Intramuscular dexmedetomidine, a novel alpha2adrenoceptor agonist, as premedication for minor gynaecological surgery”, Acta Anaesthesiol Scand 1991, 35, Seiten 283 bis 288 NI5 E. Hassan et al., „Therapeutic Considerations in the Management of Agitated or Delirious Critically Ill Patients”, Pharmacotherapy 1998, 18, Seiten 113 bis 129 NI5' Auszug aus der PubMed-Datenbank mit div. Angaben zum Dokument NI5, recherchiert am 25. Januar 2017, 1 Seite NI6 Auszug aus , „Medikamente und Richtwerte in der Anästhesiologie“, Ralf Müller (Herausgeber) et al., 1. Aufl., Krause & Pachernegg GmbH, Gablitz, 1998, Deckseite, Impressum und Eintrage zu Propofol, Remifentanil, Midazolam und Morphin, 5 Seiten NI7 NetDoktor: „Morphin“, 1 Seite NI8 Eingangsbestätigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte von 8. Juni 2016, GESCHZ Z14.1.03 – 2197923, 2 Seiten NI9 „SUMMARY OF PRODUCT CHARACTERISTICS“ betreffend ein Konzentrat für eine Infusionslösung mit dem Wirkstoff Dexmedetomidin, überreicht in der Verhandlung am 7. März 2017, 1 Seite Die Klägerin und die Nebenintervenientin sind der Ansicht, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents bei gebotener weiter Auslegung des Merkmals „kritisch kranker“ bzw. „schwerkranker Patient“ nicht neu und im Übrigen nicht erfinderisch sei. Die Druckschrift NiK3 offenbare sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1. Die dort behandelten Patienten mit hohem Risiko für eine koronare Herzkrankheit, also einer existenzgefährdenden Bedrohung, seien kritisch krank, wobei ihre Vitalfunktionen vor und während der Dexmedetomidin-Verabreichung sowie postoperativ überwacht worden seien. Zudem seien die Patienten postoperativ intensivmedizinisch betreut worden. Dabei sei eine präoperative Sedierung festgestellt worden, bei der die Patienten aufweckbar und orientiert geblieben seien. Soweit laut der NiK3 am Tag nach der Operation keine Sedierung mehr habe festgestellt werden können und dies mit Tachyphylaxie begründet worden sei, verweist die Nebenintervenientin auf die Druckschrift NI3 (Referenz 27 in der NiK3), wonach eine vollständige Tachyphylaxie erst nach mehreren Tagen eintrete. Zudem sei aus der NI4 bekannt, dass nach dem Nachlassen einer Anästhesie deren sedierende Wirkung postoperativ andauere. Daher sei auch von einer postoperativen sedierenden Wirkung von Dexmedetomidin auszugehen.
Auch die NiK11 nehme den Gegenstand des Patentanspruchs 1 neuheitsschädlich vorweg. Darin würden in Zusammenhang mit kritisch kranken, neurologisch beeinträchtigten und gerade auch postoperativ behandelten Patienten die ausgezeichneten Sedierungseigenschaften von Dexmedetomidin als vorteilhaft offenbart, wobei darauf hingewiesen werde, dass sich diese Verbindung in klinischen Studien befinde. Da die Erweckbarkeit und Orientiertheit des Patienten eine inhärente Eigenschaft der Sedierung mit Dexmedetomidin sei, müsse der Fachmann bei der vorgeschlagenen Sedierung kritisch kranker Patienten mit dem Wirkstoff zwangsläufig auch diese Eigenschaften auffinden. Zumindest aber beruhe der Gegenstand des Patentanspruchs 1, ausgehend von der NiK11, nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Ebenso liege eine Kombination der Druckschriften NiK2 und NiK3 den Gegenstand des Streitpatents nahe.
Nach Auffassung der Nebenintervenientin, ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 zudem durch die Druckschrift NI5 in Kombination mit NI4 nahe gelegt. Der Übersichtsartikel NI5 spiegele das allgemeine technische Fachwissen bezüglich der Behandlung von „agitated or delirious critically ill patients“ auf der Intensivstation wieder. Danach würden von neueren, in der klinischen Prüfung befindlichen Wirkstoffen insbesondere α2-adrenerge Agonisten, wie u. a. Dexmedetomidin, vorgeschlagen, da sie eine Sedierung bei geringeren Nebenwirkungen ermöglichten. Zudem verweise die NI5 hinsichtlich der sedierenden Wirkung auf die NI4, in der eine lang andauernde postoperative sedierende Wirkung von Dexmedetomidin, auch nach dem Nachlassen der Anästhesie, belegt werde. Eine solche langdauernde Wirkung sei bei Intensivpatienten mit Angstzuständen und motorischer Unruhe gerade der erwünschte Effekt. Der Fachmann werde davon ausgehen, dass der Wirkmechanismus in kritisch kranken und gesunden Patienten gleich sei und die Verabreichung von Dexmedetomidin so wählen, dass die Sedierung im gewünschten Zeitraum anhalte.
Die in der mündlichen Verhandlung nach deren Wiedereröffnung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3 rügt die Klägerin sinngemäß als verspätet und hat sich, ebenso wie die Nebenintervenientin, hierauf nicht eingelassen.
Den Gegenstand des Hilfsantrags 4 halten Klägerin und Nebenintervenientin für nicht patentfähig. Er sei durch die NiK3 neuheitsschädlich vorweggenommen.
Die Klägerin und die Nebenintervenientin beantragen,
das europäische Patent 1 069 893 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 4, übergeben in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2017, erhält.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 und lautet wie folgt:
„1. Verwendung von Dexmedetomidin oder einem pharmazeutisch verträglichen Salz davon zur Herstellung eines Medikaments zum Sedieren eines kritisch kranken Patienten, der aufgrund eines eine kritische Krankheitsperiode auslösenden Ereignisses unter Intensivbehandlung steht, wobei der Patient erregbar und orientiert bleibt.“
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 entspricht dem erteilten Patentanspruch 1 in der Fassung der deutschen Übersetzung der Patentschrift mit dem Unterschied, dass die Wortfolge „oder einem pharmazeutisch verträglichen Salz davon“ ersetzt wird durch die Wortfolge:
„als HCl Salz“.
Außerdem sind – wie bereits in Hilfsantrag 1 – die in der deutschen Fassung gemäß der Patentschrift enthaltenen Begriffe „zur Sedierung“ durch „zum Sedieren“ und „eines schwerkranken Patienten“ durch „eines kritisch kranken Patienten“ ersetzt worden. Die übrigen Patentansprüche bleiben gegenüber der erteilten Fassung unverändert.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 entspricht dem erteilten Patentanspruch 1 in der Fassung der deutschen Übersetzung der Patentschrift, wobei zusätzlich folgendes Merkmal angefügt wird:
„…, wobei die Dexmedetomidinverabreichung innerhalb einer Stunde nach Aufnahme in die ICU beginnt“,
und das ebenfalls die oben genannten Begriffe wie dargestellt ersetzt worden sind.
Hinsichtlich der Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 4 wird auf Ziffer I des Urteilstenor verwiesen.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie verweist auf folgende Dokumente und Medien:
B1 Anhänge I bis III der Zulassung des Arzneimittels „Dexdor“ vom 16. September 2011, Seiten 1 bis 28 B2 Gutachten Prof. Hörnchen vom 6. Juli 2015, Seiten 1 bis 3 B2a M. Carrington, J. Down, „Recognition and assessment of critical illness“, Anaesthesia and Intensive Care Medicine, 2009, 11, Seiten 6 bis 8 B2b E. Mitchell, „Specific features of critical care medicine. Recognition of critical illness“, Core Topics in Critical Care Medicine, eds. Fang Gao Smith and Joyce Yeung, Cambridge University Press 2010, Seiten 1 bis 5 B2c F. Oehmichen, A. Manzeschke, „Ein besonderer Zustand als Folge der Intensivmedizin: Chronisch kritisch-krank“, Deutsches Ärzteblatt, 2011, 108(33), A1730-2, Seiten 1 bis 3 B3 Gutachten Prof. Tonner vom 11. November 2015, Seiten 1 bis 6 B4 R.R. Riker et al., „Dexmedetomidine vs Midazolam for Sedation of Critically Ill Patients: A Randomized Trial FREE“, JAMA, 2009, 301, Seiten 489 bis 499 B5 C. Alexopoulou et al., „Effects of Dexmedetomidine on Sleep Quality in Critically Ill Patients - A Pilot Study“, Anesthesiology, 2014, 121, Seiten 801 bis 807 B6 A. Gentili et al., „Effect of clonidine and yohimbine on sleep in healthy men: a double-blind, randomized, controlled trial“, Eur J Clin Pharmacol., 1996, 50, Seiten 463 bis 465 B7 B. Walder et al., „Schlafstörungen bei kritisch kranken Patienten“, Anaesthesist 2007, 56, Seiten 7 bis 17 B8 Goodman & Gilman’s, „The Pharmacological Basis of Therapeutics”, 9th Ed., McGraw-Hill, New York, 1996, Seite 129 B9 K. Reid et al., „Nifedipine, an L-type Calcium Channel Blocker, Restores the Hypnotic Response in Rats Made Tolerant to the Alpha-2 Adrenergic Agonist Dexmedetomidine“, JPET, 1997, 283, Seiten 993 bis 999 B10 A.C. Trompeo et al., „Sleep disturbances in the critically ill patients: role of delirium and sedative agents“, Minerva Anestesiol., 2011, 77, Seiten 604 bis 612 B11 M.C. Reade et al., „Sedation and Delirium in the Intensive Care Unit“, N Engl. J Med., 2014, 370, Seiten 444 bis 454 B12 J.R. Maldonado et al., „Dexmedetomidine and the Reduction of Postoperative Delirium after Cardiac Surgery“, Psychosomatics, 2009, 50, Seiten 206 bis 217 B13 B.K.J. Wagner und D.A. O’Hara, „Pharmacokinetics and Pharmacodynamics of Sedatives and Analgesics in the Treatment of Agitated Critically Ill Patients“, Clin. Pharmacokinet., 1997, 33,
Seiten 426 bis 453 B14 „Praxis der lntensivbehandlung“, Hrsg: P. Lawin, 6. Aufl. 1994,
Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, Seite 15 B15 M.A. Mirski et al., „Cognitive improvement during continuous sedation in critically ill, awake and responsive patients: the Acute Neurological ICU Sedation Trial (ANIST)“, Intensive Care Med 2010, 36,
Seiten 1505 bis 1513 B16 Y. Shehabi et al., „Clinical application, the use of dexmedetomidine in intensive care sedation“, Crit Care & Shock 2010, 13, Seiten 40 bis 50 B17 H. Goodwin et al., „Cooperative sedation’: optimizing comfort while maximizing systemic and neurological function”, Critical Care 2012,
16, 217, 6 Seiten B18 A.T. Gerlach et al., „An Updated Focused Review of Dexmedetomidine in Adults“, The Annals of Pharmacotherapy 2009, 43,
Seiten 2064 bis 2074 B19 H. Wunsch und K.P. Kress, „A New Era for Sedation in ICU Patients“, JAMA 2009, 301, Seiten 542 bis 544 B20 DE 699 34 305 T2, deutsche Übersetzung des Streitpatents B21 DVD mit Schulungsvideo „Dexmedetomidin“
B22 Ergänzende Stellungnahme Prof.
Hörnchen vom
20. Dezember 2016, 7 Seiten B23 Ergänzende Stellungnahme Prof. Tonner vom 20. Dezember 2016,
Seiten B24 MedlinePlus „Tubal ligation“, Internetausdruck, URL:
//medlineplus.gov/ency/article/002913.htm (ohne Veröffentlichungsoder Ausdruckdatum), 4 Seiten B25 Anlagenkonvolut mit Akteneinsichtsantrag der Patentanwälte Redl v. 2. Februar 2016 sowie Gerichts- u. Amtsbescheiden zum Akteneinsichtsverfahren 3 ZA (pat) 12/16 (zu 3 Ni 14/15 (EP)), 3 Seiten B26 Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts vom 8. Juni 2016 (N 2/2015-6-9)
B27 Anlagenkonvolut „paralleles Nichtigkeitsverfahren vor dem Österreichischen Patentamt betreffend das Patent EP 1 069 893“, 561 Seiten Nach Auffassung der Beklagten ist der Beitritt der Nebenintervenientin auf Klägerseite nicht zulässig, da die Nebenintervenientin ein rechtliches Interesse am Beitritt nicht substantiiert dargelegt habe. Weiter rügt die Beklagte die mit Schriftsatz der Nebenintervenientin vom 9. Februar 2017 eingeführten Druckschriften und den hierzu vorgebrachten Vortrag der Nebenintervenientin als verspätet.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents patentfähig sei. Insbesondere sei er neu gegenüber den Druckschriften NiK2 und NiK3. Die Druckschrift NiK2 sei schon deshalb nicht neuheitsschädlich, weil sie keine Verwendung von Dexmedetomidin zur Behandlung kritisch kranker sondern vielmehr von gesunden Patientinnen offenbare, die sich lediglich einer Wunschoperation unterzogen hätten.
Auch die Druckschrift NiK3 sei bei richtiger Auslegung des Merkmals „kritisch kranker Patient“, nicht neuheitsschädlich, da bei den in der NiK3 untersuchten Patienten, die eine koronare Herzerkrankung oder ein hohes Risiko dafür aufwiesen, die für einen kritisch kranken Patienten erforderliche krisenhafte, lebensbedrohende Situation fehle. Ob die Patienten dann nach Durchführung der Operation kritisch krank waren, ließe sich der Offenbarung der NiK3 nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen. Jedenfalls sei in der NiK3 im Anschluss an die Operation explizit keine sedierende Wirkung durch Dexmedetomidin festgestellt worden.
Ebenso sei die Druckschrift NiK11 nicht neuheitsschädlich. Dieser Review-Artikel offenbare insbesondere nicht die Sedierung von kritisch kranken sondern allenfalls von normal kranken Patienten mit Dexmedetomidin, das ursprünglich zum intraoperativen Einsatz entwickelt worden sei. Entsprechende Studien mit kritisch kranken Patienten seien vielmehr erst später durchgeführt worden und hätten dann zum Streitpatent geführt.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit. Die Druckschrift NiK3 untersuche nicht die sedierende Wirkung von Dexmedetomidin sondern beschäftige sich mit dessen Wirkungen auf die Herz-KreislaufFunktionen von Patienten, die sich einer gefäßchirurgischen Behandlung unterzogen hätten. Die Druckschrift lehre vom Gegenstand des Streitpatents weg, da darin für die Zeit nach der Operation, in der ein kritischer Krankheitszustand mit intensivmedizinischer Betreuung in Betracht gekommen wäre, gerade keine sedierende Effekte von Dexmedetomidin beobachtet worden seien, sondern vielmehr auf Tachyphylaxie verwiesen worden sei.
Auch die Druckschrift NiK2 könne den Gegenstand des Streitpatents nicht nahe legen. Abgesehen davon, dass sie keinen kritisch kranken Zustand der gesunden Patientinnen zeige, beschäftige sich die Druckschrift mit der Wirkung von Dexmedetomidin auf das Schmerzempfinden nach einer Tubenligatur. Den Patientinnen sei erst nach der Operation – im Aufwachraum – Dexmedetomidin verabreicht worden, wenn sie Schmerzen verspürten. Die sedierende Wirkung von Dexmedetomidin sei hierbei nur als unerwünschter Nebeneffekt beschrieben worden, wobei die Druckschrift über die Orientiertheit der Patientinnen keine Auskunft gebe. Einen Hinweis darauf, dass Dexmedetomidin bei kritisch kranken Patienten vorteilhafte Wirkungen entfalte, lasse sich der Schrift nicht entnehmen.
Ebenfalls ausgehend von der NiK11 gelange der Fachmann nicht naheliegend zum Gegenstand des Streitpatents. Verschiedene Aussagen, etwa über die Wirkung von Dexmedetomidin und die Patientengruppe seien spekulativ bzw. falsch. Zudem weise die Druckschrift auf verschiedene Nebenwirkungen von Alpha2-Ago- nisten hin, so dass der Fachmann keinen Anlass habe, aus der Vielzahl der Verbindungen Dexmedetomidin auszuwählen, geschweige denn, das spezielle Sedierungsprofil dieses Wirkstoffs aufzufinden.
Die Druckschrift NI5 offenbare ebenfalls keine Sedierung von kritisch kranken Patienten mit Dexmedetomidin. Die dort als „newer sedative agents“ bezeichneten Wirkstoffe seien – was aus der Druckschrift explizit hervorgehe – noch nicht bei intensivmedizinisch behandelten Patienten eingesetzt worden. Zudem zeige die Druckschrift, dass die Pharmakokinetik und -dynamik in kritisch kranken Patienten gänzlich anders als in gesunden oder normal kranken Patienten sei, so dass die mit letzteren erzielten Ergebnisse nicht einfach auf kritisch kranke Patienten extrapoliert werden könnten. Wie auch in der NiK11 werde Dexmedetomidin unter der Vielzahl der besprochenen Wirkstoffe nicht besonders herausgehoben.
Die Beklagte bietet zu verschiedenen medizinischen Fachfragen und Begriffsauslegungen Beweis durch Sachverständige an.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen S…. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe Die auf den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a) EPÜ) gestützte Klage ist zulässig.
Zulässig ist auch der Beitritt der Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin (§ 66 ZPO i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG). Insbesondere hat die Nebenintervenientin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Klägerin. Der Begriff des rechtlichen Interesses ist weit auszulegen (vgl. a. Busse, PatG, 8. Aufl., § 81 Rn. 127; Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 6. Aufl., Rn. 181; vgl. ebenso zur allg. zivilprozessualen Praxis: Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 66 Rn. 8; Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl., § 66, Rn. 5). In seiner dazu ergangenen Leitentscheidung „Carvedilol“ (GRUR 2006, 438) hat der Bundesgerichtshof seine frühere Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben, wonach weitergehend noch Rechtsbeziehungen zwischen dem Nebenintervenienten und einer der Parteien hinsichtlich des Streitpatents erforderlich waren (vgl. BGH, a. a. O., Ziff. 2 und 2.2). Ausreichend sei es nurmehr, wenn der Nebenintervenient von der Gestaltungswirkung eines Urteils betroffen werde. Von dieser Gestaltungswirkung seien jedenfalls alle Unternehmen betroffen, die durch das Streitpatent in ihren geschäftlichen Tätigkeiten als Wettbewerber beeinträchtigt werden können. Denn ihre Handlungsmöglichkeiten im Wettbewerb würden durch den Bestand des Patents eingeengt und damit erweitert, wenn diese Beschränkung beseitigt werde, in dem es für nichtig erklärt wird (BGH, a. a. O., Ziff. 2.1).
Vorliegend hat die Nebenintervenientin unwidersprochen vorgetragen, dass sie Wettbewerberin der Beklagten ist. Weiter ist zur Überzeugung des Senats bewiesen, dass sie seit Juni 2016 die Zulassung eines Dexmedetomidin-haltigen Arzneimittels in Deutschland beantragt hat, dass das Arzneimittel in den Indikationsbereich des Streitpatents fällt und dass dieses Zulassungsverfahren nach wie vor anhängig ist. Dies hat der Zeuge S… glaubhaft bekundet. Auch wenn er Angestellter eines Konzernunternehmens der Nebenintervenientin ist, so hält der Senat seine Aussage für glaubhaft. Sie wird zunächst gestützt durch die als NI8 vorgelegte Eingangsbestätigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 8. Juni 2016, in der der Eingang eines Antrags auf Zulassung und Registrierung von Arzneimitteln, bestätigt wird. Als Arzneimittelbezeichnung ist dabei angegeben „Dexmedetomidine Valinject 100“. Ergänzend hat die Nebenintervenientin in der mündlichen Verhandlung einen Auszug aus den Zulassungsunterlagen vorgelegt, in dem angegeben ist, dass Dexmedetomidin für die Sedierung von erwachsenen, intensivmedizinisch behandelten Patienten vorgesehen ist, welche eine Sedierungstiefe benötigen, die noch ein Erwecken durch verbale Stimulation erlaubt ist (vgl. NI9, erster, zweiter und letzt. Abs.).
Die Aussage des Zeugen, wonach es sich hierbei um die therapeutische Indikation handele, die Gegenstand des Zulassungsverfahrens sei, erscheint unter Mitberücksichtigung der vorgelegten Urkunden insgesamt glaubhaft, zumal die Zulassungsunterlagen in absehbarer Zeit einsehbar sein werden, so dass sich der Zeuge einem hohen Risiko der Strafverfolgung aussetzt, wenn er derart nachprüfbare Tatsachen falsch darstellen würde.
Damit hat die Nebenintervenientin kein bloßes Popularinteresse bzw. ein nur allgemeines wirtschaftliches oder tatsächliches Interesse an der Beseitigung des Streitpatents. Vielmehr werden ihre Handlungsmöglichkeiten im Wettbewerb durch den Bestand des Patents eingeengt. Sie ist an der Ausdehnung ihres Produktportfolios auf Dexmedetomidin-haltige Arzneimittel zur Verwendung als Sedativa in der Intensivmedizin jedenfalls insoweit gehindert, als sie damit in Konflikt mit den durch das Streitpatent gewährten Verbietungsrechten gerät oder zumindest geraten kann. Ihre unternehmerischen Handlungsmöglichkeiten werden daher durch das Streitpatent beeinträchtigt, so dass das nach der Rechtsprechung ohnehin weit auszulegende Interesse der Nebenintervenientin am Obsiegen der von ihr unterstützten Partei vorliegt. Auch die weiteren Voraussetzungen der Nebenintervention liegen vor.
I.
Die Klage erweist sich teilweise als begründet.
1. Das Streitpatent betrifft die Verwendung von Dexmedetomidin oder einem pharmazeutisch verträglichen Salz davon zur Herstellung eines Medikaments zur Sedierung eines kritisch kranken Patienten, der unter Intensivbehandlung steht (vgl. NiK1, S. 2 Abs. [0001]).
Im Streitpatent wird davon berichtet, dass es zum maßgeblichen Zeitpunkt keine allgemein anerkannte sedative Therapie für kritisch kranke Patienten gegeben habe. Diese Patienten erhielten daher während ihres Aufenthalts auf einer Inten- sivstation (ICU, Intensive Care Unit) häufig gleichzeitig eine Vielzahl von Medikamenten. In den meisten Fällen würden Arzneimittel verabreicht, damit sich der Patient wohlfühle, entspannt sei und unbequeme Behandlungsverfahren wie das Legen von intravenösen Zugängen oder anderer Katheter toleriere. Hierfür würden verschiedene Medikamente zur Anxiolyse, zur Amnesie, zur Analgesie, gegen Depressionen, zur Muskelrelaxation, zum Schlafen und zur Anästhesie verabreicht. Diese Mittel würden im Kontext mit Sedierung auf einer Intensivstation (ICU) kumulativ als Sedativa bezeichnet. Die verfügbaren sedierenden Mittel wiesen jedoch unerwünschte Nebenwirkungen, wie u. a. prolongierte Sedierung, Übersedierung, prolongierte Entwöhnung, Atemdepression, Hypotonie, Bradykardie, Toleranz und Orientierungslosigkeit auf. Neben diesen unerwünschten Wirkungen könne es auch bei Verabreichung mehrerer Mittel (Polypharmazie) zu unvorhersehbaren Nebenwirkungen und einer Änderung der Pharmakokinetik kommen. Beispielsweise könnten die Arzneimittel synergistisch oder aber toxisch wirken, wenn sie additiv verabreicht würden (vgl. NiK1, S. 2, Abs. [0002-0005]).
Zudem habe sich der bevorzugte Sedierungsgrad für kritisch kranke Patienten in den letzten Jahren beträchtlich verändert. Die meisten Intensivmediziner bevorzugten zum maßgeblichen Zeitpunkt, dass ihre intensivmedizinisch betreuten Patienten schliefen, wobei sie jedoch leicht aufweckbar sein sollten (vgl. NiK1, S. 2, Abs. [0006], S. 3, Abs. [0010]).
2. Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent die objektive Aufgabe zu Grunde, ein verbessertes Sedativum zur Behandlung von kritisch kranken Patienten, die intensivmedizinisch betreut werden müssen, bereitzustellen.
Soweit geltend gemacht wird, dass die streitpatentgemäße Aufgabe zusätzlich darin bestehe, dass die Patienten aufweckbar blieben und orientiert seien, kann dieser Aufgabenbestimmung nicht beigetreten werden. Denn die Definition des technischen Problems, das eine Erfindung zu Grunde liegt, dient nicht dazu, eine Vorentscheidung über die Frage der Patentfähigkeit zu treffen. Maßgeblich ist vielmehr, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik im Ergebnis tatsäch- lich leistet. Hieraus ergibt sich allerdings nicht, dass bei der Definition des technischen Problems kumulativ alle Vorteile zu berücksichtigen sind, die die Erfindung objektiv leistet. Vielmehr ist das technische Problem so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich diese Frage ausschließlich in dem Zusammenhang stellt, in dem sie relevant ist, nämlich der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit (vgl. BGH GRUR 2015, 352 – Quetiapin). Deshalb sind die Merkmale „aufweckbar“ und „orientiert“, die die Sedierungsqualität von Dexmedetomidin betreffen und damit zur patentgemäßen Lösung gehören, nicht als Teil der Aufgabe anzusehen.
Aufgabe des Streitpatents kann es auch nicht sein, eine neue Patientengruppe aufzufinden, die mit Dexmedetomidin sediert werden kann. Denn dem Streitpatent zufolge steht die Patientengruppe fest, für die ein verbessertes Sedativum bereitgestellt werden soll. Dabei handelt es sich um kritisch kranke Patienten, die sich auf einer Intensivstation befinden (vgl. NiK1, S. 2, Abs. [0002-0003], S. 3, Abs. [0010]).
3. Gelöst wird diese Aufgabe gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 durch die
1. Verwendung von Dexmedetomidin oder einem pharmazeutisch verträglichem Salz davon zur Herstellung eines Medikaments,
2. zur Sedierung 3. eines kritisch kranken Patienten, 3.1 der unter Intensivbehandlung steht, 4. wobei der Patient 4.1 aufweckbar und 4.2 orientiert bleibt.
Der offensichtliche Übersetzungsfehler in Merkmal 4.1 der deutschen Fassung von Patentanspruch 1 gemäß der Streitpatentschrift NiK1 ist hierbei auf Grundlage der nach Art. 70 Abs. 1 EPÜ maßgebenden englischen Fassung berichtigt worden.
4. Der vorliegend zuständige Fachmann wird durch ein auf dem Gebiet der Arzneimittelentwicklung üblicherweise tätiges Team von Fachleuten repräsentiert (vgl. BGH, GRUR 2007, 404 – Carvedilol II). Im vorliegenden Fall umfasst dieses Team einen Experten für pharmazeutische Technologie mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Formulierung pharmazeutischer Präparate, der die Dexmedetomidin-haltigen Zusammensetzungen bereitstellt, und einen Intensivmediziner, der mit der Sedierung von kritisch kranken Patienten vertraut ist.
II.
Der erteilte Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag erweist sich als nicht bestandsfähig.
1. Die Prüfung der Patentfähigkeit erfordert regelmäßig eine Auslegung des Patentanspruchs, bei der dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen sind (vgl. BGH GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum).
1.1 Diesem Grundsatz folgend ist vorliegend zu bestimmen, welche Bedeutung der Begriff „kritisch kranker Patient“ („critically ill patient“) in Merkmal 3 von Patentanspruch 1 zukommt. Nach der Lehre des Streitpatents sollen mit der im erteilten Patentanspruch 1 beschriebenen Verwendung von Dexmedetomidin Patienten sediert werden, die intensivmedizinisch behandelt werden. Diese Patienten werden in der Beschreibung und in Patentanspruch 1 als kritisch krank bezeichnet. Der Ausdruck „kritisch krank“ wird somit in der Streitpatentschrift synonym mit dem Begriff „unter Intensivbehandlung“ verwendet (vgl. NiK1, Patentanspruch 1, S. 1, Abs. [0001-0003] und [0006], S. 3, Abs. [0016], S. 4, Abs. [0024-0026], S. 9, Abs. [0047]).
Von einem solchen Verständnis wird der Fachmann auch aufgrund der erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiele ausgehen, die zur Auslegung des streitigen Begriffs heranzuziehen sind (vgl. BGH GRUR 2015, 972 – Kreuzgestänge). In den drei Beispielen der Streitpatentschrift werden Patienten verschiedenster Grunderkrankungen beschrieben, die sich alle auf einer Intensivstation befinden (vgl. NiK1, S. 4, Abs. [0029], S. 5, Abs. [0034-0035] und [0037], S. 5/6, Abs. [0041], S. 6, Abs. [0046]). Durch diese Beispiele wird dem Fachmann deutlich, dass ein intensivmedizinisch betreuter Patient als kritisch krank einzustufen ist und zwar unabhängig davon, in welchem Zustand sich der Patient vor seinem Aufenthalt auf der Intensivstation befand.
2. Die Verwendung von Dexmedetomidin gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist gegenüber der Druckschrift NiK3 nicht neu.
Für die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, ist maßgeblich, welche technische Information der Fachmann dem Gesamtinhalt der Vorveröffentlichung unmittelbar und eindeutig entnimmt. Dabei setzt die Neuheit einer medizinischen Indikation voraus, dass die Verwendung des Arzneimittels in der Art seiner Anwendung oder für sein medizinisches Einsatzgebiet noch nicht als wirksam oder zumindest erfolgsversprechend vorgeschrieben oder vorbenutzt ist (vgl. Schulte, PatG, 9. Auflage, § 3 Rdn. 93 bis 96, 157 Teilpunkt i) und 177; Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 3 Rdn. 141 und 172; Benkard/Melullis, PatG, 10. Aufl., § 3 Rdn. 381; BGH, GRUR 2011, 999, Rdn. 31, 33 – Memantin). Dies ist hier nicht der Fall.
Die Verwendung von Dexmedetomidin zur Sedierung von intensivmedizinisch betreuten kritisch kranken Patienten, wobei die Patienten aufweckbar und orientiert sind, war zum Prioritätszeitpunkt im Stand der Technik bereits als wirksam vorbeschrieben.
In der NiK3 wird eine klinische Studie beschrieben, in der Patienten, die sich einer Gefäßoperation unterziehen mussten, Dexmedetomidin perioperativ verabreicht wurde (vgl. NiK3, S. 620, Titel, i. V. m. li. Sp., 1. Abs.).
Die Patienten gehörten den ASA-Klassen III und IV an (vgl. NiK3, S. 625, Tab. 1). Nach der ASA-Klassifikation bedeutet dies, dass die Patienten eine schwere Allgemeinerkrankung bzw. eine schwere Allgemeinerkrankung, die eine ständige Lebensbedrohung ist, aufweisen.
Patienten eingeteilt in drei Gruppen wurde im Zeitraum von einer Stunde vor der Anästhesieeinleitung und 48 Stunden nach der Operation eine kontinuierliche Dexmedetomidin-Infusion mit jeweils einer Plasmazielkonzentration von 0,15 ng/ml, 0,30 ng/ml oder 0,45 ng/ml verabreicht (vgl. NiK3, S. 620, li: Sp:, 2. Abs., S. 621, re: Sp., 2. Abs.). Die Patienten unterzogen sich einer Aorten-, einer Karotis- oder einer peripheren Gefäßoperation (vgl. NiK3, S. 625, Tab. 1, Z. 1 bis 3 von unten).
Der Fachmann bezieht hierbei als notwendig und selbstverständlich mit ein, dass diejenigen Patienten, die sich einer Aortenoperation unterzogen haben, nach der Operation zwischen 2 und 24 Stunden künstlich beatmet werden müssen. Hierbei handelt es sich um eine im Prioritätszeitpunkt übliche Maßnahme für die postoperative Versorgung dieser Patientengruppe. Damit entnimmt der fachkundige Leser vor dem Hintergrund seines Fachwissens ohne, dass er eine Ergänzung der Offenbarung vornimmt, dass zumindest die Gruppe der Patienten mit der Aortenoperation postoperativ intensivmedizinisch betreut werden (vgl. B27, S. 364: „M.G. Edward und M.S. Maged, Clinical Anesthesiology, Stamford/Connecticut: Appleton & Lange, 1996, 2nd, Ed. S. 404, li. Sp., 4. Abs.“; BGH GRUR 2014, 758 – Proteintrennung). Nachdem das Merkmal „unter Intensivbehandlung“ mit dem Begriff „kritisch kranker Patient“ vorliegend gleichzusetzen ist, sind somit die Merkmale 3 und 3.1 in NiK3 unmittelbar und eindeutig offenbart (vgl. Abs. II.1.1).
Eine Sedierung der Patienten durch Dexmedetomidin besteht gemäß NiK3 in der präoperativen Zeit, also eine Stunde vor der Narkoseeinleitung, und postoperativ am Tag der Operation, da die Patienten in diesem Zeitraum schliefen jedoch leicht aufweckbar waren, während am Tag nach der Operation keine Sedierung zu be- obachten war (vgl. NiK3, S. 624, li. Sp., 2. Abs., S. 627, re. Sp., 3. Abs., S. 631, li. Sp, 2. Abs.). Somit ist auch Merkmal 2 vorbeschrieben.
Ferner wurde im Rahmen der Studie die postoperative analgetische Wirkung von Morphinsulfat mit Hilfe eines VAS-Tests ermittelt. Hierfür wurden die Patienten alle 4 Stunden innerhalb der ersten 48 Stunden nach dem Eingriff aufgefordert auf einer horizontalen 100 mm Skala mit einem Ende, welches „keinen Schmerz“ und einem anderen Ende, welches „schlimmster vorstellbarer Schmerz“ darstellte, ihren Schmerz anzugeben (vgl. NiK3, S. 624, li. Sp. 2. Abs.). Damit sind auch die streitpatentgemäßen Merkmale 4.1 und 4.2 unmittelbar und eindeutig in NiK3 offenbart, da nur orientierte und wache Patienten in der Lage sind, im VAS-Test ihr Schmerzempfinden anzugeben.
Die streitpatentgemäße Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag mit den Merkmalen 1 bis 4.2 ist somit in der Publikation NiK3 neuheitsschädlich vorbeschrieben.
Der Einwand der Beklagten, dass die Patienten der NiK3 vor der Operation weder kritisch krank gewesen, noch auf einer Intensivstation behandelt worden seien, vermag nicht zu überzeugen. Denn im Patentanspruch 1 nach Hauptantrag wird keine zeitliche Zuordnung des kritisch kranken Zustandes und der intensivmedizinischen Betreuung im Hinblick auf eine Operation getroffen. Damit ist das Vorliegen dieses Zustandes völlig unabhängig von einem operativen Eingriff und kann wie in NiK3 auch erst nach der Operation eintreten.
Auch das weitere Argument, dass in NiK3 aufgrund der Ausbildung einer Tachyphylaxe keine Sedierung vorläge, überzeugt nicht. In NiK3 mag zwar davon berichtet werden, dass am Tag nach der Operation keine Sedierung beobachtet worden ist, wobei diese Beobachtung in NiK3 unter Bezugnahme auf eine Studie an Ratten als Tachyphylaxe gedeutet wird (vgl. NiK3, S. 631 li. Sp., 2. Abs. und Referenz 27, vorgelegt als NI3). Allerdings kann der Fachmann der referenzierten Publikation NI3 entnehmen, dass eine Tachyphylaxe frühestens ab dem zweiten Tag der Dexmedetomidingabe bei der mittleren Dosisgruppe bzw. ab dem siebten bei der hochdosierten Gruppen eintritt. Vorher waren die Ratten jedoch sediert (vgl. NI3, S. 171, Titel, 1. Abs. der Zusammenfassung, S. 172, re. Sp., 3. vollständ. Abs., S. 173, Fig. 3). Damit gelangen aber sowohl NiK3 wie auch NI3 zu dem gleichen Ergebnis, dass eine Sedierung frühestens am zweiten Tag der Dexmedetomidingabe nicht mehr zu beobachten ist. Die Patienten der NiK3 waren somit im postoperativen Zeitraum am Tag der Operation sediert.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Druckschrift NI3 nicht wegen Verspätung nach § 83 Abs. 4 PatG zurückzuweisen und wird daher vorliegend berücksichtigt. Zwar hat die Nebenintervenientin den Prozess in der Lage zu übernehmen, in der er sich zum Zeitpunkt des Beitritts befindet (§ 67 ZPO) und ist damit auch an den Ablauf von Fristen und die Verspätungslage gebunden (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl., § 67 Rn. 12). Die mit Schriftsatz vom 9. Februar 2017 erfolgte Einführung der Druckschrift NI3 als neues Angriffsmittel lag damit außerhalb der durch den vorterminlichen Hinweis vom 21. Oktober 2016 gesetzten Frist von einem Monat, in dem die Parteien auch über die Folgen der Fristversäumnis belehrt worden sind. Es bedurfte jedoch keiner Vertagung, da es der Beklagten zugemutet werden konnte, sich innerhalb der verbleibenden ca. drei Wochen bis zur mündlichen Verhandlung auf die von der Nebenintervenientin eingereichte Druckschrift einzulassen zumal die Druckschrift NI3 nur Referenz zu NiK3 ist. Zudem hat sie selbst mit Schriftsatz vom 14. Februar 2017 die gesamte Akte des parallelen österreichischen Nichtigkeitsverfahrens als Anlage B27 eingereicht, die NI3 umfasst, so dass sie auch selbst die NI3 zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht hat (vgl. B27, S. 31 bis 44).
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist somit vom Stand der Technik neuheitsschädlich vorbeschrieben und hat daher keinen Bestand.
3. Die nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 12 des Hauptantrages bedürfen keiner weiteren, isolierten Prüfung, weil die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass sie den Hauptantrag als geschlossenen Anspruchssatz ver- teidigt (vgl. BGH GRUR 2007, 862 – Informationsübermittlungsverfahren II; BGH GRUR 1997, 120 – Elektrisches Speicherheizgerät; BPatG GRUR 2009, 46 – Ionenaustauschverfahren).
III.
Die in der mündlichen Verhandlung zuletzt überreichten Hilfsanträge 1 bis 3 der Beklagten werden wegen Verspätung nach § 83 Abs. 4 PatG zurückgewiesen. Die Hilfsanträge sind – im Anschluss an die Senatsberatung, die bereits zu einer Endentscheidung führen sollte – erst in der wiedereröffneten mündlichen Verhandlung vorgelegt worden, nachdem der Vorsitzende den Hinweis gegeben hat, dass der Senat nur die Patentansprüche 3 bis 10 des bisherigen Hilfsantrags 3 für bestandsfähig hält und er der Beklagten daher Gelegenheit zur Anpassung ihrer Anträge und ihren Gegnern zur Stellungnahme geben wollte. Insbesondere hat er bei der sich unmittelbar hieran anschließenden Erörterung des Hinweises erkennen lassen, dass eine Anpassung des Hilfsantrags 3 unter diesen Umständen die Abfassung eines für Dritte verständlichen Urteilstenors erleichtert hätte, da damit die Rückbezüge der Patentansprüche 3 bis 10 gemäß damaligen Hilfsantrag 3 auf die nicht bestandsfähigen Patentansprüche 1 und 2 entfallen könnten. Die sodann von der Beklagten eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3 sind jedoch keine Reaktion auf den Hinweis gewesen, sondern stellen neue Verteidigungsmittel dar, mit denen sich die Beklagte vom Stand der Technik abzugrenzen versucht.
Es bedarf keiner Erläuterung, dass die Hilfsanträge damit außerhalb der mit dem vorterminlichen Hinweis vom 21. Oktober 2016 unter Belehrung über die Folgen der Fristversäumnis gesetzten Frist eingereicht worden sind (§ 83 Abs. 2 und 4 Nr. 3 PatG). Zudem hätten sie eine Vertagung erforderlich gemacht (§ 83 Abs. 4 Nr. 1 PatG), da es der Klägerin nicht zuzumuten war, sich noch im Laufe der inzwischen weit fortgeschrittenen mündlichen Verhandlung, die nur im Hinblick auf das Ergebnis der Beratung überhaupt wiedereröffnet worden ist, auf diese Hilfsanträge einzulassen. Es sind Merkmale aus der Beschreibung aufgenommen worden, die bisher weder schriftsätzlich noch mündlich diskutiert worden sind. Der Vertreter der Klägerin hat dazu nachvollziehbar vorgetragen, dass es nunmehr einer Überprüfung bedurft hätte, ob die Gegenstände der Hilfsanträge überhaupt ursprungsoffenbart sind, insbesondere ob die beiden Prioritäten des Streitpatents noch wirksam in Anspruch genommen werden, und ob ggf. weitere Dokumente, insbesondere aus dem Prioritätsintervall, patenthindernd entgegenstehen, wobei eine Rücksprache mit den technischen Experten der Klägerin erforderlich sei. Dies wäre ohne Vertagung nicht möglich gewesen.
Die Beklagte hat die Verspätung auch nicht genügend entschuldigt (§ 83 Abs. 4 Nr. 2 PatG). Auf entsprechende Nachfrage des Vorsitzenden hat sie vorgetragen, dass sie sich mit den Hilfsanträgen vom Stand der Technik nach der Druckschrift NiK3 abgrenzen will. Diese Druckschrift ist jedoch bereits mit der Klageschrift als neuheitsschädlich eingeführt worden und damit von Beginn an schriftsätzlich und mündlich diskutiert worden. Zudem ist im vorterminlichen Hinweis auf die Bedeutung der NiK3 im Hinblick auf die Neuheit des Streitgegenstands hingewiesen worden. Entscheidungserhebliche neue Aspekte sind hierzu in der mündlichen Verhandlung nicht aufgetaucht. Es gab daher keinen Anlass dazu, die mündliche Verhandlung unter dem Aspekt der patentrechtlichen Relevanz einer von Anfang an umfangreich diskutierten Entgegenhaltung nochmals „neu aufzurollen“.
Der Senat übt das ihm nach § 83 Abs. 4 PatG gewährte Ermessen unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks der Vorschrift, der o. g. prozessualen Situation und der berechtigten Interessen der Klägerin und Nebenintervenientin dahin aus, dass er die Hilfsanträge 1 bis 3 wegen Verspätung zurückweist.
IV.
Die Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 9 nach Hilfsantrag 4 sind bestandsfähig.
1. Der Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 4 weist gegenüber der Verwendung gemäß Hauptantrag folgende zusätzliche Merkmale auf:
5. wobei das Dexmedetomidin oder ein pharmazeutisch verträgliches Salz davon intravenös verabreicht wird,
6. wobei eine Ladungsdosis und die Erhaltungsdosis verabreicht werden und
7. wobei das Dexmedetomidin oder ein pharmazeutisch verträgliches Salz davon in einer solchen Menge verabreicht wird, dass eine Plasmakonzentration von 0,1 bis 2 ng/ml erreicht wird.
2. Die in den Patentansprüchen 1 bis 9 des Hilfsantrags 4 vermittelte Lehre ist unbestritten ursprünglich offenbart und erweitert den Schutzbereich nicht in unzulässiger Weise. Die Merkmale des Patentanspruchs 1 sind aus den erteilten Patentansprüchen 1, 3, 4 und 5 ableitbar. Sie gehen ferner auf die Patentansprüche 1, 3, 4, 5 und Zeilen 25 bis 27 auf Seite 6 und Zeilen 2 bis 5 auf Seite 7 der Offenlegungsschrift WO 99/49854 A2 zurück. Die Patentansprüche 2 bis 9 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 2 und 6 bis 12 bzw. den Patentansprüchen 2 und 6 bis 12 der Offenlegungsschrift.
3. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit ist bezüglich Hilfsantrag 4 nicht gegeben.
3.1 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 ist neu.
Die im Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 4 beschriebene Verwendung ist neu, weil in keinem der zitierten Dokumente eine Verwendung mit allen im Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 4 genannten Merkmalen offenbart wird.
Dies gilt auch im Hinblick auf die Druckschrift NiK3. Darin wird zwar eine Sedierung von kritisch kranken Patienten, die intensivmedizinisch behandelt werden, mit Dexmedetomidin beschrieben, wobei die Patienten unter der Sedierung aufweckbar und orientiert sind (vgl. Abs. II.2). Des Weiteren wird in NiK3 auch die Verabreichung von Dexmedetomidin als Lösung mittels einer computerkontrollierten Infusionspumpe zur Erzielung einer Plasmazielkonzentration von 0,15 ng/ml ent- sprechend den Merkmalen 5 und 7 des Patentanspruchs 1 offenbart (vgl. NiK3, S. 621, re. Sp., 1. Abs.), jedoch kann das zusätzlich aufgenommene Merkmal „wobei eine Ladungsdosis und die Erhaltungsdosis verabreicht werden“ NiK3 nicht entnommen werden.
Zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führt das vorgebrachte Argument, dass der Fachmann aufgrund der vorgegebenen Plasmazielkonzentrationen von 0,15 ng/ml in NiK3 mitliest, dass zunächst eine Ladungsdosis zu verabreichen ist, um dem gewünschten Plasmaspiegel noch vor der Operation zu erzielen. Denn dem Fachmann ist bekannt, dass Dexmedetomidin schnell wirksam ist (vgl. NiK9, S. 374, re. Sp. 2. Abs.), so dass auch ein Anfluten der Plasmazielkonzentration innerhalb der Stunde vor der Operation denkbar ist. Damit kann der NiK3 aber nicht unmittelbar und eindeutig die Verabreichung von Dexmedetomidin mit einer Ladungsdosis und einer Erhaltungsdosis entnommen werden.
Auch der Einwand, die in NiK3 verwendete „STANPUMP software“ zur Steuerung der Infusionspumpe impliziere bei der vorgegebenen Plasmakonzentration zu deren schnellen Erzielung ein Dosisregime mit einer Ladungsdosis und einer Erhaltungsdosis, kann nicht überzeugen. Denn in NiK3 werden keine Pharmakokinetikdaten angegeben. Es findet sich lediglich eine allgemeine Verweisung auf die Sekundärliteratur nach Fußnote 19, die jedoch nicht vorgelegt worden ist. Damit bleibt aber offen, wie der Konzentrationsverlauf der intravenösen Dexmedetomidinverabreichung in NiK3 ausgestaltet ist. Folglich kann das in Rede stehende Merkmal der NiK3 nicht unmittelbar und eindeutig entnommen werden.
Eine Verwendung mit sämtlichen im Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 4 genannten Merkmalen offenbaren auch die Druckschriften NiK2 und NiK11 nicht Die NiK2 ist mit der Schmerzbehandlung von gesunden Patientinnen befasst, die sich einer laparoskopischen Tubenligatur unterzogen haben. Die Patientinnen erhielten postoperativ Dexmedetomidin in Konzentrationen von 0,2 bzw. 0,4 µg/kg intravenös als Bolus gegen Schmerz, während sie sich in einem Aufwachraum befanden (vgl. NiK2, S. 112, Titel, Abstract, S. 113, li. Sp., 1. Abs. und übergr. Abs., S. 114, Tab. 2). Die Druckschrift NiK2 offenbart folglich keine kritisch kranken Patienten, die entsprechend den patentgemäßen Merkmalen 3 und 3.1 intensivmedizinisch betreut werden.
Bei der ebenfalls vor dem Prioritätszeitpunkt veröffentlichten Publikation NiK11 handelt es sich um einen Übersichtsartikel betreffend die Sedierung von kritisch kranken neurologischen Patienten. In NiK11 wird ausgeführt, dass für Dexmedetomidin als α2-adrenergischer Rezeptoragonist eine sedative und analgetische Wirkung bei postoperativen Patienten festgestellt werden konnte, die als kritisch krank bezeichnet werden (vgl. NiK11, S. 1, Titel, Abstract, Abs. „Objective“, S. 16, 2. Abs.). In NiK11 werden jedoch keine Angaben zum Dosisregime, im Sinne der Merkmale 6 und 7 getroffen, so dass NiK11 eine Verwendung mit sämtlichen Merkmalen im Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 4 nicht offenbart.
Die weiteren im Verfahren genannten Entgegenhaltungen liegen weiter ab und vermögen die Neuheit gleichfalls nicht in Frage stellen. Sie wurden von den Klägerinnen auch nicht unter diesem Gesichtspunkt genannt.
3.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs nach Hilfsantrag 4 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
a) Ausgangspunkt zur Lösung der Aufgabe bildet für den Fachmann der von Mirski verfasste Übersichtsartikel NiK11. Der Autor befasst sich mit der Sedierung von kritisch kranken neurologischen Patienten und stellt in diesem Zusammenhang verschiedene Wirkstoffgruppen zu deren Sedierung vor (vgl. NiK11 S. 1, Titel, Abschnitte „Objective“, „Data Synthesis“). Kritisch kranke Patienten profitieren von einer Sedierung, die ihre intensivmedizinische Betreuung verbessert. Dies gilt insbesondere für neurologisch kritisch kranke Patienten, die häufig neurologisch untersucht werden (vgl. NiK11, S. 2, 4. Abs.). Als Wirkstoffgruppen werden Benzodiazepine, Opioide, Barbiturate, Neuroleptika und andere Sedativa wie Ketamine, Propofol und α2-adrenergetische Rezeptoragonisten diskutiert. Die letztge- nannte Gruppe umfasst Clonidin und Dexmedetomidin, für die eine sedative und analgetische Wirkung in postoperativen Patienten gezeigt werden konnte. Zu Dexmedetomidin wird ausgeführt, dass zum damaligen Zeitpunkt dessen Wirksamkeit als Narkoseadjuvans zur Verringerung der Narkotikamenge, sowie zur Stressverminderung bedingt durch einen operativen Eingriff in klinischen Studien untersucht wird (vgl. NiK11, S. 5, letzt. Abs., S. 7, Tab. 4, S. 8, letzt. Zeile, S. 9, 1. Abs., S. 12, 2. Abs., S. 13, 2. Abs., S. 14, 1. und 2. Abs., S. 15, 2. Abs., S. 16, 2. und 3. Abs.). Eine Rangliste hinsichtlich der Verwendung der einzelnen Wirkstoffe erstellt der Autor in seinem Artikel aber nicht. Ferner weist der Autor noch darauf hin, dass Dexmedetomidin über neuroprotektive Eigenschaften, aber auch negative Eigenschaften, wie Hypotonie und intracarnialen Druck verfügt (vgl. NiK11, S. 16, 3. und 4. Abs.). Somit erhält der Fachmann in der NiK11 weder einen Hinweis darauf, dass der Einsatz von Dexmedetomidin einen besonderen Vorteil bietet, noch wird ihm eine Information zu dessen Sedierungsprofil geben. Demzufolge regt die Lehre der NiK11 die Verwendung von Dexmedetomidin zur Sedierung von kritisch kranken Patienten, wie im geltenden Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 angegeben, nicht an.
Ausgehend von NiK11 benötigt der Fachmann somit weitere Informationen, um zur vorliegenden Lösung gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 zu gelangen. Obwohl die NiK3 keine Sedierung betrifft, sondern die Ergebnisse einer Studie zur Beurteilung der hämodynamischen Effekte von perioperativ verabreichten Dexmedetomidin bei chirurgischen Patienten mit einem hohen Risiko für eine koronare Herzerkrankung vorstellt, wird der Fachmann diese Publikation dennoch in Betracht ziehen, denn in der Studie wird das gleiche Patientenkollektiv wie im Streitpatent behandelt (vgl. NiK3, S. 620, Titel und li. Sp., 1. Abs.). In der Studie erhielten 24 gefäßchirurgisch zu behandelnde Patienten eine Stunde vor Narkosebeginn bis 48 Stunden postoperativ entweder eine kontinuierliche Placebo-Infusion oder eine Dexmedetomidin-Infusion zur Erzielung einer Plasmazielkonzentration von 0,15 ng/ml, 0,30 ng/ml oder 0,45 ng/ml (vgl. NiK3, S. 620, li. Sp., 2. Abs., S. 621, li. Sp., 3. Abs., re. Sp., 1. Abs.). Dabei wurde festgestellt, dass präoperativ eine Abnahme der Herzfrequenz und des systolischen Blutdrucks zu beobachten war. Während der postoperativen Phase wies die Dexmedetomidin-Gruppe weniger Tachykardie im Vergleich zur Placebo-Gruppe auf. Bradykardie trat in allen Patientengruppen kaum auf und ein Myokardinfarkt bzw. eine Tendenz dazu war nicht zu beobachten (vgl. NiK3, S. 620, spaltenübergr. Abs., S. 628, spaltenübergr. Abs.). Daneben wird in NiK3 zwar davon berichtet, dass die Patienten der mittleren und der hoch dosierten Gruppen in der präoperativen Phase einschliefen, wobei sie leicht aufweckbar waren. Obwohl Dexmedetomidin präoperativ sedierend war, konnte ein solcher Effekt am Tag nach der Operation aber nicht beobachtet werden (vgl. NiK3, S. 627, 3. Abs., S. 631, li. Sp., 2. Abs.). Ferner wurde in der Studie noch die postoperative analgetische Wirkung von Dexmedetomidin bei begleitend verabreichtem Morphin untersucht. Hier mussten die Patienten alle vier Stunden, solange sie wach waren, in einem VAS-Test ihr Schmerzempfinden angeben (vgl. NiK3, S. 624, li. Sp., 2. Abs., S. 627, re. Sp., 3. Abs.). Selbst unter der Annahme, dass die Infusionspumpe kontinuierlich betrieben wird, legt die NiK3 auch bei einer kombinierten Betrachtung mit der Lehre der NiK11 die Verabreichung von Dexmedetomidin mit einer Ladungs- und einer Erhaltungsdosis zur Erzielung eines Dosisbereichs von 0,1 bis 2 ng/ml nicht nahe. Denn in der NiK3 finden sich keine Angaben zur Programmierung der Pumpe, aus denen auf eine Ladungsdosis geschlossen werden könnte.
Die weiteren Entgegenhaltungen NiK2 und NiK7 offenbaren ebenfalls keine darüber hinaus gehende Lehre, so dass auch sie nicht in der Lage sind, eine Verwendung, wie sie im Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 4 beschreiben wird, in das Blickfeld des Fachmanns zu rücken.
In der Publikation NiK2 werden die Ergebnisse einer Studie vorgestellt, die sich mit dem Effekt von intravenös verabreichten Dexmedetomidin auf das postoperative Schmerzempfinden von Patientinnen, die sich einer laparoskopischen Tubenligation unterzogen haben (vgl. NiK2, S. 112, Titel, Zusammenfassung). In der Studie erhielten 96 gesunde Frauen postoperativ eine Dosis von 0,2 oder 0,4 µg/kg Dexmedetomidin intravenös als Bolus, wobei der Wirkstoff im Aufwachraum zur Linderung von mittleren bis starken Schmerz so lange wiederholt verab- reicht wurde, bis der Schmerz nachließ bzw. verschwand. Als Begleiterscheinung stellten die Autoren eine dosisabhängige Sedierung fest. In der hochdosierten Dexmedetomidin-Gruppe wurden 3 Patientinnen als nicht aufweckbar und 10 weitere als nur schwer aufweckbar beschrieben, d. h. sie reagierten erst auf eine laute Stimme bzw. Schütteln, während in der niedrigdosierten Gruppe nur eine Patientin von 24 schwer aufzuwecken war (vgl. NiK2, S. 112, Zusammenfassung, S. 113, li. Sp., 1. Abs., S. 115, spaltenübergr. Abs.). Abgesehen davon, dass die Patientinnen in der Studie gemäß NiK2 nicht kritisch krank waren und damit auch keiner intensivmedizinischen Behandlung bedurften, wird in NiK2 keine Plasmakonzentration von 0,1 bis 0,2 ng/ml angegeben oder angeregt.
Entsprechendes gilt auch für die NiK7, die die Ergebnisse einer Studie mit zehn gesunden Probanden veröffentlicht, in der pharmakokinetische und hämodynamische Effekte bei der Verabreichung von Dexmedetomidin untersucht wurden. Dexmedetomidin ist dabei mit einer Start- und einer Erhaltungsdosis verabreicht worden, wobei eine Plasmakonzentration von 1,0 ng/ml als geeignete Dosierung vorgesehen war (vgl. NiK7, S. 813, Titel und li. Sp., 1. Abs. bis einschl. re. Sp, 1. Abs., S. 819, re. Sp., 2. Abs.). Der Fachmann wird durch diese Ergebnisse jedoch nicht dazu angeregt, ein solches Verabreichungsregime bei kritisch kranken Patienten in Erwägung zu ziehen, da diese Patienten eine gegenüber gesunden Patienten abweichende Pharmakokinetik und –dynamik aufweisen.
b) Auch ausgehend von der NI5 gelangt der Fachmann nicht zur streitpatentgemäßen Verwendung von Dexmedetomidin.
Nachdem sich die NI5 ebenfalls mit der Sedierung von kritisch kranken Patienten befasst, zieht der Fachmann dieses Dokument bei seiner Suche nach einer Lösung der patentgemäß gestellten Aufgabe ebenfalls in Betracht. Bei der NI5 handelt es sich um einen Übersichtsartikel betreffend therapeutische Erwägungen bei der Behandlung von erregten oder deliranten kritisch kranken Patienten auf der Intensivstation (vgl. NI5, S. 113, Titel, Abstract, spaltenübergr. Abs.). Neben dem nichtmedikamentösen therapeutischen Ansatz zur Reduzierung der Agitiertheit des Patienten wird jedoch vorrangig die Ruhigstellung des kritisch Kranken mit Pharmaka beleuchtet (vgl. NI5, S. 115, re. Sp., Abs. „Nonpharmacologic Therapeutic Approaches in the ICU“ bis einschl. S. 116, Abs. „Drug Therapy“). Als intravenöse Medikation wird für diese Patientengruppe die Gabe von Narkotika, wie Benzodiazepine, Propofol, Haloperidol und neuen Wirkstoffen, wie α2adrenerge Agonisten, Cyclopyrrolone, Imidazopyridine und Cholecystokinin-Agonisten vorgeschlagen, wobei als α2-adrenergene Agonisten Clonidin und Dexmedetomidin angegeben werden (vgl. NI5, S. 116/117, Abs. „Narcotics“, S. 117, Abs. „Benzodiazepine“, S. 121/122, Abs. „Propofol“, S. 122/123, Abs. „Haloperidol“, S. 124, Abs. „Newer Agents“).
Da NI5 über eine breite Auswahl an Sedativa zur Behandlung von deliranten und agitierten kritisch Kranken ohne Schwerpunktsetzung referiert, erhält der Fachmann aber keine Anregung gerade Dexmedetomidin in dieser großen Gruppe an Sedativa auszuwählen. Dies gilt umso mehr, als in NI5 darauf hingewiesen wird, dass die neueren Wirkstoffe, zu denen Dexmedetomidin zählt, sich zum damaligen Zeitpunkt noch der klinischen Testung im Hinblick auf deren Wirksamkeit bei der Behandlung von Angst und der Sedierung befanden und es darüber hinaus noch zu früh sei, diese an intensivbehandelten Patienten zu testen (vgl. NI5, S. 124, li. Sp 2. und 4. Abs.). Zum damaligen Zeitpunkt war es nach NI5 aufgrund der gegenüber nicht kritisch Kranken abweichenden Pharmakokinetik und – dynamik nicht absehbar, ob Dexmedetomidin ein geeignetes Sedativum für kritisch kranke Patienten darstellen könnte (vgl. NI5 S. 124, re. Sp., letzt. vollst. Abs. i. V. m. S. 124, li. Sp., 2. Abs.). Darüber hinaus finden sich in NI5 weder Angaben zu dessen Sedierungsqualität, d. h. ob die Patienten während der Sedierung mit Dexmedetomidin aufweckbar und orientiert sind, noch zur Dosierung und Verabreichung. Demzufolge kann die Lehre der NI5 eine Verwendung von Dexmedetomidin, wie sie streitpatentgemäß im geltenden Patentanspruch 1 beansprucht wird, nicht nahe legen.
Auf seiner Suche nach der patentgemäßen Lösung wird sich der Fachmann nach weiteren Anregungen umsehen und auf das Dokument NI4 stoßen, das eine post- operativ sedierende Wirkung von Dexmedetomidin angibt. In der Studie gemäß NI4 haben sich 20 gesunde Frauen einer gynäkologischen Operation unterzogen, wobei ihnen 60 min vor der Narkoseeinleitung intramuskulär 0,5, 1,0 oder 1,5 µg/kg Dexmedetomidin verabreicht wurde. Der sedierende Effekt von Dexmedetomidin hielt bis zu 4 Stunden nach der Operation an (vgl. NI4, S. 283, Zusammenfassung, S. 283, re. Sp., letzt. Abs. bis S. 284, re. Sp., 1. Abs.). Hinweise auf die Anwendung von Dexmedetomidin bei einer Patientengruppe von intensivmedizinisch betreuten kritisch Kranken liefert die NI4 dem Fachmann aber nicht. Ebensowenig kann der Druckschrift eine Anregung hinsichtlich einer Plasmakonzentration von 0,1 bis 0,2 ng/ml, die durch intravenöse Verabreichung einer Ladungsund einer Erhaltungsdosis erzielt wird, entnommen werden. Somit gelangt der Fachmann auch durch die Kombination der Dokumente NI5 mit NI4 nicht ohne erfinderisches Zutun zur Verwendung gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4.
Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die mit Schriftsatz der Nebenintervenientin vom 9. Februar 2017 eingeführten Druckschriften NI4 und NI5 als verspätet zurückzuweisen sind, zumal diese Dokumente, wie aus B27 hervorgeht, auch Gegenstand des österreichischen Nichtigkeitsverfahren waren (vgl. II.2).
Die weiteren dem Senat vorliegenden und in den Schriftsätzen diskutierten Entgegenhaltungen wurden in der mündlichen Verhandlung nicht mehr in Betracht gezogen. Sie liegen vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Hilfsantrags 4 weiter entfernt und können den Fachmann ebenfalls nicht zur streitpatentgemäßen Lösung der technischen Aufgabe des Streitpatents anregen.
Der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 4 hat daher Bestand. Mit ihm haben die darauf rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 9, die vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstands des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 betreffen, ebenfalls Bestand.
V.
Der Senat hat davon abgesehen, dem Antrag der Beklagten zu entsprechen und ein Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen über Fragen zu verschiedenen Aspekten der Sedierung von intensivmedizinisch behandlungsbedürftigen Patienten einzuholen. Der Sachverständigenbeweis dient dazu, dem Gericht Fachwissen zur Beurteilung von Tatsachen zu vermitteln oder entscheidungserhebliche Tatsachen festzustellen, soweit hierzu besondere Sachkunde erforderlich ist. Im Verfahren vor dem Bundespatentgericht ist ein solcher Beweis in der Regel nicht erforderlich, da die Nichtigkeitssenate und die technischen Beschwerdesenate mit sachverständigen Richtern besetzt sind (vgl. BGH GRUR 2014, 1235 – Kommunikationsrouter; Schulte, PatG, 9. Aufl., § 81 Rn. 57; Busse, PatG, 8. Aufl., § 87 Rn. 23, § 88 Rn. 11). Insbesondere bedarf es eines Sachverständigenbeweises nicht, wenn sich das Gericht die erforderlichen Sachkenntnisse etwa durch Studium der Fachliteratur selbst beschaffen kann (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl., Vorbem. § 402 Rn. 3).
Nach diesen Grundsätzen war vorliegend kein Beweis durch Sachverständige zu erheben, da der Senat aufgrund seiner Fachkenntnisse in der Lage ist, anhand der Fachliteratur, insbesondere der von den Parteien umfangreich zur Verfügung gestellten Literatur einschließlich mehrerer Privatgutachten, das darin wiedergegebene Fachwissen zur Tatsachenbeurteilung zur Kenntnis zu nehmen und damit den gegebenen Sachverhalt umfassend zu erkennen und zu würdigen.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 , 101 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
VII.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
Schramm Kätker Dr. Münzberg Dr. Jäger Dr. Wagner Pr