1 Ni 2/13 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 2/13 (EP) (Aktenzeichen)
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL An Verkündungs Statt zugestellt am
12. Mai 2014 …
In der Patentnichtigkeitssache …
BPatG 253 08.05
-2…
betreffend das europäische Patent 0 599 824 (DE 690 33 882)
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2013 durch die Präsidentin Schmidt sowie die Richter Voit, Dr.-Ing. Scholz, Dipl.-Ing. J. Müller und Dipl.-Phys. (Univ.) Bieringer für Recht erkannt: I. Das europäische Patent EP 0 599 824 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1, 11, 17, 18 und 21 insoweit für nichtig erklärt, als es über folgende Fassung hinausgeht:
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 50% und die Beklagten 50%. IV. Das Urteil ist für beide Parteien im Kostenpunkt gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagten waren eingetragene Inhaber des zwischenzeitlich erloschenen, auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 599 824 (Streitpatent), das am 25. September 1990 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der niederländischen Patentanmeldungen NL 8901402 vom 2. Juni 1989 und NL 9000338 vom 13. Februar 1990 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlicht worden und wurde beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 690 33 882.1 geführt. Das Streitpatent betrifft eine IntensitätsstereoKodierung und Dekodierung in einem Übertragungssystem und umfasste in der erteilten Fassung 22 Ansprüche, von denen nur die Ansprüche 1, 11, 17, 18 und 21 angegriffen werden. Die angegriffenen Ansprüche lauten in der Verfahrenssprache Englisch wie folgt:
-8In der deutschen Übersetzung haben diese Ansprüche folgenden Wortlaut:
Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents ginge über den Inhalt der ursprünglichen eingereichten europäischen Patentanmeldung 90 201 356.4 hinaus. Sie behauptet weiterhin, das Streitpatent könne die Prioritäten vom 2. Juni 1989 (NL 8901402) und vom 13. Februar 1990 (NL 9000338) nicht wirksam in Anspruch nehmen. Des Weiteren behauptet die Klägerin, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu noch beruhe er auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zur Begründung trägt sie vor, der Gegenstand des Streitpatents sei durch Veröffentlichungen neuheitsschädlich vorweg genommen, zudem beruhe er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Hierzu bietet sie Zeugenbeweis an und beruft sich insbesondere auf folgende Druckschriften und Dokumente (wegen der weiteren Dokumente wird auf die Anlagen zur Klageschrift verwiesen):
EP 0 273 567 A1 EP 0 289 080 A1 K9 - MUSICAM
(durch Verweis auf 4 Ni 57/05) (durch Verweis auf 4 Ni 57/05) Centre Commun D’Etudes de Telediffusion et Telecommunications (CCETT), Institut für Rundfunktechnik (IRT), Matsushita, Philips: „MUSICAM Masking pattern adapted Universal Subband Integrated Coding And Multiplexing – A Universal Subband Coding System K10 - Johnston1 K11 - Johnston2 Description“, ISO-IEC/JTC1/SC2/WG8 N, MPEG 89/206, Revision 1, Dezember 1989 James D. Johnston: „Perceptual Transform Coding of Wideband Stereo Signals“, ISO/IEC JTC1/SC2/WG8, MPEG 89/026 James D. Johnston: “Transform Coding of Audio Signals Using Perceptual Noise Criteria”, IEEE Journal on selected Areas in Communication, Vol. 6, No. 2, February 1988, S. 314 - 323.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent EP 0 599 824 im Umfang seiner Ansprüche 1, 11, 17, 18 und 21 für nichtig zu erklären.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass die Ansprüche 1, 11, 17, 18 und 21 des Streitpatents die Fassung nach einem der Hilfsanträge I, Ia, II, IIa, III, IIIa, IV, IVa, V, Va, VI, VIa erhalten sollen (Hilfsanträge I bis VI eingereicht mit Schriftsatz vom 20. Juni 2013, Hilfsantrag Ia überreicht in mündlicher Verhandlung vom 18. September 2013 und Hilfsanträge IIa, IIIa, IVa, Va und VIa überreicht in mündlicher Verhandlung vom 18. Dezember 2013).
Zumindest in einer der hilfsweise verteidigten Fassungen halten die Beklagten das Streitpatent, soweit angegriffen, für patentfähig.
Die Patentansprüche 1, 11 und 17 gemäß Hilfsantrag I lauten (alle anderen Patentansprüche sind im Wortlaut identisch mit der erteilten Fassung), wobei Änderungen gegenüber der erteilten Fassung unterstrichen sind:
- 13 - Die Patentansprüche 1, 11 und 17 gemäß Hilfsantrag Ia lauten (alle anderen Patentansprüche sind im Wortlaut identisch mit der erteilten Fassung), wobei Änderungen gegenüber der erteilten Fassung unterstrichen sind:
- 16 - Zum Wortlaut der nachrangigen Hilfsanträge II bis VIa wird auf die Akte verwiesen. Aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 2. beziehungsweise 16. Oktober 2013 wurde zur Frage der öffentlichen Zugänglichkeit der K9 (MUSICAM) Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen M…, N…, S… und K… in der mündlichen Verhandlung vom
18. Dezember 2013. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift.
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe Die Klage ist auch nach Erlöschen des Streitpatents aufgrund Zeitablaufes zulässig, da die Klägerin wegen Verletzung des Streitpatents gerichtlich in Anspruch genommen wird (BGH, GRUR 2008, 90 – Verpackungsmaschine; GRUR 2008, 60 – Sammelhefter II; BGHZ 182, 1 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung).
Die Klage ist aber nur zum Teil begründet, nämlich soweit die erteilte Fassung und die Fassung nach dem Hilfsantrag I vom 20. Juni 2013 betroffen sind. Ausgehend vom Inhalt der ursprünglichen Anmeldung, veröffentlicht als EP 402 973 A1 (K6) geht der Gegenstand des Streitpatents sowohl in der erteilten Fassung als auch in der hilfsweise verteidigten Fassung nach Hilfsantrag I über den Inhalt dieser ursprünglichen Anmeldung hinaus, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. c) EPÜ. Die auf den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung beschränkte Fassung nach Hilfsantrag Ia hingegen ist gegenüber dem einschlägigen Stand der Technik neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
1. Das in der Verfahrenssprache Englisch abgefasste Streitpatent betrifft ausweislich der Bezeichnung eine Intensitätsstereo Kodierung und Dekodierung in einem Übertragungssystem (vgl. Streitpatentschrift, Titel). Laut Beschreibungseinleitung werden digitale Breitbandsignale mit mindestens zwei Signalanteilen übertragen. Da alle angegriffenen Patentansprüche auf Audiosignale beschränkt sind, betrifft es hier im Wesentlichen Stereo-Signale oder Mehrkanalton. Durch einen Kodierer werden dem Breitband-Audiosignal vor der Übertragung - aus psychoakustischer Sicht - überflüssige Daten (=Töne; Abtastwerte) entzogen, deren Fehlen die Klangqualität kaum hörbar beeinflusst. Die so reduzierten Daten werden dann als Datenpakete an einen Empfänger übertragen, welcher das Breitband-Audiosignal wieder herstellt. Das wieder hergestellte Breitband-Audiosignal ist jedoch eine (verlustbehaftete) Replik, also um die Töne reduziert, die vor der Übertragung als überflüssig entzogen wurden, vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0001].
Die Erfindung gemäß Streitpatent sieht vor, dass Abtastwerte bestimmter Frequenzbereiche kombiniert werden und zwar so, dass die korrespondierenden Abtastwerte der Stereokanäle kombiniert werden, vgl. Abs. [0037]. Die Erfindung sieht weiter vor, die aus den Audiosignalen erzeugten Daten seriell zu übertragen und in Pakete zu bündeln, wobei die Anzahl der Pakete nach dem Prinzip des Schaltjahrs („Padding“) bestimmt ist, vgl. Patentanspruch 21. Um die betreffenden kombinierten Abtastwerte in den Daten wieder aufzufinden, wird ein Indikatorsignal übertragen, welches angibt, ob die Teilsignale für jeden Kanal getrennt normiert oder kombiniert worden sind.
2. Gemäß Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift sei es u. a. Aufgabe der Erfindung, eine Verringerung des Störanteils in der empfangen Replik zu erhalten, vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0008]. Nach Überzeugung des Senats geht dies mit einer Verringerung des zu übertragenden Datenvolums einher, so dass es auch Aufgabe ist, weniger Bits für die Quantisierung der Audiodaten zu verwenden, vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0010], [0011].
3. Als maßgeblichen Fachmann legt der Senat einen Diplom-Ingenieur der Nachrichtentechnik mit Kenntnissen auf dem Gebiet der digitalen Übertragung für Audiosignale zugrunde, der auch vertiefte Kenntnisse über digitale Kodierverfahren besitzt. Insbesondere verfügt der Fachmann (zum Prioritätszeitpunkt) über Erfahrung in der Anwendung von Techniken zur Transformationskodierung und Teilbandkodierung im Umfeld auditiver Wahrnehmung. Zum Wissen des Fachmanns hat die Klägerin mit dem Klageschriftsatz Literatur eingereicht. Hierzu wird auf die Akte, Blatt 62 bis 74 verwiesen.
4. Mit dem erteilten Patentanspruch 1 wird ein digitales Übertragungssystem mit einem Sender und einem Empfänger beansprucht, das sich in folgende Merkmale gliedern lässt (kursiv in verkleinerter Schrift die geltende Fassung in englischer Sprache gemäß Streitpatent; Gliederungszeichen hinzugefügt):
M1 Digitales Übertragungssystem mit einem Sender (1) und einem Empfänger (5)
Digital transmission system having a transmitter (1) and a receiver (5),
M2 zum Übertragen eines digitalen Breitband-Audiosignals for transmitting a wide-band digital audio signal M2.1 mit wenigstens einem ersten und einem zweiten Signalanteil über ein Übertragungsmedium (25),
comprising at least a first and a second signal component via a transmission medium (25),
M3 wobei der Sender (1)
the transmitter (1) comprising M3.1 einen Coder aufweist mit Analysenfiltermitteln(3) zum Filtern der Signalanteile zum Erhalten einer Anzahl von n Teilsignalen für jeden der wenigstens zwei Signalanteile,
an encoder having analysis filter means (3) for filtering the signal components so as to obtain a number of n sub signals for each of the at least two signal components,
M3.2 Übertragungsmittel (26, 27) zum Übertragen von Teilsignalen über das Übertragungsmedium,
transmission means (26,27) for transmitting sub signals via the transmission medium,
M4 wobei der Empfänger (5)
the receiver (5) comprising M4.1 Empfangsmittel (28, 29) aufweist zum Empfangen von Teilsignalen, und receiving means (28,29) for receiving sub signals, and M4.2. einen Decoder mit Synthesefiltermitteln (21) aufweist zum Kombinieren von Teilsignalen für jeden der wenigstens zwei Anteile zum Erhalten einer Replik des wenigstens ersten und zweiten Signalanteils,
a decoder having synthesis filter means (21) for combining sub signals for each of the at least two signal components so as to obtain a replica of the at least first and second signal components,
M5 M5.1 M5.2 M6 M6.1 M6.2 M6.3 M7 M8 wobei ein Teilsignal a sub signal comprising Skalierungsfaktorinformation aufweist, die repräsentativ ist für einen Skalierungsfaktor für das genannte Teilsignal und scale factor information representative of a scale factor for said sub signal and Abtastinformation, die repräsentativ ist für Abtastwerte in dem genannten Teilsignal,
sample information representative of sample values in said sub signal,
dadurch gekennzeichnet, dass characterized in that der Sender the transmitter weiterhin Signalkombiniermittel aufweist zum Kombinieren von Abtastinformation wenigstens eines entsprechenden Teilsignals des wenigstens ersten und zweiten Signalanteils zum Erhalten eines zusammengesetzten Teilsignals (Fig. 15c),
further comprises signal combination means for combining sample information of at least one corresponding sub signal of at least the first and second signal components so as to obtain a composite sub signal (Fig. 15c)
während Information nach wie vor repräsentativ ist für die genannten betreffenden Skalierungsfaktoren, und while keeping information representative of said respective scale factors,
Steuersignalerzeugungsmittel zum Erzeugen eines Teilsignal-Indikatorsteuersignals (Bits b26, b27), welches das genannte wenigstens eine Teilsignal der wenigstens zwei Signalanteile, die kombiniert werden, bezeichnet,
and control signal generator means for generating a sub signal indicator control signal (bits b26, b27 ) indicating said at least one sub signal of the at least two signal components being combined,
wobei der Sender weiterhin dazu vorgesehen ist, das genannte zusammengesetzte Teilsignal und das genannte Indikatorsteuersignal zu übertragen,
the transmitter further being adapted to transmit said composite sub signal and said sub signal indicator control signal,
wobei der Empfänger weiterhin the receiver further M8.1 Detektionsmittel (18) aufweist zum Detektieren des genannten Teilsignalindikatorsteuersignals (b26, b27),
comprising detection means (18) for detecting said sub signal indicator control signal (b26, b27),
M8.2 Herleitungsmittel (11', 16)
derivation means (11',16)
M8.2.1 zum Herleiten des genannten zusammengesetzten Teilsignals aus dem empfangenen Signal und for deriving said composite sub signal from the signal received M8.2.2 zum in Reaktion auf das Teilsignal-Indikatorsteuersignal Herleiten von Teilsignalen für den genannten wenigstens ersten und zweiten Signalanteil aus dem genannten zusammengesetzten Teilsignal.
and for deriving, in response to the sub signal indicator control signal, sub signals for said at least first and second signal components from said composite sub signal.
5. Der angegriffene erteilte Patentanspruch 1 betrifft mit dem Verständnis des Fachmanns ein Übertragungssystem für digitale Audiosignale, das drei Hauptkomponenten aufweist, nämlich einen Sender (Merkmale M1, M3, M5, M6 und M7), einen Empfänger (Merkmale M1, M4 und M8), sowie ein Übertragungsmedium zwischen Sender und Empfänger (Merkmale M2.1, M4 und M8).
Der Fachmann versteht, dass das digitale Audiosignal wenigstens zwei Kanäle („Signalanteil“, „signal component“; Merkmal M2.1) aufweist, d. h. im Falle von Stereo einen linken und einen rechten Kanal. Der Fachmann versteht auch, dass das Übertragungssystem senderseitig Analysefilterhilfsmittel („analysis filter means“ 3) aufweist, mit denen jeder Kanal in eine Anzahl (n) Teilsignale zerlegt wird (Merkmal M3.1), wobei die Teilsignale („sub signals“) im Merkmal M5 dahingehend näher spezifiziert sind, dass sie einen Skalierfaktor („scale factor“, Merkmal M5.1) und Abtastwerte („sample values“, Merkmal M5.2) enthalten sollen. Ein Teilsignal bildet somit ein normiertes und digitalisiertes Signal. Darüber hinaus sind Teilsignale im Patentanspruch 1 nicht näher spezifiziert und können einen beliebigen Teil eines Signals betreffen. Dies umfasst neben Teilsignalen, wie sie aus der Transformationskodierung oder der Subbandkodierung bekannt sind, in dieser Allgemeinheit auch weitere Teile von Signalen, beispielsweise auch die Aufteilung in Fragmente des Breitband-Audiosignals.
Der Fachmann entnimmt der Merkmalsgruppe M6 bis M6.2, dass senderseitig die Abtastinformationen jeweils korrespondierender Teilsignale beider (aller) Kanäle zu einem zusammengesetzten Teilsignal („composite sub signal“) kombiniert werden können. Aus der Beschreibung entnimmt der Fachmann, dass das zusammengesetzte Teilsignal des Merkmals M6.1 durch Addition der Abtastinformation erzeugt werden kann (Summensignal) und anstelle der jeweiligen korrespondierenden Teilsignale übertragen werden soll, vgl. Streitpatentschrift, Fig. 15c in Verbindung mit Abs. [0037]. Dabei sollen die - in der Regel verschiedenen – Skalierinformationen für die jeweiligen korrespondierenden Teilsignale erhalten bleiben (Merkmal M6.2). Der Fachmann entnimmt dem mit Merkmal M6.1 beanspruchten Gegenstand, dass das zusammengesetzte Teilsignal („composite sub signal“) aus einer beliebigen (sinnvollen) Kombination der Abtastwerte korrespondierender Teilsignale erzeugt werden kann, was nach Überzeugung des Senats auch Multiplexing, Differenzsignal oder andere – auch nichtlineare - Kombinationen umfasst.
Mit dem Merkmal M6.3 wird das Erzeugen eines Teilsignalindikatorsteuersignals („sub signal indicator control signal“) beansprucht. Der Fachmann wird zum technischen Verständnis des Begriffs Teilsignalindikatorsteuersignal („sub signal indicator control signal“) die Figur 20, Bits 26 und 27 i. V. m. mit den Absätzen [0043] und [0044] der Streitpatentschrift heranziehen und unter Teilsignalindikatorsteuersignal ein Signal verstehen, das angibt, welche Teilsignale zusammengesetzte Teilsignale (=„composite sub signal“ des Merkmals M6.1) sind und als Intensitäts-Stereo kodiert wurden und entsprechend zu dekodieren sind.
Gemäß Merkmal M7 überträgt der Sender mit dem zusammengesetzten Teilsignal ebenfalls das gemäß Merkmal M6.3 erzeugte Teilsignalindikatorsteuersignal („sub signal indicator control signal“).
Empfängerseitig werden die übertragenen Teilsignale mittels eines Decoders wieder zu einer Replik kombiniert. Der Fachmann versteht, dass dazu die in Teilsignale zerlegten Audiodaten wieder zusammengesetzt werden müssen. Gemäß Merkmal M4.2 wird dies für jeden Kanal („signal components“) separat ausgeführt. Gemäß Merkmalsgruppe M8 bis M8.2.2 detektiert der Empfänger das gemäß Merkmal M6.3 erzeugte Teilsignalindikatorsteuersignal („sub signal indicator control signal“), um ein zusammengesetztes Teilsignal zu identifizieren und entsprechend daraus die Audiosignale für jeden Kanal herzuleiten (bzw. zu dekodieren).
6. Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 geht sowohl in der erteilten Fassung (Hauptantrag) als auch in der hilfsweise nach Hilfsantrag I (vom 20. Juni 2013) verteidigten Fassung über den Inhalt der Patentanmeldung in der Fassung hinaus, in der sie ursprünglich beim Europäischen Patentamt eingereicht worden ist (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. c) EPÜ).
Für die ursprünglich offenbarte technische Lehre des Streitpatents ist als ursprünglich beim Europäischen Patentamt eingereichte Fassung die Stammanmeldung 90201356.4 (vgl. Streitpatentschrift, INIT 62) maßgeblich, welche als EP 0 402 973 A1 (K6) veröffentlicht worden ist.
Das Merkmal M6.1 des erteilten Patentanspruchs 1 betrifft ein zusammengesetztes Teilsignal, welches aus den Abtastinformationen der beiden Signalanteile (bei Stereo der linke und der rechte Kanal) erhalten wird („of at least the first and second signal components so as to obtain a composite sub signal (Fig. 15c)“). Das „zusammengesetzte Teilsignal“ des Merkmals M6.1 ist auch im Kontext mit den weiteren Merkmalen des Patentanspruchs 1 nicht auf eine konkrete Form der Zusammensetzung beschränkt und lehrt dem Fachmann, die Abtastinformationen beider Kanäle in beliebiger (fachmännisch sinnvoller) Weise zusammenzusetzen, insbesondere versteht er darunter Addieren, Subtrahieren, Multiplexen u. ä. Diese Lehre lässt sich in der beanspruchten Allgemeinheit nicht aus den ursprünglich beim Europäischen Patentamt eingereichten Unterlagen (K6) entneh- men. Vielmehr entnimmt der Fachmann aus K6, Sp. 21, Z. 10 bis Sp. 21, Z. 50 i. V. m. Fig. 15 c, dass die Abtastwerte beider Kanäle nicht je Kanal getrennt übertragen werden müssen, sondern auch addiert werden können, wodurch ein monophones Signal erhalten werde (vgl. Sp. 21, Z. 13 – 21). Auf der Empfängerseite werde aus der monophonen Intensität wieder ein Stereosignal erhalten, indem sich die Skalierungsfaktoren für den rechten und den linken Kanal unterschieden, vgl. Sp. 21, Z. 43 – 50. Andere Arten der Zusammensetzung, außer der Addition, kann der Fachmann daraus nicht entnehmen. Auch andere Textstellen des ursprünglich Offenbarten gehen darüber nicht hinaus, was die Beklagten im Übrigen auch nicht geltend gemacht haben. Nach Überzeugung des Senats geht damit der Gegenstand des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, womit der Nichtigkeitsgrund Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. c) EPÜ vorliegt.
Nach Überzeugung des Senats ist der Gegenstand des Streitpatents aber auch durch die Beanspruchung von Teilsignalen „sub signals“ in unzulässiger Weise gegenüber der ursprünglichen Anmeldung erweitert. Der Fachmann versteht die Teilsignale („sub signal“) des Merkmals M3.1 im erteilten Patentanspruch 1 als allgemeinere Signalform als es den ursprünglich beim Europäischen Patentamt eingereichten Anmeldeunterlagen entnehmbar ist.
Gemäß den ursprünglichen Anmeldeunterlagen (K6) versteht der Fachmann unter Teilsignal ein Subbandsignal („subband coding“, vgl. K6, Sp. 4, Z. 25 - 36) oder ein durch Transformationscodierung („arbitrary transform coding, such as fast Fourier transform (FFT)“) erzeugtes Signal, vgl. K6, Sp. 4, Z. 5 – 24.
Beide Technologien sind dem Fachmann bekannt, was durch den in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen genannten Stand der Technik ("Low bit rate coding of high-quality audio signals. An introduction to the MASCAM system" by G. Theile et al in EBU Technical Review, no. 230, August 1988.), vgl. K6, Sp. 5, Z. 2 – 5, dokumentiert ist.
Der Beschreibungstext der Spalte 4, Zeile 5 bis Spalte 7, Zeile 10 der ursprünglichen Anmeldung (K6) fehlt der Streitpatentschrift. Somit kann der Fachmann aus der Patentschrift nicht entnehmen, was ursprünglich als Teilsignal offenbart war. Gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 sind die beanspruchten Teilsignale weder auf Subbandsignale (Subbandkodierung) noch auf Transformationskodierung beschränkt, sondern können jede beliebige Form annehmen, siehe Ziffer 5. Der Begriff Teilsignal hat für den Fachmann somit in der Patentschrift eine umfassendere Bedeutung, als in der ursprünglich eingereichten Anmeldung (K6).
Nach Überzeugung des Senats geht damit der mit Merkmal M3.1 beanspruchte Gegenstand des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, womit der Nichtigkeitsgrund Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. c) EPÜ vorliegt.
7. Zum Hilfsantrag I Die Beklagten verteidigen das Streitpatent mit dem Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag I. Über den Hauptantrag hinaus weist der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I (vom 20. Juni 2013) nach dem Merkmal M6.1 folgendes weiteres Merkmal auf M6.1.1 wherein the signal combination means for combining are signal combination means for adding sample information of at least one corresponding sub signal of at least the first and second signal components.
Zwar beschränken die Beklagten damit den Gegenstand des Patentanspruchs 1 dahingehend, dass das zusammengesetzte Teilsignal durch Additon der korrespondierenden Teilsignale erhalten wird, was auch ursprünglich offenbart war, vgl. K6, Sp. 21, Z. 10 bis Sp. 21, Z. 50 i. V. m. Fig. 15 c, siehe auch Ziffer 6.
Jedoch geht der nach Hilfsantrag I beanspruchte Gegenstand des Streitpatents hinsichtlich des Merkmals M3.1 („sub signal“) über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, siehe Ziffer 6. Der Hilfsantrag I ist somit zur Selbstbeschränkung des Streitpatents nicht zulässig.
8. Zum Hilfsantrag Ia Über den Hauptantrag hinaus weist der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag Ia (vom 18. September 2013) nach dem Merkmal M3.1 folgendes weiteres Merkmal auf M3.1.1 wherein said sub signal being obtained either by transform coding or subband coding,
und nach dem Merkmal M6.1, folgendes weiteres Merkmal auf:
M6.1.1 wherein the signal combination means for combining are signal combination means for adding sample information of at least one corresponding sub signal of at least the first and second signal components.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag Ia ist zulässig. Die Beschränkung der Teilsignale („sub signals“) auf durch Teilbandcodierung oder Transformationscodierung erzeugte Teilsignale ist in den ursprünglichen beim Europäischen Patentamt eingereichten Unterlagen offenbart, vgl. K6, Sp. 4, Z. 5 bis 36. Ebenfalls ist die Beschränkung des Merkmals M6.1 durch M6.1.1 ursprünglich offenbart, siehe Ziffer 7.
9. Nach Auffassung der Klägerin ist das Streitpatent, auch in den nach Hilfsantrag I und Ia verteidigten Fassungen, noch durch weitere Merkmale gegenüber der ursprünglichen Anmeldung unzulässig erweitert:
Die Klägerin ist der Auffassung, der Gegenstand sei nur für zwei nicht jedoch für mehr als zwei Signalanteile offenbart. Nach Auffassung des Senats entnimmt der Fachmann der beim europäischen Patentamt ursprünglich eingereichten Anmeldung unmittelbar, dass der Streitgegenstand für mehr als zwei Signalanteile angegeben ist, vgl. K6, Sp. 7, Z. 8 – 10 (dort: „It is obvious that the system can be extended to handle a wide-band digital signal comprising more than two signal components“). Die Klägerin ist der Auffassung, der beanspruchte Gegenstand sei nur für Teilbandkodierung und nicht für Transformationskodierung in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen offenbart.
Die Beklagten argumentieren in der mündlichen Verhandlung sinngemäß, der Fachmann verstehe gemäß den ursprünglichen Anmeldeunterlagen unter Teilsignal ein Subbandsignal oder ein durch Transformationscodierung („arbitrary transform coding, such as fast Fourier transform (FFT)“) erzeugtes Signal und belegt dies mit K6, Sp. 4, Z. 25 – 36 („subband coding“) und K6, Sp. 4, Z. 5 – 24 („transform coding“). Beide Technologien seien dem Fachmann (zum Prioritätszeitpunkt) bekannt gewesen, was durch den in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen genannten Stand der Technik ("Low bit rate coding of high-quality audio signals. An introduction to the MASCAM system" by G. Theile et al in EBU Technical Review, no. 230, August 1988.), vgl. K6, Sp. 5, Z. 2 – 5, dokumentiert sei.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 11. September 2013 - X ZB 8/12 - Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren) ist es dem Anmelder grundsätzlich unbenommen, den beanspruchten Schutz nicht auf Ausführungsformen zu beschränken, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen ausdrücklich beschrieben werden, sondern gewisse Verallgemeinerungen vorzunehmen. Enthalte ein Patentanspruch eine verallgemeinernde Formulierung, könne dies dazu führen, dass sie auch Ausführungsformen umfasst, die in der Beschreibung nicht konkret angesprochen sind. Daraus folge jedoch nicht notwendig, dass die Erfindung insgesamt oder teilweise nicht mehr so offenbart ist, dass der Fachmann sie ausführen kann. Maßgeblich seien vielmehr die Umstände des Einzelfalls.
Die verallgemeinernde Formulierung des Merkmals M3.1 in dem jeweiligen Patentanspruch 1 der erteilten Fassung und in der hilfsweise verteidigten Fassung nach Hilfsantrag I geht zwar über das ursprünglich offenbarte Ausführungsbeispiel hinaus, das nicht ausdrücklich für Teilsignale aus Transformationskodierung beschrieben ist. Sowohl der Stammanmeldung EP 402 973 A1 (Sp. 4, Z. 5 -24, Sp. 5, Z.2-5) als auch der Patentschrift EP 599 824 B1 (Abs. [0004]) ist aber zu entnehmen, dass sie nicht auf Teilbandcodierung beschränkt sind, sondern auch Verfahren mit Transformationscodierung umfassen. Damit ist nach Überzeugung des Senats eine Beanspruchung der Erfindung mit dem Merkmal M3.1.1 (Subbandkodierung oder Transformationskodierung) als zur Erfindung gehörig offenbart.
Die Nichtigkeitsklägerin vertritt die Auffassung, dass Herleitungsmittel gemäß Merkmal M8.2 ursprünglich nicht offenbart waren. Nach Überzeugung des Senat entnimmt der Fachmann dem ursprünglich Offenbarten unmittelbar, dass im Empfänger die „allocation information“ verwendet werden, um die Abtastwerte korrekt herzuleiten, vgl. K6, Sp. 14, Z. 26-29. Dies geht ebenfalls direkt aus K6, Fig. 12 hervor, insb. Bezugszeichen 11 und 16 i. V. m. 18b. Der Empfänger weist somit Herleitungsmittel auf.
Die Nichtigkeitsklägerin vertritt die Auffassung, dass Detektionsmittel gemäß Merkmal M8.1 ursprünglich nicht offenbart waren. Der Senat schließt sich hier dem Vorbringen der Beklagten an, wonach die Detektionsmittel aus K6, Fig. 12, Bezugszeichen 18 und der zugehörigen Beschreibung Sp. 17, Z. 16 bis Sp. 19, Z. 51 unmittelbar entnehmbar sind. Zwar kann dem Vortrag der Klägerin dahingehend gefolgt werden, dass der Begriff „Detektionsmittel“ nicht explizit in der Beschreibung auftritt, jedoch wird in Sp. 18, Z.1 ff. beschrieben, wie der zweite Framerahmen FD2 ausgelesen wird, was dem Fachmann in Verbindung mit Fig. 20 auch das Detektieren des Teilinidikatorsteuersignals lehrt.
10. Zu den weiteren angegriffenen Patentansprüchen 11, 17, 18 und 21 Das zu Patentanspruch 1 Ausgeführte betrifft die unabhängigen Patentansprüche 11 und 17 in analoger Weise.
Der Patentanspruch 11 in der erteilten Fassung lässt sich in folgende Merkmale gliedern (kursiv in verkleinerter Schrift die geltende Fassung in englischer Sprache gemäß Streitpatent; Gliederungszeichen hinzugefügt):
M11-1 Empfänger zum Empfangen eines Übertragungssignals in Form eines codierten digitalen Breitband-Audiosignals A receiver for receiving a transmission signal in the form of an encoded wide-band digital audio signal M11-2 mit wenigstens einem ersten und einem zweiten Signalanteil, aus einem Übertragungsmedium (25),
comprising at least a first and a second signal component, from a transmission medium (25),
M11-3 wobei das digitale Breitband-Audiosignal vor der Übertragung gefiltert wird zum Erhalten von Teilsignalen für jeden der wenigstens zwei Signalanteile,
the wide-band digital audio being filtered prior to transmission so as to obtain sub signals for each of the at least two signal components,
M11-4 wobei der Empfänger Empfangsmittel (28,29) aufweist zum Empfangen des Übertragungssignals,
the receiver comprising receiving means (28,29) for receiving the transmission signal,
M11-4.1 Mittel zum Wiederfinden der Teilsignale aus dem Übertragungssignal und means for retrieving the sub signals from the transmission signal,
M11-4.2 einen Decoder mit Synthesefiltermitteln (21) zum Kombinieren von Teilsignalen für jeden der wenigstens zwei Signalanteile zum Erhalten einer Replik des wenigstens ersten und zweiten Signalanteils und dadurch einer Replik des digitalen Breitband-Audiosignals,
and a decoder having synthesis filter means (21) for combining sub signals for each of the at least two signal components so as to obtain a replica of the at least first and second signal components and thereby a replica of the wide-band digital audio signal,
M11-5 wobei ein Teilsignal Skalierungsfaktorinformation enthält, die repräsentativ ist für einen Skalierungsfaktor für das genannte Teilsignal a sub signal comprising scale factor information representative of a scale factor for said sub signal M11-6 und Abtastinformation, die repräsentativ ist für Abtastwerte in dem genannten Teilsignal,
and sample information information representative of sample values in said sub signal,
dadurch gekennzeichnet, dass characterized in that M11-7 das Übertragungssignal weiterhin ein zusammengesetztes Teilsignal aufweist (Fig.15c),
the transmission signal further comprises a composite subsignal (Fig.15c)
M11-7.1 erhalten aus der Kombination von Abtastinformation wenigstens eines entsprechenden Teilsignals des wenigstens ersten und zweiten Signalanteils,
obtained from combining sample information of at least one corresponding sub signal of at least the first and second signal components M11-7.2 während die Information nach wie vor repräsentativ ist für die genannten betreffenden Skalierungsfaktoren while keeping information representative of said respective scale factors M11-7.3 und ein Teilsignalindikatorsteuersignal (b26,b27), welches das genannte wenigstens eine Teilsignal der wenigstens zwei Signalanteile angibt, die kombiniert werden,
and a sub signal indicator control signal (b 26 ,b 27 ) indicating said at least one sub signal of the at least two signal components being combined,
M11-8 wobei der Empfänger weiterhin the receiver further comprising M11-8.1 Detektionsmittel (18) aufweist zum Detektieren des genannten Teilsignalindikatorsteuersignals,
detection means (18) for detecting said sub signal indicator control signal,
M11-8.2 Herleitungsmittel (11',16)
derivation means (11',16)
M11-8.3 zum Herleiten des genannten zusammengesetzten Teilsignals aus dem empfangenen Signal und for deriving said composite sub signal from the signal received and for deriving,
M11-8.4 zum in Reaktion auf das Teilsignalindikatorsteuersignal Herleiten von Teilsignalen für den genannten wenigstens ersten und zweiten Signalanteil aus dem genannten zusammengesetzten Teilsignal,
in response to the sub signal indicator control signal, sub signals for said at least first and second signal components from said composite sub signal,
M11-8.5 wobei diese genannte Information, die repräsentativ ist für die genannten betreffenden Skalierungsfaktoren, für die genannten kombinierten Teilsignale des genannten ersten und zweiten Signalanteils benutzt wird.
using said information representative of said respective scale factors for said combined corresponding sub signals of said first and second signal components Der Patentanspruch 17 in der erteilten Fassung lässt sich in folgende Merkmale gliedern (kursiv in verkleinerter Schrift die geltende Fassung in englischer Sprache gemäß Streitpatent; Gliederungszeichen hinzugefügt):
M17-1 Decoder zum Decodieren eines codierten digitalen Breitband-Audiosignals mit wenigstens einem ersten und einem zweiten Signalanteil,
A decoder for decoding an encoded wide-band digital audio signal comprising at least a first and a second signal component,
M17-2 wobei das digitale Breitband-Audiosignal während der Codierung gefiltert wird zum Erhalten von Teilsignalen für jeden der wenigstens zwei Signalanteile,
the wide-band digital audio being filtered during encoding so as to obtain sub signals for each of the at least two signal components,
M17-3 wobei der Decoder Eingangsmittel (10) umfasst zum Empfangen des codierten digitalen Breitband-Audiosignals,
the decoder comprising input means (10) for receiving the encoded wide-band digital audio signal,
M17-3.1 Mittel zum Wiederfinden der Teilsignale aus dem codierten digitalen Breitband-Audiosignal,
means for retrieving the sub signals from the encoded wide-band digital audio signal,
M17-3.2 Synthesefiltermittel (21) zum Kombinieren von Teilbandsignalen für jeden der wenigstens zwei Signalanteile zum Erhalten einer Replik des wenigstens ersten und zweiten Signalanteils, und dadurch einer Replik des digitalen Breitband-Audiosignals, und eines Teilsignals synthesis filter means (21) for combining sub signals for each of the at least two signal components so as to obtain a replica of the at least first and second signal components and thereby a replica of the wide-band digital audio signal, a sub signal M17-3.3 mit Skalierungsfaktorinformation, die repräsentativ ist für einen Skalierungsfaktor für das genannte Teilsignal comprising scale factor information representative of a scale factor for said sub signal M17-3.4 und Abtastinformation, die repräsentativ ist für Abtastwerte in dem genannten Teilsignal,
and sample information representative of sample values in said sub signal,
dadurch gekennzeichnet, dass characterized in that M17-4 das codierte digitale Breitband-Audiosignal weiterhin ein zusammengesetztes Teilsignal umfasst (Fig. 15c),
the encoded wide-band digital audio signal further comprises a composite subsignal (Fig.15c)
M17-4.1 erhalten durch Kombination der Abtastinformation wenigstens eines entsprechenden Teilsignals wenigstens des ersten und des zweiten Signalanteils,
obtained from combining sample information of at least one corresponding sub signal of at least the first and second signal components M17-4.2 während die Information nach wie vor repräsentativ ist für die genannten betreffenden Skalierungsfaktoren und while keeping information representative of said respective scale factors and M17-4.3 eines Teilsignalindikatorsteuersignals (b26,b27), welches das genannte wenigstens eine Teilsignal der wenigstens zwei Signalanteile, die kombiniert werden, bezeichnet,
a sub signal indicator control signal (b 26 ,b 27 ) indicating said at least one sub signal of the at least two signal components being combined,
M17-5 wobei der Decoder weiterhin the decoder further comprising M17-5.1 Detektionsmittel (18) umfasst zum Detektieren des genannten Teilsignalindikatorsteuersignals,
detection means (18) for detecting said sub signal indicator control signal,
M17-5.2 Herleitungsmittel (11',16) zum Herleiten des genannten zusammengesetzten Teilsignals aus dem empfangenen Signal und zum,
derivation means (11',16) for deriving said composite sub signal from the signal received and for deriving,
M17-5.3 in Reaktion auf das Teilsignalindikatorsteuersignal, Herleiten von Teilsignalen für den genannten wenigstens ersten und zweiten Signalanteil aus dem genannten zusammengesetzten Teilsignal, wobei die genannte Information, die repräsentativ ist für die genannten betreffenden Skalierungsfaktoren für die genannten kombinierten entsprechenden Teilsignale des genannten ersten und zweiten Signalanteils benutzt wird.
in response to the sub signal indicator control signal, sub signals for said at least first and second signal components from said composite sub signal, using said information representative of said respective scale factors for said combined corresponding sub signals of said first and second signal components.
Zum Wortlaut der abhängigen Patentansprüche 18 und 21 wird auf die Akte verwiesen.
Mit den Ausführungen zu Ziffern 6 und 7 ergibt sich, dass die Gegenstände der Patentansprüche 11 und 17 hinsichtlich der Merkmale, die das Teilsignal (Merkmale M11-3 bzw. M17-3) und das zusammengesetzte Teilsignal (Merkmale M117.1 bzw. M17-7.1) betreffen, über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehen, sowohl in der erteilten Fassung, als auch in der Fassung gemäß Hilfsantrag I.
Im Übrigen hat die Klägerin zu den angegriffenen Patentansprüchen 11, 17, 18 und 21 nichts Spezifisches vorgetragen, außer dass diese lediglich Teile des Hauptanspruchs beträfen bzw. dass die Merkmale des abhängigen Patentan- spruchs 21 die Patentfähigkeit nicht begründen könnten, vgl. Nichtigkeitsklageschrift v. 28. Februar 2011, S. 38.
11. Zum Hilfsantrag Ia Über den Hauptantrag hinaus weisen die Patentansprüche 11 und 17 gemäß Hilfsantrag Ia (vom 18. September 2013) anschließend an das Merkmal M11-3 bzw. M17-2 folgendes weiteres Merkmal auf M11-3.1 bzw. M17-2.1 wherein said sub signal being obtained either by transform coding or subband coding,
und nach dem Merkmal M11-7.1 bzw. M17-4.1, folgendes weiteres Merkmal auf:
M11-7.1.1 bzw. M17-4.1.1 wherein the signal combination means for combining are signal combination means for adding sample information of at least one corresponding sub signal of at least the first and second signal components.
Die Patentansprüche 11 und 17 gemäß Hilfsantrag Ia sind zulässig. Die Beschränkung der Teilsignale („sub signals“) auf durch Teilbandcodierung oder Transformationscodierung erzeugte Teilsignale ist in den ursprünglichen beim Europäischen Patentamt eingereichten Unterlagen offenbart, vgl. K6, Sp. 4, Z. 5 -36. Ebenfalls ist die Beschränkung des Merkmals M11-3.1 durch M11-3.1.1 sowie des Merkmals M17-4.1 durch M17-4.1.1 ursprünglich offenbart, siehe Ziffer 7.
Die Patentansprüche 18 und 21 gemäß Hilfsantrag 1 sind im Wortlaut identisch mit der erteilten Fassung, deren Zulässigkeit nicht angezweifelt wurde.
12. Zur Inanspruchnahme der Prioritäten Die ältere Priorität (NL 89 01402) vom 2. Juni 1989 ist zu unrecht in Anspruch genommen. Den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen beim Europäischen Patentamt kommt damit lediglich der Zeitrang der jüngeren Priorität (NL 90 00338) vom 13. Februar 1990 zu.
Mit dem Merkmal M6.3 wird das Erzeugen eines Teilsignalindikatorsteuersignals („sub signal indicator control signal“) beansprucht. Der Fachmann zieht zum technischen Verständnis des Begriffs Teilsignalindikatorsteuersignal („sub signal indicator control signal“) die Figur 20, Bits 26 und 27 i. V. m. mit den Absätzen [0043] und [0044] der Streitpatentschrift heran.
Die Beklagten vertreten die Auffassung, dass der Fachmann das technische Verständnis für das Teilsignalindikatorsteuersignal („sub signal indicator control signal“) aus der Streitpatentschrift, S. 10, Z. 56 – 57 („It will be appreciated that, if the receiver should yet be capable of correctly decoding these different frames, Information about the structure of these frames should be included in the system Information.”) entnehme, wobei dieser Teil der Streitpatentschrift aus dem älteren Prioritätsdokument (NL 8901402 vom 2. Juni 1989) stammt. Nach Überzeugung des Senats lehrt dies dem Fachmann unmittelbar und eindeutig lediglich, dass die Struktur der in Fig. 15 gezeigten Rahmen („structure of these frames“) dem Empfänger bekannt gegeben werden muss und in den Systeminformationen verfügbar sein soll. Die Systeminformationen befinden sich aber im ersten Rahmen FD1, vgl. Streitpatentschrift, Fig. 2 i. V. m. S. 5, Z. 42-43 (dort: „The first frame portion FD1 contains synchronising information and system information“). Das Teilsignalindikatorsteuersignal betrifft jedoch nicht die Systeminformation, sondern gibt konkret an, welches Teilsignal ein zusammengesetztes Teilsignal ist und befindet sich im Rahmen („Frame“) FD2, vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0044]. Dies war für den Fachmann nicht aus dem älteren Prioritätsdokument (NL 8901402 vom 2. Juni 1989) entnehmbar, sondern erst in dem jüngeren Prioritätsdokument (NL 9000338 vom 13. Februar 1990, Fig. 20, S. 35, 2. Abs. der beim europäischen Pa- tentamt eingereichten englischen Übersetzung der NL 9000338 (K8), dort: „In the intensity stereo mode (b24, b25 = 01) there are four possibilities indicated by means of the bits b26 and b27, see also Fig. 20. All these possibilities result in a different content of the second frame portion FD2.”) beschrieben.
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die jüngere Priorität (NL 9000338) zu recht in Anspruch genommen ist, denn der Fachmann entnimmt der ursprünglich beim europäischen Patentamt eingereichten Anmeldung nicht mehr als der Aneinanderreihung der beiden Prioritätsdokumente.
13. Das MUSICAM-Dokument (K9) ist kein öffentlich zugänglicher Stand der Technik Nach Überzeugung des Senats sind sämtliche Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 aus der K9 (MUSICAM) bekannt. Die anderen von der Klägerin angeführten Druckschriften stehen dem Bestand des Streitpatents (in der Fassung des Hilfsantrags Ia) jedoch nicht entgegen. Daher war entscheidungserheblich, ob die K9 (MUSICAM) als zum Stand der Technik zählend zu gelten hat. Die Nichtigkeitsklägerin behauptet, die K9 sei vor dem 13. Februar 1990, dem Prioritätstag des Streitpatents (siehe Ziffer 12.), der Öffentlichkeit zugänglich gewesen und sei somit zum Stand der Technik zu zählen. Die Beklagten bestreiten dies.
Aufgrund der übereinstimmenden und überzeugenden Bekundungen der Zeugen hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass dem Dokument K9 (MUSICAM) eine wirksame Vertraulichkeitsvereinbarung zugrunde lag, und nur Mitglieder der MPEG-Audio-Gruppe Zugang zu dem Dokument K9 hatten. Die diesbezüglichen Ausführungen in den Protokollen des Stockholm-Meetings im Juli 1989 (Diskussion über Veröffentlichungen auf Seite 2, Absatz 2) und des Yokushida-Meetings im Oktober 1989 (Erinnerung an Verbreitungsverbot auf Seite 2, Absatz 6) bestätigen das, vgl. die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 eingereichten Dokumente (Bl. 397 u. 398 d. Akte) „Stockholm Meeting Report, Separate Meeting of the MPEG/Audio Group”, ISO-IEC/JTC1/SC2/WG8 N, MPEG 89/160, July 1989 und „Yokosuka Meeting Report, Separate Meeting of the MPEG/Audio Group”, ISO-IEC/JTC1/SC2/WG8 N, MPEG 89/219, October 1989.
Das Dokument der K9 (MUSICAM) war also am maßgeblichen Prioritätsdatum 13. Februar 1990 nicht öffentlich zugänglich und gilt daher nicht als Stand der Technik. Es ist bei der Beurteilung der Patentfähigkeit nicht zu berücksichtigen.
Zum Stand der Technik
14. Patentliteratur Die Druckschriften EP 0 289 080 A1, EP 0 273 567 A1 wurden durch pauschalen Verweis auf eine frühere, im weiteren Verlauf aber zurückgenommene, Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent (4 Ni 57/05) von der Klägerin ohne substantierten Merkmalsvergleich oder die Angabe relevanter Beiträge zur Beurteilung der Patentfähigkeit benannt (vgl. Nichtigkeitsklageschrift vom 28. Februar 2011, Seite 33; Blatt 38 d. Akte).
Der Senat sieht in der EP 0 289 080 A1 jedoch den nächstliegenden Stand der Technik.
Die EP 0 289 080 A1 betrifft einen Teilbandkodierer für ein digitales Übertragungssystem mit einem Sender und einem Empfänger zum Übertragen eines digitalen Breitband-Audiosignals, S. 2, Z. 1 -2 und Fig. 1 i. V. mit Beschreibung, S. 4, Z. 44 – S. 5, Z. 20. Das in Fig. 1 als x(k) bezeichnete Signal entspricht dem digitalen Breitbandsignal gemäß Merkmal M2. Es wird im Coder 1 in quantisierte Teilsignale kodiert und versendet (dort: „after transmitted“), vgl. S. 5, Z. 3, dies entspricht einem Sender (Merkmal M1). Fig. 1 zeigt auch einen Decoder 2, welcher selbstverständlich das gesendete Signal empfangen kann, dies entspricht einem Empfänger (Merkmal M1).
Die EP 0 289 080 A1 zeigt ein Übertragungsmedium, vgl. Fig. 1, mittlerer, gestrichelt gezeichneter Block. Zwar trägt dieser in Fig. 1 kein Bezugszeichen, jedoch geht aus der zugehörigen Beschreibung auf S. 5, Z. 2-5 unmittelbar hervor, dass es sich um das beschriebene „medium 4“ handeln muss. Es weist nämlich auch die Signale sp(k) auf. Die Fig. 1, Bezugszeichen 3 der EP 0 289 080 A1 zeigt eine „analysis filter bank 3“, welche das Signal in 26 Teilbandsignale (dort: „P= 26 subbands“) unterteilt, vgl. auch S. 4, Z. 53 bis S. 5, Z. 2, was dem Merkmal M3.1 insofern nur teilweise entspricht, als dass nur ein Signalanteil betroffen ist. Der Sender aus EP 0 289 080 A1 weist Übertragungsmittel zum Übertragen von Teilsignalen über das Übertragungsmedium auf (dort „after being transmitted“), vgl. EP 0 289 080 A1, S. 5, Z. 2-3, was dem Merkmal M3.2 entspricht.
Der Fachmann liest aus Fig. 1 mit, dass der Empfänger der EP 0 289 080 A1 Empfangsmittel gemäß der Merkmalsgruppe M4 mit M4.1 aufweisen muss, denn damit der Decoder überhaupt dekodieren kann, muss das Signal empfangen worden sein, wobei der Decoder Synthesefiltermittel aufweist, um aus den Teilsignalen eine Replik zu erhalten (Merkmal M4.2 jedoch nur für einen Signalanteil), vgl. S. 5, Z. 5-7, (dort: „merged in“ […] „synthesis filter bank 5“ […] „constructs a replica“ […]).
Die Teilsignale der EP 0 289 080 A1 werden in Blöcken zu je 32 Abtastwerten gespeichert (vgl. S. 5, Z. 8 -11), was der Abtastinformation des Merkmals M5.2 entspricht und einem „characteristic parameter“ zugeordnet, welcher repräsentativ für die Skalierung der Abtastwerte ist, vgl. S. 5, Z. 10-11. Dies entspricht der Skalierungsinformation gemäß Merkmal M5.1.
Dem Gegenstand der EP 0 289 080 A1 fehlt ein Bezug zu zwei oder mehreren Kanälen, insbesondere ist nur ein Signalanteil angesprochen. Eine Übertragung von Stereo oder Mehrkanalton kann der Fachmann der EP 0 289 080 A1 nicht entnehmen.
Aus der EP 0 289 080 A1 sind in der Folge die Merkmale M6.1 bis M8.2.2 nicht zu entnehmen, die Stereo oder Mehrkanalton betreffen.
Insbesondere fehlt dem Gegenstand der EP 0 289 080 A1 die nach Überzeugung des Senat erfindungswesentliche Merkmalsgruppe M6.1 mit M6.1.1 (gemäß Hilfsantrag Ia), wonach korrespondierende Teilsignale der Signalkomponenten durch Addition der Abtastwerte als ein zusammengesetztes Teilsignal unter Beibehaltung der Skalierungsfaktorinformation übertragen werden.
Die EP 0 273 567 A1 betrifft ein Übertragungsystem, bei dem ein Summensignal (L+R) und ein Differenzsignal (L-R) gebildet wird. Das Differenzsignal wird digitalisiert, tiefpassgefiltert und die Abtastrate dann verringert. Dadurch kann die Bitrate für das Differenzsignal verringert werden. Das Summensignal (L+R) wird nach Figur 3 in zwei Teilbänder (beide Pfade nach dem A/D-Wandler 11) zerlegt, verschieden quantisiert (Bezugszeichen 32, 33) und schließlich mittels Mulitplexer (Bezugszeichen 34) kombiniert. Anders als bei dem Streitgegenstand fehlen der EP 0 273 567 A1 u. a. die Merkmale M6.1.1, M7 und M8.1, die das Teilsignalindikatorsignal betreffen. Zwar kann der Fachmann aus EP 0 273 567 A1 ein Kombinieren von Teilsignalen, i. S. von Multiplexen entnehmen, jedoch nicht ein Addieren von Abtastwerten korrespondierender Teilsignale.
Die Klägerin (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 21. Juni 2013, S. 6) ist der Auffassung, die Ausführungen der Sp. 5, Z. 47 ff. regen an, den Stereoeffekt durch die gleichzeitige Übertragung einer Amplitudeninformation zu kompensieren und sieht in Sp. 6, Z. 4 (dort: „degree of adjustment“) Skalierinformationen. Der Senat erkennt, dass ein Pseudo-Stereo-Effekt durch Regulieren der Balance für das linke und rechte Ausgangssignal erzeugt wird, vgl. Sp. 5, Z. 48 – 56. Das in Figur 5 mit S bezeichnete Signal trägt diese Information (Balance). Jedoch wird dies aus der geometrischen Aufstellung von Mikrofonen und entsprechenden Gewichtungsfaktoren gewonnen, vgl. Fig. 5 Verbindungslinie von m8 über 44, 45, 17, 19 nach 52, 53 und 54. Eine Skalierungsfaktorinformation für einzelne Teilsignale im Sinne des Merkmals M5.1 trägt dieses Signal nicht.
15. Nichtpatentliteratur Die Nichtigkeitsklägerin behauptet, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 sei gegenüber der K10 (Johnston1) nicht erfinderisch. Nach Überzeugung des Senats kann die K10 (Johnston1) dem Bestand des Streitpatents nicht entgegenstehen. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob die K10 als Stand der Technik gilt, was die Beklagten bestreiten.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat unlängst geurteilt (BGH, Urteil vom 27. August 2013 - X ZR 19/12, Tretkurbeleinrichtung), dass obwohl über die Patentfähigkeit letztlich die rechtlichen Schlussfolgerungen entschieden, die aus den (potentiell) relevanten Beiträgen zur Beurteilung der Neuheit oder erfinderischen Tätigkeit zu ziehen seien, das Patentgericht weder verpflichtet noch auch nur berechtigt sei, von sich aus zu ermitteln, worin diese relevanten Beiträge liegen könnten. Andernfalls könne sich der Kläger darauf beschränken, eine Vielzahl von Entgegenhaltungen vorzulegen oder auch nur aufzulisten, und es dem Patentgericht überlassen, deren Inhalt auszuwerten und zu prüfen, ob und inwiefern sich hieraus Anhaltspunkte für eine mangelnde Patentfähigkeit ergäben. Damit würde das Patentgericht jedoch seine Aufgabe verfehlen, unparteiisch zu wägen, ob der Klagevortrag das Klagebegehren rechtfertigt, und sich in die Rolle eines Klägerhelfers begeben; dafür biete indes auch der Amtsermittlungsgrundsatz keine Grundlage.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Vortrag der Nichtigkeitsklägerin, die nur einen Satz aus der K10 (Johnston1) angegeben hat, der das Naheliegen des Gegenstandes des Streitpatents stützen soll (vgl. Nichtigkeitsklageschrift, S. 37), ein taugliches Angriffsmittel darstellt, da es einer Überprüfung ohnehin nicht standhält.
Das Dokument Johnston1 (K10; James D. Johnston: „Perceptual Transform Coding of Wideband Stereo Signals“, ICASSP89, Glasgow, 23. bis 26. Mai 1989) betrifft die Kodierung eines Breitband-Stereosignals, vgl. Titel. Dabei soll das kodierte Stereosignal eine geringere Bitrate aufweisen als das Doppelte eines Monosignals (vgl. S. 1, li. Sp., 1. Abs.). Gemäß Johnston1 (K10) werden dabei die Redundanz in den zwei Stereokanälen sowie kombinierte akustische Maskierungseffekte genutzt, vgl. K10, S. 1, li. Sp., Abschn. „1. Introduction“. Dazu soll die in K10, Fig. 2 dargestellte Transformationskodierung verwendet werden, welches auch aus Johnston2 (K11; James D. Johnston: “Transform Coding of Audio Signals Using Perceptual Noise Criteria”, IEEE Journal on selected Areas in Communication, 1989, 314 ff.) bekannt sei. Gemäß Kodierverfahren der K10 werde aus den Signalen des linken und des rechten Stereokanals ein Summensignal (L+R) und ein Differenzsignal (L-R) gebildet und diese dann einer Transformationskodierung unterzogen, wie sie für monophone Signale bereits aus K11 bekannt sei, vgl. K10, Fig. 2, li. oben, i. V. m. S. 1, re. Sp., Abs. „2. Basic Stucture“; dort: „The two signals, L+R and L-R, are windowed and transformed as in the monophonic coder.“).
Die Klägerin ist der Auffassung, der Fachmann entnehme der K10 (Johnston1), Signalanteile eines Stereosignals, das in den einzelnen Signalanteilen zusammengesetzt werde (vgl. Nichtigkeitsklageschrift, S. 37). Der Unterschied zum Gegenstand des Streitpatents bestehe darin, dass die K10 eine Kombination in sämtlichen Signalanteilen vorsehe, während gemäß Streitpatent nur einzelne Signalanteile kombiniert würden. Dem kann der Senat nicht folgen, denn zum einen besteht beim beanspruchten Gegenstand des Streitpatents keinerlei Beschränkung auf bestimmte Teilsignale und zum anderen werden gemäß K10 beide Signalanteile (L+R und L-R) kombiniert, ohne durch Analysefiltermittel (Merkmal M3.1) in Teilsignale zerlegt worden zu sein (vgl. K10 Fig., 2 linke oben), so dass der Fachmann eine Kombination von Teilsignalen aus der K10 nicht entnehmen kann. Im Übrigen entnimmt der Fachmann auch die Addition (gemäß Merkmal M6.1.1) von Teilsignalen im Sinne des Hilfsantrags Ia (vgl. Merkmale M3.1, M3.1.1) nicht aus der K10.
16. Keine der Parteien hat sich zum Inhalt der K11 (Johnston2) geäußert. Auch der Senat hält die K11 nicht für relevant.
17. Keines der Dokumente aus dem Stand der Technik weist sämtliche Merkmale des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag Ia auf. Keines der Dokumente kann für sich genommen den Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag Ia nahelegen. Zu möglichen Kombinationen, die ein Naheliegen hätten begründen können, hat die Klägerin nichts vorgetragen. Auch der Senat sieht keine Veranlassung für den Fachmann, die technischen Lehren der genannten Druckschriften in der Zusammenschau zu kombinieren.
Hinsichtlich der weiteren angegriffenen Patentansprüche hat die Klägerin weder schriftsätzlich noch mündlich vorgetragen, auf welchem Weg der Fachmann in naheliegender Weise zu dessen Gegenständen gelangen hätte müssen.
Somit erweist sich gegenüber dem Hilfsantrag Ia die von der Nichtigkeitsklägerin behauptete mangelnde Patentfähigkeit als unbegründet.
18. Zu den weiteren Beweisanträgen der Klägerin Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2013 fünf weitere Beweisanträge stellte, hinsichtlich deren Wortlauts auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird, waren alle diese Anträge zurück zu weisen. Alle Anträge sind ausnahmslos verspätet im Sinne von § 83 Abs. 4 PatG, aber auch aus anderen Gründen unzulässig:
Soweit der Klägervertreter die Vernehmung des Herrn C… beantragte, dürfte es sich nicht nur um ein untaugliches Beweismittel handeln, was aber offenbleiben kann, sondern es handelt sich um einen unzulässigen Beweisermittlungsantrag, wie sich aus den Aussagen der Zeugen M…, S… und K… ergeben hat. Keiner der Zeugen hat einen Anlass zur Vermutung gegeben, dass auch die Mitglieder der Videogruppe das Dokument K9 erhalten haben könnten. Vielmehr gab es, wie der Zeuge S… überzeugend darlegte, in Fällen notwendiger Abstimmung zwischen der Audio- und der Videogruppe eine
"ad-hoc"- bzw. eine "systems"-Gruppe, die sich solcher Abstimmungsfragen annahmen.
Genauso verhält es sich bei dem zweiten Antrag auf Vernehmung des Herrn C… und des Herrn L…, denn die dort angesprochenen Fragen waren bereits Gegenstand schriftsätzlichen Vortrags gewesen. Auch wenn der Zeuge K… von Dokumenten aus der Videogruppe sprach, bleibt unklar, ob er damit Protokolle oder tatsächliche Sachunterlagen meinte.
Schließlich würde auch eine Verteilung an die Mitglieder bestimmbarer Gruppen nicht zu einer für die Neuheitsschädlichkeit unabdingbaren öffentlichen Zugänglichkeit führen, die ihrerseits einen nicht abgrenzbaren Personenkreis voraussetzt (vgl. Busse/Keukenschrijver, PatG, 7. Aufl., § 3 Rdnr. 21; Schulte/Moufang, 9. Aufl., § 3 Rdnr. 23).
Der dritte, vierte und fünfte Antrag bestehen jeweils nur aus ins Blaue hinein aufgestellten Behauptungen.
Der dritte Beweisantrag bezieht sich auf die Aussage des Zeugen M…, Hr. E… hätte ein bei der Standardisierung spezielles Problem mit seiner Dissertation generell gelöst, siehe Protokoll, Bl. 500 d. Akte, und der Zeuge, wisse nicht ob Hr. E… das MUSICAM-Dokument bei der Anfertigung seiner Dissertation gekannt hätte. Die angesprochene Dissertation „Äquivalenz von Transformation und Teilbandzerlegung in der Quellencodierung“ von E… wurde im Jahre 1994 gefertigt, also vier Jahre nach dem wirksamen Prioritätstag des Streitpatents. Dass das Streitpatent und die Dissertation das gleiche Fachgebiet betreffen, bietet keinen Anhaltspunkt für die Behauptung, dass Hr. E… die K9 entgegen der Vertraulichkeitsvereinbarung der MPEG-Audiogruppe vor dem 13. Februar 1990 zugänglich gemacht worden sein könnte.
Soweit der Klägervertreter mit dem vierten und fünften Beweisantrag die Einholung von Sachverständigengutachten zur mit den ursprünglichen Anmeldeunter- lagen offenbarten technischen Lehre aus Sicht des Fachmanns beantragte, machte die eigene Sachkunde des mit technischen Richtern besetzten Senats dies entbehrlich (BPatG Urteil vom 24. September 2013, 4 Ni 20/11 (EP)). Darüber hinaus haben beide Parteien zu den Behauptungen sowohl in den eingereichten Schriftsätzen als auch mündlich vorgetragen, siehe auch Ziffer 9.
19. Schriftsätzlicher Nachgang Die Nichtigkeitsklägerin hat, obwohl die mündliche Verhandlung geschlossen war und weitere Schriftsatzfristen nicht gewährt waren, mit Schriftsatz vom 24. Februar 2014 im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vertiefende Bemerkungen zur Frage der unzulässigen Erweiterung eingereicht. Diese Bemerkungen waren nicht zu berücksichtigen und gehen auch nicht in entscheidungserheblicher Weise über das schriftsätzlich und mündlich bis zur Schließung der Verhandlung am 18. Dezember 2013 Vorgetragene hinaus. Anhaltspunkte für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung sind dem Schriftsatz nicht zu entnehmen, was im Übrigen auch nicht beantragt war. Eine Schriftsatzfrist für die Beklagten zur Äußerung war daher nicht erforderlich.
20. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil steht den am Verfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Berufung zu.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung, durch einen Rechts- oder Patentanwalt als Bevollmächtigten schriftlich beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.
Schmidt Voit Dr. Scholz J. Müller Bieringer Ko