V ZB 164/17
BUNDESGERICHTSHOF V ZB 164/17 BESCHLUSS vom 20. September 2018 in der Abschiebungshaftsache ECLI:DE:BGH:2018:200918BVZB164.17.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20.September 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, den Richter Dr. Kazele, die Richterin Haberkamp und den Richter Dr. Hamdorf beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 28. Juni 2017 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts Neuss vom 21. Januar 2017 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in den Rechtsmittelinstanzen werden der Stadt Dormagen auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
Gründe: I.
Der Betroffene, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste Anfang 2014 ohne gültige Ausweispapiere in das Bundesgebiet ein. Mit Beschluss vom 21. Januar 2017 hat das Amtsgericht Haft bis zum 21. April 2017 zur Sicherung von dessen Abschiebung angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen, die nach seiner Abschiebung am 13. April 2017 auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung gerichtet worden ist, hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter.
II. 2 Das Beschwerdegericht meint, der Haftanordnung habe ein zulässiger Haftantrag zu Grunde gelegen. Die beteiligte Behörde habe in diesem die Voraussetzungen für die beabsichtigte Abschiebung nach Marokko sowie deren Durchführbarkeit und Dauer im konkreten Fall hinreichend dargelegt.
III. 3 Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Es fehlt bereits an einem zulässigen Haftantrag.
1. a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. Senat, Beschlüsse vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 12 ff., vom 30. März 2017 - V ZB 128/16, NVwZ 2017, 1231 Rn. 6 und vom 17. Mai 2018 - V ZB 92/16, juris Rn. 5 jeweils mwN).
b) Dem wird der Haftantrag nicht gerecht. Die beteiligte Behörde verweist hierin lediglich auf eine Auskunft der Zentralen Ausländerbehörde, nach der eine Abschiebung einschließlich der Ausstellung eines Passersatzpapiers, auch in Fällen ohne Sachbeweise, „innerhalb von drei Monaten möglich“ sei, das Verfahren in Einzelfällen aber auch länger dauern könne. Diese Ausführungen sind vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG; näher Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, FGPrax 2012, 225 Rn. 10; vgl. auch Beschlüsse vom 20. September 2017 - V ZB 74/17, juris Rn. 9 und vom 17. Mai 2018 - V ZB 92/16, juris Rn. 6), unzureichend. Die Erkundigung bei der Zentralen Ausländerbehörde beschreibt nur die allgemein zu erwartende Höchstdauer für eine Abschiebung nach Marokko. Es ist nicht ausreichend, wenn die Behörde eine solche Angabe schlicht übernimmt (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Mai 2018 - V ZB 92/16, juris Rn. 6). Vielmehr ist die Behörde, wenn die Dauer der Passersatzbeschaffung für das betreffende Zielland bei Anwendung desselben Verfahrens variiert, gehalten, in dem Haftantrag den Zeitraum anzugeben, den sie nach den allgemeinen Rahmenbedingungen und den konkreten Umständen im Fall des Betroffenen voraussichtlich benötigen wird (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juni 2017 - V ZB 7/17, juris Rn. 8).
2. Dieser Fehler ist auch nicht geheilt worden.
a) Mängel des Haftantrages können behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder indem der Haftrichter selbst die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung des Ausländers und zu der erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 21 ff.). Zwingende weitere Voraussetzungen für eine Heilung ist in einem solchen Fall, dass der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (vgl. Senat, Beschlüsse vom 11. Februar 2016 - V ZB 24/14, juris Rn. 9, vom 25. Januar 2018 - V ZB 201/17, juris Rn. 8 und vom 17. Mai 2018 - V ZB 92/16, juris Rn. 8).
b) Diesen Anforderungen ist nicht genügt. Die beteiligte Behörde hat im Beschwerdeverfahren zwar ergänzende Angaben zu der notwendigen Zeitdauer für die Durchführung der Abschiebung des Betroffenen gemacht. Das Beschwerdegericht hat den Betroffenen hierzu aber nicht persönlich angehört.
3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG), da eine Heilung nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen könnte (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2018 - V ZB 201/17, juris Rn. 10) und die angeordnete Haftzeit bereits abgelaufen ist. Zudem kommt eine persönliche Anhö- rung des Betroffenen aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Abschiebung nicht mehr in Betracht.
4. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Stresemann Schmidt-Räntsch Kazele Haberkamp Hamdorf Vorinstanzen:
AG Neuss, Entscheidung vom 21.01.2017 - 16 XIV (B) 2/17 LG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.06.2017 - 25 T 163/17 -