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X ZR 110/19

BUNDESGERICHTSHOF X ZR 110/19 BESCHLUSS vom 1. Dezember 2020 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2020:011220BXZR110.19.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Dezember 2020 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, die Richter Dr. Grabinski, Hoffmann und Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Marx beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. Oktober 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 100.000 Euro.

Gründe:

I. Die Klägerin macht als Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz gegen die Beklagten Ansprüche wegen Verletzung des europäischen Patents 596 939 (Klagepatents) geltend.

Das Klagepatent betrifft ein Luftkappensystem für eine Farbspritzpistole. Die Beklagten zu 2 und 3 bieten in Deutschland ein Farbsprühsystem an, das sie von der Beklagten zu 1 beziehen.

Das Berufungsgericht hat zunächst Ansprüche der Klägerin mangels Verletzung des Klagepatents verneint. Auf die Revision der Klägerin hat der Senat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 - X ZR 74/14, GRUR 2016, 169 - Luftkappensystem).

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin erneut zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, der die Beklagten entgegentreten.

II. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht - soweit im Beschwerdeverfahren von Interesse - im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die angegriffene Ausführungsform mache zwar nach der Auslegung des Patentanspruchs 1 durch den Bundesgerichtshof, an die das Berufungsgericht gebunden sei, von sämtlichen Merkmalen wortsinngemäßen Gebrauch.

Die Klägerin sei aber nicht aktivlegitimiert. In erster Instanz habe die Klägerin vorgetragen, ihr sei bereits in den 1990er Jahren eine ausschließliche Lizenz am Klagepatent eingeräumt worden. Nachdem die Klägerin jedoch erst seit 2000 bestehe, könne dieser Vortrag ihre Aktivlegitimation nicht begründen. Die Klägerin habe diesen Vortrag aufgegeben.

In zweiter Instanz habe die Klägerin vorgetragen, sie habe die Stellung einer ausschließlichen Lizenznehmerin dadurch erlangt, dass sie im Jahr 2000 das Geschäft eines anderen zum Konzern gehörenden Unternehmens übernommen habe und in diesem Zusammenhang mit Zustimmung der Patentinhaberin in den zuvor mit diesem bestehenden Lizenzvertrag eingetreten sei. Dieser Vortrag sei neu. Er könne nicht lediglich als Korrektur ihres erstinstanzlichen Vorbringens verstanden werden. Die Voraussetzungen für eine Zulassung dieses neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 ZPO lägen nicht vor.

III. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, in dem es das Vorbringen der Klägerin zum Erwerb einer ausschließlichen Lizenz im Berufungsrechtszug als verspätet zurückgewiesen hat. Zur Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens macht der Senat von der Möglichkeit des § 544 Abs. 9 ZPO Gebrauch.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs liegt ein Gehörsverstoß vor, wenn der Tatrichter Angriffs- oder Verteidigungsmittel einer Partei in offenkundig fehlerhafter Anwendung einer Präklusionsvorschrift nicht berücksichtigt (z.B. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2017 - VI ZR 89/16, NJW-RR 2017, 1018 Rn. 8 mwN).

So liegt es hier. Die Voraussetzungen für die Zurückweisung des Vorbringens der Klägerin zur Erlangung einer ausschließlichen Lizenz nach § 531 Abs. 2 ZPO lagen offenkundig nicht vor.

a) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind im Berufungsverfahren nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Ein Vorbringen ist jedoch dann nicht neu im Sinne dieser Vorschrift, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus erster Instanz im Berufungsverfahren durch weitere Tatsachenbehauptungen konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (st. Rspr., z.B. BGH, Beschluss vom 19. März 2019 - XI ZR 9/18, NJW 2019, 2080 Rn. 20).

b) Die Nichtzulassungsbeschwerde macht zu Recht geltend, dass die Klägerin das Zustandekommen eines Vertrags, mit dem ihr von der Patentinhaberin eine ausschließliche Lizenz am Klagepatent für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingeräumt wurde, im ersten Rechtszug schlüssig vorgetragen hat.

aa) Die Klägerin hat im ersten Rechtszug unter Bezugnahme auf die als Anlage K17 in Kopie vorgelegte "Lizenzbestätigung" vom 27. April 2012 vorgetragen, die Inhaberin des Klagepatents habe ihr vor dem Jahr 2005 - und damit vor dem Zeitpunkt, ab welchem die Klägerin Schadensersatz und Auskunft fordert - eine ausschließliche Lizenz am Klagepatent für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt. Aufgrund dessen sei sie berechtigt, Ansprüche wegen Patentverletzung in diesem Gebiet im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen.

Damit hat die Klägerin den Abschluss eines ausschließlichen Lizenzvertrags zwischen der Patentinhaberin und ihr schlüssig dargetan.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vortrag schlüssig und ausreichend substantiiert, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht oder die beanspruchte Rechtsposition zu begründen. Dies trifft auf das genannte Vorbringen der Klägerin zu. Wurde ihr bereits vor dem Jahr 2005 für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland von der Patentinhaberin eine ausschließliche Lizenz eingeräumt, war sie aus originärem Recht aktivlegitimiert (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 - X ZR 48/03, BGHZ 159, 76, 94 = GRUR 2004, 758, juris Rn. 62 - Flügelradzähler; Urteil vom 20. Mai 2008 - X ZR 180/05, BGHZ 176, 311 = GRUR 2008, 896 Rn. 35 - Tintenpatrone I).

bb) Die Schlüssigkeit dieses Vorbringens ist bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht entfallen.

Nachdem die Beklagte den Abschluss eines Lizenzvertrags bestritten hatte, hat die Klägerin am Tag vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung einen auf den 23. Juli 2012 datierten Lizenzvertrag in Kopie vorgelegt (Anlage K23), ohne dessen Inhalt zu erläutern.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stand der Inhalt dieses Vertrags mit dem bislang im ersten Rechtszug erfolgten Vorbringen der Klägerin und der "Lizenzbestätigung" in den wesentlichen Punkten nicht in Widerspruch. Seine Vorlage konnte dahin verstanden werden, dass die Klägerin an ihrem Vortrag festhielt, wonach ihr schon seit geraumer Zeit, jedenfalls vor 2005, aufgrund einer vertraglichen Absprache mit der zum gleichen Konzern gehörenden Patentinhaberin ein ausschließliches Nutzungsrecht an der durch das Klagepatent geschützten technischen Lehre zustand.

Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, dieses Vorbringen der Klägerin sei unzutreffend und von ihr aufgegeben worden, maßgeblich darauf gestützt, dass es in der Präambel des Vertrags gemäß Anlage K23 heißt, mit diesem Vertrag solle ein bereits seit Anfang der 1990er Jahre bestehendes Lizenzverhältnis zwischen den Parteien bestätigt werden, die Klägerin aber erst im Jahr 2000 gegründet wurde. Der Zeitpunkt der Gründung der Klägerin wurde jedoch erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung von der Beklagten in den Rechtsstreit eingeführt. Er hatte damit für die Beurteilung der Schlüssigkeit des Vortrags der Klägerin im ersten Rechtszug außer Betracht zu bleiben.

c) Trat damit erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eine Unklarheit auf, die sich daraus ergab, dass die Klägerin erst im Jahr 2000 gegründet wurde, in der Präambel des Vertrags gemäß Anlage K23 jedoch von einem seit Anfang der 1990er Jahre bestehenden Lizenzverhältnis zwischen den Parteien die Rede ist, durfte es der Klägerin nicht verwehrt werden, hierzu weiter vorzutragen.

Die Klägerin hat im Berufungsrechtszug hierzu ausgeführt, sie habe eine ausschließliche Lizenz dadurch erlangt, dass sie nach ihrer Gründung im Jahr das Geschäft eines verbundenen Unternehmens übernommen habe und in diesem Zusammenhang mit Zustimmung der Patentinhaberin in einen bereits bestehenden Lizenzvertrag eingetreten sei.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war dieser Vortrag nicht neu im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO, sondern diente der Erläuterung eines schlüssigen Vorbringens aus erster Instanz. Auf die Frage, ob es auf Nachlässigkeit beruht, dass die Klägerin das Zustandekommen des behaupteten Lizenzvertrags nicht bereits im ersten Rechtszug zutreffend dargestellt hat, kommt es insoweit nicht an.

2. Der in der Zurückweisung dieses Sachvortrags der Klägerin liegende Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung dieses Vorbringens zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass das Vorbringen der Klägerin zutrifft.

Treffen die Erläuterungen der Klägerin zu, kann die Angabe in der Präambel des Vertrags gemäß Anlage K23, wonach der Lizenzvertrag bereits Anfang der 1990er Jahre zwischen der Patentinhaberin und der Klägerin geschlossen wurde, zwar nicht beim Wort genommen werden. Die Präambel enthält jedoch keine Regelung, sondern informiert lediglich über den Hintergrund der Erklärungen, die die Vertragsparteien abgeben wollten. Danach kommt in Betracht, dass der Lizenzvertrag mündlich mit einem weiteren verbundenen Unternehmen geschlossen wurde, das damals ebenso firmierte wie später die Klägerin.

Einer entsprechenden Deutung der Präambel stünde auch nicht zwingend entgegen, dass ein vor dem 1. Januar 1999 geschlossener ausschließlicher Lizenzvertrag nach der damaligen Fassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen der Schriftform bedurfte. Insoweit ist in Betracht zu ziehen, dass der Vertrag nach dem Wegfall des Schriftformerfordernisses durch weiteren Vollzug bestätigt wurde (BGH, Urteil vom 2. Februar 1999 - KZR 51/97, WRP 1999, 542, 543 - Coverdisk).

Bacher Grabinski Hoffmann Deichfuß Marx Vorinstanzen: LG Mannheim, Entscheidung vom 17.08.2012 - 2 O 33/12 OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 23.10.2019 - 6 U 92/12 -

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