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3 Ni 34/11 (EP)

BUNDESPATENTGERICHT Ni 34/11 (EP) (Aktenzeichen)

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am 15. Januar 2013

…

In der Patentnichtigkeitssache …

betreffend das europäische Patent EP 0 656 780 (DE 593 06 211)

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm sowie des Richters Guth, der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig, des Richters Dipl.-Chem. Dr. Gerster und der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Münzberg für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 0 656 780 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 19. August 1993 unter Inanspruchnahme der deutschen Priorität DE 42 28 552 vom 27. August 1992 als internationale Patentanmeldung PCT/EP93/02217 in der Amtssprache Deutsch angemeldeten und vor dem Europäischen Patentamt in der regionalen Phase erteilten europäischen Patents EP 0 656 780 B1 (Streitpatent), dessen Erteilung mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Patentamt am 16. April 1997 bekannt gemacht wurde und das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 593 06 211 geführt wird. Das Streitpatent, das mit mehreren Anträgen beschränkt verteidigt wird, betrifft „Diphosphonsäuren und deren Salze enthaltende Arzneimittel“. Es umfasst in der erteilten Fassung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland 13 Patentansprüche, von denen die Ansprüche 1, 10 und 13 nebengeordnet sind und in der erteilten Fassung wie folgt lauten:

„1. Lagerstabile Injektionslösungen enthaltend als Wirkstoff mindestens eine Diphosphonsäure oder mindestens ein physiologisch unbedenkliches Salz oder einen Ester einer solchen Säure, dadurch gekennzeichnet, dass der pH-Wert der Injektionslösung 3,0 - 4,5 beträgt, wobei die Injektionslösung kein Reduktionsmittel beinhaltet, oder der pH-Wert 3,0 - 4,5 beträgt und die Lösung Polyethylenglykole enthält.

10. Verfahren zur Herstellung von lagerstabilen Injektionslösungen enthaltend als Wirkstoff mindestens eine Diphosphonsäure oder mindestens ein physiologisch unbedenkliches Salz oder einen Ester einer solchen Säure, dadurch gekennzeichnet, dass man den pH-Wert der wirkstoffhaltigen pharmazeutischen Lösung vor dem Abfüllen in Primärpackmittel aus Glas auf 3,0 - 4,5 einstellt, der Injektionslösung jedoch kein Reduktionsmittel zusetzt, oder den pH-Wert auf 3,0 - 4,5 einstellt und Polyethylenglykol zusetzt und gegebenenfalls in Glasbehältnisse abfüllt, die Oberflächen vergütet sind.

13. Verwendung von Polyethylenglykol zur Stabilisierung von Injektionslösungen in Glasbehältnissen enthaltend als Wirkstoff mindestens eine Diphosphonsäure oder mindestens ein physiologisch unbedenkliches Salz oder einen Ester einer solchen Säure.“

Hinsichtlich des Wortlauts der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 9 und der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 10 rückbezogenen Patentansprüche 11 und 12 wird auf die Patentschrift EP 0 656 780 B1 verwiesen.

Die Klägerin greift das Streitpatent in vollem Umfang an und macht die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und der unzulässigen Erweiterung geltend. Sie stützt ihr Vorbringen u. a. auf folgende Druckschriften:

TM1 EP 0 656 780 B1 - Streitpatent TM1a DE 42 28 552.6 TM4.1 „Pharmaceutical Dosage Forms: Parenteral Medications“, Hrsg.: K. E. Avis, L. Lachmann, H. A. Liebermann, Vol. 1, 2ed Ed., 1992, Marcel Dekker, Inc., New York, S. 192 bis 195, S. 234 bis 240 TM4.2 „Pharmaceutic Dosage Forms: Parenteral Medications“, Hrsg.: K. E. Avis, L. Lachmann, H. A. Liebermann, Vol. 2, 1st Ed., 1986, Marcel Dekker, Inc., New York, S. 92 bis 93, S. 103 TM4a Internetausdruck von „http: //isbn. Nu/9780824770853“ betreffend Publikationsdaten von „Pharmaceutic Dosage Forms: Parenteral Medications“

TM5 „Pharmazeutische Technologie“, Hrsg.: K. H. Bauer, K.-H. Frömming, C. Führer, 3. Aufl., 1991, Georg Thieme Verlag Stuttgart, S. 225 bis 228 TM6 EP 0 252 504 A1 TM10 S. J. Borchert et al., Journal of Parenteral Science & Technology, Vol. 43, März - April 1989, S. 67 bis 79 TM17 EP 0 096 931 A2 TM20 Gutachten Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Ritter vom 30. März 2012 nebst Anlagen TM28 „Pharmazeutische Qualitätskontrolle“, Hrsg.: H. Feltkamp, P. Fuchs und H. Sucker, 1983, Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York, S. 477, 478, 502 bis 509, 579 TM29a-TM29c Auszüge aus „PDR 44 EDITION 1990 PHYSICIANS DESK REFERENCE“, Hrsg.: Edward R. Barnhart, 1990, Medical Economics Company Inc. Oradell, N. J., S. 1797, 1802, 1811 bis 1813.

Die Klägerin macht geltend, die Priorität werde zu Unrecht in Anspruch genommen. Ferner sei der im Prüfungsverfahren aufgenommene Disclaimer so nicht ursprünglich offenbart und daher als unzulässige Erweiterung anzusehen. Die fehlende Patentfähigkeit begründet sie mit mangelnder Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit. In diesem Zusammenhang trägt sie insbesondere vor, die Bereitstellung der Gegenstände des Streitpatents und der eingeschränkten Verteidigung gemäß sämtlichen Hilfsanträgen habe ausgehend von der europäischen Offenlegungsschrift TM6 sowie ausgehend von der offenkundigen Vorbenutzung der von der Beklagten vertriebenen Infusionslösung Ostac® pro Infusione unter Berücksichtigung des vorliegend druckschriftlich nachgewiesenen allgemeinen Fachwissens nahegelegen.

Die Klägerin stellt den Antrag,

das europäische Patent 0 656 780 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der Hilfsanträge III bis VII gemäß Schriftsatz vom

17. Dezember 2012, weiter hilfsweise die Fassung eines der in der mündlichen Verhandlung übergebenen weiteren Hilfsanträge erhält.

Die nebengeordneten Patentansprüche 1, 8 und 11 gemäß Hauptantrag (früher Hilfsantrag III) lauten:

„1. Lagerstabile Injektionslösungen enthaltend als Wirkstoff 1-Hydroxy-3-(N-methyl-N-pentyl)aminopropyl-1,1-diphosphonsäure oder eines ihrer physiologisch unbedenklichen Salze oder einen physiologisch unbedenklichen Ester davon, dadurch gekennzeichnet, dass der pH-Wert der Injektionslösung 3,0 - 4,5 beträgt, wobei die Injektionslösung kein Reduktionsmittel beinhaltet, oder der pHWert 3,0 - 4,5 beträgt und die Lösung Polyethylenglykole enthält.

8. Verfahren zur Herstellung von lagerstabilen Injektionslösungen enthaltend als Wirkstoff 1-Hydroxy-3-(N-methyl-N-pentyl)aminopropyl-1,1-diphosphonsäure oder eines ihrer physiologisch unbedenklichen Salze oder einen physiologisch unbedenklichen Ester davon, dadurch gekennzeichnet, dass man den pHWert der wirkstoffhaltigen pharmazeutischen Lösung vor dem Abfüllen in Primärpackmittel aus Glas auf 3,0 - 4,5 einstellt, der Injektionslösung jedoch kein Reduktionsmittel zusetzt, oder den pHWert auf 3,0 - 4,5 einstellt und Polyethylenglykole zusetzt und gegebenenfalls in Glasbehältnisse abfüllt, die oberflächenvergütet sind.

11. Verwendung von Polyethylenglykolen zur Stabilisierung von Injektionslösungen in Glasbehältnissen enthaltend als Wirkstoff mindestens eine Diphosphonsäure oder mindestens ein physiologisch unbedenkliches Salz oder einen Ester einer solchen Säure.“

Die erteilten Patentansprüche 6 und 7 werden im Hauptantrag gestrichen und die Nummerierung der nachfolgenden Ansprüche angepasst, die im Übrigen im Wortlaut der erteilten Fassung entsprechen.

Hilfsantrag IV schränkt die Patentansprüche gemäß Hauptantrag auf lagerstabile den Wirkstoff 1-Hydroxy-3-(N-methyl-N-pentyl)aminopropyl-1,1-diphosphonsäure (Ibandronsäure) enthaltende Injektionslösungen eines pH-Wertes von 3,0 bis 4 ein. Im Patentanspruch 2 wird der pH-Wert der Lösung auf weniger als 4,0 eingeschränkt.

Hilfsantrag V schränkt darüber hinaus den Patentgegenstand auf lagerstabile Injektionslösungen eines pH-Wertes von etwa 4 ein. Die Ansprüche 2, 3 und 10 des Hilfsantrags IV werden gestrichen und im Übrigen die Nummerierung und die Bezüge angepasst.

Hilfsantrag VI schränkt Patentanspruch 1 der erteilten Fassung dahingehend ein,

dass die lagerstabile Injektionslösung enthaltend als Wirkstoff mindestens eine Diphosphonsäure durch einen pH-Wert von 3 nzentration von weniger als 2 ppm de bis 13 entsprechen der erteilten Fassung.

Die Patentansprüche gemäß Hilfsantrag VII entsprechen denen gemäß Hilfsantrag III (jetzt Hauptantrag), wobei die Ansprüche 1 bis 7 auf die Verwendung Ibandronsäure-enthaltender Injektionslösungen zur Behandlung von Osteoporose eingeschränkt werden und in Anspruch 1 und 8 die Maßgabe gestrichen wird, dass der Injektionslösung vor dem Abfüllen kein Reduktionsmittel zugesetzt wird.

Mit den in der mündlichen Verhandlung übergebenen weiteren Hilfsanträgen werden die Hilfsanträge III bis V vom 14. Dezember 2012 dahingehend modifiziert, dass es in diesen Hilfsanträgen jeweils in Anspruch 1 nach den Worten „kein Reduktionsmittel beinhaltet“ sowie nach den Worten „Polyethylenglykole enthält“ jeweils heißt „und die Aluminiumkonzentration geringer als etwa 2 ppm ist“, und dass in Anspruch 8 der Hilfsanträge III und IV sowie in Anspruch 6 des Hilfsantrags V nach den Worten „von lagerstabilen Injektionslösungen“ heißt „…, deren Aluminiumkonzentration geringer als etwa 2 ppm ist, …“.

Weiterhin hilfsweise (hilfsweise in Kombination mit dem ersten weiteren Hilfsantrag) wird beantragt, dass es in den Hilfsanträgen III bis V in Anspruch 1 jeweils nach den Worten „lagerstabile Injektionslösungen“ heißt „zur intravenösen Gabe bei der Anwendung am Menschen“ und es in Anspruch 8 der Hilfsanträge III und IV sowie in Anspruch 6 des Hilfsantrags V nach den Worten „… von lagerstabilen Injektionslösungen“ jeweils heißt „zur intravenösen Gabe bei der Anwendung am Menschen“.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und verweist auf folgende Dokumente:

VP1 E 26 0 71 B VP2 „Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch“, 9. Aufl., 2004,

Walter de Gruyter GmbH & Co. KG., Berlin, S. 80, 81, 308, 776, 778, 1124/1125, 1419, 1586, 1647 VP3 „Römpps Chemie-Lexikon“, 8. Aufl., 1983, Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart, S. 1876/1877, 1882/1883 VP4 „Pschyrembel Klinisches Wörterbuch“, 262. Aufl., 2010, Walter de Gruyter GmbH & Co. KG., S. 985 bis 987 VP5 Eidesstattliche Versicherung des Dr. Rolf-Dieter Gabel vom 15. Dezember 2011 VP6 Lexikonauszug aus dem Verletzungsrechtsstreit S. 450/451 und 964/965 zu den Stichworten: „Injektionslösungen“/“Injektions- und Infusionszubereitungen“ und „Vials“ VP7 Internetausdruck des „Roche Lexikon Medizin (5. Aufl.)“ zum Stichwort: „Infusionszusatz“

VP8 Urteil des Landgerichts München I, 21. Dezember 2011, Akz.: 21 O 22497/11 VP9 „Pharmazeutische Technologie“ Hrsg.: R. Voigt, 10. Aufl., Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart, S. 459 bis 463 und 661/662 VP10 Internetauszug zum „Roche Lexikon Medizin Sonderausgabe 5. Auflage“, DE Elsevier Health Bookshop VP11 Vorwort zum „Roche Lexikon Medizin“, 5. Auflage VP12 „The Theory and Practice of Industrial Pharmacy”, Hrsg.:

L. Lachman, H. A. Lieberman, J. L. Kanig, 3. Aufl., 1986, Lea & Febiger, Philadelphia, S. 460 VP13 „Rechentafeln für die chemische Analytik“ (Küster·Thiel), 103. Aufl., 1985 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG., Berlin, S. 159 VP14 „Europäisches Arzneibuch“, 4. Ausgabe, Grundwerk 2002, Band 1, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart - Govi-Verlag - Pharmazeutischer Verlag GmbH Eschborn, S. 757 bis 760.

Sie trägt im Wesentlichen vor, der Disclaimer in Patentanspruch 1 gehe auf die zufällige Offenbarung eines eine lyophilisierte Lösung von Aminodiphosphonat und ein Reduktionsmittel umfassenden radiodiagnostischen Mittels in der Druckschrift TM17 zurück und sei daher zulässig. Der Gegenstand des Streitpatents sei ferner neu und beruhe zumindest in den eingeschränkt verteidigten Fassungen auch auf erfinderischer Tätigkeit, denn es fehle im Stand der Technik an Anregungen, um ausgehend von TM6 oder bei Unterstellung einer offenkundigen Vorbenutzung des Präparats Ostac® pro infusione hiervon ausgehend zur streitpatentgemäßen Lösung zu kommen.

Entscheidungsgründe I.

Die auf die Nichtigkeitsgründe fehlender Patentfähigkeit und unzulässiger Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit a EPÜ und Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit c EPÜ) gestützte Klage ist zulässig.

Soweit die Beklagte das Streitpatent im Wege der zulässigen Selbstbeschränkung nicht mehr verteidigt, war es mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären (zur st. Rspr. im Nichtigkeitsverfahren vgl. z. B. BGH GRUR 2007, 404, 405 - Carvedilol II; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 83 Rdn. 45 m. w. Nachw.; Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 81 Rdn. 132).

Auch im Übrigen erweist sich die Klage als begründet.

1. Das Streitpatent betrifft gut verträgliche, in Primärpackmitteln aus Glas lagerstabile Injektionslösungen, die mindestens eine Diphosphonsäure oder mindestens ein physiologisch unbedenkliches Salz einer solchen Säure enthalten, Verfahren zur Herstellung dieser Lösungen und die Verwendung von Polyethylenglykolen zur Stabilisierung dieser Lösungen (vgl. TM1 S. 2 Abs. 1 sowie Patentansprüche 1, 10 und 13).

Bei Diphosphonsäuren im Sinne der vorliegenden Erfindung handelt es sich um Verbindungen, die - wie im Streitpatent einleitend ausgeführt wird - zur Behandlung von Calciumstoffwechselerkrankungen wie z. B. der Hyperkalzämie, der Osteoporose, der Tumorosteolyse oder bei Morbus Paget eingesetzt werden. Diese Verbindungen und ihre Salze sind prinzipiell gut wasserlöslich und gegenüber Temperatureinflüssen in der Regel stabil. Bei der Herstellung von Injektionslösungen, die auf den pH-Wert des Blutes eingestellt worden waren (pH-Wert 7,4), sei es jedoch - wie in der Streitpatentschrift im Weiteren ausgeführt wird - bei längerer Lagerung unerwarteter Weise zu Trübungen der Lösungen gekommen. Selbst in den Fällen, in denen die Lösungen noch keine Trübungen aufwiesen, habe sich gezeigt, dass sich der Wirkstoffgehalt der Injektionslösungen in den Glasgefäßen bei Lagerung über einen längeren Zeitraum hinweg kontinuierlich verringere. Als Primärpackmittel aus Glas werden für Injektionslösungen in der Regel für pharmazeutische Zwecke geeignete Gläser der hydrolytischen Klasse I eingesetzt. Dabei handelt es sich um Neutralglas, das aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung eine große hydrolytische Resistenz besitzt. Trotz Verwendung von Glasbehältern der hydrolytischen Klasse I musste jedoch festgestellt werden, dass in Diphosphonsäure-haltigen Injektionslösungen der Gehalt an Aluminiumionen bei längerer Lagerung stetig anstieg. Aufgrund dieser drei nachteiligen Befunde bei längerer Lagerung der Lösungen - Trübungen, Erniedrigung des Wirkstoffgehaltes und Erhöhung des Aluminiumgehaltes - mussten derartige Lösungen bezüglich der beabsichtigten behördlichen Marktzulassung und Registrierung als Arzneimittel als physikalisch instabil gekennzeichnet werden. Darüber hinaus ist es auch aus medizinischer Sicht unerwünscht, wenn zur Verabreichung bestimmte Lösungen einen erhöhten Aluminiumgehalt aufweisen (vgl. Streitpatentschrift TM1 S. 2 Z. 7 bis 48).

2. Davon ausgehend liegt dem Streitpatent die objektive technische Aufgabe zugrunde, in Glasbehältnissen bis zu fünf Jahren lagerstabile Injektionslösungen des Wirkstoffes 1-Hydroxy-3-(N-methyl-N-pentyl)aminopropyl-1,1-diphosphonsäure (= Ibandronsäure) oder seiner Salze oder Ester zur Verfügung zu stellen, die bei der Anwendung am Menschen gut verträglich sind (vgl. Streitpatentschrift TM 1 S. 2 Z. 49 bis 51 i. V. m. Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag).

3. Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag durch eine

1) lagerstabile Injektionslösung 2) enthaltend als Wirkstoff 1-Hydroxy-3-(N-methyl-N-pentyl)aminopropyl-1,1-diphosphonsäure oder eines ihrer physiologisch unbedenklichen Salze oder einen physiologisch unbedenklichen Ester davon, wobei 3a) der pH-Wert der Injektionslösung 3,0 - 4,5 beträgt und die Injektionslösung kein Reduktionsmittel beinhaltet, oder 3b) der pH-Wert 3,0 - 4,5 beträgt und die Lösung Polyethylenglykole enthält.

Gelöst wird diese Aufgabe im Weiteren gemäß Patentanspruch 8 nach Hauptantrag durch ein Verfahren zur Herstellung von lagerstabilen Injektionslösungen wie sie mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag beansprucht werden.

Die Aufgabe wird ferner gelöst durch die gemäß Patentanspruch 11 nach Hauptantrag beanspruchte Verwendung von Polyethylenglykolen zur Stabilisierung von Injektionslösungen in Glasbehältnissen enthaltend als Wirkstoff mindestens eine Diphosphonsäure oder mindestens ein physiologisch unbedenkliches Salz oder einen Ester einer solchen Säure.

4. Als zuständiger Fachmann ist ein Pharmazeut anzusehen, der auf dem Fachgebiet der pharmazeutischen Technologie promoviert hat und mehrere Jahre Berufserfahrung in der Entwicklung von Formulierungen von Arzneimitteln, insbesondere von Parenteralia, hat. Dieser Fachmann ist eingebunden in ein Team, dem jedenfalls ein Chemiker und ein Mediziner mit Erfahrung bei der Behandlung von Calciumstoffwechselerkrankungen angehört.

II.

Die Patentansprüche 1 bis 11 gemäß Hauptantrag erweisen sich mangels Patentfähigkeit als nicht bestandsfähig.

1. Sowohl die lagerstabile Injektionslösung gemäß Patentanspruch 1 als auch das gemäß Patentanspruch 8 beanspruchte Verfahren zur Herstellung von lagerstabilen Injektionslösungen und die gemäß Patentanspruch 11 beanspruchte Verwendung von Polyäthylenglykolen zur Stabilisierung von Injektionslösungen in Glasbehältern fallen der Nichtigkeit anheim, weil ihre Bereitstellung jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Es kann daher im Ergebnis dahingestellt bleiben, inwiefern die von Seiten der Klägerin geltend gemachten Bedenken hinsichtlich der rechtmäßigen Inanspruchnahme der Priorität und hinsichtlich der Zulässigkeit des im Prüfungsverfahren aufgenommenen Disclaimers zutreffen.

2. Die beanspruchte lagerstabile Injektionslösung gemäß Patentanspruch 1 sowie das Verfahren zu deren Herstellung und die Verwendung von Polyethylenglykolen zur Stabilisierung von Injektionslösungen in Glasbehältern mag ferner neu sein. Die Bereitstellung der mit diesen Patentansprüchen beanspruchten Gegenstände erforderte aber jedenfalls kein erfinderisches Zutun.

2.1. Der Wirkstoff 1-Hydroxy-3-(N-methyl-N-pentyl)aminopropyl-1,1-diphosphonsäure (= Ibandronsäure) wird - wie eingangs der Streitpatentschrift dargelegt wird und wie aus der europäischen Patentanmeldung TM6 zu ersehen ist - zur Behandlung von Calciumstoffwechselerkrankungen eingesetzt. Zur Anwendung kommen dabei u. a. diesen Wirkstoff enthaltende Injektionslösungen. Wie in der Basispatentanmeldung TM6 dazu weiter ausgeführt ist, wird zu deren Herstellung vorzugsweise Wasser als Lösungsmittel verwendet. Diese Injektionslösungen können darüber hinaus - den Ausführungen in diesem Dokument weiter folgend übliche Zusätze wie u. a. Puffer enthalten, wobei in diesem Zusammenhang Tartrat- und Citrat-Puffer expressis verbis genannt werden. Abgefüllt werden die Injektionslösungen sodann vorzugsweise in Ampullen (vgl. Streitpatentschrift TM1 S. 2 Z. 7 bis 8 und Z. 24 bis 29 sowie TM6 Patentansprüche 1, 2, 4 und 9 bis 11 in Verbindung mit Beschreibung S. 3 Z. 7 bis 10, S. 6 Z. 34 bis 42).

Wässrige zur Injektion vorgesehene Lösungen der Ibandronsäure oder eines ihrer physiologisch unbedenklichen Salze oder eines physiologisch unbedenklichen Esters davon, wie sie aus der Druckschrift TM6 bekannt sind, so zu formulieren, dass sie der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe entsprechend ausreichend lagerstabil sind und bei der Anwendung am Menschen gut verträglich sind, konnte bereits alleine unter Anwendung des Fachwissens ohne erfinderisches Zutun erfolgen.

Im Zusammenhang mit den die Stabilität von Injektionslösungen beeinflussenden Faktoren ist es - wie es durch die Auszüge aus dem Standardwerk „Pharmaceutical Dosage Forms: Parenteral Medications“, Vol. 1 (= TM4.1) belegt ist - Bestandteil des Fachwissens, dass die als Primärpackmittel üblicherweise verwendeten Glasbehältnisse verantwortlich für auftretende Probleme während der Lagerung sein können.

Zurückzuführen sind diese Probleme auf den pH-Wert der Lösung oder auch gegebenenfalls auf Änderungen des pH-Wertes aufgrund von Wechselwirkungen mit Bestandteilen des Glases, die dazu führen, dass Aluminiumionen aus dem Glas freigesetzt werden (vgl. TM4.1 S. 193/195 übergreifender Satz, S. 234 Abs. 3 sowie S. 239 Abs. 2). Ergänzend dazu weiß der Fachmann aufgrund seiner allgemeinen Fachkenntnisse darüber hinaus, dass Glasbehältnisse in sauren Lösungen eine höhere Beständigkeit aufweisen als in neutralen oder alkalischen Lösungen (vgl. TM4.2 S. 103 „V. Clinical Performance“ Abs. 2 und 3). War der Fachmann daher mit dem Problem konfrontiert, dass die Lagerungsfähigkeit von Injektionslösungen, die eine Diphosphonsäure wie die Ibandronsäure bzw. Salze oder ist Ester davon als Wirkstoff enthalten, dadurch beeinträchtigt war, dass der Gehalt an Aluminium mit der Dauer der Lagerung stetig anstieg (vgl. Streitpatent TM1 S. 2 Z. 42 bis 43), so lag es in Anbetracht dieser Sachlage nahe, für die Herstellung einer diese Phosphonsäure als Wirkstoff enthaltenden Injektionslösung von vornherein einen sauren pH-Bereich ins Auge zu fassen. Dies trifft vorliegend deshalb zu, weil es sich bei der Ibandronsäure um eine in wässriger Lösung sauer reagierende Substanz handelt und sich der mit der Herstellung von Injektionslö- sungen befasste Fachmann zur Vermeidung von Löslichkeitsproblemen stets an den stofflich-chemischen Gegebenheiten des zu formulierenden Wirkstoffes orientieren wird. Dem entsprechend werden auch im Dokument TM6 als in Frage kommende Puffersysteme für Diphosphonsäuren enthaltende, wässrige Injektionslösungen nur Citrat- und Tartrat-Puffer genannt, deren pH sich bekanntlich über den sauren Bereich erstreckt (vgl. TM6 S. 6 Z. 36 bis 40 sowie VP12 S. 460 Fig. 15-3).

Dass wässrige Lösungen des vorliegend diskutierten Wirkstoffes einen pH-Wert im sauren Bereich aufweisen, erweist sich darüber hinaus auch unmittelbar anhand des streitpatentgemäß genannten Beispieles 16, demzufolge der pH-Wert einer 1,12 mg/ml Natrium-Ibandronat enthaltenden Lösung mit NaOH auf einen pH-Wert von 6 eingestellt wird. Des Weiteren wird dieses schließlich auch durch das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten, dessen Messergebnisse die Beklagte nicht bestreitet und auch der Senat nicht bezweifelt belegt, dem gemäß eine den Wirkstoff Ibandronat in einer Konzentration von 1 mg/ml - somit in der im Beispiel 17 des Streitpatentes genannten Konzentration - enthaltende wässrige Lösung einen pH-Wert von 4,29 besitzt (vgl. TM 20 S. 2 „Zu Frage 1“ und Streitpatent TM1 Patentanspruch 7).

Angesichts dieser Ausgangssituation sodann jenen im Sauren liegenden pH-Bereich zu ermitteln, bei dem nach einer vorbestimmten Lagerungszeit der Gehalt an unerwünschten Aluminiumionen weit möglichst minimiert ist, bedarf keines erfinderischen Zutuns. Zur Ermittlung des sich als geeignet erweisenden Bereiches bedurfte es unter Berücksichtigung dieser Vorkenntnisse nämlich lediglich der Messung der Veränderung der Aluminiumionenkonzentration von Ibandronat-enthaltenden Lösungen in den als Primärpackmittel verwendeten Glasbehältnissen bei unterschiedlichen, sich über den sauren Bereich erstreckenden pH-Werten. Die Planung und Anlegung solcher Versuchsreihen sind aber der routinemäßigen Tätigkeit des Fachmannes zuzuordnen und erfordern keine Überlegungen erfinderischer Art.

2.2. Der angegriffene Patentanspruch 1 umfasst - gemäß dem Merkmal 3b) der Merkmalsanalyse I.3. - als alternative Ausführungsform einer lagerstabilen Injektionslösung, die als Wirkstoff Ibandronsäure oder ein physiologisch unbedenkliches Salz bzw. einen physiologisch unbedenklichen Ester davon enthält, Lösungen, die als weitere Komponente Polyethylenglykol enthalten. Auch diese Maßgabe kann jedoch keinen Beitrag zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit leisten. Gemäß dem vorliegend mit einem Auszug aus dem Lehrbuch „Pharmazeutische Technologie“ der Herausgeber K. H. Bauer, K.-H. Frömming und C. Führer (= TM5) belegten Fachwissen, stellen Polyethylenglykole eine Substanzgruppe dar, die zu den wenigen Cosolventien gezählt werden, deren Zusatz zu wässrigen, zur Injektion vorgesehenen Wirkstofflösungen vertretbar ist (vgl. S. 226 li. Sp. Abs. 2 i. V. m. re. Sp. Tab. 9.3). Dem entsprechend werden diese Hilfsmittel - expressis verbis als Polyethylenoxid benannt - bereits auch in der Basispatentanmeldung TM6 als für Injektionslösungen üblicher Zusatz beschrieben (vgl. S. 6 Z. 36 bis 40). Damit unterscheiden sich die in diesem Dokument beschriebenen Injektionslösungen von den im strittigen Patentanspruch 1 gemäß Merkmal 3b) als alternative Ausführungsform genannten ebenfalls nur darin, dass für die vorbekannten Injektionslösungen keine pH-Werte angegeben sind. Die Ermittlung des für die gewünschte Lagerfähigkeit optimalen pH-Bereiches erforderte jedoch - wie vorstehend unter II.2.1. dargelegt - kein erfinderisches Zutun. Sollte mit dieser Ausführungsform daher eine weitere Verringerung der Aluminiumionenkonzentration verbunden sein, so handelt es sich dabei lediglich um die Folge eines nahe gelegten Handelns und vermag für sich die erfinderische Leistung nicht zu begründen (vgl. BGH GRUR 2003, 317 Ls., 320 II.2 d) bb) - Kosmetisches Sonnenschutzmittel).

2.3. Die Beklagte hat zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit geltend gemacht, der Fachmann habe im Zusammenhang mit der Suche nach einer Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe weder die Veranlassung gehabt, den Aluminium-Gehalt in der Wirkstoff-Lösung zu messen, noch den pH-Wert zu verändern oder zu überprüfen. Denn die Ibandronsäure sei in wässriger Lösung nicht instabil und zudem stabil in einem großen pH-Bereich. Darüber hinaus gebe keines der vorliegenden Dokumente dem Fachmann die Anregung, zur Stabilisierung von Injektionslösungen den pH-Bereich zu ändern, sondern vielmehr den gegebenen zu stabilisieren.

Diese Argumente können indessen zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führen. Der Fachmann ist alleine schon aus Gründen behördlicher Anforderungen im Rahmen der Arzneimittelzulassung verpflichtet, nachzuweisen, dass sich die chemischen, physikalischen und mikrobiologischen Eigenschaften während der vorgeschlagenen Verwendbarkeitsfristen nicht oder nur in zulässigem Ausmaße ändern (vgl. TM28 S. 477 „4.3.1 Anforderungen der Behörden“ bis S. 478 Abs. 2). Insbesondere sind in diesem Zusammenhang Daten zu Haltbarkeitsversuchen vorzulegen, die unter jenen Bedingungen durchgeführt worden sind, die denen entsprechen, unter denen das Arzneimittel gelagert und verwendet wird. Dabei sollen diese Haltbarkeitsversuche mit der Arzneimittelzubereitung in der Handelsverpackung, d. h. im Primärpackmittel, erfolgen. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass diese Haltbarkeitsversuche in Glasampullen als Primärpackmittel durchgeführt werden müssen. Zu prüfen ist in diesem Rahmen sodann unter anderem das Aussehen, der Wirkstoffgehalt, die Verträglichkeit mit dem Behältnismaterial und die Stabilität während der Lagerung (vgl. TM28 S. 478 Abs. 5 bis 8, S. 509 „Auswahl des Packmittels“ sowie S. 579 Abs. 2 4. Spiegelstrich; TM5 S. 226 Tab. 9.1 sowie TM4.1 S. 238 Abs. 3). Grundlage und Ausgangspunkt für diese Versuche stellen dabei die entsprechenden Ergebnisse dar, die im Rahmen der Entwicklung des Arzneimittels erhalten worden sind (vgl. TM28 S. 502 „4.7.1 Präformulierungsversuche“ Abs. 1 i. V. m. S. 506 „4.7.2 Kurzzeitversuche zur Überprüfung der Haltbarkeit von Arzneizubereitungen“ Abs. 1). Ist die Stabilität gelöster Wirkstoffe Gegenstand der Prüfung, so umfasst diese unter anderem Lagerungsversuche über einen größeren pH-Bereich, um anhand des pH-Profiles das pH-Optimum des Wirkstoffes zu ermitteln. Handelt es sich um flüssige Arzneiformen die untersucht werden, so erfolgt diese Prüfung in Glasbehältnissen (vgl. TM28 S. 503 Abs. 4 sowie S. 507 „Versuchspläne“ sowie „Flüssige Arzneiformen“ Abs. 1 und 2).

Bereits anhand dieser Vorversuche erhält der Fachmann daher entscheidende Hinweise zur weiteren Optimierung der Formulierung der Arzneimittelzubereitung. Denn er hat aufgrund dieser Haltbarkeitsversuche nicht nur die Möglichkeit, die an sich stabilste der untersuchten Formulierungen auszuwählen, sondern er erhält damit auch entscheidende Hinweise zu physikalisch-chemischen Veränderungen (vgl. TM28 S. 507 Abs. 2 sowie TM4.1. S. 239 Abs. 2). Somit erhielt der Fachmann auch im vorliegenden Fall bereits in diesem Stadium der Entwicklung einer die Ibandronsäure bzw. eines Salzes oder eines Esters davon enthaltenden wässrigen Injektionslösung hinreichende Anhaltspunkte dahingehend, dass der Wirkstoffgehalt in Glasgefäßen nicht nur von der Einstellung des pH-Wertes abhängig ist, sondern bei bestimmten pH-Werten gegebenenfalls auch Trübungen beobachtet werden können.

Damit aber hatte der Fachmann eine Veranlassung, in weiteren Versuchen sowohl jenen pH-Bereich zu ermitteln, bei dem diese Beeinträchtigungen minimiert auftreten, als auch die dafür ursächlichen Reaktionen und dabei entstehenden Reaktionsprodukte zu untersuchen. Die Analyse dieser unerwünschter Nebenprodukte gibt dem Fachmann nämlich Aufschluss über die daran beteiligten Komponenten und damit in der Folge, inwiefern Wechselwirkungen zwischen der Wirkstoff enthaltenden Lösung und dem Primärpackmittel in die weitere Entwicklungsarbeit mit einbezogen werden müssen. Die Veranlassung bestand umso mehr, als ihm - wie vorstehend dargelegt - aufgrund seines Fachwissens bekannt war, dass bei Verwendung von Glasbehältnissen als Primärverpackungen für Injektionslösungen die Gefahr besteht, dass - klinisch unerwünschtes - Aluminium aus dem Glas gelöst werden kann. Dabei kann Ursache dieser Verunreinigung nicht nur der eingestellte pH-Wert alleine sein, sondern ebenso die Anwesenheit von Phosphaten, wie sie im Übrigen mit den streitpatentgemäßen Wirkstoffformen vorliegen (vgl. z. B. TM4.1 S. 234 Abs. 3). Unter Berücksichtigung der mit den Vorversuchen erzielten Erkenntnisse war es für den Fachmann sodann unerlässlich, die Stabilität der in Rede stehenden Injektionslösung auch in den als Primärpackmittel verwendeten Glasbehältnissen unter dem Aspekt der Abhängigkeit vom eingestellten pH-Wert zu untersuchen und sodann den sich für seine Zielsetzung als optimal erweisenden pH-Bereich auszuwählen.

Das von der Beklagten geltend gemachte Fehlen einer Veranlassung, Aluminiumionen als mögliche Ursache für eine Instabilität von Injektionslösungen, die den vorliegend in Rede stehenden Wirkstoff enthalten, in Betracht zu ziehen, lässt sich auch nicht mit den Aussagen im Artikel TM10 begründen. Denn auch dort weisen die Autoren darauf hin, dass stets mit zumindest Spuren von Aluminium in Injektionslösungen, die in Glasbehältnissen abgepackt sind, gerechnet werden muss (vgl. S. 76 re. Sp. Abs. 2 und 3).

Dem weiteren Argument der Beklagten, der Fachmann würde saure pH-Werte für i.v.-Injektionslösungen nicht in Betracht ziehen, sondern - wie insbesondere aus dem Lehrbuch TM5 S. 226 Tab. 9.1 2. und 3. Spiegelstrich zu ersehen sei - stets danach streben, bei diesen pH-Werte des Blutes die in einem Bereich zwischen 7,30 und 7,45 liegen, einzustellen, kann sich der Senat ebenfalls nicht anschließen. Entgegen dem Vortrag der Beklagten ist bei i.v.-Injektionslösungen eine möglichst nahe Einstellung auf den pH-Wert des Blutes nicht erforderlich. Denn aufgrund der schnellen Verdünnung im Blut und dessen Pufferkapazität sind die Anforderungen hinsichtlich der Isotonie und Euhydrie für i.v.-Applikationen geringer als bei i.m.- oder Infusionslösungen. Auch wenn daher der physiologische pHWert des Blutes, der bei 7,4 liegt, als idealer pH-Wert gilt, wird von der Fachwelt ein pH-Bereich zwischen pH 3,0 und 10,5 als akzeptabel betrachtet. Dieses ist bedingt durch das sich häufig stellende Erfordernis eines Kompromisses zwischen Isotonie, Euhydrie, physiologischen Anforderungen und Wirkstoffstabilität (vgl. TM5 S. 227 li. Sp. Abs. 2 bis re. Sp. Abs. 3 sowie TM4.1 S. 195 Abs. 1). Die physiologische Verträglichkeit niedrigerer pH Werte erweist sich im Übrigen auch anhand der mit den Auszügen aus „PDR 44 EDITION 1990 PHYSICIANS DESK REFERENCE®“ (= TM 29a) bis 29c)) vorgelegten Produktinformationen zu den Präparaten „Levo Dromoran®“, „Pantopon®“ und „Taractan®“, die zeigen, dass pH-Werte in einem sauren Bereich von pH = 3.3 bis 4.3 bei zu injizierenden Lösungen nicht unüblich sind.

Der Gegenstand des Patentanspruches 1 ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit nicht bestandsfähig.

2.4. Ein bestandsfähiger Rest kann vom Senat auch nicht in den Gegenständen der nebengeordneten Patentansprüche 8 und 11 gesehen werden. Sie sind daher ebenfalls für nichtig zu erklären.

2.4.1. Der Patentanspruch 8 ist auf ein Verfahren zur Herstellung von lagerstabilen Injektionslösungen gerichtet, die als Wirkstoff Ibandronsäure oder eines ihrer physiologisch unbedenklichen Salze oder einen physiologisch unbedenklichen Ester davon enthalten. Die dieses Verfahren kennzeichnende Maßnahme besteht in der Einstellung des im Patentanspruch 1 genannten pH-Bereiches vor dem Abfüllen in die Primärpackmittel aus Glas. Somit betrifft dieser Patentanspruch keinen anderen Sachverhalt, als er mit dem Patentanspruch 1 vorliegt, weshalb die zum Patentanspruch 1 dargelegten Gründe hier ebenfalls vollumfänglich gelten.

2.4.2. Mit Patentanspruch 11 wird die Verwendung von Polyethylenglykol zur Stabilisierung von Injektionslösungen in Glasbehältern, die eine Diphosphonsäure oder mindestens ein physiologisch unbedenkliches Salz oder einen Ester einer solchen Säure enthalten, beansprucht. Wie vorstehend unter II.2.2. ausgeführt, werden Lösungen dieser Zusammensetzung bereits in der Basispatentanmeldung TM6 beschrieben. Die Zugabe von Polyethylenglykolen, die neben Ethanol und Glycerol als Hilfsmittel in Injektionslösungen in erster Linie als geeignet beschrieben werden, erfolgt gemäß den Lehrbuch-Auszügen TM5 u. a. dann, wenn der Wirkstoff schwerlöslich oder in Wasser instabil ist. Somit dienen diese Cosolventien in diesen Fällen dazu, eine wässrige Injektionslösung zu stabilisieren (vgl. S. 226 li. Sp. Abs. 1 und 2). War der Fachmann vor die Aufgabe gestellt, wässrige, Diphosphonsäuren enthaltende Injektionslösungen wie sie im Dokument TM6 beschrieben werden, zu stabilisieren, so musste er angesichts dieses Fachwissens lediglich auf die in der Druckschrift TM6 bereits beschriebene, Polyethylenglykol als Zusatz aufweisende Ausführungsform zurückgreifen. Im Rahmen der Überprüfung der Stabilität dieser Formulierung konnte er sodann festzustellen, dass eine Diphosphonsäure enthaltende Injektionslösung, die als weitere Komponente Polyethylenglykol aufweist, die gewünschten - in Anbetracht seines Fachwissens erwartungsgemäßen - Eigenschaften besitzt. Ein erfinderisches Zutun ist dazu aber nicht erforderlich gewesen. Die von Seiten der Beklagten in diesem Zusammenhang schriftsätzlich geltend gemachten Vorteile können daher allenfalls als Bonus-Effekt angesehen werden (vgl. Schulte PatG, 8. Aufl., § 4 Rdn. 126).

III.

Die von der Beklagten hilfsweise verteidigten Fassungen gemäß den Hilfsanträgen IV bis VII erweisen sich aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit gleichfalls als nicht patentfähig.

1. Die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 1 und 8 gemäß Hilfsantrag IV unterscheiden sich von den Gegenständen der entsprechenden Patentansprüche gemäß Hauptantrag insofern, als der pH-Wert der Injektionslösung nunmehr 3,0 bis 4 beträgt. Der Patentanspruch 11 entspricht wie der jeweils entsprechende nebengeordnete die Verwendung von Polyethylenglykolen betreffende Patentanspruch gemäß allen weiteren Hilfsanträgen wortwörtlich dem nebengeordneten Patentanspruch 11 gemäß Hauptantrag. Damit mag mit diesem Hilfsantrag eine Beschränkung der Gegenstände gemäß den Patentansprüchen 1 und 8 erfolgt sein, es ergibt sich damit jedoch kein anderer Sachverhalt. Daher gelten die unter II.2. dargelegten Gründe hier gleichermaßen.

2. Nichts anderes gilt für die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 6 gemäß Hilfsantrag V Diese unterscheiden sich von den entsprechenden Patentansprüchen 1 und 8 gemäß Hauptantrag darin, dass der pH-Wert der Injektionslösung nunmehr etwa 4 beträgt. Dieser pH-Wert entspricht in etwa jenem, den die Klägerin - wie ebenfalls vorstehend i. V. m. der Diskussion des Patentanspruches 1 nach Hauptantrag dargelegt - gemäß Gutachten TM20 für Natrium-Ibandronat in einer Konzentration von 1mg/ml, die mit der im Beispiel 17 des Streitpatentes genannten Konzentration übereinstimmt, nachgewiesen hat (vgl. TM20 S. 2 „Zu Frage 1“ und Streitpatent TM1 Patentanspruch 7). Somit führt auch diese Beschränkung zu keinem anderen Ergebnis, weshalb die gleichen Gründe wie für den Hauptantrag gelten, auf die vollumfänglich Bezug genommen wird.

3. Der Hauptantrag (Hilfsantrag III) und die Hilfsanträge IV und V werden hilfsweise insofern weiter verfolgt, als die mit den jeweiligen Patentansprüchen 1 und 8 bzw. 6 beanspruchten lagerstabilen Injektionslösungen bzw. Verfahren zu deren Herstellung die weitere Maßgabe aufweisen, dass die Aluminiumkonzentration geringer als etwa 2 ppm ist. Diese Maßgabe ist auch Bestandteil der nebengeordneten Patentansprüche 1 und 10 gemäß Hilfsantrag VI, die ansonsten den Patentansprüchen 1 und 8 gemäß Hauptantrag entspricht. Wie unter II.2.3 ausgeführt, ist es jedoch dem Fachwissen zuzuordnen, dass in Glasbehältern abgepackte Injektionslösungen Aluminiumionen als Verunreinigungen aufweisen können. Der Fachmann weiß in diesem Zusammenhang - wie vorstehend dargelegt gleichfalls, dass die Ursache dieses Problems im pH-Wert der Lösung liegen kann. Angesichts dessen sodann durch eine entsprechende Einstellung des pH-Wertes den Aluminiumgehalt so weit zu reduzieren, dass er klinisch akzeptabel ist, bedarf keines erfinderischen Zutuns. Denn bei den dazu erforderlichen Versuchen handelt es sich um eine Routinetätigkeit des Fachmannes, der mit der Entwicklung und Zulassung von Arzneimitteln befasst ist. Es gelten daher die im Zusammenhang mit der erfinderischen Tätigkeit des Patentgegenstandes gemäß Hauptantrag genannten Nichtigkeitsgründe daher entsprechend.

4. Diese Anträge werden weiter hilfsweise mit der zusätzlichen Maßgabe verfolgt, dass die dort beanspruchten lagerstabilen Injektionslösungen zur intravenösen Gabe bei der Anwendung am Menschen vorgesehen sind. Damit aber ergibt sich gleichfalls keine andere Rechtslage als bereits i. V. m. dem Gegenstand gemäß Hauptantrag diskutiert worden ist. Denn diese Applikation ergibt sich bereits aus der Basispatentanmeldung TM6. Bei allen dort genannten mit Diphosphonsäurederivaten behandelbaren Erkrankungen handelt es sich um auch bei Menschen diagnostizierbare Erkrankungen (vgl. Patentanspruch 11 i. V. m. Beschreibung S. 2 Z. 3 bis 18 sowie Streitpatent TM1 S. 2 Z. 7 bis 14). Wie diesem Dokument ferner zu entnehmen ist, werden die dort beschriebenen Diphosphonsäurederivate auch in Form von Injektionen verabreicht (vgl. S. 6 Z. 36 bis 42). Unter den unter diesem Begriff fallenden Ausführungsformen sodann die intravenöse Verabreichung auszuwählen bedarf keines erfinderischen Zutuns, denn alle diese Verabreichungsformen sind dem Fachmann gleichermaßen geläufig. Überdies ist der Streitpatentschrift an keiner Stelle ein Hinweis dahingehend zu entnehmen, es habe Überlegungen erfinderischer Art bedurft, die dort beschriebene Injektionslösung auch für die intravenöse Verabreichung vorzusehen.

5. Ein bestandsfähiger Rest ist für den Senat auch nicht in den Gegenständen der jeweils nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 7 und 9 bis 10, 2 bis 5 und 7 bzw. 2 bis 9 und 11 bis 12 gemäß dem Hauptantrag bzw. den Hilfsanträgen IV bis VI zu erkennen. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass ihnen ein eigenständiger patentfähiger Gehalt zukäme. Diese Patentansprüche, deren selbständiger erfinderischer Gehalt von der Klägerin unter Angabe von Gründen in Abrede gestellt wurde, sind daher ebenfalls nicht patentfähig.

6. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VII ist auf die Verwendung lagerstabiler Injektionslösungen wie sie im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag genannt werden zur Behandlung von Osteoporose gerichtet. Dieser sowie der nebengeordnete Verfahrensanspruch 8 unterscheiden sich vom Gegenstand gemäß Hauptantrag des Weiteren auch insofern, als sie nicht mehr den im Prüfungsverfahren aufgenommenen Disclaimer „wobei die Injektionslösung kein Reduktionsmittel beinhaltet“ aufweisen. Mit der Streichung dieser Maßgabe erfolgt eine unzulässige Erweiterung des nunmehr beanspruchten Gegenstandes gegenüber dem erteilten Gegenstand. Bereits aus diesem Grunde kann mit diesem Hilfsantrag das Streitpatent nicht wirksam verteidigt werden (Busse PatG, 7. Aufl., § 82 Rdn. 86, 88).

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Schramm Guth Dr. Proksch-Ledig Dr. Gerster Dr. Münzberg Cl

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