EnZR 58/23
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES EnZR 58/23 URTEIL in dem Rechtsstreit Verkündet am: 17. September 2024 Küpferle Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2024:170924UENZR58.23.0 Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2024 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kirchhoff, den Richter Dr. Tolkmitt, die Richterinnen Dr. Picker und Dr. Holzinger sowie den Richter Dr. Kochendörfer für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 5. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. März 2023 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand: 1 Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Stromentgelten, die die Klägerin an die Rechtsvorgängerin der Beklagten für den Lieferzeitraum vom 1. Januar bis zum 27. Januar 2019 gezahlt hat. 2 Die Klägerin produziert Kunststoffprodukte und ist an das Mittelspannungsnetz angeschlossen. Die Beklagte sowie ihre Rechtsvorgängerin - die IN (nachfolgend gemeinsam: Beklagte) - und die Streithelferin sind Energieversorgungsunternehmen. 3 Die Klägerin hatte mit der damaligen Netzbetreiberin, der W GmbH (nachfolgend: Netzbetreiberin), einer Tochtergesellschaft der IN, einen Anschlussnutzungsvertrag geschlossen. Diesem sind Preisblätter beigefügt, die nach § 3 Vertragsbestandteil sind. Das Preisblatt 15 sieht Preise für die "Grundversorgung/Ersatzbelieferung" vor und enthält die Angabe, bei dieser Versorgungsart werde die Belieferung des Kunden mit elektrischer Energie durch den Grundversorger sichergestellt; die Preisbestimmung erfolge oberhalb der Niederspannung durch den Grundversorger nach billigem Ermessen. Örtlicher Grund- und Ersatzversorger in dem Netzgebiet, zu dem die Anschlussstelle der Klägerin gehört, war die Beklagte. Die Klägerin und die Streithelferin hatten einen Stromliefervertrag geschlossen, der zum 31. Dezember 2018 endete. Ab dem 1. Januar 2019 sollte die Belieferung durch die D GmbH erfolgen. Diese konnte nach der Kündigung ihrer Bilanzkreise und ihrer Insolvenz ab dem 22. Dezember 2018 ihre Kunden nicht mehr beliefern. Die Klägerin schloss deshalb am 22. Dezember 2018 mit der Streithelferin einen neuen Stromlieferungsvertrag für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2019. Eine Anmeldung bei der Netzbetreiberin zum 1. Januar 2019 erfolgte aufgrund eines systembedingten Fehlers im Bereich der Streithelferin zunächst nicht.
Die Netzbetreiberin ordnete am 22. Dezember 2018 die Marktlokation der Klägerin zum 1. Januar 2019 dem Bilanzkreis der Beklagten zu. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2018 unterrichtete sie die Klägerin über den Ausfall der D GmbH und teilte ihr mit, dass sie den für sie zuständigen Grundversorger mit der Übernahme der Ersatzversorgung zum 1. Januar 2019 beauftragt habe. Mit Schreiben vom 4. Januar 2019 setzte die Beklagte die Klägerin darüber in Kenntnis, dass die Netzbetreiberin ihr mitgeteilt habe, die Stromversorgung der Lieferstelle sei ab dem 1. Januar 2019 infolge des Ausfalls der D GmbH nicht mehr sichergestellt. Sie - die Beklagte - würde deshalb als örtlicher Grund- und Ersatzversorger die Stromversorgung sicherstellen. Beide Schreiben gingen der Klägerin am 7. Januar 2019 zu.
Die Streithelferin meldete die Marktlokation der Klägerin ab dem 23. Januar 2019 bei der Netzbetreiberin an. Die Anmeldung wurde zum 28. Januar 2019 umgesetzt. Die Beklagte stellte der Klägerin für den zwischenzeitlich gelieferten Strom insgesamt 85.872,72 € in Rechnung. Die Klägerin bezahlte diesen Betrag am 11. Februar 2019. Mit mehreren außergerichtlichen Schreiben forderte sie erfolglos die Rückzahlung.
Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Es hat die Beklagte für rechtsgrundlos in Rechnung gestellte Stromlieferungen im Zeitraum vom 9. Januar bis 27. Januar 2019 zur Zahlung von 66.918,66 € sowie zur Erstattung von Anwaltskosten aus diesem Wert verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung der Klägerin hat es die Beklagte zur vollständigen Rückzahlung in Höhe von 85.872,72 € und zur Erstattung von Anwaltskosten aus dem vollen Streitwert verurteilt.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die vollumfängliche Abweisung der Klage anstrebt.
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf, RdE 2023, 184) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Klägerin stehe ein Rückzahlungsanspruch in voller Höhe aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu, da die Zahlung ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Die Beklagte könne für die Stromlieferungen vom 1. Januar bis zum 27. Januar weder aus Vertrag noch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus Bereicherungsrecht ein Entgelt verlangen.
Die Entnahme von Strom an der Marktlokation der Klägerin ab dem 1. Januar 2019 sei weder aufgrund eines gesetzlichen noch aufgrund eines vertraglichen Schuldverhältnisses erfolgt. Ein Ersatzversorgungsverhältnis nach § 38 Abs. 1 Satz 1 EnWG scheide aus, da diese Vorschrift im Bereich der Mittelspannung weder direkt noch entsprechend anwendbar sei. Auch aus dem Anschlussnutzungsvertrag ergebe sich keine Grundlage für die Zuordnung. Ein Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Liefervertrags, der ohnehin nur zwischen ihr und dem Lieferanten zustande kommen könne, liege nicht vor. Eine lediglich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Netzbetreibers vorbehaltene Ermächtigung zur Zuordnung der Entnahmestelle an den Grund- und Ersatzversorger im Falle des Auftretens einer Versorgungslücke sei auch diskriminierend und verstoße gegen § 20 Abs. 1 Satz 1 EnWG. Eine Realofferte der Beklagten durch Bereitstellung des Stroms scheide schon deshalb aus, weil der Strom nicht als von der Beklagten geliefert gelte. Darüber hinaus komme ein konkludenter Vertragsschluss nicht in Betracht, wenn der Abnehmer - wie hier die Klägerin mit der Streithelferin - bereits einen Stromliefervertrag mit einem anderen Energieversorger abgeschlossen habe und nicht wisse, dass dieser ihn nicht (mehr) beliefere. Ein konkludenter Vertragsschluss durch die weitere Stromentnahme sei auch nicht nach dem Zugang der Schreiben der Netzbetreiberin vom 27. Dezember 2018 und der Beklagten vom 4. Januar 2019 zustande gekommen.
Ein Rechtsgrund für die Zahlung der Klägerin an die Beklagte ergebe sich auch nicht aus einem Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB. Die Beklagte habe, indem sie aufgrund der Zuordnung der Marktlokation der Klägerin zu ihrem Bilanzkreis die dort entnommenen Strommengen beschafft und zur Verfügung gestellt habe, kein Geschäft der Klägerin geführt, da der entnommene Strom wirtschaftlich nicht der Beklagten zuzuordnen war. Aus demselben Grund scheide auch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin aus (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB).
B. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
I. Die Revision ist uneingeschränkt zulässig, § 543 Abs. 1 ZPO. Das Berufungsgericht hat die Revision ohne sachliche Beschränkung zugelassen. Eine Beschränkung folgt nicht aus seiner Begründung, wonach höchstrichterlich noch nicht geklärt sei, ob und unter welchen Voraussetzungen der Netzbetreiber bei Auftreten einer Zuordnungslücke in höheren Spannungsebenen die Marktlokation eines Letztverbrauchers dem Bilanzkreis des Grund- und Ersatzversorgers zuordnen dürfe, ohne dass ein Ersatzbelieferungsvertrag abgeschlossen ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat das Berufungsgericht damit die Revisionszulassung nicht auf gesetzliche Ansprüche der Beklagten als Rechtsgrund für die Zahlung der Klägerin beschränkt.
1. Zwar kann eine - zulässige - Beschränkung der Revision aus den Urteilsgründen folgen, wenn dort eine als zulassungsrelevant angesehene Rechtsfrage aufgeführt wird, die sich nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt, der Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann. Sie setzt allerdings die Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitstoffs in dem Sinne voraus, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Streitstoff beurteilt werden kann und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 28. Januar 2020 - KZR 24/17, BGHZ 224, 281 Rn. 15 mwN - Schienenkartell II; vom 23. September 2020 - KZR 35/19, BGHZ 227, 84 Rn. 14 - LKW-Kartell I). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Zwar zielt die Zulassungsfrage in erster Linie darauf ab, ob zwischen der Klägerin und der Beklagten in entsprechender Anwendung von § 38 EnWG eine Ersatzversorgung in Frage kommt und die Zahlung daher mit Rechtsgrund erfolgt ist. Einzelne Rechtsgründe, die für die von der Klägerin an die Beklagte geleistete Zahlung in Frage kommen, bilden jedoch keinen eindeutig abgrenzbaren Teil des Streitstoffs. Eine Beschränkung der Revision auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente ist nicht zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2018 - VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 22 mwN).
2. Ungeachtet dessen lässt sich weder dem Tenor noch den Entscheidungsgründen mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen, dass das Berufungsgericht mit dem Verweis auf die im Entscheidungszeitpunkt ungeklärte Rechtsfrage überhaupt eine Beschränkung der Revision auf Teile des Streitstoffs erwogen hat und nicht bloß den Anlass für die - unbeschränkte - Zulassung der Revision benennen wollte.
II. In der Sache hat die Revision keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung des gesamten Rechnungsbetrags aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zusteht, weil ihre Zahlung auf die Rechnung vom 28. Januar 2019 ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Ein Rechtsgrund ergibt sich weder aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten (dazu unter 1.), noch aus einem Vertragsschluss nach Maßgabe des Anschlussnutzungsvertrags der Klägerin mit der Netzbetreiberin (dazu unter 2.), noch einem konkludenten Vertragsschluss nach den Grundsätzen der Realofferte (dazu unter 3.). Der Beklagten standen auch keine Ansprüche auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag (dazu unter 4.) oder auf Wertersatz aus Bereicherungsrecht (dazu unter 5.) zu.
1. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht ein Ersatzbelieferungsverhältnis nach § 38 Abs. 1 Satz 1 EnWG zwischen der Klägerin und der Beklagten verneint. Nach dieser Rechtsvorschrift gilt die durch Letztverbraucher in der Niederspannung bezogene Energie, die einer Lieferung oder einem bestimmten Liefervertrag nicht zugeordnet werden kann, als von dem Unternehmen geliefert, das nach § 36 Abs. 1 EnWG als Grundversorger dazu berechtigt und verpflichtet ist. Diese Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht vor, da die Klägerin nicht in der Niederspannung Strom bezieht, sondern an das Mittelspannungsnetz angeschlossen ist. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf den Energiebezug von Letztverbrauchern oberhalb der Niederspannung kommt nicht in Betracht. Insoweit wird auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung "Lieferantenausfall bei Mittelspannungskunden" vom 17. September 2024 (EnZR 57/23, Rn. 36 ff.) Bezug genommen.
2. Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin mit der Beklagten keinen Ersatzbelieferungsvertrag auf Grundlage der Bedingungen geschlossen hat, die in dem Preisblatt zur "Grundversorgung/Ersatzbelieferung" enthalten sind, das in den Anschlussnutzungsvertrag mit der Netzbetreiberin einbezogen ist. Soweit darin mitgeteilt wird, die Belieferung des Kunden mit elektrischer Energie werde durch den Grundversorger sichergestellt, wobei die Preisbestimmung durch diesen nach billigem Ermessen gemäß §§ 315 ff. BGB erfolge, kann daraus keine Ermächtigung der Netzbetreiberin abgeleitet werden, im Falle einer Versorgungslücke den Letztverbraucher beim jeweiligen Grund- und Ersatzversorger anzumelden.
a) Das Berufungsgericht hat insoweit festgestellt, das Preisblatt stelle lediglich eine rechtlich unzutreffende Information dar. Aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin komme dem Preisblatt allenfalls eine Mitteilungsfunktion zu und nicht ein irgendwie gearteter Regelungsgehalt. Durch eine Einbeziehung des Preisblatts in die Anschlussnutzungsverträge komme weder ein Vertrag zwischen der Klägerin und dem Grund- und Ersatzversorger zustande, noch sei darin ein Angebot des Letztverbrauchers an den zuständigen Grund- und Ersatzversorger auf Abschluss eines Ersatzbelieferungsvertrages zu sehen, das vom Netzbetreiber mit der Meldung der Marktlokation an den Grund- und Ersatzversorger übermittelt werde. Aus Sicht der Letztverbraucher wäre das potentielle Ersatzbelieferungsverhältnis auch so wenig konkretisiert, dass es an den wesentlichen Vertragsbestandteilen fehlen würde.
b) Diese Würdigung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die dagegen gerichteten Einwände der Revision greifen nicht durch.
aa) Die Revision macht geltend, die Netzbetreiberin werde durch die Regelung in den Preisblättern ermächtigt, die Klägerin im Falle einer Versorgungslücke beim jeweiligen Grund- und Ersatzversorger anzumelden. Ob eine Versorgungslücke vorliege, sei aus der Sicht eines vernünftigen Dritten in der Position des Netzbetreibers zu beurteilen, der keine Kenntnis von dem durch die Klägerin geschlossenen Neuvertrag mit der Streithelferin hat. Die Netzbetreiberin sei als Erklärungsbotin berechtigt, ein Angebot der Klägerin gegenüber der Beklagten als zuständigem Ersatz- und Grundversorger abzugeben. Dieses liege in der Anmeldung der Ersatzversorgung gegenüber der Beklagten und sei durch die Belieferung mit Strom konkludent angenommen worden. Zu Unrecht gehe das Berufungsgericht davon aus, das Preisblatt sei nur informatorischer Natur. Gerade weil § 38 EnWG keine unmittelbare Anwendung finde, sei eine vertragliche Vereinbarung notwendig. Es fehle auch nicht an der erforderlichen Konkretisierung. Die Bestimmbarkeit des Grundversorgers nach § 36 Abs. 2 EnWG reiche ebenso aus wie die Leistungsbestimmung nach §§ 315, 316 BGB.
bb) Mit diesen Ausführungen nimmt die Revision nur eine vom Berufungsgericht abweichende Würdigung des Erklärungsgehalts des Anschlussnutzungsvertrages und des Preisblatts vor, ohne einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts aufzuzeigen. Insbesondere legt die Revision der Beklagten zu 2 nicht dar, inwiefern dem Anschlussnutzungsvertrag ein Hinweis darauf entnommen werden kann, dass der jeweilige Letztverbraucher mit dessen Abschluss aus Sicht eines objektiven Empfängers zugleich erklärt hat, ein - unter der aufschiebenden Bedingung einer Versorgungslücke stehendes und durch die Beklagte zu 1 zu übermittelndes - Angebot auf Abschluss eines Ersatzversorgungsvertrags mit dem für die Niederspannungsebene zuständigen Grundund Ersatzversorger abzugeben. Insoweit wird auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung "Lieferantenausfall bei Mittelspannungskunden" vom 17. September 2024 (EnZR 57/23, Rn. 42 ff.) Bezug genommen.
c) Auf die weitere vom Berufungsgericht erörterte Frage, ob eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Netzbetreiberin enthaltene Ermächtigung, die Entnahmestelle eines Letztverbrauchers bei einer Versorgungslücke dem Grund- und Ersatzversorger zu melden, gegen das Diskriminierungsverbot aus § 20 Abs. 1 Satz 1 EnWG, gegen die Entflechtungsvorschriften (§ 6 EnWG) oder das Gebot der Netzneutralität verstoßen würde, kommt es daher nicht an.
3. Ein Stromliefervertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten ist auch nicht konkludent im Wege einer Realofferte durch die Bereitstellung und einer Annahme durch die Abnahme des Stroms zustande gekommen.
a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für den Niederspannungsbereich anerkannt, dass die Bereitstellung von Energie eine Realofferte darstellt, die vom Letztverbraucher mit der Entnahme konkludent angenommen werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04, RdE 2005, 140 [juris Rn. 14]; vom 22. Januar 2014 - VIII ZR 391/12, RdE 2015,
Rn. 13; vom 10. Mai 2022 - EnZR 54/21, RdE 2022, 404 Rn. 13 bis 15 mwN - Verbrauchsstelle Goldbuschfeld). Diese Rechtsprechung bezieht sich allerdings auf die Grundversorgung, bei der die allgemeinen Preise für die Versorgung in einen konkludent geschlossenen Vertrag einbezogen werden können. Außerhalb der Grundversorgung besteht keine entsprechende Veröffentlichungspflicht (§ 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG). Es kommt deshalb auf die Umstände des Einzelfalls an, ob die Bereitstellung der Elektrizität und die Stromentnahme als tatsächliche Verhaltensweisen als Vertragserklärungen verstanden werden können.
b) Hier konnte die Klägerin schon deshalb nicht von einer Realofferte seitens der Beklagten ausgehen, da sie bereits am 22. Dezember 2018 einen Liefervertrag mit der Streithelferin für den fraglichen Zeitraum geschlossen hatte und daher von einer Stromlieferung durch die Streithelferin ausgehen musste. Die Voraussetzungen für einen konkludenten Vertragsschluss fehlen, wenn der Abnehmer zuvor einen Stromlieferungsvertrag mit einem anderen Energieversorger geschlossen hat und nicht weiß, dass dieser ihn vertragswidrig nicht beliefert (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2005 - VIII ZR 140/04, NJW-RR 2005, 1426 [juris Rn. 13]; RdE 2015, 26 Rn. 14, jeweils mwN). Denn nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Maßstäben, die auch für die Bewertung eines schlüssigen Verhaltens als eine zum Vertragsschluss führende Willenserklärung maßgeblich sind, kommt es darauf an, wie das Verhalten objektiv aus der Sicht des Erklärungsgegners zu verstehen war. Es ist also zu fragen, ob für die Klägerin nach den ihr bekannten oder jedenfalls erkennbaren Umständen ersichtlich war, dass in der Stromlieferung im fraglichen Zeitraum eine an sie gerichtete Realofferte der Beklagten auf Abschluss eines Stromlieferungsvertrages zu sehen war (vgl. BGH, RdE 2015, 26 Rn. 14 mwN). Das ist aufgrund des Liefervertrags mit der Streithelferin nicht der Fall.
c) Daran ändert das Schreiben der Beklagten vom 4. Januar 2019 nichts. Soweit darin mitgeteilt wird, nach Angaben der Netzbetreiberin sei die Stromversorgung der Lieferstelle ab dem 1. Januar 2019 infolge des Ausfalls der D GmbH nicht mehr sichergestellt und die Stromversorgung werde deshalb von der Beklagten als örtlichem Grund- und Ersatzversorger sichergestellt, musste die Klägerin daraus nicht schließen, dass auch die Streithelferin ausfallen werde. Angesichts des erst kurz zuvor abgeschlossenen Neuvertrags lag vielmehr die Annahme nahe, das Schreiben sei überholt. Dafür sprach auch, dass nur von dem Ausfall der D GmbH die Rede war. Das Schreiben enthält demgegenüber keine Aussage zur Erfüllbarkeit des Neuvertrags mit der Streithelferin. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht angenommen, dass es die Klägerin nicht zum Anlass nehmen musste, den angebotenen Strom als Realofferte der Beklagten aufzufassen.
d) Etwas anderes gilt auch nicht vor dem Hintergrund des Schreibens vom 27. Dezember 2018, in dem die Netzbetreiberin der Klägerin mitteilt, dass der Vertrag mit der D GmbH über die Belieferung mit Strom ab dem 1. Januar 2019 wegen der Kündigung des Bilanzkreisvertrages nicht zustande komme, die Stromversorgung an ihrer Entnahmestelle jedoch weiterhin unterbrechungsfrei sichergestellt bleibe und die Netzbetreiberin den zuständigen Grundversorger mit der Übernahme der Ersatzversorgung beauftragt habe. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts konnte die Klägerin diesem Schreiben - auch in der Gesamtschau mit dem Schreiben vom 4. Januar 2019 nicht entnehmen, dass eine rechtzeitige Anmeldung ihrer Marktlokation im Bilanzkreis der Streithelferin zum 1. Januar 2019 nicht erfolgt war. Diese Würdigung ist nicht zu beanstanden.
e) Das Berufungsgericht hat auch - von der Revision unbeanstandet - keine anderweitigen Feststellungen getroffen, die aus objektiver Sicht auf eine Kenntnis der Klägerin von der versäumten Anmeldung durch die Streithelferin schließen lassen und die Annahme der Klägerin gerechtfertigt haben könnten, sie werde nicht von dieser versorgt.
4. Nicht durchzudringen vermag die Revision schließlich mit dem Einwand, für die Bereitstellung der entnommenen Strommengen könne die Beklagte Aufwendungsersatz nach den Grundsätzen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag geltend machen, §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB. Hierfür fehlt es bereits objektiv am Führen eines fremden Geschäfts durch die Beklagte, da die entnommenen Strommengen wirtschaftlich der Streithelferin zuzuordnen sind und daher von dieser als geliefert gelten. Bei Stromentnahmen auf Grundlage eines Vertragsverhältnisses gilt die entnommene Energie als von dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen geliefert, das Vertragspartner des Letztverbrauchers ist und wird dessen Bilanzkreis (oder Unterbilanzkreis) zugeschrieben (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2020 - EnVR 104/19, RdE 2021, 275 Rn. 21 - Unberechtigt genutzte Lieferstellen; RdE 2022, 404 Rn. 20 Verbrauchsstelle Goldbuschfeld). Vorliegend war zwar die Marktlokation der Klägerin von der Netzbetreiberin der Beklagten zugeordnet worden; diese Zuordnung war jedoch fehlerhaft. Insoweit wird auf die Ausführungen in der Parallelentscheidung "Lieferantenausfall bei Mittelspannungskunden" vom 17. September 2024 (EnZR 57/23, Rn. 35 ff.) Bezug genommen. Die fehlerhafte bilanzielle Zuordnung einer Verbrauchsstelle und des dort entnommenen Stroms hat auf die wirtschaftliche und zivilrechtliche Zuordnung des unberechtigt entnommenen Stroms keinen Einfluss. Sie ändert nichts an dem Umstand, dass dieser aus dem Vermögen des vertraglich verpflichteten Elektrizitätsversorgungsunternehmens stammt, also hier der Streithelferin. Die buchhalterische Zuordnung der aus dem Stromnetz entnommenen Strommengen zu den Bilanzkreisen von Elektrizitätsversorgungsunternehmen determiniert nicht die zivilrechtliche Zuordnung im Verhältnis zum Strom entnehmenden Letztverbraucher (vgl. BGH,
RdE 2022, 404 Rn. 27 - Verbrauchsstelle Goldbuschfeld). Gilt der Strom als von der Streithelferin geliefert, hat die Beklagte kein Geschäft der Klägerin geführt.
5. Nach Maßgabe dieser Erwägungen scheidet auch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 1, 2 BGB aus. Da der entnommene Strom als von der Streithelferin geliefert gilt, hat die Klägerin weder etwas durch Leistung der Beklagten erlangt, noch in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts der Beklagten eingegriffen.
6. Das Berufungsgericht hat zutreffend auch einen Anspruch auf Zinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten wegen Verzugs zuerkannt, §§ 280, 286, 288 BGB. Einwände hierzu macht die Revision nicht geltend.
- 15 33 III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Kirchhoff Holzinger Tolkmitt Kochendörfer Picker Vorinstanzen: LG Essen, Entscheidung vom 28.01.2022 - 41 O 20/19 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 02.03.2023 - VI-5 U 3/22 (Kart) -