6 StR 132/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 132/24 BESCHLUSS vom 29. April 2024 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:290424B6STR132.24.0 Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2024 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 27. November 2023 a) dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis, des Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie des Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung schuldig ist; b) aufgehoben in den Strafaussprüchen zu den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafausspruch, wobei die zugehörigen Feststellungen Bestand haben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe: 1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ (Fall II.1 der Urteilsgründe) „in Tatmehrheit mit Diebstahl in zwei tatmehrheitlichen Fällen, jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, in einem Fall davon in Tateinheit mit Urkundenfälschung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis“ (Fall II.2 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Sein auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestütztes Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch hält revisionsgerichtlicher Prüfung nicht in vollem Umfang stand.
a) Er ist im Fall II.1 der Urteilsgründe nach § 354a i.V.m. § 354 Abs. 1 StPO zu ändern.
aa) Nach den Feststellungen verwahrte und verpackte der Angeklagte zum gewinnbringenden Verkauf 43,55 Gramm Haschisch mit einer Wirkstoffmenge von 11,8 Gramm THC in seinem Zimmer, in dem sich griffbereit an der Rückseite des Kühlschranks eine geladene und funktionstüchtige Schreckschusspistole befand, bei der der Explosionsdruck nach vorn austritt. Die Strafkammer hat dieses Verhalten – im Urteilszeitpunkt zutreffend – als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gewertet.
bb) Seit dem 1. April 2024 werden Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis nicht mehr vom Betäubungsmittelgesetz, sondern dem Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) erfasst. Dies ist hier das nach § 2 Abs. 3 StGB mildere Gesetz. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Strafkammer einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG angenommen hat. Der Senat kann ausschließen, dass der Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle nach § 34 Abs. 4 KCanG nicht zur Anwendung gelangt, obgleich dem Umstand, dass es sich bei Cannabis um eine „Droge mit geringem Gefährdungspotential“ handelt, unter dem KCanG keine strafmildernde Bedeutung (vgl. zum BtMG BGH, Urteil vom 15. Dezember 2022 – 3 StR 295/22, Rn. 30 mwN) beizumessen ist. Denn die Strafkammer hat die Anwendung des Sonderstrafrahmens des § 30a Abs. 3 BtMG nicht maßgeblich auf diesen Umstand gestützt, sondern mit zahlreichen weiteren Umständen begründet.
cc) Das vom Landgericht festgestellte Geschehen erfüllt den Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG.
Bei Haschisch handelt es sich um ein Produkt der Cannabispflanze, das nach den Begriffsbestimmungen des KCanG als „Cannabis“ erfasst wird (§ 1 Nr. 5 KCanG). Die Tathandlungen nach § 34 Abs. 1 KCanG hat der Gesetzgeber an die Begrifflichkeiten des BtMG angelehnt und hinsichtlich des Handeltreibens zudem auf die hierzu ergangene Rechtsprechung Bezug genommen (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94). Der Verbrechenstatbestand des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG ist § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nachgebildet (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 132). Soweit § 34 Abs. 4 KCanG das Handeltreiben mit einer nicht geringen Menge Cannabis verlangt, beträgt der Grenzwert der nicht geringen Menge des maßgeblichen Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (§ 1 Nr. 2 KCanG) 7,5 Gramm und ist hier überschritten (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24).
b) Im Fall II.2 der Urteilsgründe hat die tateinheitliche Verurteilung wegen Sachbeschädigung (§ 303 StGB) zu entfallen.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte „noch kein Interesse am Diebstahl eines Fahrzeugs“ und stand unbeteiligt abseits, als einer seiner Begleiter das Fenster des Bürocontainers einwarf, um aus diesem Fahrzeugschlüssel zu entwenden. Der über keine Fahrerlaubnis verfügende Angeklagte entschloss sich, an der Tat mitzuwirken, als er sich ans Steuer des mit den zuvor gestohlenen Schlüsseln geöffneten Fahrzeugs setzte und dieses vom Gelände fuhr. Er stoppte das Fahrzeug auf Aufforderung eines Mitfahrers, der es mit von einem abgestellten Fahrzeug abmontierten Kennzeichen ausstattete, und setzte die Fahrt fort.
Da die Sachbeschädigung bereits beendet war, als der Angeklagte sich zur Beteiligung entschloss, vermag sein Einverständnis mit dem Vorgehen seiner Begleiter seine strafrechtliche Verantwortlichkeit insoweit auch nach den Grundsätzen der sukzessiven Mittäterschaft nicht zu begründen (vgl. BGH, Urteile vom 27. Januar 2022 – 3 StR 245/21; vom 10.September 2020 – 4 StR 14/20). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO.
2. Die Schuldspruchänderungen führen zur Aufhebung der jeweiligen Strafaussprüche.
a) Die Strafkammer ist bei der Strafzumessung im Fall II.1 – seinerzeit zutreffend – von den Strafrahmen des § 30a BtMG ausgegangen, die eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren und für minder schwere Fälle eine solche von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsehen. Demgegenüber ist der Strafrahmen des § 34 Abs. 4 KCanG niedriger, der von zwei bis 15 Jahren und in minder schweren Fällen von drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe reicht. Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Angeklagte bei Anwendung der neuen Regelungen zu einer noch niedrigeren Strafe verurteilt worden wäre. 13 b) Im Fall II.2 hat die Strafkammer die tateinheitliche Verurteilung wegen Sachbeschädigung ausdrücklich strafschärfend gewertet, so dass der Senat insoweit nicht ausschließen kann, dass sie ohne Berücksichtigung dieses Deliktes zu einer milderen Strafe gelangt wäre.
Die Aufhebung der Strafen in den Fällen II.1 und II.2 entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
Sander Wenske Fritsche von Schmettau Arnoldi Vorinstanz: LG Schweinfurt: 27.11.2023 - 4 KLs 12 Js 2737/23 verbunden mit 4 KLs 14 Js 774/22