20 W (pat) 84/13
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 84/13
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2008 057 235.7 …
hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) am 21. September 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Mayer, die Richterin Dorn sowie die Richter Dipl.-Ing. Albertshofer und Dipl.-Geophys. Dr. Wollny beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 152 08.05 Gründe I.
Die vorliegende Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen10 2008 057 235.7 ist am 10. November 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden. Sie trägt nach Angabe des Anmelders vom 12. Februar 2009 die Bezeichnung:
„Geldautomat“.
Die Prüfungsstelle für Klasse G 07 F des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Patentanmeldung mit Beschluss in der Anhörung vom 2. Oktober 2013 zurückgewiesen. Der Zurückweisung lagen die Patentansprüche 1 bis 6 vom Anmeldetag 10. November 2008 zu Grunde. Die Prüfungsstelle hat in ihrem Zurückweisungsbeschluss argumentiert, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 in naheliegender Weise aus einer Zusammenschau der Druckschriften DE 699 23 463 T2 (D1) und DE 20 2007 000 708 U1 (D2) ergebe. Der Anspruch 1 sei demnach mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss der Prüfungsstelle verwiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 22. Oktober 2013 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Beschwerde des Anmelders. Eine mündliche Verhandlung hat er nicht beantragt, auch hat er in seiner Beschwerdeschrift keine Gründe vorgetragen, die sich mit dem von der Prüfungsstelle genannten Zurückweisungsgrund befassen.
Der Anmelder hat mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2013 sinngemäß beantragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 07 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Oktober 2013 aufzuheben und das nachgesuchte Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche: Patentansprüche 1 bis 6 vom Anmeldetag (10. November 2008)
Beschreibung:
(einzige) Beschreibungsseite vom Anmeldetag (10. November 2008)
Zeichnungen:
(einzige) Figur 1 vom Anmeldetag (10. November 2008).
Der geltende Anspruch 1 lautet:
„Das Geldautomatmodul ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Leseeinrichtung (14) für den Personalausweis (16) mit dem Geldautomatmodul (10) verbunden ist.“
Hieran schließen sich die Unteransprüche 2 bis 6 mit folgendem Wortlaut an:
„2. Das Geldautomatmodul ist nach Anspruch 1 dadurch gekennzeichnet, dass der Personalausweis (16) ein ldentifikationsmerkmal ist.
3. Das Geldautomatmodul ist nach Anspruch 1 oder 2 dadurch gekennzeichnet, dass ein von der Leseeinrichtung (14) auswertbarer Personalausweis (16) ein Speicher für Daten vorgesehen ist.
4. Das Geldautomatmodul ist nach einem der vorhergehenden Ansprüche dadurch gekennzeichnet, dass auf einem von der Leseeinrichtung (14) auswertbarem Personalausweis (16) individuell ein Speicher für Daten vorgesehen ist.
5. Das Geldautomatmodul ist nach Anspruch 4 dadurch gekennzeichnet, dass zur Speicherung von individuellen Daten eine Dateneingabevorrichtung insbesondere ein Personalcomputer mit Schreibeinrichtung vorgesehen ist.
6. Das Geldautomatmodul ist nach einem der vorhergehenden Ansprüche dadurch gekennzeichnet, dass das Geldautomatmodulsystem ferner eine Auswerteinrichtung (22) umfasst, welche Einträge auf dem Personalausweis (16) auswertet und diese Daten berechnet.“
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteinhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Durch Streichung der ersten Seite der Beschreibung, bei der es sich laut Anmelder lediglich um ein Deckblatt gehandelt hat (vgl. Schriftsatz des Anmelders vom 15. August 2012), erfüllt die Anmeldung zwar die Anforderungen der Offensichtlichkeitsprüfung (§ 42 PatG), eine Anmeldung ist jedoch dann zurückzuweisen, wenn die folgende Prüfung ergibt, dass eine nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähige Erfindung nicht vorliegt (§ 48 PatG).
2. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ergibt sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus der Druckschrift DE 699 23 463 T2 (D1) (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 4 PatG).
Aus der Druckschrift D1 ist ein Geldautomat (60 bzw. 66) bekannt (siehe Abs. [0123] und Fig. 18, dort mit Bezz. 66 versehen), welcher eine Leseeinrichtung (vgl. Abs. [0124], „Kartensensor 68“) für eine IC-Karte aufweist, die einen nichtflüchtigen Speicher, einen Prozessor, eine Authentifizierungsschaltung oder ähnliches umfasst (vgl. D1, Abs. [0002]). Gemäß Absatz [0124] und Figur 19 dieser Druckschrift ist die Leseeinrichtung als so genannter „dedizierter Kasten (65)“ ausgebildet. Bei dem aus der Druckschrift D1 bekannten Gegenstand handelt es sich mithin um ein Geldautomatmodul, mit dem die Leseeinrichtung verbunden ist.
Der einzige Unterschied zur beanspruchten Vorrichtung besteht darin, diese Leseeinrichtung speziell für einen Personalausweis einzusetzen.
Für den Fachmann, einen Elektrotechniker mit Fachhochschulausbildung und Erfahrung in der Konstruktion von Lesegeräten für Geldautomaten, spricht technisch nichts dagegen, die in der Druckschrift D1 vorgestellte Leseeinrichtung in naheliegender Weise auch als geeignet für den Einsatz als Leseeinrichtung für einen Personalausweis vorzusehen. Jeder „Gegenstand“ mit entsprechend lesbaren Identifizierungsmerkmalen ist hier geeignet. Auf die weiteren Verwendungsmöglichkeiten dieses Gegenstandes kommt es dann nicht an. Die anspruchsgemäße Zweckbestimmung (= „für den Personalausweis“) stellt daher zur Überzeugung des Senates keine technische Beschränkung dar, da sie keine baulichen Eigenheiten der Leseeinrichtung zur Folge hat.
Damit ergibt sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 mit allen seinen Merkmalen in naheliegender Weise aus der Druckschrift DE 699 23 463 T2 (D1). Er ist daher nicht patentfähig.
3. Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch alle anderen abhängigen Ansprüche, da das Patent nur so erteilt werden kann, wie es beantragt ist (BGH, Beschluss vom 22. Juni 1993 – X ZB 22/92, GRUR 1993, 896 - Leistungshalbleiter; BGH, Beschluss vom 27. Februar 2008 – X ZB 10/07, GRUR-RR 2008, 456 Rn. 22 m. w. N. – Installiereinrichtung).
Abgesehen davon gehen die Merkmale der Patentansprüche 2 bis 6 ebenfalls aus der Druckschrift DE 699 23 463 T2 (D1) hervor.
Entsprechend den geltenden Patentansprüchen 2 bis 4 weist die bekannte IC-Karte (die einem Ausweis entspricht) ein ldentifikationsmerkmal („persönliche Informationen“) auf, wozu ein Speicher für individuelle Daten vorgesehen ist (vgl. D1, Abs. [0002], „IC-Karten sind Karten, die eine integrierte Einrichtung mit einem nichtflüchtigen Speicher, einem Prozessor, einer Authentifizierungsschaltung oder ähnlichem umfassen (auch als One-Chip-IC bezeichnet).“; „Auf die auf der IC-Karte aufgezeichneten persönlichen Informationen kann dann bei Bedarf zugegriffen werden.“; Unterstreichungen hinzugefügt). Diese Merkmale sind speziell für einen Personalausweis auch aus der Druckschrift DE 20 2007 000 708 U1 (D2) bekannt (vgl. D2, Abs. [0002], „Es werden in neuerer Zeit Ausweisdokumente immer häufiger mit elektronischen Speichern versehen, auf denen die zur Identifikation des Besitzers erforderlichen Daten gespeichert werden.“; Absatz [0003], „So kann es geschehen, dass ein etwa in der Geldbörse mitgeführter Personalausweis, welche einen Speicherchip, etwa einen RFID-Chip, aufweist …“).
Der bekannte Geldautomat nach der Druckschrift D1 weist - entsprechend dem geltenden Patentanspruch 5 - eine Dateneingabevorrichtung zur Speicherung von individuellen Daten auf (vgl. D1, Abs. [0123], „… umfasst der Geldautomat … einen Berührungsbildschirm 62 zum Empfangen der Eingabe einer Identifikationsnummer eines IC-Karten-Eigentümers bzw. einer PIN (Personal Identification Number: Persönliche Identifikationsnummer)“) und umfasst ferner eine Auswerteinrichtung entsprechend dem geltenden Patentanspruch 6, welche Einträge auf der IC-Karte auswertet und diese Daten berechnet (vgl. D1, Abs. [0123], „… wenn der IC-Karten-Eigentümer durch eine gegenseitige Authentifizierung unter Verwendung der Karteninformationen und der Bioinformationen authentifiziert wurde.“).
Der Senat kann auch in der vorliegenden Beschreibung nichts erkennen, was eine Patentfähigkeit begründen könnte. Soweit ihr zu entnehmen ist, dass es sich bei den Identifikationsmerkmalen aus Patentanspruch 2 um biometrische Informationen handeln kann (vgl. Beschreibung, Spalte, „face check“), so ist dies ebenfalls aus der Druckschrift D1 bekannt (vgl. D1, Abs. [0123], „…einen Biosensor 63 zum Lesen von Bioinformationen zu dem IC-Karten-Eigentümer wie etwa der Gesichtskontur, dem Irismuster in den Augen oder Fingerabdrücken“).
4. Eine mündliche Verhandlung hat der Anmelder nicht beantragt und wurde vom Senat auch nicht für sachdienlich erachtet (§ 78 PatG).
5. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage kann vorliegend ferner dahingestellt bleiben, ob der elektronisch erstellte und signierte Beschluss des DPMA möglicherweise an Wirksamkeitsmängeln leidet (vgl. BPatG, Beschluss vom 12. Mai 2014 – 20 W (pat) 28/12, BlPMZ 2014, 355 – u. a. im Hinblick auf das Erfordernis einer signierten Urschrift in der elektronischen Akte).
Im Ergebnis kann somit dem Antrag des Anmelders, nämlich den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle vom 2. Oktober 2013 aufzuheben und in Folge ein Patent auf Basis des von ihm gestellten Antrags zu erteilen, nicht stattgegeben werden. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Rechtsbehelfsbelehrung Gegen diesen Beschluss des Beschwerdesenats steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten die Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Absatz 2, § 100 Absatz 1, § 101 Absatz 1 des Patentgesetzes).
Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist
(§ 100 Absatz 3 des Patentgesetzes).
Die Rechtsbeschwerde ist beim Bundesgerichtshof einzulegen (§ 100 Absatz 1 des Patentgesetzes). Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe (§ 123 GVG).
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof schriftlich einzulegen (§ 102 Absatz 1 des Patentgesetzes). Die Postanschrift lautet: Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe.
Sie kann auch als elektronisches Dokument eingereicht werden (§ 125a Absatz 2 des Patentgesetzes in Verbindung mit der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2130)). In diesem Fall muss die Einreichung durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes erfolgen (§ 2 Absatz 2 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 101 Absatz 2 des Patentgesetzes). Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen. Die Frist für die Begründung beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 102 Absatz 3 des Patentgesetzes). Die Begründung muss enthalten:
1. die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und seine Abänderung oder Aufhebung beantragt wird;
2. die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm; 3. insoweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben
(§ 102 Absatz 4 des Patentgesetzes).
Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 102 Absatz 5 des Patentgesetzes).
Dr. Mayer Dorn Albertshofer Dr. Wollny Pü