IX ZR 251/22
BUNDESGERICHTSHOF IX ZR 251/22 IM NAMEN DES VOLKES URTEIL in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2024:211124UIXZR251.22.0 Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2024 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Schoppmeyer, den Richter Dr. Schultz, die Richterin Dr. Selbmann, die Richter Dr. Harms und Kunnes für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. Mai 2022 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Am 3. Juni 2019 buchte der Kläger bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen für seine Schwiegereltern, die Eheleute R. , Flüge von Frankfurt am Main nach Kapstadt in Südafrika und wieder zurück für ein nicht bekanntes Datum ab dem 1. Dezember 2019. Der Kläger bezahlte den Flugpreis von insgesamt 3.053,96 €. Am 1. Dezember 2019 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet. Die Beklagte setzte den Flugbetrieb fort. Am 4. März 2020 erfolgte eine Umbuchung der Flüge aufgrund der Covid-19-Pandemie dergestalt, dass der Hinflug am 4. April 2020 und der Rückflug am 15. April 2020 stattfinden sollte. Die Beklagte erteilte dem Ehepaar R. eine Buchungsbestätigung. Am 1. April 2020 sagte die Beklagte auch diese Flüge wegen der Covid-19-Pandemie ab und bot eine erneute Umbuchung an. Zu einer Erstattung der Flugscheinkosten kam es trotz Aufforderung sowie Anwaltsschreiben nicht. Eine Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle erfolgte nicht. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten wurde, nachdem ein Insolvenzplan zustande gekommen war, mit Beschluss vom 26. November 2020 mit Wirkung zum 30. November 2020 aufgehoben. Der Insolvenzplan sieht für Insolvenzforderungen eine Quote von 0,1 % und Zusatzquoten vor. Ansprüche unter 10 € sind erst mit der Fälligkeit der Zusatzquote zu zahlen. Das Ehepaar R. hat seine Forderungen an den Kläger abgetreten. 2 Der Kläger verlangt Erstattung der Flugscheinkosten über 3.053,96 € nebst Zinsen sowie Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Bei dem Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG)
Nr. 295/91 (ABl. EU L 46 S. 1; im Folgenden: Fluggastrechteverordnung oder Fluggastrechte-VO) handele es sich um einen gesetzlich begründeten Sekundäranspruch. Dieser Anspruch stelle zwar grundsätzlich eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar, weil er erst durch die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Annullierung des Flugs begründet werde. Ein Anspruch nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a Fluggastrechte-VO setze jedoch einen Beförderungsanspruch voraus. Ein solcher habe den Zedenten allerdings im Zeitpunkt der Annullierung des am 4. März 2020 gebuchten Flugs nicht mehr zugestanden. Der Anspruch auf Beförderung habe sich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 45 Satz 1 InsO in eine auf Geld gerichtete Forderung gewandelt. Da es am 4. März 2020 lediglich zu einer Umbuchung, nicht jedoch zu einer Neubuchung gekommen und insbesondere der Masse kein neuer Vermögenswert zugefügt worden sei, wirke sich die Verschiebung der Flugzeiten auf das Ergebnis nicht aus. Die Zahlung der Planquote von 1,53 € pro Fluggast sei nicht beantragt; der Anspruch wäre im Übrigen auch nicht fällig.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
1. Grundlage des klägerischen Begehrens ist Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a Fluggastrechte-VO. Danach können Fluggäste bei Annullierung eines Flugs die vollständige Erstattung der Flugscheinkosten verlangen.
2. Die auf dieser Grundlage geltend gemachten Ansprüche stellen nur Insolvenzforderungen nach § 38 InsO dar. Sie können gemäß §§ 254, 254b InsO nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nur nach Maßgabe des Insolvenzplans zuerkannt werden.
a) Der Senat hat bereits entschieden, dass sich die Frage, ob Ansprüche, auch soweit Rechte nach der Fluggastrechteverordnung inmitten stehen, Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten darstellen, nach deutschem Insolvenzrecht richtet. Er hat ferner entschieden, dass die ursprünglichen Beförderungsansprüche aus einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgten Buchung Insolvenzforderungen im Sinne von § 38 InsO darstellen und nicht dem Wahlrecht der Beklagten aus §§ 279, 103 InsO unterfallen, weil der Kläger den Flugpreis vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollständig bezahlt hatte. Auch wertet die Fortsetzung des Flugbetriebs weder für sich genommen noch in Verbindung mit etwaigen Erklärungen der Beklagten, der Flugbetrieb werde fortgesetzt, Insolvenzforderungen zu Masseverbindlichkeiten auf (BGH, Urteil vom 26. September 2024 - IX ZR 146/22, WM 2024, 1917 Rn. 9 ff). Hiergegen erinnern die Parteien nichts.
b) Die Beförderungsansprüche der Zedenten und die damit verbundenen Rechte aus der bestätigten Buchung sind auch nicht infolge der Umbuchung nachträglich zu Masseverbindlichkeiten geworden (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Variante 1 InsO).
aa) Zwar kann eine Insolvenzforderung durch Vereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgläubiger zu einer Masseverbindlichkeit werden. Sie erfordert angesichts ihrer einschneidenden Wirkungen, dass die Anforderungen an eine Schuldumschaffung (Novation) erfüllt sind oder die Vereinbarung in einer der Novation vergleichbaren Weise zur Begründung einer Masseverbindlichkeit führt. Eine schuldumschaffend wirkende Novation setzt den Willen der Parteien voraus, das alte Schuldverhältnis durch ein neues zu ersetzen und damit zugleich das alte Schuldverhältnis aufzuheben, so dass die Beteiligten nicht mehr darauf zurückgreifen können. Entsprechend gilt für eine schuldumschaffende Vereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und einem Insolvenzgläubiger, dass diese keinen Zweifel daran lassen darf, dass eine (Neu-)Begründung der Verbindlichkeit als nunmehr gemäß § 53 InsO aus der Insolvenzmasse vorweg zu berichtigende Masseverbindlichkeit gewollt ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2024 - IX ZR 146/22, WM 2024, 1917 Rn. 14 f).
bb) Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen einer solchen schuldumschaffenden Vereinbarung nach den getroffenen Feststellungen nicht erfüllt. Eine nach Insolvenzeröffnung erfolgte Umbuchung eines Flugs genügt hierzu nicht. Wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat (BGH, Urteil vom 26. September 2024 - IX ZR 146/22, WM 2024, 1917 Rn. 17), werden durch Umbuchungen am bestehenden Vertrag nur einzelne Änderungen vorgenommen, die übrigen Vertragsbestimmungen bleiben unverändert. Hat der Fluggast das ursprünglich vereinbarte Entgelt bereits bezahlt, führt die Umbuchung nicht dazu, dass nunmehr ein erneuter Anspruch auf Bezahlung des Entgelts entsteht. Auch der Rechtsverkehr sieht Umbuchungen, bei denen eine gewählte Beförderungsleistung durch eine andere Beförderungsleistung ersetzt wird, regelmäßig als bloße Änderung des bestehenden Vertrags an.
Daran gemessen, stellen selbst weitreichende Änderungen wie der Austausch des Flugziels oder - wie hier - eine (erhebliche) Verschiebung des Reisezeitraums keine Novation dar. Auch in diesen Fällen bleibt die Anbindung an das ursprüngliche Vertragsverhältnis gewahrt, denn die bisher geschuldete Beförderungsleistung wird durch eine konkrete andere Beförderungsleistung ersetzt; die übrigen Vertragsbedingungen bleiben unverändert. Der Anlass für die Umbuchung ist insoweit ohne Bedeutung (BGH, Urteil vom 26. September 2024 - IX ZR 246/22, juris Rn. 17).
cc) Soweit die Revision geltend macht, die Beklagte habe dem Kläger nach der Stornierung der ursprünglich gebuchten Flüge einen Gutschein über ein flexibel einsetzbares Guthaben erteilt, welches der Kläger sodann zur Buchung der Hin- und Rückflüge am 4. und 15. April 2020 eingesetzt habe, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigungsfähig ist (§ 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Landgericht hat festgestellt, dass die ursprünglich gebuchten Flüge umgebucht worden sind.
c) Der Insolvenzplan gilt auch für während des Insolvenzverfahrens abgeänderte Insolvenzforderungen. Der Insolvenzplan regelt unter C.VI.1., dass die Gläubiger im Rang des § 38 InsO auf ihre quotenberechtigten Forderungen eine "Basisquote" in Höhe von 0,1 % erhalten. Die Kürzung knüpft somit allein an den Rang der Forderung an.
d) Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, dass die Voraussetzungen, unter denen der Insolvenzplan eine Auszahlung der Quote vorsieht, derzeit nicht erfüllt sind, greift die Revision dies nicht an.
Schoppmeyer Harms Schultz Kunnes Selbmann Vorinstanzen: AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 24.11.2021 - 29 C 507/21 (11) LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 25.05.2022 - 2-24 S 246/21 - Verkündet am: 21. November 2024 Kluckow, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle