5 StR 62/25
BUNDESGERICHTSHOF StR 62/25 BESCHLUSS vom 17. Juli 2025 in der Strafsache gegen
1. 2. 3. 4.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ECLI:DE:BGH:2025:170725B5STR62.25.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juli 2025 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, entsprechend § 354 Abs. 1 sowie nach § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin I vom 21. August 2024 a) im Schuld- und Strafausspruch dahin geändert, dass aa) die Angeklagten A. M. , Y. und S.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Strafen von fünf Jahren (A. M. ), vier Jahren und neun Monaten
(Y. ) sowie drei Jahren und neun Monaten (
S. ) verurteilt sind,
bb) der Angeklagte Sa. sowie die nichtrevidierenden Mitangeklagten R. , Rm. und U. wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Strafen von zwei Jahren und vier Monaten (
Sa. ),
zwei Jahren und sechs Monaten (U. ) sowie – unter Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung – zwei Jahren (R. und Rm. ) verurteilt sind; b) im Einziehungsanspruch dahin geändert, dass aa) die Einziehungsanordnungen gegen den Angeklagten S. und den nichtrevidierenden Mitangeklagten Rm. entfallen,
bb) die Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen die Angeklagten A. M. und Y.
in Höhe von
4.313,20 Euro als Gesamtschuldner sowie gegen die nichtrevidierenden Mitangeklagten R. in Höhe von
1.150 Euro,
Sa. in Höhe von 200 Euro und U. in Höhe von 585 Euro angeordnet ist und die weitergehenden Einziehungsanordnungen entfallen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten A. M. , Y. und S. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in jeweils mehreren Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von fünf Jahren (A. M. ), vier Jahren und neun Monaten (Y. ) sowie drei Jahren und neun Monaten (
S. ) verurteilt; im Übrigen hat es die Angeklagten A. M. und S. freigesprochen. Den Angeklagten Sa.
hat es wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen die Angeklagten Einziehungsanordnungen getroffen. Die nichtrevidierenden Mitangeklagten R. , Rm. und U.
hat das Landgericht wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun, acht und elf Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren (R. und Rm. ), deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, und zwei Jahren und sechs Monaten (U. ) verurteilt. Zudem hat es Einziehungsanordnungen gegen die Mitangeklagten getroffen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten führen – auch die nicht revidierenden Mitangeklagten betreffend (§ 357 Satz 1 StPO) – zu den aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderungen im Schuld-, Straf- und Einziehungsausspruch. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne von
§ 349 Abs. 2 StPO.
1. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, dass die konkurrenzrechtliche Beurteilung keinen Bestand haben kann.
a) Das Landgericht hat festgestellt, dass die Angeklagten A. M. und Y. jeweils 100 Gramm Heroin bei einem unbekannten Lieferanten erwarben und in einer „Bunkerwohnung“ verwahrten. In der Folge veräußerten sie die Drogen auf telefonische Bestellung über „Ticker“-Nummern in Portionen zu 0,3 und 0,6 Gramm (sogenannte Heroin-Szenekugeln) selbst oder über „Läufer“ – darunter die Mitangeklagten – an Heroinkonsumenten. Um das nahtlose Handeltreiben sicherzustellen, ließen sie sich die nächste Tranche liefern, bevor sie die vorangegangene Lieferung vollständig verkauft hatten. Aus dem daher nie zur Neige gehenden Vorrat bestritten sie die Verkäufe der Heroin-Szenekugeln.
Das Landgericht hat die insgesamt 14 Lieferungen als gesonderte Taten bewertet. Zwar seien die Lieferungen jeweils teilweise gemeinsam in der „Bunkerwohnung“ verwahrt worden. Die Art und Weise des Besitzes sei aber nicht über die bloße Gleichzeitigkeit hinausgegangen. Denn die Überschneidungen dienten lediglich dazu, den nahtlosen Heroinhandel sicherzustellen, nicht jedoch den noch bestehenden Vorrat aufzustocken. Die Annahme von Tateinheit sei daher nicht gerechtfertigt.
b) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
aa) Mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln können unabhängig vom Vorliegen einer Bewertungseinheit zueinander dann in Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB stehen, wenn ihre tatbestandlichen Ausführungshandlungen sich – teilweise – überschneiden. Da das Vorhalten einer Handelsmenge zum Vertrieb als Teilakt des Handeltreibens anzusehen ist, vermag der gleichzeitige Besitz zweier für den Verkauf bestimmter Vorräte jedenfalls dann Tateinheit in diesem Sinne zu begründen, wenn die Art und Weise der Besitzausübung über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht und die Wertung rechtfertigt, dass – etwa wegen eines räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs – die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die andere darstellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17, BGHSt 63, 1, 8; vom 6. Mai 2024 – 2 StR 480/23, StV 2024, 587, 588; vom 30. Juni 2020 – 6 StR 162/20 Rn. 4).
bb) Gemessen daran stehen die vom Landgericht gesondert abgeurteilten Taten in Tateinheit zueinander. Zwar hat es den zutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt. Es hat aber bei seiner Prüfung nicht einbezogen, dass sich die Überschneidung ausweislich der Urteilsfeststellungen nicht nur auf die jeweils teilweise gemeinsame Verwahrung der Lieferungen in der „Bunkerwohnung“ beschränkte, sondern auch die nachfolgenden Verkäufe der Heroin-Szenekugeln aus diesem „nie zur Neige“ gehenden Vorrat bestritten wurden. Die gemeinsame Besitzausübung über Teile der vorhergehenden mit der nachfolgenden Lieferung ging daher über eine bloße Gleichzeitigkeit hinaus. Denn das Heroin wurde zum einen gemeinsam in derselben „Bunkerwohnung“ gelagert und zum anderen planmäßig im Rahmen und als Teil eines „nahtlosen“ Handeltreibens verkauft.
cc) Der Senat hat den Schuldspruch – auch betreffend die Nichtrevidenten (§ 357 Satz 1 StPO) – in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO geändert, weil ausgeschlossen ist, dass weitergehende Feststellungen getroffen werden können. Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. Die jeweils verhängten Gesamtfreiheitsstrafen können als Freiheitsstrafen bestehen bleiben, denn der Unrechtsgehalt wird durch die abweichende konkurrenzrechtliche Bewertung nicht berührt.
2. Der Einziehungsausspruch hält der rechtlichen Nachprüfung in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang nicht stand. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, dass der Verzicht eines Angeklagten auf sichergestelltes Bargeld zum Erlöschen des staatlichen Einziehungsanspruches nach §§ 73, 73c StGB führt. Dies hat das Landgericht übersehen und daher die Verzichtserklärungen in der Hauptverhandlung bei der Einziehungsentscheidung rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 2024
– 4 StR 93/24 Rn. 13). Wegen der Gleichartigkeit des Rechtsfehlers (vgl. insofern BGH, Beschluss vom 1. August 2024 – 4 StR 2/24; Schmitt/Köhler, StPO, 68. Aufl., § 357 Rn. 14) ist die Erstreckung nach § 357 Satz 1 StPO auf die teils gesamtschuldnerisch mit den Angeklagten A. M. und Y. haftenden Nichtrevidenten geboten (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 2024 – 6 StR 377/24 Rn. 15). Der Senat hat den Einziehungsausspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO geändert.
3. Angesichts des geringen Erfolgs der Rechtsmittel erscheint es nicht unbillig, die Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
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Cirener Werner Köhler Vorinstanz: Landgericht Berlin I, 21.08.2024 - (505 KLs) 274 Js 425/23 (7/24)