V ZB 36/24
BUNDESGERICHTSHOF V ZB 36/24 BESCHLUSS vom 15. Mai 2025 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2025:150525BVZB36.24.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Mai 2025 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Brückner, die Richter Dr. Göbel, Dr. Hamdorf und Dr. Malik und die Richterin Dr. Grau beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts München I - 36. Zivilkammer - vom 10. Juli 2024 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Notanwalts wird als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.500 €.
Gründe:
I.
Der Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Mit seiner Anfechtungsklage wendet er sich gegen mehrere in der Eigentümerversammlung vom 20. Juli 2022 gefasste Beschlüsse. Das Amtsgericht hat die Klage durch Versäumnisurteil vom 22. Juni 2023 abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Einspruch eingelegt und beantragt, die Bearbeitung der Sache bis zu den abschließenden Entscheidungen des Landgerichts in näher benannten Verfahren und insbesondere über die dort anhängigen Besetzungs-,
Verfahrens- und Sachrügen auszusetzen. Nach Ablehnung des Aussetzungsantrags hat das Amtsgericht Termin zur Verhandlung über den Einspruch auf den 5. Oktober 2023 bestimmt. Die Terminsladung ist dem Kläger am 2. September 2023 zugestellt worden. Mit am 25. September 2023 bei Gericht per Fax und am Folgetag im Original eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger beantragt, den Termin aufzuheben und die Verhandlung der Sache bis auf Weiteres auszusetzen. Zur Begründung hat er angeführt, der Termin, der wegen der anderweitig anhängigen Verfahren ohnehin sinnlos sei, falle in seinen traditionell für die letzte September- und erste Oktoberwoche geplanten Jahresurlaub. Eine Verschiebung sei nicht möglich, weil seine Lebenspartnerin nur in diesem Zeitraum Urlaub nehmen könne und kurzfristig Urlaub gebucht habe. Beigefügt war dem (Original-)Antrag eine Buchungsbestätigung mit einem „date of issue“ (26. September 2023) über eine Flugreise für den Kläger und eine Begleitperson vom 27. September 2023 bis 6. Oktober 2023. Das Amtsgericht hat den Verlegungsantrag zurückgewiesen. Nachdem zum Termin am 5. Oktober 2023 für den Kläger wiederum niemand erschienen war, hat das Amtsgericht auf Antrag der Beklagten den Einspruch durch das im Termin verkündete zweite Versäumnisurteil verworfen.
Gegen dieses Versäumnisurteil hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, ein Fall der schuldhaften Säumnis habe nicht vorgelegen. Er habe seine urlaubsbedingte Abwesenheit dem Gericht gegenüber rechtzeitig angezeigt und seine traditionelle Urlaubsplanung in diesem Zeitraum auch als gerichtsbekannt voraussetzen dürfen. Ein Verzicht auf den ersten zusammenhängenden Erholungsurlaub seit zwei Jahren wäre unzumutbar gewesen. Zudem sei die Fortführung des Verfahrens, wie im Verlegungsantrag ausgeführt, im Hinblick auf die Parallelverfahren und auf die dort erhobenen Rügen ohnehin sinnlos gewesen. Das Landgericht hat die Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt. Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach Vorlage der Rechtsmittelbegründung das Mandat niedergelegt hat, hat der Kläger die Beiordnung eines Notanwalts beantragt, um die Rechtsbeschwerde ergänzend begründen zu können.
II.
Das Berufungsgericht, dessen Hinweisbeschluss in ZMR 2024, 1063 veröffentlicht ist, hält die Berufung gegen das zweite Versäumnisurteil für unzulässig, weil der Kläger nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist schlüssig dargelegt habe, dass er den Termin ohne eigenes Verschulden versäumt habe. Ein Verlegungsgrund i.S.d. § 227 Abs. 1 ZPO oder ein Vertagungsgrund i.S.d. § 337 ZPO liege nicht vor. Zwar könne eine geplante Urlaubsreise als erheblicher Grund für eine Verlegung berücksichtigt werden. Die Darlegung des Klägers hätte aber keine Verlegung des Termins gerechtfertigt. Zunächst könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Urlaubsgewohnheiten des Klägers gerichtsbekannt seien. Im Übrigen trage der Kläger selbst vor, dass er die Reise erst am 25. September 2023 gebucht und die Terminsverlegung beantragt habe, obwohl ihm die Terminsverfügung bereits am 2. September 2023 zugestellt worden sei. Unabhängig davon sei das Vorbringen des Klägers zu der Urlaubsplanung auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen widersprüchlich und auch deshalb unschlüssig.
III.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist keine Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass keine unverschuldete Säumnis vorliegt, steht vielmehr in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und verletzt den Kläger nicht in seinen Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
1. Die Berufung gegen ein - wie hier - zweites Versäumnisurteil ist nur insoweit statthaft, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe (§ 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von der Schlüssigkeit der Darlegung dazu hängt die Zulässigkeit des Rechtsmittels ab. Der Sachverhalt, der die Zulässigkeit des Rechtsmittels rechtfertigen soll, ist vollständig und schlüssig innerhalb der Frist der Berufungsbegründung vorzutragen. Schlüssig ist der betreffende Vortrag, wenn die Tatsachen, die die Zulässigkeit der Berufung rechtfertigen sollen, so vollständig und frei von Widersprüchen vorgetragen werden, dass sie, ihre Richtigkeit unterstellt, den Schluss auf fehlendes Verschulden erlauben. Die Verschuldensfrage richtet sich hierbei nach den gleichen Grundsätzen wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dabei dürfen die Gerichte die Anforderungen an den auf § 514 Abs. 2 ZPO gestützten Parteivortrag mit Blick auf den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör nicht überspannen (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2024 - V ZB 50/23, juris Rn. 4 mwN).
2. Nach diesen Grundsätzen geht das Berufungsgericht ohne zulässigkeitsrelevante Rechtsfehler davon aus, der Kläger habe einen Fall der nicht schuldhaften Versäumung des Termins am 5. Oktober 2023 nicht schlüssig dargetan.
a) Richtig ist zwar der Hinweis der Rechtsbeschwerde, dass eine geplante Urlaubsreise der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten regelmäßig ein erheblicher Grund ist, einen Termin nach § 227 Abs. 1 ZPO zu verlegen; dies gilt erst recht, wenn die betreffende Reise bereits gebucht ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2025 - II ZR 52/24, NJW-RR 2025, 506 Rn. 12; Urteil vom 24. Januar 2019 - VII ZR 123/18, ZfBR 2019, 357 Rn. 23). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erstreckte sich die von dem Kläger gebuchte Urlaubsreise auf den Verhandlungstermin am 5. Oktober 2023.
b) Dieser Grundsatz gilt jedoch nur dann, wovon der Sache nach auch das Berufungsgericht ausgeht, wenn die Urlaubsreise bereits vor der Terminierung geplant oder gebucht war, wie es in den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs der Fall war (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2025 - II ZR 52/24, NJW-RR 2025, 506 Rn. 4, 12; Urteil vom 24. Januar 2019 - VII ZR 123/18, ZfBR 2019, 357 Rn. 3). Anders liegt es, wenn - wie hier - die Planung oder Buchung der Urlaubsreise erst nach Anberaumung und in Kenntnis des Verhandlungstermins erfolgt. In diesem Fall erfordert die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs der Partei keine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH, Urteil vom 21. Januar 2025 - II ZR 52/24, NJW-RR 2025, 506 Rn. 11). Die Terminsverlegung ist nicht gerechtfertigt, weil die Partei im Zeitpunkt der Terminierung noch keine Dispositionen getroffen hatte, auf die das Gericht hätte Rücksicht nehmen müssen. Möchte eine Partei trotz des ihr bekannten Termins eine Urlaubsreise buchen und antreten, ist es ihr zuzumuten, sich in dem Termin vertreten zu lassen. 9 c) Da hiernach dem Kläger bereits kein erheblicher Grund für eine Terminsverlegung zur Seite stand, kommt es auf die in der Rechtsbeschwerde weiter erörterte Frage, unter welchen Voraussetzungen ein die Verlegung eigentlich rechtfertigender, aber erst kurz vor dem Verhandlungstermin gestellter Verlegungsantrag als rechtsmissbräuchlich angesehen werden kann, nicht an (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21. Januar 2025 - II ZR 52/24, NJW-RR 2025, 506 Rn. 12; Urteil vom 24. Januar 2019 - VII ZR 123/18, ZfBR 2019, 357 Rn. 24 ff.). Unerheblich sind auch die weiteren Einwendungen der Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Vortrag des Klägers zu den Urlaubszeiten sei widersprüchlich und deshalb unschlüssig.
IV.
Der am Tag des Fristablaufs gestellte Antrag des Klägers, ihm zur ergänzenden Begründung der Rechtsbeschwerde einen Notanwalt zu bestellen, ist als unzulässig zu verwerfen. Insoweit ist bereits eine Vertretung durch Anwälte nicht i.S.d. § 78b Abs. 1 ZPO geboten. Der Kläger hat einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt gefunden, der das Rechtsmittel eingelegt und begründet hat. Eine Ergänzung dieser Begründung scheidet nach Ablauf der Begründungsfrist aus. Abgesehen davon ist die Rechtsverfolgung auch in der Sache aussichtslos.
V.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts orientiert sich an der Festsetzung des Berufungsgerichts.
Brückner Malik Göbel Grau Hamdorf Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 05.10.2023 - 1294 C 11891/22 WEG LG München I, Entscheidung vom 10.07.2024 - 36 S 14589/23 WEG -