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4 StR 53/20

BUNDESGERICHTSHOF StR 53/20 BESCHLUSS vom 6. Mai 2020 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a.

ECLI:DE:BGH:2020:060520B4STR53.20.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. Mai 2020 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 6. Juni 2019 a) im Schuldspruch dahin geändert, dass bezüglich der Tat zu Ziffer II.1.d der Urteilsgründe die tateinheitliche Verurteilung wegen Körperverletzung entfällt, b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in acht Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf Verfahrensrügen und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.

Während die Verfahrensrügen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durchgreifen, führt die Sachrüge zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.

1. Die tateinheitliche Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Fall II.1.d der Urteilsgründe muss entfallen, da ihr das Verfahrenshindernis der Strafverfolgungsverjährung entgegensteht.

Die fünfjährige Verjährungsfrist für die Verfolgung des Vergehens gemäß § 223 Abs. 1 StGB (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) begann mit der Beendigung der „in 2011 oder 2012“ verübten Tat. Als erste – mögliche – Unterbrechungshandlung ist den Akten die Beschuldigtenvernehmung vom 4. Juni 2017 zu entnehmen.

Soweit der Zeuge H.

bekundet hat, ihm sei bekannt, dass die Nebenklä- gerin L. einmal Anzeige gegen den Angeklagten erstattet habe, diese aber auf Bitten der Familie des Angeklagten wieder zurückgenommen habe (UA 40),

findet sich hierzu in den Akten nichts, so dass in diesem Zusammenhang von einer die Verjährung unterbrechenden Maßnahme nicht ausgegangen werden kann. Die Nebenklägerin L. selbst hat bekundet, dass sie bisher noch keine Strafanzeige gegen den Angeklagten erstattet habe (UA 23). Im Hinblick auf die mögliche Unterbrechungshandlung am 4. Juni 2017 ist zu Gunsten des Angeklagten von einer Tatbegehung vor dem oder am 4. Juni 2012 auszugehen (BGH, Beschluss vom 19. Februar 1963 – 1 StR 318/62, BGHSt 18, 274,

f.), so dass die Verjährungsfrist mithin spätestens am 3. Juni 2017 endete. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert.

2. Der Strafausspruch kann insgesamt nicht bestehen bleiben.

a) Nach den Feststellungen der Strafkammer hatte der Angeklagte vor den festgestellten Übergriffen jeweils zumindest nicht ausschließbar eine große Menge Alkohol zu sich genommen. Aufgrund dieser erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten konnte die Strafkammer nicht ausschließen, „dass seine Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit zu den Tatzeitpunkten erheblich beeinträchtigt war“. Eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB für die jeweiligen Einzelstrafen hat sie jedoch abgelehnt, weil aufgrund der Aussagen der geschädigten Frauen, der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Detmold vom 27. Oktober 2015 und des Urteils des Amtsgerichts Detmold vom 8. Januar 2016 festzustellen sei, dass der Angeklagte bereits in der Vergangenheit unter Alkoholeinfluss zu aggressivem Verhalten geneigt habe. Eine Milderung des Strafrahmens sei nicht in Betracht gekommen, weil sich der Angeklagte seiner Reaktion auf den Genuss von Alkohol stets bewusst gewesen sei.

b) Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Zwar können Umstände, welche die Schuld erhöhen, zur Versagung der Strafrahmenmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen, wenn sie die infolge der Herabsetzung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit verminderte Tatschuld aufwiegen. Dies kann bei einer alkoholbedingten Verminderung der Schuldfähigkeit dann der Fall sein, wenn sie auf einer selbst zu verantwortenden, verschuldeten Trunkenheit beruht, die dem Täter uneingeschränkt vorwerfbar ist. Ein die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigender Alkoholrausch ist aber dann nicht verschuldet, wenn der Täter alkoholkrank oder alkoholüberempfindlich ist. Eine Alkoholerkrankung, bei der schon die Alkoholaufnahme nicht als ein die Schuld erhöhender Umstand zu werten ist, liegt regelmäßig vor, wenn der Täter den Alkohol aufgrund eines unwiderstehlichen oder ihn weitgehend beherrschenden Hanges trinkt, der seine Fähigkeit, der Versuchung zum übermäßigen Alkoholkonsum zu widerstehen, einschränkt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2008 – 3 StR 84/08, NStZ 2009, 258; Beschlüsse vom 21. Juni 2016 – 5 StR 194/16; vom 18. Dezember 2019 – 3 StR 575/19).

Die Ausführungen des Landgerichts lassen es als möglich erscheinen, dass der Angeklagte im dargestellten Sinne alkoholkrank war. Das Landgericht hat zum Alkoholkonsum des Angeklagten festgestellt, dass er über viele Jahre in der Zeit der jeweiligen Beziehungen zu den Geschädigten L. , M. und R. regelmäßig Alkohol trank, unter der Woche fast täglich und besonders an den Wochenenden in erheblichem Maße. Auch bei Begehung der durch Urteil vom 8. Januar 2016 abgeurteilten vorsätzlichen Körperverletzung war der Angeklagte stark alkoholisiert. Vor diesem Hintergrund hätte sich die Strafkammer mit der Frage einer krankhaften Alkoholsucht auseinandersetzen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2012 – 3 StR 216/12; Beschluss vom 23. April 2013 – 1 StR 105/13).

c) Hinzu kommt Folgendes: Das Landgericht hat eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB für alle Taten verneint, weil dem Angeklagten allein durch die Vorverurteilung ausreichend bekannt gewesen sei, dass er unter Alkoholeinfluss zu aggressivem Verhalten neigte. Diese Verurteilung erfolgte aber erst nach den ersten fünf ausgeurteilten Taten zum Nachteil der Geschädigten L. und M. .

d) Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der für die abgeurteilten Taten verhängten Freiheitsstrafen sowie – als Folge hiervon – der Gesamtstrafe mit den jeweils zugrunde liegenden Feststellungen. Der Schuldspruch wird dagegen von dem Rechtsfehler nicht berührt. Der Senat kann vielmehr ausschließen, dass der Angeklagte bei der jeweiligen Tatbegehung schuldunfähig war.

3. Auf der Grundlage der Feststellungen zum Alkoholkonsum des Angeklagten hätte das Landgericht sich mit der Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB auseinandersetzen müssen. Es lag nahe, dass die Taten auf einen Hang des Angeklagten zurückgehen können, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Hierfür spricht bereits, dass nach den Urteilsgründen die Tatbegehung in allen Fällen durch die enthemmende Wirkung des Alkohols gefördert wurde. Den bisher getroffenen Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass die Maßregelanordnung jedenfalls deswegen ausscheiden müsste, weil es an der hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges (§ 64 Satz 2 StGB) fehlt.

Sost-Scheible Sturm Roggenbuck Rommel Bender Vorinstanz: Dortmund, LG, 06.06.2019 ‒ 620 Js 654/17 31 KLs 90/17

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