35 W (pat) 415/12
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 415/12 An Verkündungs Statt zugestellt am
11. August 2014 …
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
BPatG 154 05.11
…
betreffend das Gebrauchsmuster 20 2007 018 376 hier: Löschungsantrag hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2014 durch die Vorsitzende Richterin Werner sowie die Richter Dipl.-Ing. Brunn und Dipl.-Ing. Univ. Rippel beschlossen:
Der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Oktober 2011 wird aufgehoben.
Das Streitgebrauchsmuster wird gelöscht, soweit es über die Fassung der Schutzansprüche 1 bis 14 nach Hilfsantrag 1 der Antragsgegnerin vom 22. Mai 2014 hinausgeht.
Der weitergehende Löschungsantrag und die weitergehende Beschwerde der Antragstellerin werden zurückgewiesen.
Die weitergehende Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzenzügen werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe I.
Die Antragsgegnerin, Beschwerdeführerin 2 und Beschwerdegegnerin zu 1 (im Folgenden: Antragsgegnerin) ist eingetragene Inhaberin des Gebrauchsmusters 20 2007 018 376 (Streitgebrauchsmuster) mit der Bezeichnung
„Staubsaugerfilterbeutel“,
das am 3. Juli 2008 mit 15 Ansprüchen in das Register eingetragen worden ist.
Das Streitgebrauchsmuster nimmt den Anmeldetag vom 6. Juli 2007 der Patentanmeldung EP 07 01 3312.9 (Veröffentlichungsnummer: EP 20 11 556) in Anspruch.
Der eingetragene Schutzanspruch 1 lautet:
„1. Staubsaugerfilterbeutel mit einem Materialverbund umfassend: eine erste Lage aus einem Netz oder einer gelochten Folie mit einer Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10000 l/(m2 s), eine erste Faserlage aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern, die mit einer Seite der ersten Lage verbunden ist.“
Für die nachgeordneten Schutzansprüche 2 bis 15 wird Bezug genommen auf die Gebrauchsmusterschrift 20 2007 018 376.
Die Schutzdauer des Streitgebrauchsmusters wurde auf 8 Jahre verlängert. Es ist in Kraft.
Mit Schriftsatz vom 2. März 2009 hat die Antragstellerin, Beschwerdeführerin 1 und Beschwerdegegnerin zu 2 (im Folgenden: Antragstellerin) die Löschung des Streitgebrauchsmusters beantragt. Der Schriftsatz wurde der Antragsgegnerin am 26. März 2009 zugestellt. Der Widerspruch der Antragsgegnerin ist am 22. April 2009 und damit rechtzeitig beim DPMA eingegangen.
Als Löschungsgrund macht die Antragstellerin fehlende Schutzfähigkeit gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 1 bis 3 GebrMG geltend.
In der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) am 5. Oktober 2011 hat die Antragsgegnerin das Streitgebrauchsmuster im Hauptantrag nur in der Fassung der Schutzansprüche 1 bis 15 nach beschränktem Hauptantrag aus dem Schriftsatz vom 9. Juni 2010 sowie mit zwei weiteren Hilfsanträgen vom 5. Oktober 2011 verteidigt.
Der Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag lautete:
„1. Staubsaugerfilterbeutel mit einem Materialverbund umfassend: eine erste Lage aus einem Netz mit einer Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10000 l/(m2 s), eine erste Faserlage aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern, die mit einer Seite der ersten Lage verbunden ist.“
Für die nachgeordneten Schutzansprüche 2 bis 15 wird Bezug genommen auf Blatt 217 ff., 221, 222 der patentamtlichen Akten.
Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 vom 5. Oktober 2011 lautete:
„1. Staubsaugerfilterbeutel mit einem Materialverbund umfassend: eine erste Lage aus einem Netz mit einer Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10000 l/(m2 s),
wobei das Netz ein extrudiertes Netz oder ein gewebtes Netz ist, eine erste Faserlage aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern, die mit einer Seite der ersten Lage verbunden ist, wobei die erste Lage eine mittlere Lochquerschnittfläche von 2 bis 900 mm2, insbesondere 5 bis 50 mm2, aufweist, wobei die erste Lage ein Netz mit einer Maschenweite von 2 mm bis 30 mm ist.“
Für die nachgeordneten Schutzansprüche 2 bis 13 wird Bezug genommen auf ein als „Nachgang: Löschung/Feststellung (Gbm)“ bezeichnetes Dokument mit Einstellungsdatum vom 5. Oktober 2011 in der elektronischen Verfahrensakte des DPMA.
Mit Beschluss vom 5. Oktober 2011 hat die Gebrauchsmusterabteilung die Löschung des Streitgebrauchsmusters angeordnet, soweit es über die Fassung mit Schutzansprüchen 1 bis 13 nach Hilfsantrag 1 vom 5. Oktober 2011 hinausging. Der weitergehende Löschungsantrag der Antragstellerin wurde zurückgewiesen und die Verfahrenskosten gegeneinander aufgehoben.
In ihrer Begründung hat die Gebrauchsmusterabteilung I die Schutzfähigkeit des Staubsaugerfilterbeutel nach dem Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag verneint, da die Fassung gemäß dem Hauptantrag der Antragsgegnerin mangels Vorliegen eines erfinderischen Schritts nicht schutzfähig sei (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG i. V. m. § 1 Abs. 1 GebrMG). Aus der D1 gehe zweifelsfrei ein Staubsaugerfilterbeutel mit einem Filtermaterial hervor, bei dem eine erste Lage in Form eines Netzes (perforierte Folie) mit einer ersten Faserlage aus Chemiefasern verbunden sei. Die über die Offenbarung der D1 hinausgehende Angabe des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, dass das Netz eine Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10.000 l/m² s aufweisen soll, könne einen erfinderischen Schritt nicht begründen. Durch die Angaben von hohen Luftdurchlässigkeitswerten von 10.000 l/m² s und mehr in mehreren Druckschriften des sich im Verfahren befindenden Standes der Technik (vgl. in der D3, Ansprüche 13 u. 14; in der D6 Absatz [0023], [0024] und Anspruch 4; in der D8 Sp. 8, erster Absatz und Anspruch 5; in der D9 die Tabellen auf S. 6 bis 8) würde deutlich, dass die Fachwelt eine Luftdurchlässigkeit von 10.000 l/m² s und mehr durchaus für denkbar und wünschenswert erachte. Der Fachmann brauche also keine gedankliche Hürde zu überwinden, um zu dem im Anspruch 1 angegebenen Luftdurchlässigkeitswert zu gelangen. Daher beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einem erfinderischen Schritt und sei daher nicht schutzfähig.
Dagegen hat die Gebrauchsmusterabteilung I die Schutzfähigkeit des Streitgebrauchsmusters in der Fassung der Schutzansprüche 1 bis 13 nach dem Hilfsantrag 1 bejaht, mit der Begründung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu sei, die Merkmale des Anspruchs 1 in ihrer Gesamtheit keiner der Druckschriften entnommen werden könnten und keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften Angaben zu dem Lochquerschnitt und der Maschenweite eines extrudierten oder gewebten Netzes zu entnehmen seien. Deswegen werde der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 auch nicht durch eine Zusammenschau mehrerer dieser Druckschriften nahegelegt.
Diesen Beschluss haben beide Verfahrensbeteiligte mit der Beschwerde angegriffen.
Die Antragstellerin strebt unverändert eine vollständige Löschung des Streitgebrauchsmusters an und beruft sich dafür auf folgenden Stand der Technik:
D1 EP 1 795 248 A2 D2 DE 74 24 655 U D3 EP 1 048 335 A1 D4 DE 202 09 923 U1 D5 D6 D7 D8 D9 D10 D11 D12 D13 D17 D17' D18 D19 A1 A2 A2 EP 0 246 811 A2 EP 0 960 645 A2 DE 35 08 941 A1 US 6 156 086 A EP 1 050 331 A1 WO 97/040 913 A1 Auszug aus Dr. Radko Krcma, „Textilverbundstoffe“, 1963, Auszug aus Der Große Brockhaus, 16. Auflage in 12 Bänden. 1954, S. 657 Internetausdruck vom 21. Juni 2010, Wikipedia, Stichwort „Gelege (Textiltechnik)“ JP 6-30869 A deutsche Übersetzung der JP 6-30869 A Schriftliche Erklärung von Herrn Dipl.-Ing. Gulich, Sächsisches Textil Forschungsinstitut e.V. Lexikon Technische Textilien, Seiten 150, 151 Auszug aus der Bedienungsanleitung des Luftdurchlässigkeitsprüfgerätes TEXTEST FX 3300 Gutachten vom 30. Mai 2012 des Sächsischen Textilforschungsinstitutes e.V. für die Antragstellerin mit den Anlagen K1 bis K7 Kunststoff - Tabelle „Eigenschaften und technische Werte“.
Die Antragstellerin trägt zur Begründung ihrer Beschwerde vor, dass es dem Streitgebrauchsmuster in den verteidigten Fassungen an einem erfinderischen Schritt fehle, da der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nach Hilfsantrag 1 vom 5. Oktober 2011 ausgehend sowohl von der D1 als auch der D6 für den Fachmann nahegelegen habe.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Oktober 2011 aufzuheben,
das Streitgebrauchsmuster zu löschen,
der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzenzügen aufzuerlegen und die Beschwerde der Antragsgegnerin kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Oktober 2011 aufzuheben,
den Löschungsantrag zurückzuweisen, soweit er gegen die Fassung des Streitgebrauchsmusters mit Schutzansprüchen 1 bis 15 nach dem Hauptantrag der Antragsgegnerin in der Anhörung vor der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts am 5. Oktober 2011 gerichtet ist,
hilfsweise: den Löschungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen soweit er auch gegen die Fassungen des Streitgebrauchsmusters nach den Hilfsanträgen 1 bis 5 der Antragsgegnerin vom 22. Mai 2014 gerichtet ist,
der Antragstellerin dementsprechend anteilsmäßig die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzenzügen aufzuerlegen,
und die Beschwerde der Antragstellerin kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Schutzanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 der Antragsgegnerin vom 22. Mai 2014 lautet:
„1. Staubsaugerfilterbeutel mit einem Materialverbund umfassend: eine erste Lage aus einem Netz mit einer Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10000 l/(m2 s), eine erste Faserlage aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern, die mit einer Seite der ersten Lage verbunden ist, wobei die erste Lage in Form einer Vlieslage oder einer Vliesstofflage ausgebildet ist, wobei die erste Lage ein Flächengewicht von 5 bis 30 g/m2 und eine Dicke von 0,1 bis 1,5 mm aufweist, wobei die erste Lage ein Netz mit einer Maschenweite von 2 mm bis 30 mm ist.“
Für die auf diesen Schutzanspruch 1 rückbezogenen Schutzansprüche 2 bis 14 auf die Anlagen des Sitzungsprotokolls vom 22. Mai 2014 Bezug genommen.
Für die Schutzfähigkeit des Streitgebrauchsmusters in den von ihr verteidigten Fassungen beruft sich die Antragsgegnerin auf folgende Unterlagen:
D1‘ Kopie der ursprünglich eingereichten Unterlagen für die Europäische Patentanmeldung EP 1795 248 A2 (D1)
D14 Merkmalsanalyse des Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag D15 schriftliche Erklärung von Herrn Reto Vogt, Geschäftsführer Textest AG, vom 25. Juni 2012, zur Vorlage in den Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt gegen die Europäischen Patente EP 2 011 555 und EP 2 011 556 D16 Bedienungsanleitung für das TEXTEST FX 3300 Luftdurchlässigkeits-Prüfgerät III.
Die Antragsgegnerin trägt zur Begründung ihrer Beschwerde vor, dass eine Fehlinterpretation der Gebrauchsmusterabteilung hinsichtlich der Frage vorliege, ob in der D1 oder der D4 ein „Netz“ im Sinne des Streitgebrauchsmuster offenbart werden, da weder der D1 noch der D4 ein Anhaltspunkt zu entnehmen wäre, dass unter den in der D1 oder der D4 offenbarten perforierten Folien ein Netz zu verstehen wäre. Darüber hinaus sei weder der D1 noch einem der anderen im Verfahren befindlichen Dokumente entnehmbar oder dort explizit offenbart, eine perforierte Folie durch ein Netz zu ersetzen. Daher läge dem Anspruch 1 des im erstinstanzlichen Verfahren verteidigten Hauptantrags ein erfinderischer Schritt zugrunde.
Die Verfahrensbeteiligten streiten u. a. über die Frage, wie das Wort „Netz“ im Sinne des Streitgebrauchsmusters zu definieren ist und ob ein „Gittergelege“ ein „Netz“ im Sinne des Streitgebrauchsmusters sei. In diesem Zusammenhang hat die Antragstellerin die Behauptung aufgestellt, dass Gittergelege per Definitionem an den Kreuzungspunkten fixiert seien. Die Antragsgegnerin hat in dem parallelen Verfahren 35 W (pat) 414/12 zu Protokoll gegeben, dass ein Gittergelege nach der D1 kein Netz im Sinne des Streitgebrauchsmusters sei, weil - nach Auffassung der Antragsgegnerin - die D1 keine fixierten Verbindungsstellen offenbare.
Für die weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Verfahrensakten.
II.
1. Die zulässigen Beschwerden beider Verfahrensbeteiligten sind jeweils nur teilweise, nämlich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Soweit die Antragsgegnerin das Streitgebrauchsmuster bereits in der Anhörung vor der Gebrauchsmusterabteilung nur noch nach beschränktem Hauptantrag vom 9. Juni 2010 verteidigt hat, war die Löschung der darüber hinaus gehenden eingetragenen Fassung des Streitgebrauchsmusters ohne Sachprüfung in entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 1 Satz 2 GebrMG anzuordnen. Die weitergehende Löschung folgt aus § 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 1 bis 3 GebrMG. Dagegen ist der Löschungsantrag zurückzuweisen, soweit er auch gegen das Streitgebrauchsmuster in der Fassung mit Schutzansprüchen 1 bis 13 nach dem ersten Hilfsantrag der Antragsgegnerin vom 22. Mai 2014 gerichtet ist. In diesem Umfang ist das Gebrauchsmuster schutzfähig i. S. v. §§ 1 bis 3 GebrMG.
1.1 Gegenstand des Streitgebrauchsmusters ist ein Staubsaugerfilterbeutel mit einem Materialverbund.
Das Streitgebrauchsmuster geht in der Beschreibungseinleitung von einem Staubfilterbeutel mit einer Beutelwand aus mehreren Filtermateriallagen als Stand der Technik aus, wobei die verschiedenen Lagen unterschiedliche Anforderungen wie die Abscheideleistung, die Standzeit bzw. Staubspeicherkapazität oder eine Schutzfunktion wie einen Prallschutz erfüllen.
Nachteilig sei bei den bekannten Staubfilterbeuteln, dass die Luftdurchlässigkeit und damit die maximale Saugleistung des Staubsaugers durch Grobfilterlagen reduziert würde, da die relativ dichten Schutzlagen selber dazu neigen würden, durch Hausstaub zu verstopfen.
Dem Streitgebrauchsmuster liegt angesichts dessen die Aufgabe zugrunde, einen Staubsaugerfilterbeutel bereitzustellen, der eine hohe mechanische Stabilität aufweist, ohne gleichzeitig eine hohe, die Standzeit verringernde Verstopfungsneigung zu haben (Seite 1, Absatz [0002]).
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters in der Fassung nach Hauptantrag einen Gegenstand mit folgenden Merkmalen vor (Gliederung vom Senat hinzugefügt).
Anspruch 1:
1.0 Staubsaugerfilterbeutel mit einem Materialverbund umfassend:
1.1 eine erste Lage
1.1.1 aus einem Netz
1.1.1.1 mit einer Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10000 l/(m² s),
1.2 eine erste Faserlage
1.2.1 aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern,
1.3 die mit einer Seite der ersten Lage verbunden ist.
1.2 Als zuständiger Fachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitgebrauchsmusters und für die Beurteilung des Standes der Technik ankommt, ist nach Meinung des Senats ein Diplom - Ingenieur der Fachrichtung Textiltechnik oder Maschinenbau mit zumindest Fachhochschulabschluss und besonderen Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Entwicklung und Fertigung von Filtermaterialien insbesondere für Staubfilterbeutel anzusehen.
1.3 Einige Merkmale des Streitgebrauchsmusters bedürfen der näheren Erläuterung:
1.3.1 Nach Anspruch 1 ist ein im Wesentlichen mindestens zweischichtiger Aufbau für den beanspruchten Staubfilterbeutel vorgesehen, wobei die einzelnen Schichten verschiedene Funktionen haben sollen. Die erste Lage mit der hohen Luftdurchlässigkeit dient dabei der Stabilisierung der Faserlage (vgl. Absatz [0028]) und der Gewährleistung einer hohen Saugleistung (vgl. Absatz [0032]), während die erste Faserlage die Filteraufgaben erfüllt.
Entsprechend den Ausführungsbeispielen (vgl. Figuren 1 bis 3) stellt die erste Lage dabei die innere Lage, gesehen von der Anströmseite zur Abluftseite, dar. Im Absatz [0073] der Streitgebrauchsmusterschrift wird jedoch ausgeführt, dass die Lagen auch vertauscht werden können, so dass dann die erste Faserlage im konfektionierten Staubsaugerbeutel die innerste Lage bilden würde, gefolgt von der ersten Lage. Dementsprechend kann das Netz als erste Lage des Materialverbundes des erfinderischen Staubsaugerfilterbeutels sowohl die innerste als auch die äußerste Lage des Materialverbundes darstellen.
Die erste Lage besteht aus einem Netz (Merkmal 1.1.1) mit einer Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10000 l/m² s (Merkmal 1.1.1.1). Dabei ist die Auslegung des Begriffes „Netz“ zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin strittig.
Bei der Definition des Begriffs „Netz" argumentiert die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung, dass unter dem Begriff „Netz“ eine perforierte oder geschlitzte Folie verstanden werden könnte. Weiterhin handele es sich entsprechend dem von der Antragstellerin eingereichten Gutachten (A2) bei einem „Netz“ um ein zweidimensionales Gebilde mit regelmäßigen Öffnungen, wobei die Fläche der Durchbrechungen deutlich grösser ist als die geschlossene Fläche der Schenkel bzw. Verbindungsstellen. Auch sei ein Gittergelege als ein Netz im Sinne des Streitpatents zu verstehen, wobei die Verbindung an den Kreuzungspunkten durch chemische Fixierung erfolge.
Die Antragsgegnerin versteht als ein Netz ausschließlich eine völlig regelmäßige Anordnung von Maschen und damit Löcher mit einer definierten Struktur und Dimensionierung. Nach dieser Meinung sollen eine perforierte oder geschlitzte Folie oder ein Gittergelege keine Netze darstellen. Ein Netz würde entweder bereits als Netz extrudiert oder es würden Fasern oder Fäden zu einem Netz verwebt.
Das Streitgebrauchsmuster selbst liefert keine Definition für den Begriff „Netz“. Auf Seite 2, letzte Zeile und Seite 3, Absatz [0004], wird lediglich ausgeführt, dass das Netz beispielsweise ein extrudiertes Netz oder ein gewebtes Netz mit einer Maschenweite von 2 mm bis 30 mm, insbesondere ein quadratisches Netz mit einer Maschenweite von 2x2 mm bis 30x30 mm sein kann. Da auch die Filamente von gewebten Netzen an den Berührungspunkten entweder verknotet oder durch eine Maschenverbindung miteinander verbunden sind, versteht der Senat daher unter einem „Netz“ i. S. d. Streitgebrauchsmusters ein zweidimensionales textiles Gebilde mit regelmäßigen Öffnungen, wobei die Verbindung der Schenkel entweder chemisch/thermisch oder über die Ausbildung von Knoten oder Maschen erfolgt. Danach sind eine perforierte Folie oder ein Gewebe keine Netze im Sinne des Streitgebrauchsmusters. Ein Gewebe weist zwar wie ein Netz Maschen auf, da beim Gewebe die Filamente an den Kreuzungspunkten lose aneinander liegen, lässt dies eine Verschiebung der Filamente gegeneinander zu, so dass die Öffnungen variabel und nicht mehr regelmäßig sind. Mit seiner Auslegung, was ein „Netz“ i. S. d. Gebrauchsmusters ist, weicht der Senat in diesem Punkt von der Auffassung der Gebrauchsmusterabteilung in dem angegriffenen Beschluss ab.
1.3.2 Zum Merkmal 1.1.1.1 der Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10.000 l/(m² s) wird in der Streitgebrauchsmusterschrift ausgeführt, dass die Luftdurchlässigkeit gemäß DIN EN ISO 9237: 1995-12 bestimmt wird. Dabei wurde das Luftdurchläs- sigkeits-Prüfgerät FX 3300 der Textest AG eingesetzt und insbesondere mit einem Differenzdruck von 200 Pa und einer Prüffläche von 25 cm² gearbeitet (vgl. Absatz [0056]).
Die Antragstellerin stellt die Nacharbeitbarkeit dieses Merkmals in Frage, da solche Werte für die Luftdurchlässigkeit außerhalb des Messbereichs der üblichen Messgeräte zum Prioritätszeitpunkt des Streitgebrauchsmusters liegen würden.
Das wird nach der Überzeugung des Senats durch die von der Antragsgegnerin eingereichten Anlagen D12 und D13 widerlegt. Aus diesen Dokumenten ergibt sich, dass das Luftdurchlässigkeits-Prüfgerät FX 3300 für Messungen von Luftdurchlässigkeiten nach DIN EN ISO 9237 in dem Bereich von 1 bis 10.000 l/(m² s) mit einer Messgenauigkeit von besser als ± 3 % des Messwerts (nach Vorgaben des Eidgenössischen Amts für Messwesen) kalibriert ist. Damit kann ein Fachmann mit den Angaben des Streitgebrauchsmusters jederzeit feststellen, ob ein bestimmtes Netz eine Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10.000 l/(m² s) hat oder nicht. Die Dokumente belegen auch, dass explizite Messungen von Luftdurchlässigkeiten von mehr als 10.000 l/(m² s) möglich, reproduzierbar und sinnvoll sind. Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nacharbeitbar.
1.3.3 Bei der ersten Faserlage (Merkmal 1.2) aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern (Merkmal 1.2.1) kann es sich bei den Chemiefasern (Kunstfasern) um Stapelfasern oder Endlosfasern (Filamente) handeln und bei den pflanzlichen Fasern (Naturfasern) beispielsweise um Zellstofffasern, insbesondere Bambuszellstofffasern (Absatz [0010]).
Die erste Faserlage ist, beispielsweise mittels Kalandrierens, mit der ersten Lage verbunden (Merkmal 1.3), wodurch die beiden Lagen nicht gegeneinander verschiebbar sind. „Verbunden“ soll in diesem Zusammenhang nicht bedeuten, dass alle Fasern miteinander vollständig verbunden, beispielsweise verschmolzen, sind,
wodurch sich ein Film ergäbe. Es soll vielmehr bedeuten, dass die Lagen an einer Vielzahl von diskreten Stellen miteinander verbunden sind, wobei diese Stellen gleichmäßig über die gesamte Fläche der Lagen verteilt sind (vgl. Absatz [0013]).
2. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 in der nach Hauptantrag verteidigten Fassung ist auf Grund der von der Antragstellerin vorgebrachten Angriffe nicht schutzfähig.
2.1 Dabei kann dahinstehen, ob dieser Gegenstand neu i. S. v. §§ 1 und 3 GebrMG ist; denn er beruht in jedem Fall nicht auf einem erfinderischen Schritt i. S. v. § 1 Abs. 1 GebrMG, vielmehr ergibt er sich für den hier maßgeblichen Fachmann in naheliegender Weise aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik (vgl. BGH GRUR 2006, 842 ff. - Demonstrationsschrank).
2.2 Die D4 offenbart einen Staubsaugerfilterbeutel mit einem Materialverbund (Merkmal 1.0), der bis zu vier Lagen aufweisen kann (vgl. Figur 1). Die innere Lage auf der Anströmseite (Merkmal 1.1) bildet ein nicht weiter spezifiziertes Netz (Seite 2, Absatz 2 - Merkmal 1.1.1), das mit einer Faserlage (Merkmal 1.2) aus durch Thermoplast gebundenen Cellulosefasern (Seite 2, Absatz 2 - Merkmal 1.2.1) verbunden ist (Seite 3, Absatz 4 - Merkmal 1.3). Die Außenlage besteht aus einem Vlies aus schmelzgeblasenen Thermoplasten und kann durch eine äußere Stützschicht abgedeckt werden, die wiederum durch ein Netz gebildet werden kann (vgl. Anspruch 11 und Seite 4, Absatz 1). Dabei dient das innere Netz hauptsächlich dem Schutz der inneren Faserlage vor groben Schmutzpartikeln. Zu diesem Zweck weist es Öffnungen auf, die Staubpartikel größer > 100 µm zurückzuhalten. Das äußere Netz hat offensichtlich eine Stützfunktion (vgl. Ansprüche 9 und 11).
Als nachteilig empfindet der Fachmann, dass die Faserlage durch die Netzlagen zwar gut schützt bzw. stabilisiert wird, dabei aber die Luftdurchlässigkeit und damit die maximale Saugleistung des Staubsaugers durch die relativ feinporigen Netzbzw. Grobfilterlagen reduziert wird. Diese Problematik veranlasst den Fachmann, nach einer verbesserten Gestaltung des Staubsaugerfilterbeutels zu suchen, durch die der Staubsaugerfilterbeutel eine hohe mechanische Stabilität aufweist, ohne gleichzeitig eine hohe, die Standzeit verringernde Verstopfungsneigung zu haben. Dabei zieht der Fachmann den Stand der Technik zu Rate, der sich mit der gleichen Problematik beschäftigt.
Aufgabe der D6 ist es, einen Staubsaugerbeutel bereitzustellen, der bei einer exzellenten Filtrationsleistung und einer nichtblockierenden, hohen Luftdurchlässigkeit die nötige Steifheit aufweist (vgl. Absatz [0009] und [0010]).
Die D6 zeigt verschiedene Ausgestaltungen von Staubsaugerfilterbeuteln, die entweder mit einer ersten Lage „netting“ als äußere Grobfilterschicht mit einer Luftdurchlässigkeit von bis zu 10.000 l/(m² s) (vgl. Figur 5, Anspruch 4 und Absatz [0064]) oder mit einer ersten, inneren Lage „netting-scrim“ Lage (vgl. Figur 8c und Absatz [0069]) versehen sind. Diese Schichten weisen Luftdurchlässigkeit von bis zu 10.000 l/(m² s) auf und sind bei bestimmten Ausführungsformen mit der angrenzenden Filterlage durch ein beliebiges Verfahren, wie chemische Klebstoffe, thermisches Bonden und Ultraschall-Bonden verbunden (vgl. Figur 5 und Absatz [0028], [0029], [0064] sowie Figur 8c und Absatz [0069]). Die Luftdurchlässigkeit wird dabei gemessen nach der DIN 53887. Da die DIN 53887 das Vorgängerdokument bzw. die frühere Ausgabe der im Streitgebrauchsmuster bezüglich der Messung der Luftdurchlässigkeit genannten DIN EN ISO 9237: 1995-12 darstellt, dürften die Angaben als vergleichbar angesehen werden. Zum Begriff „netting“ oder „netting-scrim“ werden keine näheren Angaben gemacht, außer dass „netting“ als eine Art von „scrim“ oder „nonwoven“ zu verstehen ist. („The outer coarse filter layer may be a … netting or other type of scrim or nonwoven“ - Absatz [0064]). Als „scrim“ wird wiederum ein Stützvlies aus porösem Papier oder Poly- mer mit einer Luftdurchlässigkeit von 500 bis 10.000 l/(m² s) bezeichnet, dass größere Partikel filtert und die Filterschichten von Abrasion schützt. (vgl. Absatz [0028] und [0029]). „Netting“ kann zwar als Netz oder Netzgewebe übersetzt werden, durch den Bezug von „netting“ auf ein als „scrim“ oder „nonwoven“ bezeichnetes Stützvlies offenbart die D6 jedoch kein Netz im Sinne des Streitgebrauchsmusters.
Der Begriff „netting“ offenbart dem Fachmann zwar nicht eindeutig die Verwendung eines Netzes als erste, äußere oder innere, Lage, durch die Bedeutung des Begriffs „netting“ wird dem Fachmann jedoch nahegelegt, dass alternativ zu anderen genannten Möglichkeiten wie einem „scrim“ bzw. einem Stützvlies auch ein Netz mit einer Luftdurchlässigkeit von bis zu 10.000 l/(m² s) als erste Lage als Stützvlies oder Grobfilter verwendet werden kann.
Dadurch erhält der Fachmann aus der D6 die Veranlassung, das ihm aus der D4 bekannte Netz als erste Lage auf der Innenseite oder der Außenseite des Materialverbundes beizubehalten und nur gestalterisch dahingehend zu abzuändern, dass es eine Luftdurchlässigkeit von mindestens 10.000 l/(m² s) aufweist, um die verringerte Verstopfungsneigung zu erreichen (Merkmal 1.1.1.1), und dass es mit einer Seite der ersten Lage verbunden ist (Merkmal 1.3).
Somit gelangt der Fachmann ohne einen erfinderischen Schritt ausgehend von der D4 zum Gegenstand des Anspruch 1 gemäß Hauptantrag.
3. Dagegen sind der Löschungsantrag der Antragstellerin und deren Beschwerde unbegründet, soweit sie auch gegen die Fassung des Streitgebrauchsmusters mit Schutzansprüchen 1 bis 13 nach dem Hilfsantrag der Antragsgegnerin vom 21. Mai 2014 gerichtet sind. In dieser Fassung ist das Streitgebrauchsmuster schutzfähig i. S. v. § 1 bis 3 GebrMG.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet (Gliederung vom Senat hinzugefügt):
1.0 Staubsaugerfilterbeutel mit einem Materialverbund umfassend:
1.1 eine erste Lage
1.1.1 aus einem Netz
1.1.1.1 mit einer Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10000 l/(m² s),
1.2 eine erste Faserlage
1.2.1 aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern,
1.3 die mit einer Seite der ersten Lage verbunden ist,
1.4 wobei die erste Faserlage in Form einer Vlieslage oder einer Vliesstofflage ausgebildet ist,
1.5 wobei die erste Lage ein Flächengewicht von 5 bis 30 g/m² und eine Dicke von 0,1 bis 1,5 mm aufweist,
1.6 wobei die erste Lage ein Netz mit einer Maschenweite von 2 mm bis mm ist.
3.1 Die hilfsweise verteidigte Anspruchsfassung ist zulässig. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag durch die hinzugefügten Merkmale 1.4 bis 1.6. Diese Merkmale entsprechen dem eingetragenen Anspruch 10 (auf erste Faserlage bezogener Teil in Verbindung mit Abschnitt 25 der Beschreibung), dem eingetragenen Anspruch 3 (erster Teil) sowie dem eingetragenen Anspruch 5. Die Ansprüche 2 bis 14 nach Hilfsantrag 1 entsprechen den eingetragenen Ansprüchen 2, 3 (eingeschränkter Teil), 4, 6 bis 9, 10 (auf zweite Faserlage bezogener Teil) und 11 bis 15.
Die Antragstellerin hat bemängelt, dass der Anspruch durch das Merkmal 1.4, „wobei die erste Faserlage in Form einer Vlieslage oder einer Vliesstofflage ausgebildet ist,“ unzulässig erweitert wäre, da entsprechend dem ursprünglichen eingetragenen Anspruch 10 die erste und/oder zweite Fasserlage nur in Form einer Vliesstofflage ausgebildet ist und die zusätzliche Ausbildung der ersten Faserlage in Form einer Vlieslage eine Schutzbereichserweiterung darstellen würde.
Dem kann nicht gefolgt werden. Gegenstand des ursprünglich eingetragenen Anspruchs 1 war ein Staubsaugerfilterbeutel mit einem Materialverbund umfassend unter anderem eine erste Faserlage aus Chemiefasern und/oder pflanzlichen Fasern. Entsprechend der Beschreibung der Streitgebrauchsmusterschrift in Absatz [0025] kann diese erste Faserlage in Form einer Vlieslage oder einer Vliesstofflage ausgebildet sein. Im ursprünglich eingetragenen Anspruch 10 wurde nur eine der beiden, vom Anspruch 1 schon umfassten Möglichkeiten beansprucht. Daher stellt die Beanspruchung der beiden ursprünglich offenbarten Varianten für die erste Faserlage im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 keine unzulässige Erweiterung dar.
3.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu, da die Merkmale des Anspruchs 1 in ihrer Gesamtheit keiner der Druckschriften entnommen werden können.
Die D1 zeigt einen Staubsaugerfilterbeutel, der ein mehrlagiges Filtermaterial aufweist. Dieses Filtermaterial besteht im Wesentlichen aus Vliesstoffmaterialien, die keine hohe Festigkeit aufweisen. Zur Stützung dieser Vliesstoffmaterialien ist eine luftdurchlässige Folie vorgesehen mit einer Luftdurchlässigkeit vom > 500 l/(m² s), die in Strömungsrichtung der Luft gesehen auch die erste Lage darstellen kann (vgl. in der D1 den Anspruch 1 sowie Absatz [0016]). Die luftdurchlässige Folie kann perforiert oder geschlitzt sein (vgl. Anspruch 3 und Absatz [0021]). Entsprechend der Auslegung des Senats stellt eine perforierte Folie kein Netz dar. Ob unter dem in der D1 offenbarten Gittergelege (Absatz [0017]), wie von der Antragstellerin vorgetragen, ein Netz i. S. d. Streitgebrauchsmusters zu verstehen ist,
kann dahingestellt bleiben, da die D1 kein Netz mit den Merkmalen 1.1.1.1, 1.5 und 1.6 offenbart.
Die D2 beschreibt ebenfalls Staubsaugerfilterbeutel mit einer stabilisierenden Lage aus einer perforierten Folie und einer Faserschicht. Sie geht dabei nicht über den Inhalt der D1 hinaus.
In der D3 wird ein Staubsaugerfilterbeutel beschrieben, der eine Lage aus Nanofasern aufweist, die auf einer Trägerlage oder einem Stützelement angeordnet sind. Dabei kommen als Stützelemente trockengelegte oder Spinnvliese aus Synthesefasern und/oder -filamenten mit einer Luftdurchlässigkeit vom bis zu 12.000 l/(m² s) zum Einsatz. Ein Netz als ein den Staubsaugerfilterbeutel stabilisierendes Element wird nicht offenbart.
Die D4 offenbart einen Staubsaugerfilterbeutel, der bis zu vier Lagen aufweisen kann (vgl. Figur 1). Die innere Lage auf der Anströmseite bildet ein nicht weiter spezifiziertes Netz (Merkmale 1.1 und 1.1.1), das mit einer Faserlage aus durch Thermoplast gebundenen Cellulosefasern verbunden ist (Merkmale 1.2, 1.2.1, 1.3 und 1.4). Die Außenlage besteht aus einem Vlies aus schmelzgeblasenen Thermoplasten. Diese Außenlage wird durch eine Stützschicht nach außen abgedeckt, die wiederum durch ein Netz gebildet werden kann. Das innere Netz dient hauptsächlich dem Schutz der inneren Faserlage vor groben Schmutzpartikeln. Zu diesem Zweck weist es Öffnungen auf, um Staubpartikel größer > 100 µm zurückzuhalten. Über die Luftdurchlässigkeit, das Flächengewicht, die Dicke und die Maschenweite des inneren und/oder äußeren Netzes entsprechend der Merkmale 1.1.1.1, 1.5 und 1.6 werden keine Aussagen gemacht.
Die D5 beschreibt lediglich ein Verfahren zur Herstellung eines Filtermaterials aus Fasern. Ein Netz im Sinne des Gebrauchsmusters ist dort nicht angesprochen.
Die D6 offenbart, wie zum Hauptantrag schon ausgeführt, Staubsaugerfilterbeutel, die mit Stütz- bzw. Grobfilterschichten mit der Bezeichnung „scrim“, „nonwoven“, „netting“ oder „netting-scrim“ als erste Lagen ausgestattet sind. Diese Schichten weisen Luftdurchlässigkeit von bis zu 10.000 l/(m² s) auf und sind bei bestimmten Ausführungsformen mit der angrenzenden Filterlage durch ein beliebiges Verfahren, wie chemische Klebstoffe, thermisches Bonden und Ultraschall-Bonden verbunden. „Netting“ kann zwar als Netz oder Netzgewebe übersetzt werden, durch den Bezug von „netting“ auf ein als „scrim“ oder „nonwoven“ bezeichnetes Stützvlies offenbart die D6 kein Netz im Sinne des Streitgebrauchsmusters.
Die D7 beschreibt die Herstellung eines extrudierten Netzes aus Kunststoff. Die Anwendung dieses Netzes bei einem Staubsaugerfilterbeutel wird dort nicht erwähnt. Auch bezüglich der Luftdurchlässigkeit, des Flächengewichts, der Dicke und der Maschenweite der extrudierten Netze werden keine Angaben gemacht.
Der in der D8 beschriebene Staubsaugerfilterbeutel besteht aus zwei Beutelwänden aus unterschiedlichen Vliesstoffschichten. Der Staubsaugerfilterbeutel weist kein Netz als stabilisierende Lage oder als Grobfilterlage auf.
Die D9 und die D10 beschreiben jeweils ein Filtermaterial und daraus hergestellte Flächen- oder Patronenfilter. Dabei wird das Filtermaterial gemäß der D10 aus zwei Faserlagen hergestellt, zwischen denen eine netzförmige Lage angeordnet ist, wobei die Fasern der Faserlagen durch die Löcher des Netzes miteinander verfilzt werden. Das Netz dient dazu, eine Faltbarkeit des Filtermaterials zu erhalten. Damit offenbarten die D9 und die D10 kein Netz als erste Lage eines Materialverbundes i. S. d. Streitgebrauchsmusters. Angaben zu Luftdurchlässigkeit, Flächengewicht, Dicke und Maschenweite sind diesen Schriften ebenfalls nicht entnehmbar.
Das Dokument D17/D17‘ offenbart in Absatz [0008] ein laminiertes Filterpapier mit einer Maschenträgerschicht aus Kunststoff und einer damit verbundenen Filterpa- pierschicht, wobei das laminierte Filterpapier insgesamt ein Flächengewicht von 63,6 g/m² und eine Dicke von 0,135 mm aufweist (vgl. Tabelle 1). Die Trägerschicht kann gemäß Absatz 9 ein Flachgarngewebe, ein Filamentgarngewebe, ein Kett-/Schussfaden-Vliesstofflaminat oder ein Gaze sein. Die Filterpapierschicht wird als eine Lage aus Polypropylen-Fasern und Pulpe aus Manilahanf und Nadelbaumholz beschrieben (Absatz [0012]). Die Antragstellerin argumentiert, dass es sich bei der Maschenträgerschicht um ein Netz handele und verweist dabei auf die Abbildung. Die Abbildung zeigt aber lediglich die bekannte Anordnung von Filamenten in einem Gewebe. Die D17/D17' gibt dabei keinen Hinweis darauf, dass die einzelnen querverlaufenden Filamente der Trägerschicht miteinander verbunden sind. Entsprechend des Ausführungsbeispiels werden lediglich die Trägerschicht und die Papierschicht durch die Heisskalanderwalzvorrichtung miteinander verbunden. Es bleibt aber offen, ob die jeweiligen querverlaufenden Filamente des Gewebes untereinander auch verbunden sind. Somit offenbart D17/D17' kein Netz, sondern lediglich ein Gewebe als Maschenträgerschicht mit einem Flächengewicht von 5-30 g/m² und einer Gittermaschenweite von 3-35 mm. Angaben zur Luftdurchlässigkeit und der Dicke der Trägerschicht werden keine gemacht. Aus dem Wert "0,58 Sekunde" für die Luftdurchlässigkeit des Staubsaugerbeutels lässt sich auch keine Aussage über die Luftdurchlässigkeit der ersten Lage gemäß dem Streitgebrauchsmuster treffen, da unbekannt ist, wie die Messung der Luftdurchlässigkeit gemäß dem in Absatz [0014] angegebenen Verfahren (JlS P 8117) durchgeführt wird.
3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruht auch auf einem erfinderischen Schritt, da er sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ergibt.
Wie zum Hauptantrag schon dargelegt, offenbart die D4 einen Staubsaugerfilterbeutel mit einem oder zwei Netzen, die mit verschiedenen Faserlagen verbunden sind. Die D4 enthält aber bis auf die Angabe, dass das innere Netz Öffnungen aufweist, die Staubpartikel größer > 100 µm zurückhalten sollen, keinerlei Angaben zur Gestaltung des Netzes. Damit erhält der Fachmann aus der D4 selbst keine Veranlassung, ein Netz zur Erzielung einer hohen mechanischen Stabilität mit einer Luftdurchlässigkeit von wenigstens 10.000 l/(m² s), ein Flächengewicht von 5 bis 30 g/m² und einer Dicke von 0,1 bis 1,5 mm sowie mit einer Maschenweite von 2 bis 30 mm auszuführen.
Wie zum Hauptantrag ebenfalls schon ausgeführt, wird der Fachmann durch die Offenbarung der D6 dazu veranlasst, das aus der D4 bekannte Netz als erste Lage einzusetzen und konstruktiv dahingehend zu abzuändern, dass es eine Luftdurchlässigkeit mindestens 10.000 l/(m² s) aufweist und mit einer Seite der ersten Lage verbunden ist. Da die D6 selbst aber kein Netz offenbart, erhält der Fachmann aus ihr auch keinerlei Anregungen zur möglichen Gestaltung des beanspruchten Netzes.
Um das aus der D4 bekannte Netz mit der gewünschten Luftdurchlässigkeit von mindestens 10.000 l/(m² s) mit der erforderlichen Steifheit zu versehen, wird der Fachmann das Netz entsprechend seinem Fachwissen mit den ihm jeweils einzeln bekannten Parametern hinsichtlich Flächengewicht, Maschenweite und Dicke ausgestalten. Diese Tätigkeit führt den Fachmann jedoch nicht zwangsläufig zu dem beanspruchten Netz mit einem Flächengewicht von 5 bis 30 g/m² und einer Dicke von 0,1 bis 1,5 mm sowie mit einer Maschenweite von 2 bis 30 mm, da zum Beispiel die Maschenweite des Netzes nicht nur vom Lochquerschnitt und der damit korrespondieren Luftdurchlässigkeit abhängig ist, sondern auch von der Ausführung des Netzes bezüglich des Querschnitts und der Stegbreite der Filamente. Damit erhält der Fachmann aus der D6 keine Veranlassung für die spezifische Kombination der drei Parameter des Netzes entsprechend der Merkmale 1.5 und 1.6.
Wie schon ausgeführt offenbart die D17/D17‘ auch kein Netz, sondern lediglich ein Gewebe als Maschenträgerschicht mit einem Flächengewicht von 5-30 g/m² und einer Gittermaschenweite von 3-35 mm ohne eine nachvollziehbare Angabe zur Luftdurchlässigkeit oder der Gestaltung der Maschenträgerschicht. Das in der Streitgebrauchsmusterschrift als mögliches zu verwendende Netz genannte Netz RO3650 weist ein Flächengewicht von 10,54 g/m² und einer Maschenweite von 4,2 x 4,2 mm auf und liegt damit zwar im Bereich der in der D17 genannten Maschenträgerschicht. Daraus ist im Gegensatz zur Auffassung der Antragstellerin aber nicht zu schlussfolgern, dass dem Fachmann, ausgehend vom Stand der Technik nach der D1, der D4 oder der D6 aus der D17/D17’ ein Netz mit der spezifischen Kombination der Merkmale 1.1.1.1, 1.5 und 1.6 des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrags 1 nahelegt wird.
Die weiteren genannten Druckschriften liegen noch weiter vom Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ab.
Aus der D1 und der D2 gehen ein Staubsaugerfilterbeutel mit einem Materialverbund aus einer gelochten Folie und einer Faserlage aus Chemiefasern und aus der D3 ein Staubsaugerfilterbeutel mit einer Lage aus Nanofasern auf einer Trägerlage oder einem Stützelement hervor. Keine dieser Schriften offenbart ein Netz i. S. d. Streitgebrauchsmusters, so dass der Fachmann diesen Schriften keine Hinweise zu einem entsprechenden Netz mit Lochquerschnitt oder Maschenweite entnehmen kann.
In der D5 wird lediglich ein Verfahren zur Herstellung eines Filtermaterials aus Fasern und in der D7 die Herstellung eines extrudierten Netzes beschrieben. Zur Anwendung eines Netzes bei einem Staubsaugerfilterbeutel, der Luftdurchlässigkeit oder den Abmessungen von Lochquerschnitt und Maschenweite werden keine Angaben gemacht.
Der in der D8 beschriebene Staubsaugerfilterbeutel weist auch kein Netz als stabilisierende Lage auf.
Die D9 und die D10 beschreiben jeweils ein Filtermaterial und daraus hergestellte Flächen- oder Patronenfilter ohne Angaben zu Luftdurchlässigkeit, Lochquerschnitten und Maschenweiten.
Nach alledem wurde dem Fachmann weder eine Anregung noch ein Veranlassung aus dem Stand der Technik vermittelt, einen Staubfilterbeutel mit den Merkmalen des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrags 1 bereitzustellen. Dazu konnte er auch in einer zusammenschauenden Betrachtung des Standes der Technik und durch sein allgemeines Fachwissen nicht hingeführt werden.
3.4 Mit Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 der Antragsgegnerin vom 21. Mai 2014 haben auch die darauf rückbezogenen, vorteilhafte Ausführungsformen des Schutzanspruches 1 betreffenden Schutzansprüche 2 bis 13 Bestand.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG und i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO.
III. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unterzeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Werner Rippel Brunn Cl