4 StR 204/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 204/24 BESCHLUSS vom 11. September 2024 in der Strafsache gegen wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:110924B4STR204.24.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag und nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. September 2024 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 28. November 2023 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben a) im Einzelstrafausspruch im Fall II. 1. der Urteilsgründe; b) im Gesamtstrafausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchtem schweren Raub und mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und fünf Monaten verurteilt. Zudem hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts im Fall II. 1. der Urteilsgründe gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Revision des Angeklagten ist aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 16. August 2024 wirksam auf den Schuldspruch im Fall II. 1. der Urteilsgründe (Tat Nr. 1), den zugehörigen Einzelstraf- und den Gesamtstrafausspruch beschränkt. Dass die vom Revisionsangriff ausgenommene Tat im Fall II. 2. der Urteilsgründe nunmehr den Regelungen des am 1. April 2024 in Kraft getretenen Gesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG, BGBl. I Nr. 109) unterfiele, hindert die Wirksamkeit der Beschränkung nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2024 – 1 StR 150/24 Rn. 3 mwN).
2. Während die Nachprüfung des Schuldspruchs im Fall II. 1. der Urteilsgründe auf die Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, kann die in diesem Fall verhängte Strafe keinen Bestand haben.
Das Landgericht hat bei der Prüfung eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB und bei der konkreten Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, er habe die Tat unter laufender Bewährung begangen. Diese Erwägung wird von den zu den Vorstrafen des Angeklagten getroffenen Feststellungen nicht getragen. Danach wurde er zwar mit Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 11. Januar 2019, das seit dem 19. Januar 2019 rechtskräftig ist, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und anderer Delikte zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Dauer der Bewährungszeit hat die Strafkammer aber nicht mitgeteilt. Zudem ereignete sich die hiesige Tat am 28. März 2023, also mehr als vier Jahre nach dem an die Rechtskraft des früheren Urteils geknüpften Beginn der Bewährungszeit. Folglich geht die Erwägung eines Bewährungsbruchs auch mit der in § 22 JGG vorgesehenen Dauer der Bewährungszeit nicht konform, die drei Jahre sowie für den Fall ihrer Verlängerung vier Jahre nicht überschreiten darf.
Der Einzelstrafausspruch beruht auf dem Rechtsfehler. Denn der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die Annahme eines mit der Tat verbundenen Bewährungsbruchs des Angeklagten – ungeachtet seiner weiteren Verurteilung und eines daher noch drohenden Widerrufs der Strafaussetzung – zu seinem Nachteil ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2021 – 4 StR 468/20 Rn. 5).
3. Der Wegfall der Einzelstrafe entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.
Der Gesamtstrafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung auch für sich nicht stand. Die Urteilsgründe lassen die revisionsgerichtliche Überprüfung nicht zu, ob die (unbedingte) Freiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und zwei Monaten aus dem – nicht erledigten – Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 2. November 2022 in die Gesamtstrafe einzubeziehen war (§ 55 Abs. 1, §§ 53, 54 StGB). Diese „frühere Verurteilung“ wurde erst am 9. Mai 2023, mithin nach Beendigung der hier geahndeten Taten vom 28. und 31. März 2023 rechtskräftig. Die Umstände hierfür sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Daher kann der Senat nicht ausschließen, dass in dem früheren Verfahren nach den hier verfahrensgegenständlichen Taten ein Berufungsurteil erging, „in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten“ (§ 55 Abs. 1 Satz 2 StGB). Dies ist zu bejahen, wenn wenigstens noch über einen Teil des Strafausspruchs zu befinden war (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2022 – 4 StR 43/22 Rn. 7; Beschluss vom 24. Juli 2018 – 3 StR 245/18 Rn. 7 mwN). Die dann geforderte Einbeziehung in die Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB darf auch nicht dem Beschlussverfahren nach § 460 StPO überlassen bleiben (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2022 – 4 StR 43/22 Rn. 7).
Vorsorglich weist der Senat für den Fall, dass in dem früheren Verfahren aufgrund einer tatgerichtlichen Verhandlung zur Schuld- oder Straffrage nach Beendigung der hier verfahrensgegenständlichen Taten entschieden wurde, darauf hin, dass sich die nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach dem Vollstreckungsstand zum Zeitpunkt des angefochtenen Urteils (28. November 2023) bestimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2023 – 1 StR 381/22 Rn. 8 mwN).
Quentin Scheuß Bartel Marks Maatsch Vorinstanz: Landgericht Dortmund, 28.11.2023 ‒ 37 KLs-500 Js 92/23-10/23