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XII ZB 513/24

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 513/24 vom 24. September 2025 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: BGHZ: BGHR: JNEU:

ja nein ja nein BGB § 1816 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1, § 1817 Abs. 4; FamFG § 26 a) Die Kriterien des § 1816 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BGB gelten auch für die Auswahl eines Verhinderungsbetreuers nach § 1817 Abs. 4 BGB.

b) Ein Elternteil des Betroffenen, der zum Betroffenen persönliche Bindungen unterhält und den der Betroffene wiederholt als Betreuer benannt hat, ist bei der Betreuerauswahl besonders zu berücksichtigen und kann nur dann zugunsten eines Berufsbetreuers übergangen werden, wenn gewichtige Gründe des Wohls des Betreuten einer Bestellung seines Elternteils entgegenstehen (Fortführung von Senatsbeschluss vom 1. März 2023 - XII ZB 285/22 - FamRZ 2023, 1062).

c) Zum Umfang der Amtsermittlungspflicht in Fällen, in denen das Betreuungsgericht statt eines vom Betroffenen als (Verhinderungs-)Betreuer vorgeschlagenen Elternteils einen Berufsbetreuer auswählt (Fortführung von Senatsbeschluss vom 1. März 2023 - XII ZB 285/22 - FamRZ 2023, 1062).

BGH, Beschluss vom 24. September 2025 - XII ZB 513/24 - LG Deggendorf AG Viechtach ECLI:DE:BGH:2025:240925BXIIZB513.24.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. September 2025 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur und die Richterin Dr. Pernice beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Deggendorf vom 7. Oktober 2024 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Eine Wertfestsetzung (§ 36 Abs. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.

Gründe:

I.

Die Betroffene wendet sich gegen die Bestellung eines beruflichen Betreuers als Verhinderungsbetreuer.

Die im Jahr 1999 geborene Betroffene leidet an einer geistigen Behinderung im Sinne einer leichten Intelligenzminderung. Für sie ist seit 2017 eine Betreuung mit umfassendem Aufgabenkreis eingerichtet.

Nach Einholung eines ärztlichen Zeugnisses sowie persönlicher Anhörung der Betroffenen hat das Amtsgericht die Betreuung verlängert sowie den Beteiligten zu 1, den Vater der Betroffenen, zum Betreuer und den Beteiligten zu 2 zum beruflich tätigen Verhinderungsbetreuer bestellt. Das Beschwerdegericht hat die auf die Auswahl der Person des Verhinderungsbetreuers beschränkte Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sie sich mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Die auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statthaft. Dass sie sich allein gegen die Auswahl der Person eines Verhinderungsbetreuers richtet, steht dem nicht entgegen, weil es sich um eine zulässige Teilanfechtung der die Verlängerung der Betreuung und Bestellung eines Betreuers bzw. Verhinderungsbetreuers umfassenden Einheitsentscheidung handelt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2018 - XII ZB 39/18 FamRZ 2018, 1533 Rn. 8 und vom 15. September 2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 10 mwN).

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

a) Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass nach § 1817 Abs. 4 Satz 1 BGB auch vorsorglich ein Verhinderungsbetreuer bestellt werden könne, der die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen habe, soweit der Betreuer aus tatsächlichen Gründen verhindert sei. Bei der Auswahl des Verhinderungsbetreuers habe das Gericht allerdings die Vorgaben des § 1816 BGB zu achten und einen Betreuer zu bestellen, der geeignet ist, in dem gerichtlich angeordneten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen. Dabei solle dem Wunsch des Betroffenen möglichst entsprochen werden, es sei denn, die gewünschte Person sei zur Führung der Betreuung ungeeignet.

Nach den getroffenen Feststellungen verfüge die Mutter der Betroffenen nicht über die notwendigen sozialen Fähigkeiten und über die psychische Verfassung, die Angelegenheiten der Betroffenen so zu besorgen, dass diese im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihr Leben nach ihren eigenen Wünschen gestalten könne. Die Betroffene befinde sich in einem äußerst ambivalenten Verhältnis zu ihrer Mutter, von der sie sich einerseits lösen wolle, für deren Wohlergehen sie sich aber andererseits verantwortlich fühle. Diese Ambivalenz werde begleitet von einer ausgeprägten emotionalen Abhängigkeit der beiden zueinander. Die fehlende Eignung der Mutter ergebe sich auch aus ihrer mehrfach im Gerichtsverfahren demonstrierten Unfähigkeit zur sachlichen Kommunikation, um die Wünsche und Belange der Betroffenen zu sichern und gegebenenfalls durchzusetzen. Die von den anderen Verfahrensbeteiligten geschilderte, eigennützige Einflussnahme der Mutter auf das Leben ihrer Tochter rechtfertige die Prognose, dass die Mutter die eigenen Wünsche der Tochter nicht feststellen könne und deren Umsetzung daher auch nicht rechtlich unterstützen werde.

b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass die Auswahl des Verhinderungsbetreuers auf verfahrensfehlerhaft zustande gekommenen Feststellungen beruht (§ 26 FamFG).

aa) Nach § 1816 Abs. 2 Satz 1 BGB hat das Betreuungsgericht dem Wunsch des Betroffenen, eine Person zum Betreuer zu bestellen, zu entsprechen, es sei denn, die gewünschte Person ist zur Führung der Betreuung nicht geeignet. Ein solcher Wunsch erfordert in der Regel weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Vorschlag des Betroffenen ernsthaft, eigenständig gebildet und dauerhaft ist. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden (Senatsbeschluss vom 1. März 2023 - XII ZB 285/22 - FamRZ 2023, 1062 Rn. 19 mwN).

Gemäß § 1816 Abs. 3 BGB sind, wenn der Betroffene niemanden als Betreuer vorgeschlagen hat, bei der Auswahl des Betreuers die familiären Beziehungen des Volljährigen, insbesondere zum Ehegatten, zu Eltern und zu Kindern, seine persönlichen Bindungen sowie die Gefahr von Interessenkonflikten zu berücksichtigen. Die bevorzugte Berücksichtigung der Angehörigen dient dem Schutz von Ehe und Familie. Diese Regelung gilt auch, wenn der Betroffene einen Angehörigen als Betreuer wünscht. Denn der Angehörige ist nach Maßgabe dieser Vorschrift „erst recht“ zu bestellen, wenn der Betroffene selbst diesen Angehörigen ausdrücklich als Betreuer seiner Wahl benannt hat (Senatsbeschluss vom 1. März 2023 - XII ZB 285/22 - FamRZ 2023, 1062 Rn. 20 mwN).

bb) Der Senat hat bereits entschieden, dass in Würdigung der in § 1816 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BGB getroffenen Wertentscheidungen ein Kind des Betroffenen, das zu diesem persönliche Bindungen unterhält und das der Betroffene wiederholt als Betreuer benannt hat, deshalb bei der Betreuerauswahl besonders zu berücksichtigen sein wird und nur dann zugunsten eines beruflichen Betreuers übergangen werden kann, wenn gewichtige Gründe des Wohls des Betreuten einer Bestellung seines Kindes entgegenstehen (vgl. Senatsbeschluss vom 1. März 2023 - XII ZB 285/22 - FamRZ 2023, 1062 Rn. 21 mwN). Für einen Elternteil eines Betreuten, der ähnlich enge persönliche Kontakte zum Betreuten unterhält, gilt nichts Anderes (vgl. auch BVerfG FamRZ 2022, 722 Rn. 16 ff.). Ebenso differenziert § 1816 BGB nicht zwischen dem Hauptbetreuer nach

§ 1817 Abs. 1 BGB und dem Verhinderungsbetreuer nach § 1817 Abs. 4 BGB (vgl. BeckOGK/Schmidt-Recla [Stand: 15. Juli 2025] BGB § 1816 Rn. 3; BeckOK BGB/Müller-Engels [Stand: 1. August 2025] § 1816 Rn. 3).

Nicht geeignet als Betreuer ist nach § 1816 Abs. 1 BGB derjenige, der nicht willens oder in der Lage ist, in dem gerichtlich angeordneten Aufgabenkreis nach Maßgabe des § 1821 BGB die Wünsche und den mutmaßlichen Willen des Betreuten zu ermitteln und adäquat umzusetzen und in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlichen Kontakt mit dem Betreuten zu halten. Von einer fehlenden persönlichen Eignung ist danach insbesondere auszugehen, wenn das Gericht anhand konkreter Tatsachen erhebliche Interessenkonflikte feststellt oder wenn ein Missbrauch eines zu der betroffenen Person bestehenden Vertrauensverhältnisses durch den potentiellen Betreuer zu befürchten ist. Besteht in einem solchen Fall die konkrete Gefahr, dass die als Betreuer in Betracht kommende Person nicht gewillt oder in der Lage ist, die Betreuung nach Maßgabe des § 1821 BGB zu führen, ist von einer Bestellung zum Betreuer mangels Eignung abzusehen (Senatsbeschluss vom 5. März 2025 - XII ZB 260/24 - FamRZ 2025, 967 Rn. 8 mwN).

cc) Diese rechtliche Gewichtung stellt auch an die tatrichterliche Ermittlungspflicht besondere Anforderungen. Der Tatrichter wird solche Gründe, die möglicherweise in der Person des vom Betroffenen als Betreuer benannten Angehörigen liegen, verlässlich nur feststellen können, wenn er diesem Gelegenheit gegeben hat, zu diesen Gründen Stellung zu nehmen. Es verstößt gegen den Amtsermittlungsgrundsatz, wenn der Tatrichter in seiner Entscheidung ausdrücklich die Eignung des benannten Elternteils zum Betreueramt oder dessen Redlichkeit in Zweifel zieht und sich hierbei auf Mitteilungen Dritter beruft, ohne zuvor den als Betreuer vorgeschlagenen Elternteil - bei gravierenden Vorwürfen sogar regelmäßig persönlich - zu den von Dritten mitgeteilten Tatsachen anzuhören.

Eine solche Verfahrensweise wäre schon allgemein als Grundlage einer Betreuerauswahl, bei der ein Berufsbetreuer einem möglichen ehrenamtlichen Betreuer - aufgrund dessen angeblich fehlender Eignung und mangelnder Redlichkeit vorgezogen wird, bedenklich. Als tatrichterliche Basis einer Entscheidung, durch die ein Elternteil des Betroffenen, obschon mit diesem persönlich verbunden und von diesem wiederholt als Betreuer benannt, als Betreuer übergangen wird, ist eine solche Verfahrensweise jedoch jedenfalls rechtsfehlerhaft (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. November 2024 - XII ZB 176/24 - FamRZ 2025, 221 Rn. 19 und vom 1. März 2023 - XII ZB 285/22 - FamRZ 2023, 1062 Rn. 22 mwN).

dd) Das beschwerdegerichtliche Vorgehen erfüllt diese verfahrensrechtlichen Anforderungen nicht, so dass die Beschwerdeentscheidung unter Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 26 FamFG) ergangen ist. Die Betroffene hat sowohl erstinstanzlich als auch in der Beschwerdeschrift wiederholt zum Ausdruck gebracht, nur ihre Eltern als Betreuer zu wünschen. Die - diesem Wunsch nicht entsprechende - Überzeugungsbildung des Beschwerdegerichts, dass die Mutter der Betroffenen als ungeeignet für die Übernahme des Amts der Verhinderungsbetreuerin anzusehen sei, setzt daher verfahrensrechtlich voraus, dass die Mutter zunächst mit den Mitteilungen Dritter, auf die das Beschwerdegericht seine Zweifel an ihrer Eignung und Redlichkeit stützen will, konfrontiert wird und Gelegenheit erhält, sich hierzu vor Gericht zu äußern. Eine solche Gelegenheit ist ihr - soweit aus den Akten ersichtlich - bisher nicht eingeräumt worden. Damit sind die an eine ermessensfehlerfreie amtswegige Tatsachenermittlung zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt.

3. Die Beschwerdeentscheidung ist daher aufzuheben und die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 5, Abs. 6 Satz 2 FamFG). Dieses wird nunmehr die unterbliebene Anhörung der Mutter der Betroffenen nachzuholen und nach Abschluss der diesbezüglichen Ermittlungen eine persönliche Anhörung der Betroffenen zu wiederholen haben.

Guhling Botur Günter Pernice Nedden-Boeger Vorinstanzen: AG Viechtach, Entscheidung vom 02.08.2024 - XVII 344/17 LG Deggendorf, Entscheidung vom 07.10.2024 - 12 T 120/24 -

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