19 W (pat) 32/18
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 32/18 Verkündet am 13. Februar 2019
…
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 10 2013 208 664 …
ECLI:DE:BPatG:2019:130219B19Wpat32.18.0 hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Phys. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi und Dipl.-Phys. Dr. Haupt beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der Patentabteilung 1.55 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Juli 2018 aufgehoben und das Patent 10 2013 208 664 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 13. Februar 2019,
Beschreibung und Zeichnung wie erteilt.
2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Auf die am 13. Mai 2013 unter Inanspruchnahme der inneren Priorität 10 2012 222 980.9 vom 12. Dezember 2012 eingereichte Anmeldung ist mit Beschluss vom 27. September 2016 das Patent 10 2013 208 664 mit der Bezeichnung „Verfahren zum Betreiben eines Triangulations-Lichttasters“ erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 12. Januar 2017 erfolgt.
Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2017, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag, Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Die Einsprechende hat geltend gemacht, das Patent offenbare die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie im gesamten beanspruchten Bereich ausführen könne (§ 21 Abs. 1 Nummer 2 PatG), im Übrigen sei der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nummer 1 PatG), insbesondere nicht neu bzw. nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend. Die Einsprechende verweist auf verschiedene Schriften und auf einen Wikipedia-Eintrag:
D1 D2 D3 D4 D5 D6 D7 D8 Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 DE 101 38 609 A1 DE 10 2008 030 518 B4 DE 44 19 032 A1 DE 199 17 487 A1 DE 10 2006 005 463 A1 EP 1 801 618 A2 EP 2 040 097 A1 DE 198 50 270 A1 Wikipedia. Funktion (Mathematik). Zuletzt bearbeitet am 16. Mai 2018 um 12:16 Uhr, ausgedruckt am 23. Juni 2018. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Funktion_(Mathematik). Handbuch der Mathematik. Buch und Zeit Verlagsgesellschaft, 1977, Seiten 125 und 126. BRONSTEIN, Ilja N.; SEMENDJAJEW, Konstantin A.: Taschenbuch der Mathematik. Verlag Harri Deutsch, Thun, 1980, ISBN 3-87144-492-8, Seiten 602 und 603.
Mit am Ende der Anhörung vom 5. Juli 2018 verkündetem Beschluss hat die Patentabteilung 1.55 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent widerrufen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin vom 8. August 2018. Sie verweist im Beschwerdeverfahren auf ein Fachbuch und zwei Dokumente aus dem Internet:
P1 HESSE, Stefan; SCHNELL, Gerhard: Sensoren für die Prozessund Fabrikautomation, Vieweg + Teubner, 4., aktualisierte und erweiterte Auflage 2009, ISBN 978-3-8348-0471-6. Seite 392. URL: https://books.google.de/books?id=M0-vFf0i9QC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_atb v=onepage& q&f=false.
P2 Funktionsweise und Technologie von Lichtschranken und Lichttastern. Baumer GmbH, 61169 Friedberg, Copyright © Baumer 2019. URL: https://www.baumer.com/de/de/service-support/knowhow/funktionsweise/funktionsweise-und-technologie-vonlichtschranken-und-lichttastern/a/knowhow_function_lichtschranken-lichttaster P3 Smart Sensors. Laser Displacements Sensors CMOS Type. ZX1 Serie. Kurzanleitung. Pohl electronic GmbH, 16761 Hennigsdorf b. Berlin, ohne Datum. URL: www.pohl-electronic.de/wp-content/uploads/2015/10/zx1omron-handbuch.pdf.
Die Patentinhaberin beantragt:
den Beschluss der Patentabteilung 1.55 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Juli 2018 aufzuheben und das Patent 10 2013 208 664 im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten,
hilfsweise mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 13. Februar 2019,
weiter hilfsweise,
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I vom 11. Januar 2019, Patentansprüche 2 und 3 wie erteilt,
weiter hilfsweise,
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II vom 11. Januar 2019, Patentansprüche 2 und 3 wie erteilt,
weiter hilfsweise,
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag IIb, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 13. Februar 2019, Patentansprüche 2 und 3 wie erteilt,
Beschreibung und Zeichnung zu den Hilfsanträgen jeweils wie erteilt.
Die Einsprechende beantragt:
die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
Der erteilte Anspruch 1 (Hauptantrag) lautet:
1. Verfahren zum Betreiben eines TriangulationsLichttasters mit einem Sender (1) zum Aussenden eines Lichtsignals in einen Überwachungsbereich und einem ortsauflösenden Empfänger (2) zur Erzeugung eines von einem variablen Schaltabstand SA abhängigen ersten, geometrischen Schaltkriteriums, sowie einer Auswerteeinheit (3) zur Erzeugung eines binären Schaltsignals, wobei das binäre Schaltsignal nur dann erzeugt wird, wenn das geometrische Schaltkriterium anzeigt, dass sich ein Objekt im gewählten Schaltabstand SAx befindet, und ein zweites, energetisches Schaltkriterium erfüllt ist, das die auf den ortsauflösenden Empfänger (2) treffende Lichtmenge bewertet, dadurch gekennzeichnet, dass in der Auswerteeinheit (3) eine vom variablen Schaltabstand SA abhängige Energiefunktion E(SA) hinterlegt ist, die stets oberhalb der für ein gültiges Schaltsignal erforderlichen rauschbegrenzten Signalstärke und unterhalb der von einem Objekt mit minimalem Reflexionsvermögen hervorgerufene Signalstärke liegt und bei einem Schaltabstand SAx als energetisches Schaltkriterium E(SAx) Verwendung findet.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag IV vom 13. Februar 2019 lautet:
1. Verfahren zum Betreiben eines TriangulationsLichttasters mit einem Sender (1) zum Aussenden eines Lichtsignals in einen Überwachungsbereich und einem ortsauflösenden Empfänger (2) zur Erzeugung eines von einem variablen Schaltabstand SA abhängigen ersten, geometrischen Schaltkriteriums, sowie einer Auswerteeinheit (3) zur Erzeugung eines binären Schaltsignals, wobei das binäre Schaltsignal nur dann erzeugt wird, wenn das geometrische Schaltkriterium anzeigt, dass sich ein Objekt im gewählten Schaltabstand SAx befindet, und ein zweites, energetisches Schaltkriterium erfüllt ist, das die auf den ortsauflösenden Empfänger (2) treffende Lichtmenge bewertet, dadurch gekennzeichnet, dass in der Auswerteeinheit (3) eine vom variablen Schaltabstand SA abhängige Energiefunktion E(SA) hinterlegt ist, die stets oberhalb der für ein gültiges Schaltsignal erforderlichen rauschbegrenzten Signalstärke und unterhalb der von einem Objekt mit minimalem Reflexionsvermögen hervorgerufene Signalstärke liegt und bei einem Schaltabstand SAx als energetisches Schaltkriterium E(SAx) Verwendung findet, wobei die Energiefunktion E(SA) als Polynom in der Auswerteeinheit (3) hinterlegt ist.
Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere wegen des Wortlauts der Ansprüche nach den übrigen Hilfsanträgen, wird auf die Akte verwiesen.
II.
1. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Patentinhaberin hat nur insoweit Erfolg, als sie zu einer beschränkten Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung nach Hilfsantrag IV vom 13. Februar 2019 führt. Die weitergehende Beschwerde der Patentinhaberin war zurückzuweisen.
2. Der Einspruch ist zulässig (§ 59 Abs. 1 PatG), insbesondere ist er form- und fristgerecht am 11. Oktober 2017 eingegangen sowie ausreichend substantiiert.
3. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines TriangulationsLichttasters.
Nach den sinngemäßen Angaben in der Streitpatentschrift sind optische Näherungsschalter, insbesondere auch Triangulations-Lichttaster in der Automatisierungstechnik weit verbreitet. Sie bestünden aus einem optischen Sender, der ein Lichtbündel in einen Überwachungsbereich aussende, und einer neben der Sendeoptik angeordneten Empfangsoptik. Die optischen Achsen von Sende- und Empfangsoptik seien meist parallel, könnten je nach Messaufgabe aber auch spitzwinklig zueinander verlaufen. Die Empfangsoptik erfasse diffus reflektierende Objekte in einem von ihrem Abstand abhängigen Winkel und bilde diese auf einen vom Einfallswinkel abhängigen Ort auf einem optischen Empfänger ab (Triangulation). Als Empfänger kämen ortsauflösende Fotoempfänger in Frage (Streitpatentschrift, Absatz 0002).
Der Empfänger liefere im Allgemeinen ein Nahsignal und ein Fernsignal, die zur Feststellung eines Objektes im Überwachungsbereich miteinander verknüpft würden. Damit Objekte mit stark unterschiedlichem Reflexionsvermögen, beispielsweise schwarze und weiße Objekte, im selben Abstand „schalten“, müssten die Empfangssignale normiert werden. Das könne beispielsweise durch Quotientenbildung oder eine spezielle Differenzbildung geschehen. Ein solches Kriterium allein führe jedoch bei stark verrauschten Signalen zu Fehlschaltungen. Um dies zu vermeiden, sei ein zusätzliches Schaltkriterium in Form einer „energetischen“ Schaltschwelle zur Bewertung des Summensignals der beiden Kanäle, also der insgesamt empfangenen Lichtmenge erforderlich. So werde das binäre Schaltsignal erst dann ausgegeben, wenn beide Schaltkriterien, also das ortsabhängige und das energieabhängige Schaltkriterium erfüllt seien (Absatz 0003).
Nachteilig am Stand der Technik sei, dass es bei einer zu niedrig gewählten energetischen Schaltschwelle zu Fehlschaltungen durch Aerosole im Überwachungsbereich komme. Eine höher angesetzte energetische Schaltschwelle vermeide zwar diese Fehlschaltungen, vermindere aber die Reichweite für Objekte mit geringem Reflexionsvermögen. Die Aufgabe der Erfindung bestehe somit darin, den Störabstand von Triangulations-Lichttastern zu verbessern, ohne den maximal erreichbaren Schaltabstand SAmax zu verringern, insbesondere sollen Fehlschaltungen durch Aerosole in Form von Nebel, Rauch und Staub vermieden werden (Absätze 0009 bis 0011).
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt der Anspruch 1 in der erteilten Fassung des Patents ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:
M1 Verfahren zum Betreiben eines Triangulations-Lichttasters mit einem Sender (1) zum Aussenden eines Lichtsignals in einen Überwachungsbereich M2 und einem ortsauflösenden Empfänger (2) zur Erzeugung eines von einem variablen Schaltabstand SA abhängigen ersten, geometrischen Schaltkriteriums,
M3 sowie einer Auswerteeinheit (3) zur Erzeugung eines binären Schaltsignals,
M4 wobei das binäre Schaltsignal nur dann erzeugt wird, wenn das geometrische Schaltkriterium anzeigt, dass sich ein Objekt im gewählten Schaltabstand SAx befindet,
M5 und ein zweites, energetisches Schaltkriterium erfüllt ist, das die auf den ortsauflösenden Empfänger (2) treffende Lichtmenge bewertet, dadurch gekennzeichnet, dass M6 in der Auswerteeinheit (3) eine vom variablen Schaltabstand SA abhängige Energiefunktion E(SA) hinterlegt ist,
M7 die stets oberhalb der für ein gültiges Schaltsignal erforderlichen rauschbegrenzten Signalstärke M8 und unterhalb der von einem Objekt mit minimalem Reflexionsvermögen hervorgerufene[n] Signalstärke liegt M9 und bei einem Schaltabstand SAx als energetisches Schaltkriterium E(SAx) Verwendung findet.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag IV umfasst neben den Merkmalen M1 bis M9 des erteilten Anspruchs 1 das Merkmal M10 wobei die Energiefunktion E(SA) als Polynom in der Auswerteeinheit (3) hinterlegt ist.
4. Der Senat legt seiner Entscheidung als Fachmann einen Diplom-Physiker mit Universitätsabschluss bzw. einen Absolventen eines entsprechenden Masterstudiengangs mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von optischen Verfahren zur Entfernungsmessung und Positionsbestimmung, insbesondere mittels Triangulations-Lichttastern, zu Grunde.
5. Der Fachmann versteht die Angaben im Anspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag IV wie folgt:
a) Der gewählte Schaltabstand SAx (Merkmal M4) ist die räumliche Entfernung vom Lichttaster, in welcher das Vorhandensein eines reflektierenden Objekts detektiert und ein binäres Schaltsignal bzw. Objektfeststellungssignal ausgegeben werden soll (Streitpatentschrift, Absatz 0022, Bezugszeichenliste, Zeile SA sowie Absätze 0014 und 0017). Dieser Schaltabstand kann im Lichttaster entweder manuell mit einem Potentiometer oder einer Tastatur, aber auch automatisch durch einen Mess- oder Einlernvorgang eingestellt werden (Seite 3/6, linke Spalte Zei- len 13 bis 16). Durch die Einstellung wird aus dem variablen Schaltabstand SA (Merkmal M2), d. h. einer Menge von möglichen Schaltabständen, ein konkretes Element ausgewählt, der gewählte Schaltabstand SAx (Merkmal M4).
b) Ein vom variablen Schaltabstand SA abhängiges erstes, geometrisches Schaltkriterium (Merkmal M2) ergibt sich aus der Lage des Abbildes des Objektes auf dem ortsauflösenden Empfänger, und ist beispielsweise im Fall von zwei Empfangsdioden die Differenz der Fotoströme der beiden Empfangsdioden (Absatz 0013).
c) Ein vom variablen Schaltabstand SA abhängiges zweites, energetisches Schaltkriterium (Merkmale M5 und M6) bewertet die auf den ortsauflösenden Empfänger treffende Lichtmenge, beispielsweise die Summe der Fotoströme der Empfangsdioden (Seite 3/6, linke Spalte Zeilen 1 bis 7). Als energetisches Schaltkriterium findet eine vom variablen Schaltabstand SA abhängige Energiefunktion E(SA) Verwendung (Merkmale M6 und M9). Eine solche Energiefunktion E(SA) versteht der Fachmann als Beziehung, die Elementen aus der Menge der variablen Schaltabstände SA jeweils genau einen Energiewert bzw. eine Lichtmenge zuordnet.
d) Ein Objekt mit minimalem Reflexionsvermögen (Merkmal M8) versteht der Fachmann als das dunkelste vom Lichttaster nachzuweisende Objekt (Seite 3/6, Absatz 0012, fünft- und viertletzte Zeile). Das minimale Reflexionsvermögen beträgt in der Regel 6 % (Seite 4/6, linke Spalte, fünft- und viertletzte Zeile).
e) Eine als Polynom hinterlege Energiefunktion E(SA) (Merkmal M10) ist die Summe der Vielfachen von Potenzen des variablen Schaltabstands SA. Polynome vom Grad Null schließt der Fachmann im Merkmal M10 nach dem Gesamtoffenbarungsgehalt des Streitpatents aus (vgl. etwa Absatz 0012: „Die wesentliche Idee der Erfindung besteht darin, die energetische Schaltschwelle an den variablen Schaltabstand SA anzupassen … Erfindungsgemäß ist das energetische Schaltkriterium also keine Konstante“ oder auch Figur 1, Kurve E).
6. Das Patent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs. 1 Nummer 2 PatG).
Die von der Patentabteilung 1.55 im angegriffenen Beschluss hierzu getroffenen Feststellungen halten einer Überprüfung stand. Insbesondere ist dem Fachmann ohne weiteres klar, dass die Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Haupt- oder Hilfsanträgen kein Objekt mit beliebig kleinem Reflexionsvermögen nachweisen sollen, sondern nur Objekte, welche eine ausreichend große Lichtmenge auf den ortsauflösenden Empfänger reflektieren (Merkmal M5), oberhalb der für ein gültiges Schaltsignal erforderlichen rauschbegrenzten Signalstärke (Merkmal M7).
7. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gilt gegenüber dem Stand der Technik als neu (§ 3 PatG), er beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
7.1 Die Schrift DE 101 38 609 A1 (= D1) ist ein geeigneter Ausgangspunkt des Fachmanns, der vor der vorstehend genannten Aufgabe steht.
Die Schrift D1 beschreibt verschiedene Ausführungen eines Reflexionslichttasters. Die in Figur 6 dargestellte Ausführung des Tasters verwendet zusätzlich zu einem geometrischen Schaltkriterium ein zweites Schaltkriterium: Die Empfangssignale einer Fotodiodenzeile 13 werden aufaddiert und ein Summenschwellenwertvergleich wird durchgeführt. Es wird nur dann auf ein positives Gegenstandsfeststellungssignal umgeschaltet, wenn sowohl ein Differenzsignal Vdiff einen Differenzschwellenwert als auch das Summensignal Vsum einen Summenschwellenwert überschreiten (Absatz 0076, letzter Satz). Der in Figur 6 dargestellte Reflexionslichttaster ist zur Durchführung der anhand der Figuren 3 und 4 erläuterten Überwachungsverfahren geeignet (Absatz 0076, erster Satz).
Das in Verbindung mit der Figur 3 in der Schrift D1 erläuterte Überwachungsverfahren offenbart dem Fachmann ein Verfahren mit den Merkmalen M1 bis M5 und M7 des erteilten Anspruchs 1, nämlich ein Verfahren zum Betreiben eines Triangulations-Lichttasters (Figur 6) mit einem Sender 11 zum Aussenden eines Lichtsignals in einen Überwachungsbereich und einem ortsauflösenden Empfänger 13 (Absatz 0076 i. V. m. Absatz 0057) zur Erzeugung eines von einem variablen Schaltabstand abhängigen ersten, geometrischen Schaltkriteriums (Absatz 0076: „wenn … das Differenzsignal Vdiff einen Differenzschwellenwert … überschreitet“), sowie einer Auswerteeinheit (dort umfassend Steuereinrichtung 31, Speicher 21, Komparatoren 25 und 39, UND-Gatter 41 und FlipFlop 27) zur Erzeugung eines binären Schaltsignals (Gegenstandsfeststellungssignal), wobei das binäre Schaltsignal nur dann erzeugt wird, wenn das geometrische Schaltkriterium anzeigt, dass sich ein Objekt im gewählten Schaltabstand befindet, und ein zweites, energetisches Schaltkriterium erfüllt ist (Absatz 0076: „auch das Summensignal Vsum einen Summenschwellenwert überschreitet“). Weiterhin ist dem Fachmann bekannt, dass das Summensignal der Empfangssignale einer Fotodiodenzeile 13 die auf die Fotodiodenzeile treffende Lichtmenge bewertet und dass der Summenschwellwert selbstverständlich oberhalb der für ein gültiges Schaltsignal erforderlichen rauschbegrenzten Signalstärke liegen muss.
Die Anweisungen in den Merkmalen M6, M8 und M9 sind der Schrift D1 jedoch nicht entnehmbar. Denn nach dem dort beschriebenen Verfahren ist der gewählte Summenschwellenwert V zwar einem bestimmten Tastabstand D zugeordnet (Absatz 0052 und Figur 3). Ein solches Wertepaar bildet jedoch weder eine Energiefunktion (Merkmal M6), die bei einem Schaltabstand SAx als energetisches Schaltkriterium Verwendung findet (Merkmal M9), noch offenbart die Schrift D1, dass die Energiefunktion unterhalb der von einem Objekt mit minimalem Reflexionsvermögen hervorgerufenen Signalstärke liegt (Merkmal M8), denn nach Figur 3 der Schrift D1 liegt der gewählte Summenschwellwert V genau auf der Kurve der von einem – nicht näher spezifizierten – Objekt hervorgerufenen Signalstärke Vsum.
Figur 3 aus der Schrift D1 Auch die Betrachtung des anhand der Figur 4 in der Schrift D1 beschriebenen Überwachungsverfahrens, bei dem zwischen einem Einschaltabstand E und einem Ausschaltabstand A unterschieden wird, führt im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung, denn dort ist weder dem Einschalt- noch dem Ausschaltabstand eine Energiefunktion zugeordnet, sondern dem Einschaltabstand E ein oberer Summenschwellwert V1 und dem Ausschaltabstand A ein unterer Summenschwellwert V0 (Figur 4 und Absätze 0054 und 0055). Ausgehend vom Stand der Technik nach der Schrift D1 gilt der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 somit als neu (§ 3 PatG). 7.2 Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gilt auch gegenüber dem Stand der Technik nach den übrigen im Verfahren genannten Schriften, die weiter ab liegen, als neu. 7.3 Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 beruht jedoch ausgehend vom Stand der Technik nach der Schrift D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
Denn nach den Anweisungen in Absatz 0052 der Schrift D1 soll der Summenschwellwert V so gewählt werden, dass für das Reflexionsvermögen des betreffenden Objekts eine Unterschreitung des Summenschwellenwerts V durch das Summensignal Vsum für denselben Schaltabstand (Tastabstand D) erfolgt, wie eine Unterschreitung des Differenzschwellenwerts V durch das Differenzsignal Vdiff. Für die Festlegung des Summenschwellwerts V ist somit ein Einlernen bzw. Normieren des Lichttasters auf einen gewählten Schaltabstand mittels eines konkreten Referenzobjekts erforderlich (Absätze 0019, 0074 und Anspruch 9). Falls der Fachmann den eingelernten Schaltabstand ändern oder nachjustieren möchte (Absatz 0022, letzter Satz), ist erneut ein aufwendiges Einlernen bzw. Normieren des Lichttasters erforderlich. Der Fachmann hat schon aus rein praktischen Gründen Veranlassung, die Ergebnisse vorausgegangener Einlernvorgänge nicht zu verwerfen, sondern diese weiterhin in der Auswerteeinheit zu halten. Eine Mehrzahl von Tastabständen D und dazugehörenden Summenschwellwerten V bildet dann aber eine Energiefunktion im Sinne des Streitpatents (vgl. erteilter Anspruch 2), die bei einem Schaltabstand als energetisches Schaltkriterium Verwendung findet (Merkmale M6 und M9).
Der Fachmann hat weiterhin Veranlassung, die Anweisung im Merkmal M8 vorzusehen, denn nach der Schrift D1 soll nur dann auf ein positives Gegenstandsfeststellungssignal umgeschaltet werden, wenn sowohl das Differenzsignal Vdiff einen Differenzschwellenwert als auch das Summensignal Vsum einen Summenschwellenwert überschreitet (Absatz 0076). Damit auch ein Objekt mit minimalem Reflexionsvermögen einen Schaltvorgang auslöst, wird der Fachmann den Summenschwellwert unterhalb der von diesem Objekt mit minimalem Reflexionsvermögen hervorgerufenen Signalstärke legen. Insbesondere wird der Fachmann beim Einlernen bzw. Normieren des Lichttasters den Summenschwellenwert V so hoch wie möglich einstellen, nämlich so, dass das Objekt noch sicher erkannt, aber Fehlschaltungen vermieden werden.
Damit kommt der Senat – wenn auch aus anderen Gründen als die Patentabteilung – im Ergebnis zur selben Beurteilung der mangelnden Patentfähigkeit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 wie die Patentabteilung 1.55 im angegriffenen Beschluss.
8. In der Fassung nach Hilfsantrag IV vom 13. Februar 2019 kann das Streitpatent jedoch erfolgreich verteidigt werden, denn in dieser zulässigen Fassung gilt der Gegenstand des Patents gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik als neu und auch als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend (§§ 3 und 4 PatG)
8.1 Der Gegenstand des Patents in der Fassung nach Hilfsantrag IV geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (§ 21 Abs. 1 Nummer 2 PatG). In dieser Fassung ist der Schutzbereich des Patents auch nicht erweitert (§ 22 Abs. 1 Alternative 2 PatG).
Denn der Anspruch 1 nach Hilfsantrag IV geht in zulässiger Weise auf den ursprünglich eingereichten und auf den erteilten Anspruch 3 zurück.
8.2 Ausgehend vom Stand der Technik nach der Schrift D1 besteht für den Fachmann keine Veranlassung, die Energiefunktion als Polynom in der Auswerteeinheit zu hinterlegen (Merkmal M10).
An keiner Stelle der Schrift D1 findet sich ein Hinweis oder nur eine Anregung dahingehend, die Festlegung eines Summenschwellenwerts anders als durch Einlernen bzw. Normieren des Lichttasters auf einen bestimmten Schaltabstand mittels eines konkret gewählten Referenzobjekts durchzuführen.
Weiterhin findet sich an keiner Stelle der Schrift D1 ein Hinweis auf einen geschlossenen analytischen Ausdruck, etwa auf ein Polynom, welcher die funk- tionale Abhängigkeit des Summenschwellenwertes von verschiedenen Schaltabständen beschreiben kann.
Zwar ist dem Fachmann auf Grund seines allgemeinen Fachwissens bekannt, dass sich jede glatte Funktion in der Umgebung eines Punktes durch ein Polynom annähern lässt. Für eine solche Näherungslösung hat der Fachmann – ausgehend vom Stand der Technik nach der Schrift D1 – jedoch keinerlei Veranlassung. Insbesondere dürfte die Anweisung im Merkmal M10 entgegen der Auffassung der Einsprechenden den Ressourcenverbrauch in der Auswerteeinheit gerade nicht verringern, denn zur Hinterlegung des Polynoms wäre dies zunächst zu bestimmen, etwa durch eine Ausgleichsrechnung auf der Grundlage von zuvor für ein konkretes Objekt eingelernten Summenschwellenwerten V bei einer Anzahl von Schaltabständen D.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Fachmann durch den sonstigen Stand der Technik oder sein Fachwissen angeregt wäre, die Energiefunktion als Polynom in der Auswerteeinheit zu hinterlegen.
Entgegen der Auffassung der Einsprechenden trägt die Anweisung im Merkmal M10 auch zur Lösung der vorstehend erläuterten Aufgabe bei, durch geeignete Wahl der energetischen Schaltschwelle Fehlschaltungen durch Aerosole im Überwachungsbereich zu vermeiden.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag IV beruht daher ausgehend vom Stand der Technik nach der Schrift D1 auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
8.3 Auch ausgehend vom Stand der Technik nach einer der übrigen im Verfahren genannten Schriften oder bei einer Zusammenschau aller im Verfahren genannten Schriften gelangt der Fachmann nicht in nahe liegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag IV (§ 4 PatG).
8.4 Die übrigen Unterlagen in der Fassung nach dem Hilfsantrag IV erfüllen ebenso die an sie zu stellenden Anforderungen.
9. Das Patent war daher im Umfang der Fassung nach dem Hilfsantrag IV der Patentinhaberin vom 13. Februar 2019 beschränkt aufrechtzuerhalten und die weitergehende Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen. Über die weiteren Hilfsanträge I, II und IIb war nicht mehr zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. 5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. 6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck Arnoldi Dr. Haupt Ko