XII ZB 149/25
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 149/25 vom 3. September 2025 in der Betreuungssache ECLI:DE:BGH:2025:030925BXIIZB149.25.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. September 2025 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer und Dr. Günter und die Richterinnen Dr. Krüger und Dr. Pernice beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mosbach vom 24. Februar 2025 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Eine Wertfestsetzung (§ 36 Abs. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.
Gründe:
I.
Der Betroffene wendet sich gegen die für ihn eingerichtete Betreuung.
Der im Jahr 1961 geborene Betroffene leidet an einer schizoaffektiven Störung. Das Amtsgericht hat mit seinem Einverständnis einen Berufsbetreuer mit umfassendem Aufgabenbereich bestellt und die Überprüfungsfrist auf den 27. Januar 2032 bestimmt. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet er sich mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung lägen vor. Aufgrund des aktuellen Gutachtens der beiden Ärzte, die den Betroffenen in der akutpsychiatrischen Station des Krankenhauses behandelt hatten, seien erhebliche psychiatrische Erkrankungen bei dem Betroffenen festzustellen. Die Sachverständigen hätten den Betroffenen zwar nicht nach Beauftragung des Gutachtens untersucht, sich aber während des vorhergehenden stationären Aufenthalts ein umfassendes und gründliches Bild von der Erkrankung machen können. Es sei ersichtlich, dass der Betroffene für die „Aufgabenkreise“, für die eine Betreuung eingerichtet worden ist, der Hilfe durch einen Betreuer bedürfe. Er sei nicht in der Lage, diese Angelegenheiten selbst zu besorgen. Aufgrund der Erkrankung des Betroffenen sei dieser zu einer freien Willensbestimmung im Hinblick auf die Einrichtung einer Betreuung nicht in der Lage, so dass diese auch gegen seinen Willen eingerichtet werden könne. Dies sei ebenfalls in dem ärztlichen „Zeugnis“ festgestellt worden.
2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung schon deswegen nicht stand, weil die Rechtsbeschwerde zu Recht als verfahrensfehlerhaft rügt, dass das Sachverständigengutachten hier nicht den Anforderungen des § 280 FamFG genügt.
a) Nach § 280 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist grundsätzlich vor der Bestellung eines Betreuers in einer förmlichen Beweisaufnahme nach den Vorschriften der ZPO (§ 30 Abs. 1 und 2 FamFG) ein Sachverständigengutachten zur Notwendigkeit der Maßnahme einzuholen. Gemäß § 280 Abs. 2 Satz 1 FamFG hat der Sachverständige den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Ein ohne die erforderliche persönliche Untersuchung erstattetes Sachverständigengutachten ist grundsätzlich nicht verwertbar. Dieser Grundsatz besteht unabhängig davon, ob aus ärztlicher Sicht bereits auf der Grundlage anderer Erkenntnisse der sichere Schluss auf eine erkrankungsbedingte Betreuungsbedürftigkeit gezogen werden könnte (Senatsbeschluss vom 24. Juli 2019 - XII ZB 160/19 - FamRZ 2019, 1735 Rn. 5 mwN). Zwar ist es nicht ausgeschlossen, einen den Betroffenen behandelnden Arzt zum Sachverständigen zu bestellen. In diesem Fall muss der behandelnde Arzt dem Betroffenen aber deutlich zu erkennen geben, dass er von seiner Bestellung zum Sachverständigen an als Gutachter tätig sein wird. In dieser Funktion muss er den Betroffenen untersuchen und darf sich für sein Gutachten nicht darauf beschränken, die aus der vorherigen Behandlung gewonnenen Erkenntnisse zu verwerten (vgl. Senatsbeschluss vom 16. September 2020 - XII ZB 203/20 FamRZ 2020, 2029 Rn. 9 mwN).
b) Gemessen hieran ist das vorliegende Sachverständigengutachten nicht verwertbar. Es stellt keine taugliche Entscheidungsgrundlage dar, weil die gerichtlichen Sachverständigen den Betroffenen nach ihrer Bestellung nicht erneut persönlich untersucht haben, sondern das Gutachten ausschließlich auf der Grundlage der aus der vorangegangenen Behandlung gewonnenen Erkenntnisse und nach Aktenlage erstattet haben. Dass der Betroffene allein aus finanziellen Gründen nicht zu Untersuchungsterminen erschienen ist, ließ die Verpflichtung der Sachverständigen zur (erneuten) persönlichen Untersuchung des Betroffenen nicht entfallen. Das Beschwerdegericht hätte vielmehr erwägen müssen, die Sachverständigen zur Untersuchung des Betroffenen in seiner gewöhnlichen Umgebung anzuhalten. Zudem wäre auch eine Vorführung des Betroffenen nach § 283 FamFG (vgl. Senatsbeschluss vom 20. August 2014 - XII ZB 179/14 - FamRZ 2014, 1917 Rn. 11 mwN) in Betracht gekommen. Weshalb das Beschwerdegericht von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch gemacht hat, lässt sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen. Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall eine Begutachtung des Betroffenen im Rahmen eines Hausbesuches oder nach seiner Vorführung bereits unmöglich gewesen wäre oder aber außer Verhältnis zum Verfahrensgegenstand stünde, ergeben sich aus der angegriffenen Entscheidung ebenfalls nicht.
2. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil das Beschwerdegericht noch weitere tatrichterliche Feststellungen zu treffen haben wird. Deshalb ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG. Die Zurückverweisung gibt dem Beschwerdegericht zugleich Gelegenheit, für den Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, die hier im Beschwerdeverfahren erforderliche persönliche Anhörung des Betroffenen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. September 2020 - XII ZB 203/20 - FamRZ 2020, 2029 Rn. 13 mwN) nachzuholen, gegebenenfalls den Betreuungsbedarf für die einzelnen Aufgabenbereiche darzulegen (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2024 - XII ZB 318/24 FamRZ 2025, 382 Rn. 12 mwN) und die Überprüfungsfrist unter Beachtung der §§ 294 Abs. 3 Satz 2, 295 Abs. 2 Satz 2 FamFG zu bestimmen.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
Guhling Krüger Klinkhammer Pernice Günter Vorinstanzen: AG Wertheim, Entscheidung vom 27.01.2025 - XVII 78/24 LG Mosbach, Entscheidung vom 24.02.2025 - 3 T 6/25 -