35 W (pat) 14/15
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 14/15
_______________________
(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
BPatG 152 08.05 betreffend das Gebrauchsmuster … (hier: Kostenfestsetzungsverfahren)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 13. November 2017 durch den Vorsitzenden Richter Metternich sowie die Richterin Bayer und den Richter Eisenrauch beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. März 2015 abgeändert. Die durch die Antragsgegnerin an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten werden auf 2.840 Euro festgesetzt.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu 3/4 und die Antragsgegnerin zu 1/4.
Gründe I.
Die Antragsgegnerin war Inhaberin des aus einer am 20. Dezember 1996 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichten Patentanmeldung abgezweigten und am 22. Mai 2003 in das Gebrauchsmusterregister eingetragenen Gebrauchsmusters … mit der Bezeichnung „…“. Das Gebrauchsmuster umfasste den Anspruch 1 und die darauf direkt oder indirekt rückbezogenen Ansprüche 2 und 3.
Die Antragstellerin hat am 27. August 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Feststellung der Unwirksamkeit des durch Ablauf der Schutzdauer inzwischen erloschenen Gebrauchsmusters beantragt. Zur Begründung hat sie u. a. ausgeführt, dass der Gegenstand des Gebrauchsmusters im Hinblick auf den bekannten Stand der Technik, nicht schutzfähig sei. Sie habe auch ein Rechtsschutzbedürfnis an der Feststellung, da sie eine Berechtigungsanfrage der Beschwerdeführerin erhalten habe.
Mit einem am 15. Juni 2010 verkündeten Beschluss hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts festgestellt, dass das Gebrauchsmuster unwirksam sei, und der Antragsgegnerin die Verfahrenskosten auferlegt. Die dagegen eingelegte Beschwerde wurde mit Senatsbeschluss vom 28. Februar 2013 (…) kostenpflichtig zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 11. September 2014, beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen am 13. September 2014, beantragte die Antragstellerin die von der Antragsgegnerin ihr in Bezug auf das Verfahren vor der Gebrauchsmusterabteilung zu erstattenden Kosten festzusetzen sowie eine Verzinsung ab Antragstellung. Sie stellte ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 75.000,00 Euro je eine 2-fache Verfahrensgebühr für die Tätigkeit des von ihr beauftragten Patentanwalts und eines von ihr hinzugezogenen Rechtsanwalts, zwei Post- und Telekommunikationspauschalen in Höhe von je 20 Euro und unter Vorlage von Belegen Reisekosten in Höhe von 120 Euro für den Patentanwalt und von 1.002,67 Euro für einen von ihr zugezogenen Rechtsanwalt in Rechnung. Zudem sollen auch von ihr geleistete Kostenvorschüsse in Höhe von 300 Euro hinzugesetzt werden.
Nachdem die Antragsgegnerin sich zu diesem Antrag nicht geäußert hat, hat die Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts durch Beschluss vom 12. März 2015 die von der Antragsgegnerin der Antragstellerin zu erstattenden Kosten ausgehend von einem Gegenstandswert von 75.000 Euro auf 6.262,67 Euro festgesetzt. Neben den oben genannten Posten hat die Gebrauchsmusterabteilung noch die Löschungsantragsgebühr von 300 Euro hinzugerechnet. Eine Verzinsung wurde nicht ausgesprochen.
Gegen diesen Beschluss, der Antragsgegnerin zugestellt am 16. März 2015, richtet sich deren am 27. März 2015 eingegangene Beschwerde. Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass in Bezug auf die Tätigkeit des Rechtsanwalts die 2-fache Verfahrensgebühr, die Auslagenpauschale und die Reisekosten des von der Antragstellerin beauftragten Rechtsanwalts nicht hätten angesetzt werden dürfen. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin sei nicht notwendig gewesen. Eine Berechtigungsanfrage sei nicht mit einer automatischen Prozessandrohung verbunden. Eine solche Anfrage sei auch keine Abmahnung. Außerdem sei für die Tätigkeit des für die Antragstellerin tätigen Patentanwalts nur eine einfache Verfahrensgebühr anzusetzen, allenfalls sei, wie üblich, nur eine 1,3-fache Verfahrensgebühr angemessen.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. März 2015 abzuändern und die von der Beschwerdeführerin an die Beschwerdegegnerin zu erstattenden Kosten auf 1.640 Euro festzusetzen und im Übrigen den Kostenfestsetzungsantrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die Doppelvertretung ihrerseits durch einen Patentanwalt und einen Rechtsanwalt geboten gewesen sei, nachdem die Antragsgegnerin der Antragstellerin im Jahr 2006 eine Berechtigungsanfrage übersendet habe und die Antragsgegnerin nach einigem Schriftwechsel nicht bereit gewesen sei, auf das Gebrauchsmuster zu verzichten. Der Antragstellerin sei schon zum damaligen Zeitpunkt bekannt gewesen, dass die Antragsgegnerin aus diesem Gebrauchsmuster erfolgreich gegen einen weiteren Mitbewerber im Wege der Verletzungsklage vorgegangen sei. Es habe daher auch eine Verletzungsklage gegen die Beschwerdegegnerin gedroht. Es seien hohe Stückzahlen betroffen gewesen und der Fall habe besondere rechtliche Schwierigkeiten geboten, weil das angegriffene Gebrauchsmuster zum Zeitpunkt der Stellung des Löschungsverfahrens bereits erloschen war.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige, insbesondere auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 62 Abs. 2 Satz 4 PatG (in Verbindung mit § 17 Abs. 4 Satz 2 GebrMG) eingelegte Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg, nämlich soweit im angefochtenen Beschluss folgende Kosten zu Unrecht festgesetzt worden sind:
2,0 Verfahrensgebühr (Rechtsanwalt) Auslagenpauschale (Rechtsanwalt) Nr. 7002 VV RVG Reisekosten (Rechtsanwalt)
2.400 Euro 20 Euro 1.002,67 Euro Soweit die Beschwerdeführerin für die Tätigkeit des Patentanwalts keine zweifache, sondern nur eine einfache, allenfalls nur eine 1,3-fache Verfahrensgebühr für gerechtfertigt hält, hat ihre Beschwerde dagegen keinen Erfolg.
1. Der am 15. Juni 2010 verkündete Beschluss, mit dem die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts der Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten auferlegt hat, ist rechtskräftig, da die dagegen eingelegte Beschwerde mit Beschluss des Bundespatentgerichts vom 28. Februar 2013 (…) zurückgewiesen wurde.
2. Zu den im Beschluss vom 15. Juni 2010 der Beschwerdeführerin auferlegten Kosten gehören die der Beschwerdegegnerin erwachsenen Kosten, soweit sie zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte notwendig waren (§ 17 Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 62 Abs. 2 PatG).
3. Die Gebrauchsmusterabteilung ist bei ihrem Kostenfestsetzungsbeschluss von einem Gegenstandswert in Höhe von 75.000 Euro ausgegangen. Dem Senat liegen keine Erkenntnisse oder Belege vor, die eine anderweitige Festsetzung des Gegenstandswertes geboten erscheinen lassen; die Höhe des Gegenstandswerts wird in der Beschwerde auch von keiner Beteiligten in Frage gestellt.
4. Die Beschwerde hat Erfolg, soweit im Kostenfestsetzungsbeschluss bei den der Antragstellerin zu erstattenden Kosten die Kosten im Zusammenhang mit der Tätigkeit des von der Antragsgegnerin zugezogenen Rechtsanwalts angesetzt worden sind.
Zwar kann in Gebrauchsmusterlöschungsverfahren die Erstattungsfähigkeit von Doppelvertretungskosten für einen Patentanwalt und einen Rechtsanwalt zum einen dann anerkannt werden, wenn über den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes hinaus derart schwierige rechtliche Fragen zu beurteilen gewesen wären, dass für deren Beurteilung das bei einem Patentanwalt vorauszusetzende rechtliche Wissen nicht ausgereicht hätte (Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 8. Aufl. § 17 GebrMG, Rdnr. 66). Zum anderen kommt dies unter Anwendung der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH zur Erstattungsfähigkeit von Doppelvertretungskosten im patentrechtlichen Nichtigkeitsverfahren
(GRUR 2013, 427) dann in Betracht, wenn zwischen den jeweils mandatierten Patent- bzw. Rechtsanwälten Abstimmungsbedarf vorliegt, weil parallel zu einem Patentnichtigkeitsverfahren ein Verletzungsverfahren geführt wird. Die letztgenannten Grundsätze sind insbesondere wegen der vergleichbaren Sach- und Interessenlage auch im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren anwendbar (vgl. den Senatsbeschluss vom 17. Mai 2017 – 35 W (pat) 1/14; diese Entscheidung ist rechtskräftig, nachdem die zugelassene Rechtsbeschwerde nicht eingelegt wurde).
Im vorliegenden Fall sind die von der Antragstellerin angesetzten Kosten für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt unter keinem der vorgenannten Aspekte als erstattungsfähig zu erachten.
Eine Erstattungsfähigkeit dieser Kosten mit Blick auf die vorgenannte Rechtsprechung in Fällen paralleler Nichtigkeits- bzw. Löschungsverfahren einerseits und Verletzungsverfahren andererseits scheitert bereits daran, dass ein paralleler Verletzungsrechtsstreit vorliegend gar nicht anhängig war. Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine Berechtigungsanfrage übersendet hatte, genügt insoweit nicht, da dies allenfalls der Vorbereitung eines Verletzungsverfahrens dienen kann, aber noch nicht zwingend den insbesondere auch durch die unterschiedlichen Vertretungsbefugnisse bedingten Abstimmungsaufwand herbeiführt.
Auch aus anderen Gründen war es für das vorliegende Verfahren zur angemessenen Rechtswahrung nicht notwendig, dass die Antragstellerin neben einem Patentanwalt noch zusätzlich einen Rechtsanwalt hinzugezogen hat. Soweit die Antragstellerin geltend macht, wegen der Produktkategorie und der langen Laufzeit sei eine hohe Stückzahl betroffen gewesen, besagt dies nichts über die rechtlichen Schwierigkeiten eines Falles. Auch die Kenntnis der Antragstellerin von einer erfolgreichen Verletzungsklage der Antragsgegnerin gegenüber einem Mitbewerber gibt keinerlei Aufschluss darüber, ob der vorliegende Fall rechtliche Schwierigkeiten bot, die auch noch die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erforderlich machten. Die Besonderheit, dass das Gebrauchsmuster bereits wegen Zeitablaufs erloschen war, erfordert ebenfalls nicht die zusätzliche Hinzuziehung eines Rechtsanwalts, da auch ein Patentanwalt in seiner Ausbildung die für die Beurteilung einer solchen Fallgestaltung erforderlichen Kenntnisse erwirbt. Da die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt zur angemessenen Rechtsverfolgung nicht erforderlich war, können die diesbezüglich beantragten 2,0 Verfahrensgebühr (Rechtsanwalt) in Höhe von 2.400 Euro, die Auslagenpauschale (Rechtsanwalt) Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20 Euro und die Reisekosten (Rechtsanwalt) in Höhe von 1.002,67 Euro nicht festgesetzt werden, so dass die Beschwerde insoweit Erfolg hat.
5. Im Übrigen hat die Beschwerde keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist für die Tätigkeit des Patentanwalts eine zweifache und nicht nur eine einfache oder 1,3-fache Verfahrensgebühr anzusetzen. Gemäß der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung der Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG, die vorliegend maßgebend ist, beträgt die einfache Verfahrensgebühr bei einem Gegenstandswert bis zu 80.000 Euro 1.200 Euro, die 2-fache Verfahrensgebühr daher 2.400 Euro.
Gemäß RVG-VV Nr. 2300 besteht für die Vertretung in einem Verwaltungsverfahren bei der Geschäftsgebühr ein Rahmen von 0,5 bis 2,5. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Gebrauchsmusterlöschungsverfahren, bei denen die Schutzfähigkeit in Ansehung eines Stands der Technik zu beurteilen ist, sind in der Regel aufwendige Verfahren (vgl. BGH GRUR 2014, 206 Einkaufskühltasche Tz. 25 im Umkehrschluss). Auch wenn das vorliegende Gebrauchsmuster, das einen … betrifft, lediglich einen Hauptanspruch mit zwei Unteransprüchen aufweist, handelt es sich bei diesem Gebrauchsmusterlöschungsverfahren um eine umfangreiche Sache. Insgesamt waren 11 Entgegenhaltungen der Antragstellerin und 6 Entgegenhaltungen einer weiteren Antragstellerin im Verfahren und es wurde insbesondere eine mündliche Verhandlung durchgeführt, wobei mehrere Hilfsanträge gestellt wurden. Hinzu kommt, dass wegen des erforderlichen Feststellungsinteresses für die Vergangenheit auch insoweit vorgetragen werden musste und entsprechende Unterlagen eingereicht werden mussten. Daher ist ausgehend von einem Rahmen von 0,5 bis 2,5 ein Gebührensatz von 2,0 angemessen.
6. Soweit die von der Antragstellerin beantragte Verzinsung des festgesetzten Betrags im Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung nicht ausgesprochen wurde, ist dies nicht beschwerdegegenständlich.
7. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG, § 84 Abs. 2 PatG, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Antragsgegnerin zu 1/4 und die Antragstellerin zu 3/4, da die Beschwerde nur teilweise Erfolg hatte und die Billigkeit keine andere Entscheidung erfordert (§ 84 Abs. 2 Satz 2 PatG). Die Antragsgegnerin greift von der im angegriffenen Beschluss festgesetzten Summe einen Betrag von 4.622,67 Euro an. In Höhe von 3.422,67 Euro hat ihre Beschwerde Erfolg und in Höhe von 1.200 Euro hat sie keinen Erfolg.
8. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 18 Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 100 Abs. 2 PatG war nicht veranlasst, da vorliegend die Frage, ob bei Vorliegen eines parallelen Verletzungsprozesses entsprechend den für das Nichtigkeitsverfahren anerkannten Grundsätzen auch im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren Doppelvertretungskosten für einen Patentanwalt und einen Rechtsanwalt erstattungsfähig sind, nicht entscheidungserheblich war.
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unterzeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Metternich Eisenrauch Bayer Fa