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IX ZR 123/13

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES IX ZR 123/13 URTEIL Nachschlagewerk: ja BGHZ:

nein BGHR:

ja in dem Rechtsstreit Verkündet am: 29. Oktober 2015 Kluckow Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle InsO § 134 Abs. 1; HGB § 128 Satz 1 Befriedigt ein persönlich haftender Gesellschafter die Forderung eines Gläubigers gegen die Gesellschaft und erlischt dadurch die Haftungsverbindlichkeit des Gesellschafters, ist seine Leistung im Insolvenzverfahren über sein Vermögen nicht als unentgeltliche Leistung anfechtbar.

BGH, Urteil vom 29. Oktober 2015 - IX ZR 123/13 - OLG Bamberg LG Aschaffenburg Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2015 durch die Richter Vill, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, die Richterin Möhring und den Richter Dr. Schoppmeyer für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 14. Mai 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Antrag vom 14. September am 3. Januar 2011 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der M. GmbH (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin war Komplementärin der Getränke O.

GmbH & Co. KG (künftig: KG),

über deren Vermögen ebenfalls am 3. Januar 2011 das Insolvenzverfahren er- öffnet wurde. Die Beklagte hatte an die KG Kraftstoffe geliefert. Für diese Leistungen zahlte die Schuldnerin zwischen dem 20. Januar 2010 und dem 22. Februar 2010 insgesamt 20.023,46 € an die Beklagte. Zum Zeitpunkt der Zahlungen war die KG insolvenzreif.

Der Kläger hat die Zahlungen angefochten. Seine auf Rückgewähr gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Ein Anspruch auf Rückgewähr bestehe nicht. Die Voraussetzungen einer Schenkungsanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO seien nicht gegeben, weil es sich bei den Zahlungen nicht um unentgeltliche Leistungen gehandelt habe. Die Zahlungen seien entgeltlich erfolgt, weil die Insolvenzschuldnerin zumindest auch auf ihre eigene Verbindlichkeit aus ihrer Haftung als Komplementärin gezahlt habe und die Beklagte damit eine Forderung verloren habe, die werthaltig gewesen sei.

II.

Das Berufungsgericht hat richtig entschieden. Ein Anspruch des Klägers aus § 143 Abs. 1, § 134 Abs. 1 InsO besteht nicht.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Beurteilung, ob eine Leistung des Schuldners unentgeltlich im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO erfolgte, zwischen Zwei-Personen-Verhältnissen und Drei- Personen-Verhältnissen zu unterscheiden. Im Zwei-Personen-Verhältnis ist eine Verfügung als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht, dem Leistenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließen soll. Wird eine dritte Person in den Zuwendungsvorgang eingeschaltet, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Leistende selbst einen Ausgleich für seine Leistung erhalten hat; maßgeblich ist vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat. Bezahlt der Leistende die gegen einen Dritten gerichtete Forderung des Zuwendungsempfängers, liegt dessen Gegenleistung in der Regel darin, dass er mit der Leistung, die er gemäß § 267 Abs. 2 BGB nur bei Widerspruch seines Schuldners ablehnen kann, eine werthaltige Forderung gegen diesen verliert. Ist hingegen die Forderung des Zuwendungsempfängers wertlos, verliert dieser wirtschaftlich nichts, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann. In solchen Fällen ist die Tilgung einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung anfechtbar. Der Zuwendungsempfänger ist gegenüber den Insolvenzgläubigern des Leistenden nicht schutzwürdig; denn er hätte ohne dessen Leistung, auf die er keinen Anspruch hatte, seine Forderung nicht durchsetzen können (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13, WM 2013, 2182 Rn. 6 mwN).

2. Nach diesen Maßstäben handelte es sich bei den Zahlungen der Schuldnerin um entgeltliche Leistungen.

a) Als Komplementärin haftete die Schuldnerin nach § 161 Abs. 2, § 128 Satz 1 HGB persönlich und unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der KG. Ihre daraus resultierenden Verbindlichkeiten waren von denjenigen der KG verschieden. Es handelt sich um eine gesetzliche, primäre, zur Schuld der Gesellschaft akzessorische Haftung (MünchKomm-HGB/K. Schmidt, 3. Aufl., § 128 Rn. 1 f, 16, 20). Zahlte die Schuldnerin, wovon die Beklagte mangels einer abweichenden Tilgungsbestimmung (§ 366 Abs. 1 BGB) der Schuldnerin im Zweifel ausgehen musste (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rn. 20), auf ihre Haftungsverbindlichkeit, erlosch diese. Die Zahlung stellt sich dann als eine entgeltliche Leistung im Zwei-Personen-Verhältnis dar. Entgeltlichkeit wird dort nicht nur dadurch begründet, dass dem Leistenden eine vereinbarte Gegenleistung zufließt. Die Erfüllung einer eigenen entgeltlichen rechtsbeständigen Schuld schließt als Gegenleistung die dadurch bewirkte Schuldbefreiung mit ein. Darum ist auch die Erfüllung von Ansprüchen aus gesetzlichen Schuldverhältnissen entgeltlich (BGH, Urteil vom 18. März 2010 - IX ZR 57/09, WM 2010, 851 Rn. 9; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 - IX ZR 60/10, WM 2011, 364 Rn. 10; vom 19. Januar 2012, aaO Rn. 36; MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 134 Rn. 17b, 26; Schmidt/Ganter/Weinland, InsO, 18. Aufl., § 134 Rn. 45).

b) Die Leistungen der Schuldnerin waren aber auch dann entgeltlich, wenn sie nicht auf ihre Haftungsverbindlichkeit, sondern auf die Verbindlichkeiten der KG zahlte. Es handelte sich dann um Leistungen in einem DreiPersonen-Verhältnis. Ein die Leistungen der Schuldnerin ausgleichendes Vermögensopfer der Beklagten kann in diesem Fall zwar nicht im Erlöschen ihrer Forderungen gegen die KG gesehen werden, denn diese waren wegen der Zahlungsunfähigkeit der KG wertlos. Mit der Erfüllung der Forderungen der Beklagten gegen die KG erlosch aber auch die darauf bezogene, akzessorische Haftungsverbindlichkeit der Schuldnerin. Im Freiwerden von dieser Schuld liegt der Ausgleich im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Schuldnerin, der die Anwendung von § 134 InsO ausschließt (BGH, Urteil vom 19. Januar 2012, aaO Rn. 35; Schmidt/Ganter/Weinland, aaO Rn. 54; HK-InsO/Thole, 7. Aufl., § 134 Rn. 9).

aa) In entsprechender Wertung hat der Senat die Leistung desjenigen, der einer Schuld beigetreten ist und an den Gläubiger des insolventen Forderungsschuldners zahlt, als entgeltlich beurteilt, weil mit der Leistung auch die eigene Verpflichtung des Leistenden gegenüber dem Gläubiger aus dem Schuldbeitritt erlischt (BGH, Urteil vom 3. März 2005 - IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276, 282). Nichts anderes kann gelten, wenn aufgrund der Drittzahlung der Haftungsanspruch des Gläubigers aus § 161 Abs. 2, § 128 Satz 1 HGB erlischt. Ließe man in diesen Fällen die Anfechtung des Insolvenzverwalters des persönlich haftenden Gesellschafters nach § 134 Abs. 1 InsO durchgreifen, würde der Zweck dieser persönlichen Haftung, eine Sicherung der Forderung gegen die Gesellschaft zu erreichen, insolvenzrechtlich verfehlt (vgl. zu § 73 AO: BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rn. 36).

bb) Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Anspruch der Beklagten gegen die persönlich haftende Gesellschafterin aus § 161 Abs. 2, § 128 Satz 1 HGB Aussicht auf Befriedigung bot und deshalb werthaltig war. Bei Leistungen in einem Drei-Personen-Verhältnis spielt die Werthaltigkeit einer Forderung des Leistungsempfängers insoweit eine Rolle, als es darum geht, ob der Empfänger außerhalb seines Verhältnisses zum Leistenden ein Vermögensopfer erbringt, das die empfangene Leistung als entgeltlich qualifiziert. Die Einbeziehung solcher Vermögensopfer soll die Anfechtbarkeit von Drittzahlungen nach § 134 InsO beschränken, die sonst mangels einer Gegenleistung in der Beziehung zwischen dem Empfänger und dem Leistenden regelmäßig gegeben wäre. Schützenswert ist der Leistungsempfänger in diesen Fällen aber nur dann, wenn der Leistungsempfang zum Verlust eines wirklichen Vermögenswerts geführt hat, sei es zum Verlust einer werthaltigen Forderung gegen seinen Schuldner oder auch zum Verlust einer werthaltigen Sicherheit, die eine weitere Person für die Forderung gestellt hatte (BGH, Beschluss vom 3. April 2014 - IX ZR 236/13, WM 2014, 955 Rn. 6). Anders verhält es sich, wenn der Leistungsempfänger einen eigenen Anspruch gegen den Leistenden hatte. Bringt die Leistung diesen Anspruch zum Erlöschen, sei es auch nur als Folge der Akzessorietät zu der getilgten Verbindlichkeit eines Dritten, dann liegt bereits darin die ausgleichende Gegenleistung des Empfängers, die es rechtfertigt, die empfangene Leistung in seinem Verhältnis zum Leistenden als entgeltlich zu beurteilen, gleichviel ob der Anspruch gegen den Leistenden im Voraus werthaltig erschien oder nicht. Hier kann nichts anderes gelten, als wenn der Schuldner auf die eigene Verbindlichkeit geleistet hätte. Es kann deshalb dahinstehen, ob zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen nicht nur die KG, sondern auch die Schuldnerin als ihre persönlich haftende Gesellschafterin zahlungsunfähig war. Die Angriffe der Revision gegen die diesbezüglichen Feststellungen des Berufungsgerichts sind ohne Belang.

cc) Weil es auf die Werthaltigkeit des Haftungsanspruchs nicht ankommt, kann eine Unentgeltlichkeit der von der Schuldnerin erbrachten Leistungen auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Haftungsanspruch aus § 161 Abs. 2, § 128 Satz 1 HGB wegen der Regelung in § 93 InsO entwertet gewesen sei (so OLG Rostock, ZInsO 2004, 555, für Zahlungen des persönlich haftenden Gesellschafters während des Eröffnungsverfahrens). Es bedarf deshalb keiner Erörterung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dieser Norm über ihren Wortlaut hinaus eine Wirkung bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beigemessen werden kann.

dd) Dass der Senat die Begleichung der Verbindlichkeit einer KG durch eine Schwestergesellschaft als unentgeltlich erachtet hat (BGH, Urteil vom 30. März 2006 - IX ZR 84/05, WM 2006, 1156), steht der vorstehenden Beurteilung nicht entgegen. Anders als im Streitfall hatte der Gläubiger dort keinen Anspruch gegen die leistende Gesellschaft, der durch die Zahlung erlosch.

III.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch kann auch nicht auf andere Anfechtungsnormen gestützt werden. Eine Deckungsanfechtung nach §§ 130, 131 InsO scheidet aus, weil die Zahlungen außerhalb des Dreimonatszeitraums vor dem Eröffnungsantrag erfolgten. Mangels Darlegung der subjektiven Voraussetzungen kommt auch eine Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO nicht in Betracht.

Vill Gehrlein Grupp Möhring Schoppmeyer Vorinstanzen: LG Aschaffenburg, Entscheidung vom 09.11.2012 - 23 O 67/12 OLG Bamberg, Entscheidung vom 14.05.2013 - 5 U 235/12 -

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