XII ZB 145/25
BUNDESGERICHTSHOF XII ZB 145/25 BESCHLUSS vom 23. Juli 2025 in der Betreuungssache ECLI:DE:BGH:2025:230725BXIIZB145.25.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2025 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger und die Richterinnen Dr. Pernice und Dr. Recknagel beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 21. Februar 2025 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Eine Festsetzung des Beschwerdewerts (§ 36 Abs. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.
Gründe: I.
Für den Betroffenen ist seit Dezember 2022 eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögensorge sowie Rechts-, Antrags- und Behördengelegenheiten eingerichtet und ein Einwilligungsvorbehalt für den Bereich der Vermögenssorge angeordnet. Am 5. März 2024 hat er die Aufhebung der Betreuung und Abberufung der für ihn bestellten Berufsbetreuerin beantragt. Das Amtsgericht hat diese Anträge nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zurückgewiesen.
Das Landgericht hat die Beschwerde der Verfahrenspflegerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Betreuerbestellung für den Aufgabenbereich der Regelung des Aufenthalts nur gilt, soweit die Aufenthaltsbestimmung der Verwirklichung der Gesundheitssorge dient. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Die Entscheidung hält bereits der Verfahrensrüge der Rechtsbeschwerde nicht stand. Diese beanstandet zu Recht, dass das Landgericht den Betroffenen lediglich durch den beauftragten Richter, nicht aber durch die voll besetzte Kammer als den letztlich entscheidenden Spruchkörper angehört hat.
a) Die Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren muss zwar nicht zwangsläufig durch alle Mitglieder der Beschwerdekammer erfolgen. Dies folgt bereits aus § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG, wonach das Beschwerdegericht im Regelfall von einer Anhörung absehen kann, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurde und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Die Beschwerdekammer hat im Rahmen der ihr obliegenden Amtsermittlung nach § 26 FamFG darüber zu befinden, ob es für ihre Entscheidung wegen der Besonderheiten des Falles darauf ankommt, dass sich die gesamte Kammer einen eigenen Eindruck von dem Betroffenen verschafft, oder ob der Kammer durch eine vom beauftragten Richter durchgeführte Anhörung eine ausreichende Grundlage für die zu treffende Entscheidung vermittelt wird. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Anhörung durch den beauftragten Richter nur in ihrem objektiven Ertrag durch die Kammer verwertet werden darf (Senatsbeschluss vom 1. März 2023 - XII ZB 285/22 - FamRZ 2023, 1062 Rn. 14 mwN).
b) Gemessen hieran ist es vorliegend mit § 26 FamFG unvereinbar, dass das Landgericht den Betroffenen lediglich durch den beauftragten Richter angehört hat. Über Art und Umfang der vorzunehmenden Ermittlungen entscheidet zwar grundsätzlich der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Rechtsbeschwerdegericht hat jedoch unter anderem nachzuprüfen, ob das Beschwerdegericht die Grenzen seines Ermessens eingehalten hat, ferner, ob es von zutreffenden Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist (Senatsbeschluss vom 1. März 2023 - XII ZB 285/22 - FamRZ 2023, 1062 Rn. 15 mwN).
Dieser Nachprüfung hält die angefochtene Entscheidung nicht stand. Denn das Landgericht hat dem in dieser Anhörung gewonnenen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen ausweislich der Gründe des angefochtenen Beschlusses entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen, um in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Sachverständigen anzunehmen, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbstständig zu besorgen. Mithin war der in der Anhörung gewonnene persönliche Eindruck für die Beschwerdeentscheidung ein maßgebliches Kriterium, so dass es zwingend des persönlichen Eindrucks aller Kammermitglieder von dem Betroffenen bedurft hätte.
2. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die noch erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.
Bei seiner erneuten Befassung wird das Landgericht zu berücksichtigen haben, dass die für einen Betreuungsbedarf im Bereich der Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung getroffenen Feststellungen nicht durch die in Bezug genommenen ärztlichen Stellungnahmen getragen werden, da beide eingeholten Gutachten den Betroffenen im Bereich Gesundheit und Aufenthaltsbestimmung für in der Lage halten, seine Angelegenheiten selbständig zu regeln.
Im Übrigen verweist der Senat auf die Übergangsvorschrift des § 493 Abs. 5 Nr. 2 FamFG, wonach, wenn die Betreuung zwischen dem 1. Juli 2022 und dem 31. Dezember 2022 angeordnet worden ist, erstmalige Entscheidungen über die Aufhebung oder Verlängerung der Maßnahme abweichend von den in § 294 Abs. 3 Satz 2 und § 295 Abs. 2 Satz 2 FamFG genannten Fristen spätestens zwei Jahre nach der Anordnung erfolgen müssen. Daher steht unabhängig von dem vorliegenden Aufhebungsantrag des Betroffenen auch bereits eine amtsgerichtliche Entscheidung über die Verlängerung der Betreuung an.
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Guhling Pernice Günter Recknagel Nedden-Boeger Vorinstanzen: AG Bad Iburg, Entscheidung vom 13.09.2024 - 11 XVII B 3099 LG Osnabrück, Entscheidung vom 21.02.2025 - 3 T 515/24 -