Paragraphen in 15 W (pat) 11/13
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 11/13 Verkündet am 7. Mai 2015
…
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 10 2007 043 311 …
BPatG 154 05.11 hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung am 7. Mai 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Feuerlein sowie der Richter Dr. Egerer, Heimen und Dr. Freudenreich beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Auf die am 12. September 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung 10 2007 043 311.7 hat die Prüfungsstelle für Klasse C 08 K ein Patent mit der Bezeichnung
„Zusammensetzung mit antimikrobieller Wirkung, Verfahren zu deren Herstellung und deren Verwendung“
erteilt. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 25. Februar 2010.
Das Patent hat insgesamt 18 Patentansprüche, von denen die unabhängigen Patentansprüche 1, 15, 16 und 17 folgenden Wortlaut haben:
1. Zusammensetzungen mit antimikrobieller Wirkung zumindest bestehend aus einem oder mehreren Polymeren oder polymerisierbaren oder vernetzbaren Monomeren oder polymerisierbaren oder vernetzbaren Präpolymeren oder polymerisierbaren oder vernetzbaren Polymeren, und porösen Glaspartikeln, welche einen antimikrobiellen Zusatz von Silberionen und Silbernanoteilchen enthalten, dadurch gekennzeichnet, dass
- das Silber, zumindest mit einem Anteil von 40 bis 100 Gewichtsprozent, in ionischer Form in den porösen und durch Zerkleinerung des im kontinuierlichen Verfahren erzeugten Glasschaumes erhaltenen Glaspartikeln, welche eine mittlere Teilchengröße von 1 bis 50 µm aufweisen, vorliegt, wobei diese Glaspartikel nach der Zerkleinerung mit einem gelösten Silbersalz vermischt werden und es zur Einlagerung der Silberionen kommt, - die porösen Glaspartikel aus Glasschaum von erdalkalihaltigen Silikatgläsern bestehen, und - die Gerüstdichte der Glasmatrix dieser erdalkalihaltigen Silikatgläser zwischen 1,0 und 2,0 g/cm3 liegt und die Porendurchmesser zur Einlagerung der Silberionen von 1,0 × 10-10 m bis 20 × 10-10 m betragen.
15. Verwendung der Zusammensetzungen nach einem der Ansprüche 1 bis 14 als Bindemittel in Kleb-, Dicht- und Beschichtungsstoffen.
16. Verwendung der Zusammensetzungen nach einem der Ansprüche 1 bis 14 als Basismaterial für antimikrobielle Formteile, Folien oder Fasern.
17. Verfahren zur Herstellung der Zusammensetzungen gemäß den Ansprüchen 1 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass die porösen Glaspartikel durch Zerkleinerung von Glasschaum aus erdalkalihaltigen Silikatgläsern und nachfolgender Dotierung mit Silber aus Silbersalzlösungen erhalten werden.
Gegen das Patent hat der Einsprechende mit Schriftsatz, eingegangen am Deutschen Patent- und Markenamt am 26. April 2010, Einspruch erhoben und sinngemäß beantragt, die Patentfähigkeit des erteilten Patents hinsichtlich des von ihm benannten und diskutierten Standes der Technik zu überprüfen. Mit Schriftsatz, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 9. November 2010, hat er beantragt, das Patent wegen mangelnder Erfindungshöhe beziehungsweise nach § 21 Absatz 1 Nr. 2 PatG zurückzuweisen, da das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne.
Die Patentinhaberin hat dem Vorbringen des Einsprechenden in allen Punkten widersprochen und beantragt, den Einspruch als unzulässig oder unbegründet abzuweisen. Hilfsweise hat sie Antrag auf Anberaumung einer Anhörung gestellt.
Zu der von der Patentabteilung 43 anberaumten ersten Anhörung am 24. Mai 2011 ist der ordnungsgemäß geladene Einsprechende nicht erschienen. Gemäß dem beiden Beteiligten zugestellten Anhörungsprotokoll hat die Patentabteilung 43 die Patentinhaberin beauftragt, festzustellen, ob die Glasmatrix im Stand der Technik (TROVO®Guard vor Anmeldetag) sich durch eindeutige Messergebnisse von der Glasmatrix gemäß Patentanspruch 1 unterscheide und eidesstattlich zu versichern, dass kein Produkt TROVO®Guard mit Gerüstdichte und/oder Porendurchmesser der Glasmatrix gemäß Anspruch 1 vor dem Anmeldetag angeboten oder in Verkehr gebracht worden sei. Nur dann könne der Patentanspruch 1 Bestand haben. Der Verfahrensanspruch 18 wäre gemäß der dem Protokoll beiliegenden Anlage zu ändern und das Verfahren werde zunächst schriftlich weitergeführt.
Mit Schriftsatz, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 3. September 2011, hat die Patentinhaberin die angeforderten eidesstattlichen Versicherungen beigefügt und den Patentanspruch 18 nach den Vorstellungen der Patentabteilung geändert. Durch die als Anlage beigefügten Vergleichsversuche sei auch die Unterscheidbarkeit der erfindungsgemäßen Glasmatrix von den Produkten vor dem Anmeldetag belegt. Damit sei keine Glasmatrix mit den beanspruchten Eigenschaften vor dem Anmeldetag angeboten oder in Verkehr gebracht worden.
Die Patentabteilung 43 hat mit der Ladung zur zweiten Anhörung mit Schriftsatz vom 25. Januar 2013 im Ladungszusatz ihre vorläufige Meinung mitgeteilt, dass die Neuheit der Glaspartikel nach Streitpatent gegeben sei, dass jedoch die erfindungsgemäßen Glasschäume nur mit speziellem Borosilikatglas unter speziellen engen Verfahrensparametern gewonnen werden könnten, weshalb die Anmeldung nicht hinreichend offenbart sei. In der zweiten Anhörung am 12. März 2013, zu welcher der Einsprechende wiederum nicht erschienen ist, hat sie das Patent widerrufen. Sie hat in der Beschlussbegründung vom 20. März 2013 ausgeführt, dass die Erfindung nach den Patentansprüchen 1 und 18 zwar neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, dass aber das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne (§ 21 Absatz 1 Nr. 2 PatG).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin mit Schriftsatz, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 17. April 2013. Mit Schriftsatz, eingegangen beim Bundespatentgericht am 31. März 2015, hat sie die Begründung der Beschwerde eingereicht und zu den Ausführungen der Patentabteilung wie auch zur vorläufigen Ansicht des Senats im Schriftsatz vom 10. Februar 2015, dass unabhängig von der Frage der Ausführbarkeit und Abgrenzbarkeit bzw. Neuheit, die erfinderische Tätigkeit bei den vorliegend beanspruchten Gegenständen zu verneinen sein könnte, Stellung genommen. Sie sieht die Erfindung hinsichtlich Ausführbarkeit, Neuheit und erfinderischer Tätigkeit als patentfähig an.
Die Patentinhaberin stützt ihr Vorbringen auf die folgenden Druckschriften:
PI1 Vergleich von Schaumgläsern aus dem Inhalt der Entgegenhaltungen (4) und (5) mit den in der Patentanmeldung dargestellten Schaumgläsern, 30.08.2011, 7 Seiten.
PI2 Eidesstattliche Erklärung von Herrn Uwe Ferner, 26. August 2011. PI3 Eidesstattliche Erklärung von Herrn Hans-Jürgen Voß,
26. August 2011. PI4 Neuer Patentanspruch 18 PI5 Borosilikatglas. URL: http://www.de.wikipedia.org/wiki/Borosilikatglas PI6 DE 10 2005 026 038 A1 PI7 DE 10 2005 043 516 A1 PI8 PI9 PI10 PI11 PI12 PI13 PI14 PI15 DE 101 19 302 A1 DE 198 41 547 A1 EP 1 274 658 B1 (Seiten 1 und 6) DE 195 36 665 C2 DE 195 36 666 C2 DE 195 45 065 C2 ALLMANN, Rudolf, KERN, Arnt: Röntgenpulverdiffraktometrie. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, 2. Auflage, 2002. - ISBN 978-3-54043967-7. GERSTBERGER, Gisela: Molekulare und immobilisierte Seltenerd(III)silylamide. Herbert Utz Verlag, 1999, u. a. S. 71-72. ISBN 9783-89675-607-7.
Vom Einsprechenden sind die folgenden Druckschriften in das Verfahren eingeführt worden. Die Druckschrift E1 ist bereits im Prüfungsverfahren als Stand der Technik ermittelt worden:
E1 DE 10 2006 026 033 A1 E2 Flyer TROVO®guard; 2 Seiten, undatiert. E3 Trovo®guard – ein antimikrobiell wirkendes Produkt, Seiten 1 bis 3,
undatiert. E4 Trovo®powder und Trovo®guard. In: Conference Proceedings, High Performance Fillers, 2nd International Conference on Fillers for Polymers, 21. bis 22 März 2006, Köln, Deutschland, Paper 7, Seiten 3/6 bis 5/6. E5 MOENKE-WEDLER, Thurid und VOSS, Hans-Jürgen: Füllstoffe aus Glasschaum für Polymere. In: GAK 10/2006, Jahrgang 59, Seiten 641-645. E6 Ausstellerverzeichnis, 14. Innovationstag Mittelstand des BMWi am 14. Juni 2007 in der AiF-Geschäftsstelle Berlin, S. 51.
E7 Artikel der Mitteldeutschen Zeitung vom 27. Dezember 2006, eine Seite.
E8 Artikel der Mitteldeutschen Zeitung vom 3. Januar 2007, eine Seite. E9 Dissertation „Anwendung von porösem Glas als Trägermaterial in der Übergangsmetallkatalyse“: SCHMÖGER, Christine. Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2009, Seiten 51 und 149.
Von Seiten des Senats ist auf eine im Streitpatent zitierte Druckschrift (S1), auf die im Prüfungsverfahren ermittelte Druckschrift (S2) und hinsichtlich der Beladung der Füllstoffe mit Silberionen auf die Druckschrift (S3) hingewiesen worden:
S1 DE 101 22 262 A1 S2 DE 10 2004 022 779 A1 S3 DE 694 21 351 T2 In der mündlichen Verhandlung legt die Patentinhaberin einen 1. Hilfsantrag und einen 2. Hilfsantrag vor, die sich von der Anspruchsfassung nach erteiltem Patent lediglich im Patentanspruch 1 unterscheiden. Die jeweiligen Patentansprüche 1 haben den folgenden Wortlaut:
Nach 1. Hilfsantrag
-8Nach 2. Hilfsantrag Phosphatfreie Silikatgläser gemäß 1. Hilfsantrag fänden sich nach Auffassung der Patentinhaberin als Disclaimer zu dem in den Absätzen [0006] und [0007] der Patentschrift (Anmeldeunterlagen: Seite 2, Zeilen 4 bis 11) mit den vorveröffentlichten Druckschriften DE 101 38 568 A1 und DE 101 22 262 A1 (S3) zitierten Stand der Technik offenbart. Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin stellt den Antrag,
den angefochtenen Beschluss der Patentabteilung 1.43 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 12. März 2013 aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen, hilfsweise 1.) das Patent mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten: Patentansprüche 1 bis 18 gemäß 1. Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 2015, im Übrigen gemäß der Patentschrift, weiter hilfsweise 2.) das Patent mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten: Patentansprüche 1 bis 18 gemäß 2. Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 2015, im Übrigen gemäß der Patentschrift, 3.) hilfsweise ins schriftliche Verfahren überzugehen, und die Auflage zu erteilen, ein Messprotokoll vorzulegen, welches die beanspruchte Porendurchmessergröße 1,0 x 10-10 m bis 20 x 10-10 m belegt, 4.) hilfsweise ins schriftliche Verfahren überzugehen, um ein Gutachten zum Wissen und Können des Durchschnittsfachmanns auf dem Gebiet der Extrusiontechnik für Kunststoffe und auf dem Gebiet der Glaschemie vorlegen zu können.
Der ordnungsgemäß geladene Einsprechende ist zur Verhandlung, wie angekündigt, nicht erschienen. Er hat mit Schriftsatz, eingegangen beim Bundespatentgericht am 15. April 2015, beantragt,
bei seinem Ausbleiben zu verhandeln und zu entscheiden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde der Patentinhaberin ist frist- und formgerecht eingelegt worden und zulässig (§ 73 PatG).
Zudem ist auch die Voraussetzung für die Überprüfung des Patents im vorliegenden Einspruchsbeschwerdeverfahren erfüllt, denn der vorangegangene Einspruch ist frist- und formgerecht eingelegt und mit Gründen versehen, wobei der Einsprechende in seinen Einspruchsschriftsätzen auch die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen tatsächlichen Umstände im Einzelnen so dargelegt hat, dass ohne eigene Ermittlungen daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes gezogen werden können.
2. Die Beschwerde der Patentinhaberin erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als nicht begründet, denn die Zusammensetzungen gemäß den jeweiligen Patentansprüchen 1 nach Hauptantrag und 2. Hilfsantrag werden dem Fachmann durch den Stand der Technik gemäß der Druckschrift E5 und seinem Fachwissen oder der Kombination der Druckschrift E5 mit der Druckschrift E4 nahegelegt und sind daher gemäß § 4 PatG wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig. Die Anspruchsfassung nach 1. Hilfsantrag ist wegen fehlender Offenbarung des Merkmals „phosphatfrei“ im Patentanspruch 1 nicht gewährbar.
Bei dieser Sachlage kann die Erörterung der Neuheit dahingestellt bleiben (BGH GRUR 1991, 120-122, insbesondere 121, II.1 – Elastische Bandage).
a. Das Streitpatent betrifft eine Zusammensetzung mit polymerisierbaren oder polymeren Verbindungen und speziell vorbehandelten Glaspartikeln als Füllstoff. Wegen der Vorbehandlung des Glasfüllstoffs und dessen Einarbeitung in polymerisierbare oder polymere Verbindungen ist als zuständiger Fachmann ein DiplomChemiker oder Chemie-Ingenieur anzusehen, der ein allgemeines Fachwissen auf dem Gebiet der Glasherstellung und der Polymerchemie besitzt. Er ist aufgrund langjähriger Berufserfahrung mit der Herstellung und Compoundierung von Kunststoff-Zusammensetzungen vertraut und besitzt zudem vertieftes Fachwissen auf dem Gebiet der Extrusionstechnik und auf dem Gebiet der Glaschemie. Bei dem anzusetzenden Fachmann kann es sich auch um ein Team handeln, nämlich um auf dem Gebiet der Compoundierung von Kunststoffen und auf dem Gebiet der Herstellung vorbehandelter Glaspartikel versierte Fachleute mit den angegebenen Ausbildungsabschlüssen.
b. Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach erteiltem Patent sind nach Merkmalen gegliedert:
M1 M1.1 M1.2 M1.2.1 M1.2.2 M1.2.3 M1.2.4 M1.2.5 M1.2.6 M1.2.7 M1.2.8 M1.2.9 Zusammensetzungen mit antimikrobieller Wirkung zumindest bestehend aus einem oder mehreren Polymeren oder polymerisierbaren oder vernetzbaren Monomeren oder polymerisierbaren oder vernetzbaren Präpolymeren oder polymerisierbaren oder vernetzbaren Polymeren, und porösen Glaspartikeln, welche einen antimikrobiellen Zusatz von Silberionen und Silbernanoteilchen enthalten, dadurch gekennzeichnet, dass das Silber, zumindest mit einem Anteil von 40 bis 100 Gewichtsprozent, in ionischer Form in den porösen und durch Zerkleinerung des im kontinuierlichen Verfahren erzeugten Glasschaumes erhaltenen Glaspartikeln, welche eine mittlere Teilchengröße von 1 bis 50 µm aufweisen, vorliegt, wobei diese Glaspartikel nach der Zerkleinerung mit einem gelösten Silbersalz vermischt werden und es zur Einlagerung der Silberionen kommt, die porösen Glaspartikel aus Glasschaum von erdalkalihaltigen Silikatgläsern bestehen, und die Gerüstdichte der Glasmatrix dieser erdalkalihaltigen Silikatgläser zwischen 1,0 und 2,0 g/cm3 liegt und die Porendurchmesser zur Einlagerung der Silberionen von 1,0*10-10 m bis 20*10-10 m betragen.
Der Patentanspruch 1 nach 1. Hilfsantrag unterscheidet sich davon durch das Merkmal M1.2.71:
M1.2.71 die porösen Glaspartikel aus Glasschaum von erdalkalihaltigen, phosphatfreien Silikatgläsern bestehen, und Der Patentanspruch 1 nach 2. Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag durch das Merkmal M1.2.72:
M1.2.72 die porösen Glaspartikel aus Glasschaum von erdalkalihaltigen, zinkhaltigen Silikatgläsern, die 1 bis 15 Gew.-% Zinkoxid enthalten, bestehen, und Die jeweils nebengeordneten Verwendungsansprüche 15 und 16 beziehen sich auf die Verwendung der antimikrobiellen Zusammensetzung als Bindemittel in Kleb-, Dicht- und Beschichtungsstoffen oder als Basismaterial für Formteile, Folien und Fasern. Alle Merkmale des Verfahrensanspruchs 17 finden sich auch im Patentanspruch 1 (Merkmale M1.2, M1.2.4, M1.2.6, M1.2.7).
c. Bezüglich der Offenbarung der Merkmale der Patentansprüche des erteilten Patents aus den Unterlagen vom Anmeldetag bestehen keine Bedenken. Die Merkmale des Patentanspruchs 1 lassen sich auf die Patentansprüche 1, 7 und 20 zurückführen, wobei die neu hinzugenommenen Merkmale der kontinuierlichen Verfahrensführung (Teilmerkmal M1.2.4) auf Seite 4, Zeile 6, der mittleren Teilchengröße (Merkmal M1.2.5) auf Seite 4, Zeile 17, und des Porendurchmessers von 1,0*10-10 m bis 20*10-10 m (Teilmerkmal M1.2.9) auf Seite 4, Zeilen 14 bis 15, offenbart sind. Auf Seite 3, Zeilen 19 bis 20, ist ausgeführt, dass das Silber in ionischer Form in den porösen Glaspartikeln vorliegt. Die Poren der Glaspartikel dienen danach in ihrer Gesamtheit zur Einlagerung der Silberionen (Teilmerkmal M1.2.9). Die Merkmale der Patentansprüche 2 bis 17 gehen auf die Patentansprüche 2 bis 6, 9 bis 15, 7 und 17 bis 19 zurück, der Patentanspruch 18 auf den Patentanspruch 20 vom Anmeldetag in Verbindung mit Seite 4, Zeilen 13 bis 14.
Bezüglich des Disclaimers „phosphatfreie Silikatgläser“ (Merkmal M1.2.71) gemäß 1. Hilfsantrag ist den Unterlagen vom Anmeldetag an keiner Stelle zu entnehmen, dass phosphathaltige Gläser mit Nachteilen behaftet oder sogar auszuschließen wären. Die Beschreibung vom Anmeldetag verweist explizit auf die Eignung „übli- cher Glasrohstoffe und Glasscherben“ (Anmeldeunterlagen, Seite 4, Zeilen 7 bis 9), die in einer besonderen Ausgestaltung erdalkalihaltig sind (Anmeldeunterlagen: Patentanspruch 7). Damit ist eine Offenbarung für das Teilmerkmal „phosphatfrei“ nicht gegeben, weshalb der Patentanspruch 1 nach 1. Hilfsantrag nicht zulässig ist. Der Auffassung der Patentinhaberin bezüglich einer diesbezüglichen Offenbarung als Disclaimer zu den vorveröffentlichten Druckschriften DE 101 38 568 A1 und DE 101 22 262 A1 (S3) kann somit nicht gefolgt werden.
Dagegen ist der Einsatz zinkhaltiger Silikatgläser mit 1 bis 15 Gew.-% Zinkoxid (Merkmal M1.2.72) als besondere Ausgestaltung des Ausgangsmaterials ursprünglich offenbart (Anmeldeunterlagen, Seite 5, letzte Zeile bis Seite 6, Zeile 2; Absatz [0026] des erteilten Patents), so dass der 2. Hilfsantrag zulässig ist.
d. Gekennzeichnet ist die beanspruchte Zusammensetzung aus Monomeren, Präpolymeren oder Polymeren und porösen Glaspartikeln mit Silberionen und Silbernanoteilchen (Merkmale M1 bis M1.2.1) hinsichtlich der silberhaltigen Glaspartikel sowohl durch Merkmale, die ihre Herstellung betreffen (product-by-process), als auch durch die Merkmale, die ihren Aufbau, ihre Gestalt und ihre chemische Zusammensetzung betreffen.
Im Einzelnen bestehen die Glaspartikel aus erdalkalihaltigen Silikatgläsern (Merkmal M1.2.7) und enthalten einen Zusatz von Silberionen und Silbernanoteilchen (Merkmal M1.2.1), wobei zumindest 40 bis 100 % des Silbers in ionischer Form vorliegen (Merkmal M1.2.2 und Teilmerkmal M1.2.3). Beim Vorliegen von 100 Gewichtsprozent Silber in ionischer Form können keine Silbernanoteilchen als Zusatz vorhanden sein.
Hinsichtlich des Aufbaus handelt es sich um durch Zerkleinerung von Glasschaum gewonnene Partikel mit einer Größe von 1 bis 50 µm (Merkmal M1.2.5), in welche die Silbersalze eingelagert sind (Merkmal M1.2.6).
Die Herstellung der porösen Glaspartikel erfolgt durch Zerkleinerung eines im kontinuierlichen Verfahren erzeugten Glasschaumes (Merkmal M1.2.4), bei welchem die gewonnenen Glaspartikel mit einem gelösten Silbersalz vermischt werden und es zur Einlagerung der Silberionen kommt (Merkmal M1.2.6). Damit befinden sich Silber und Silberionen an der porösen Glasoberfläche, nicht jedoch in der Glasmatrix.
Die Gerüstdichte der Glasmatrix der erdalkalihaltigen Silikatgläser liegt zwischen 1,0 und 2,0 g/cm3 (Merkmal M1.2.8). Eine Gerüstdichte ist im Streitpatent nicht definiert. In dem Fachartikel E5 der Patentinhaberin, welcher Füllstoffe aus Glasschaum für Polymere behandelt, ist ausgeführt, dass die spezifische Dichte von Glasschaum-Fragmenten, zwischen den Werten von Glasschaum und Glas, nämlich ρ (Glasschaum) = 0,1 – 0,3 g/cm3 < ρ (Fragmente) < ρ (Glas) 2,6 g/cm3 liegt (E5: Seite 643, rechte Spalte, 3. Vorteile des Glasschaumes). Diese Dichte, die der Gerüstdichte entsprechen muss, nimmt dabei mit wachsender Teilchengröße ab (E5: Seite 643, rechte Spalte, letzter Absatz bis Seite 644, linke Spalte, 1. Zeile). Die Gerüstdichte zeigt folglich eine Abhängigkeit von der Teilchengröße und damit vom Mahlgrad. Im Einklang damit stehen die Vergleichsversuche der Patentinhaberin. So beträgt nach ihren Messungen die durchschnittliche Dichte des Glasschaums TROVO®por bis Juni 2006 0,3 g/cm3 und ab Juli 2006 0,1 g/cm3, während sich die durchschnittliche Gerüstdichte zu annähernd 2,5 g/cm3 und 1,5 g/cm3 (PI1: Seite 4, Punkt 3.) ergibt.
Mangels einer konkreten Offenbarung ist das Merkmal M1.2.9, also der von der Patentinhaberin als zur Einlagerung der Silberionen beanspruchte Bereich der Porendurchmesser von 1*10-10 bis 20*10-10 m bzw. 1 bis 20 Ångström, auszulegen. Die einzige die Porendurchmesser betreffende Textpassage findet sich zwischen einem die Herstellung des Glasschaums mittels Extrusion betreffenden Absatz (Anmeldeunterlagen: Seite 4, Zeilen 6 bis 11) und einem Absatz, der die Zerkleinerung des Glasschaums und dessen Behandlung mit Silber betrifft (Anmeldeunterlagen: Seite 4, Zeilen 16 bis 27). Hinsichtlich des Herstellungsverfahrens gibt das Streitpatent an, dass, wie dem Fachmann bekannt, übliche Glasrohstoffe oder Glasscherben aufgeschmolzen und unter Druck mit Treibmittel vermischt werden. Dann werden durch eine sehr schnelle Abkühlung des Glasschaumes am Extruderaustritt Glasschäume aus porösem Glas erhalten (DE 10 2007 043 311 B4: Absatz [0017]; Anmeldeunterlagen: Seite 4, Zeilen 6 bis 11). Würde es sich nun um mittlere Porendurchmesser handeln, dann finden sich in der Patentanmeldung vom Anmeldetag keine Hinweise, wie ein Schäumverfahren zu führen wäre, um zu Glaspartikeln mit Porendurchmessern in dieser geringen Größenordnung zu gelangen. Denn die Durchmesser der Poren ändern sich beim nachfolgenden Mahlen des Rohschaumes nicht. Mithin lässt der geltende Patentanspruch 1 den Anteil dieser Poren im Ångströmbereich offen. Da die beim Schäumen von Glas gebildeten Poren allgemein hinsichtlich der Größe einer statistischen Verteilung unterliegen, kann die Bildung von Poren im Ångströmbereich, die sich dann als Folge der üblichen Verfahrensschritte beim extrudierenden Schäumen des Glases von selbst einstellt, nicht ausgeschlossen werden.
Die Patentinhaberin hat auch auf mehrfache Anfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung nicht darlegen können, auf welche Weise das Extrusionsverfahren zu führen wäre, um zu den beanspruchten Poren im Ångströmbereich zu gelangen. Zwar sei im Zuge des Schäumens die Bildung der Poren im Ångströmbereich nicht zu erkennen, man erhalte aber einen homogenen Schaum. Sie bestätigt in der mündlichen Verhandlung auf Anfrage des Senats, dass der erfindungsgemäße Glasschaum ab Juli 2006 einen durchschnittlichen Durchmesser der Schaumblasen von 50 µm und damit einen höheren Anteil außerhalb des beanspruchten Bereiches aufweist (PI1: Seite 5, Abb. 4 und Tabelle) und räumt ein, dass weder in den REM-Aufnahmen der Vergleichsversuche nach Druckschrift PI1, noch in weiteren REM-Aufnahmen, die die Patentinhaberin während der Verhandlung gezeigt hat, Poren im Ångströmbereich zu erkennen sind. Ihrer Auffassung nach befänden sich die Poren im Ångströmbereich in den Porenwänden der Poren im µm-Bereich, wobei sie die Meinung vertritt, dass bei dem Glasschaum, wie er bis 2006 hergestellt wurde, in den Porenwänden eher keine Poren im
Ångström-Bereich vorlägen, während dies bei dem Glasschaum nach dem patentgemäßen Verfahren der Fall sei. Wichtig sei, dass die Porenstruktur nach dem erfindungsgemäßen Verfahren feiner sei.
Das Vorbringen der Patentinhaberin zu den Poren im Ångströmbereich ist damit spekulativer Natur. Blasen- bzw. Porenanteile im Ångström-Bereich können beim Schäumen von Glasmaterialien jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, weshalb jedes Schäumen einer Glasschmelze über Extrusion die Bildung solcher Blasen bzw. Poren ermöglicht.
Nachdem der geltende Patentanspruch keine mittlere Porengröße beansprucht, ist die Ausführbarkeit der Verfahrensschritte, auch soweit sie sich in den Produkteigenschaften nach Patentanspruch 1 wiederspiegelt, im Umfang der Offenbarung des Streitpatents anzuerkennen (§ 21 Absatz 1 Nr. 2 PatG). Es kann damit dahingestellt bleiben, inwieweit diese Poren der Einlagerung von Silberionen dienen und ob tatsächlich ein mittlerer Porendurchmesser gemeint war.
e. Die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche 1 und 15 bis 17 nach Hauptantrag beruhen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Bei dem im Streitpatent genannten, Zusammensetzungen mit antimikrobieller Wirkung betreffenden, Stand der Technik wird als nachteilig beschrieben, dass eine Freisetzung des Silbers erst mit Auflösung der Glaspartikel in antimikrobiell wirksamen Konzentrationen erfolge, dass das Silber in metallischer, Nanopartikel, oder gebundener Form, in der Glasmatrix, vorliege, Silberionen nur in geringer Konzentration entsprechend dem Lösungsgleichgewicht freigesetzt würden, und dass eine Agglomeration der Silbernanopartikel erfolge, wodurch eine Reduzierung der spezifischen Oberfläche erfolge und die Lösung von Silberionen reduziert werde (DE 10 2007 043 311 B4: Absatz [0011]).
Hiervon geht die Erfindung aus und stellt sich die Aufgabe, auf der Basis von Silber antimikrobiell ausgerüstete Zusammensetzungen aus Polymeren, polymerisierbaren oder vernetzbaren Monomeren, Präpolymeren oder Polymeren zu finden und damit den Bewuchs mit Bakterien, Pilzen, Hefen und Flechten über längere Zeiträume zu verhindern. Außerdem soll ein Verfahren zur Herstellung einer solchen Zusammensetzung gefunden werden (DE 10 2007 043 311 B4: Absatz [0012]). Die Lösung dieser Aufgaben entspricht den Gegenständen der Patentansprüche 1 und 17. Erfindungsgemäß sei unter anderem, dass das Silber mit einem Anteil von 40 bis 100 Gewichtsprozent in ionischer Form in den porösen Glaspartikeln vorliege (DE 10 2007 043 311 B4: Absatz [0014]), was nach Patentanspruch 17 durch die Zerkleinerung von Glasschaum aus erdalkalihaltigen Silikatgläsern und die Behandlung des zerkleinerten Glases mit Silber aus Silbersalzlösungen erreicht werde.
Der Fachartikel „Füllstoffe aus Glasschaum für Polymere“ (E5) der Patentinhaberin befasst sich mit bioziden silberhaltigen Glasschaumpartikeln als Polymerfüllstoff (E5: Seite 644, linke Spalte, letzter Absatz und Seite 645, rechte Spalte; Merkmale M1, M1.1) und findet somit die Beachtung des Fachmannes. Die porösen Glaspartikel (E5: Seite 641, rechte Spalte, Punkt 1.; Merkmal M1.2) werden durch Zerkleinerung des im kontinuierlichen Verfahren erzeugten Glasschaumes aus Natrium-Kalk-Glas im einstelligen Mikrometerbereich erhalten (E5: Seite 641, Abb. 1, Seiten 641 bis 642, Punkt 1.: Erzeugung und Eigenschaften von Glasschaumpartikeln sowie Abstract, 2. Absatz, Zeile 3; Merkmale M1.2.4, M1.2.5, M1.2.7). Dabei ist auch von einer Porenbildung im Ångströmbereich auszugehen (Merkmal M1.2.9). Die Gerüstdichte der Glasschaum-Fragmente (Merkmal M1.2.8) ist durch den Mahlgrad beliebig zwischen 0,1 und 2,6 bzw. 0,3 und 2,6 g/cm3 einstellbar (E5: Seite 643, rechte Spalte, Punkt 3), und für die Verwendung der Glaspartikel zur mechanischen Verstärkung von Polymeren wird explizit fein zermahlener Glasschaum empfohlen (E5: Seite 642, linke Spalte, letzte 4 Zeilen; Abbildung 5: < 32 µm: Merkmale M1.2.5 und M1.2.8). Der Einbau antimikrobiell wirkender Silberionen kann durch Ionenaustausch zwischen Glasschaummatrix und Salzlösung erfolgen (E5: Seite 644, linke Spalte, Punkt 4; Merkmale M1.2.1, M1.2.3). Wenn Silber über Ionenaustausch eingeführt wird, liegt es nahezu quantitativ in ionischer Form vor (Merkmal M1.2.2). In der Druckschrift E5 wird bezüglich der Zerkleinerung des Glasschaums und der Beschichtung mit Silberionen keine spezielle Reihenfolge angegeben, während nach Merkmal M1.2.6 der Patentansprüche 1 nach Hauptantrag und 2. Hilfsantrag eine Einlagerung der Silberionen erst nach der Zerkleinerung des Schaumes erfolgt. Sie offenbart in diesem Zusammenhang lediglich, dass ein Ionentausch zwischen der Glasschaummatrix und Salzlösungen nach der Extrusion stattfindet (E4: Seite 644, Punkt 4.). Die Extrusion umfasst allerdings nicht die Zerkleinerung des Glasschaums, sondern lediglich das Hinauspressen des Glasmaterials aus einer Düse, so dass sich der Glasschaum bildet. Da an mehreren Stellen in der Druckschrift E5 von Glasschaumpartikeln oder –fragmenten gesprochen wird, wenn bereits zerkleinerter Glasschaum gemeint ist, könnte es sich bei dem Ausdruck „Glasschaummatrix“ um noch nicht zerkleinertes Material handeln. Dem Fachmann ist allerdings bewusst, dass bei der extrudierten Glasschaummatrix ausschließlich die Oberfläche, die, wie auch die Patentinhaberin in der Verhandlung bestätigt, üblicherweise verglast und damit wenig porös ausgebildet ist, mit den Silberionen biozid ausgerüstet werden kann. Damit ergibt sich nach dem Zerkleinern ein unökonomisch geringer Anteil biozid ausgerüsteter Partikel. Der Fachmann wird aufgrund seines Fachwissens daher die biozide Behandlung erst nach dem Zerkleinern vornehmen. Selbst wenn dem Fachmann dieses Fachwissen nicht zugestanden würde, findet er in der Druckschrift E4, die wie der Fachartikel E5 auf dasselbe antimikrobiell ausgerüstete Pulver TROVO®guard gerichtet ist (E4: Seite 5 von 6, 1. Zeile; E5: Seite 644: mittlere Spalte, letzter Absatz) und damit sein Interesse findet, die Angabe, den Silberaustausch bei der Glasmatrix des TROVO®powder, also des Pulvers durchzuführen (E4: Seite 5 von 6, erster Absatz).
Die Gegenstände des Patentanspruchs 1 sind dem Fachmann damit aus der Druckschrift E5 in Verbindung mit seinem Fachwissen oder der Druckschrift E4 nahe gelegt.
Dies gilt sinngemäß auch für die Gegenstände des Verfahrensanspruchs 17, dessen sämtliche Merkmale im Patentanspruch 1 genannt sind. Gleichermaßen wird die mit Patentanspruch 15 beanspruchte Verwendung biozider Glasschaum-Polymer-Zusammensetzungen als Bindemittel in der Druckschrift E5 gelehrt (E5: Seite 644, rechte Spalte, 2. Absatz), da der silberhaltige Glasschaum für die Desinfektion von Oberflächen empfohlen wird, die ein Bindemittel zur Fixierung der Partikel bedingen. Nicht zuletzt lehrt die Druckschrift E5 den Zusatz der bioziden Glasschaumpartikel bei Fasern, Leder, Gummi und polymerisierbaren Materialien (E5: Seite 644, linke Spalte, letzter Absatz, mittlere Spalte, PT9), womit auch der Gegenstand des Patentanspruchs 16, zumindest für Fasern, nahe liegt.
f. Die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche 1 und 15 bis 17 nach 2. Hilfsantrag beruhen gleichermaßen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der im Gegensatz zum 1. Hilfsantrag zulässige 2. Hilfsantrag unterscheidet sich lediglich im Patentanspruch 1 vom Hauptantrag durch das Merkmal zinkhaltiger Silikatgläser mit 1 bis 15 Gew.-% Zinkoxid (Merkmal M1.2.72). Der Fachmann entnimmt der Druckschrift E5 bereits die Lehre, dass die Zusammensetzung des Glasschaumes durch wahlweise Veränderung des Rohstoffes für den Extrusionsprozess oder durch Ionenaustausch zwischen der Glasschaummatrix und Salzlösungen nach der Extrusion mit zusätzlichen Eigenschaften wie denen von Metallen (Silber, Kupfer, Zink, etc.) ausgestattet werden kann (E5: Seite 644, linke Spalte, letzte drei Absätze). Ihm wird damit die Anregung gegeben, die Metalle über den Rohstoff und damit üblicherweise als Metalloxide in die Glasmatrix einzubringen oder über Ionen an der Matrix zu verankern. Das Einbringen von Zink über sein Oxid und von Silber in ionischer Form wird auch in der auf das Produkt TROVO®guard gerichteten Druckschrift E4 eigens beschrieben (E4: Seite 5 von 6,
Absatz 1). Ein mit dem Zusatz von Zinkoxid verbundener überraschender Effekt ist dem Streitpatent weder zu entnehmen, noch wurde er geltend gemacht. Damit vermögen auch die angegebenen Mengenbereiche, die der Fachmann im Rahmen eines routinemäßigen Vorgehens ermittelt, nicht eine erfinderische Tätigkeit zu begründen.
Aus denselben Gründen, wie sie für den Hauptantrag ausgeführt sind, beruhen auch die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 15 bis 17 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
g. Die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 14 und 18 nach Hauptantrag und 2. Hilfsantrag fallen mit dem Patentanspruch 1, ohne dass es einer gesonderten Prüfung und Begründung dahingehend bedarf, ob diese etwas Schutzfähiges enthalten, da die Patentinhaberin die Aufrechterhaltung des Patents erkennbar nur im Umfang des Hauptantrags und zweier Hilfsanträge begehrt hat und über den Antrag der Patentinhaberin nicht in Teilen entschieden werden kann. Auch haben sich im Verlauf der Verhandlung keine weiteren Anhaltspunkte für ein stillschweigendes Begehren einer weiter beschränkten Fassung ergeben. Da die Anspruchssätze nach Hauptantrag und 2. Hilfsantrag zumindest einen nicht rechtsbeständigen Patentanspruch enthalten und der Patentanspruch 1 nach 1. Hilfsantrag nicht zulässig ist, war die Beschwerde zurückzuweisen (BGH GRUR 2007, 862 - Informationsübermittlungsverfahren II; GRUR 1997, 120 Elektrisches Speicherheizgerät).
h. Der Hilfsantrag zu 3.) wird zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für einen Übergang in das schriftliche Verfahren liegen nicht vor. Allein der Umstand, dass die Patentinhaberin erst nach der mündlichen Verhandlung Belege für die beanspruchte Porendurchmessergröße 1,0*10-10 m bis 20*10-10 m vorlegen will, rechtfertigt nicht, in der ansonsten entscheidungsreifen Sache erneut ins schriftliche Verfahren überzugehen.
Die Patentinhaberin ist bereits im Einspruchsverfahren in der ersten Anhörung durch die Patentabteilung 43 am 24. Mai 2011 mit der Charakterisierung der Glasmatrix im Stand der Technik und nach Patentanspruch 1 beauftragt worden. Damit war seit dem Jahr 2011 ausreichend Zeit für derartige Untersuchungen vorhanden, die von der Patentinhaberin nicht wahrgenommen wurde. Sie führt die erfindungsgemäßen Eigenschaften, wie sie wiederholt deutlich gemacht hat, auf Poren im Ångströmbereich zurück und konnte deshalb davon ausgehen, dass für eine behauptete Struktur ein experimenteller Nachweis zu erbringen ist. Nach der bereits ausgeführten Beurteilung der Ausführbarkeit ist dieser Nachweis jedoch auch nicht notwendig, denn vom Senat wird die Bildung derartiger Poren nicht ausgeschlossen. Der von der Patentinhaberin nunmehr mit Hilfsantrag zu 3.) in Aussicht gestellte Nachweis der beanspruchten Porendurchmessergröße vermag jedoch aus den vorgenannten Gründen allein nicht die fehlende erfinderische Tätigkeit zu begründen, so dass der Nachweis nicht entscheidungserheblich ist.
i. Der Hilfsantrag zu 4.) wird zurückgewiesen. Es gibt keinen Anlass, der Patentinhaberin durch Vorlage eines Parteigutachtens zum Wissen und Können des zuständigen Durchschnittsfachmannes weiteren Sachvortrag zu ermöglichen, nachdem sich in der mündlichen Verhandlung insoweit keine neuen entscheidungserheblichen Umstände ergeben haben. Die Patentinhaberin und das Gericht stimmen vielmehr darin überein, dass vorliegend ein Durchschnittsfachmann auf dem Gebiet der Kunststoffe und der Glaschemie mit vertieftem Wissen in der Extrusiontechnik maßgeblich ist, so dass auf dessen Wissen und Können abzustellen ist. Der Einsprechende hat dem nicht widersprochen. Der Umfang des Wissens und Könnens dieses Fachmannes wird bestimmt durch die Kenntnis des gesamten Stands der Technik auf seinem Fachgebiet, sein Fachwissen sowie allgemeine Kenntnisse und Kenntnisse in Nachbargebieten.
Der Gegenstand des Streitpatents fällt nach der IPC-Klasse C 08 K in den fachlichen Zuständigkeitsbereich des Senats. Der Klassifizierung des Streitpatents wurde von Seiten der Patentinhaberin nicht widersprochen. Sie hat gegenüber dem Senat keine fehlende Sachkunde geltend gemacht und auch nicht vorgetragen, inwieweit der Senat einen anderen Umfang des Wissens und Könnens dieses Fachmanns zugrunde legt als die Patentinhaberin selbst.
Es gibt darüber hinaus auch keinen Anlass, ein Sachverständigengutachten einzuholen, soweit der Hilfsantrag zu 4.) als Beweisanregung auszulegen ist. Denn das Gericht wäre selbst bei einem entsprechenden Beweisantrag nicht gezwungen, sich eines gerichtlichen Sachverständigen zu bedienen, wenn es die erforderlichen Sachkenntnisse selbst besitzt oder sich diese etwa durch Studium der Fachliteratur selbst beschaffen kann (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 35. Aufl., § 402 Rdn. 3). Eine Begutachtung durch einen Sachverständigen, soweit es sich bei der Feststellung des Fachwissens und Könnens des zuständigen Fachmannes um Tatsachen und nicht um normative Wertungen handelt, ist nur dann erforderlich, wenn die eigene Sachkunde des Gerichts nicht ausreicht, um aus feststehenden Tatsachen Wertungen und Schlussfolgerungen zu ziehen, die ein besonderes Fachwissen erfordern. Eigene Sachkunde des Richters macht die Einholung eines Gutachtens deshalb entbehrlich. Aufgrund des naturwissenschaftlichen Studiums der technischen Richter, das durch praktische Berufserfahrung vertiefte Spezialwissen und die langjährige Erfahrung als Patentprüfer wird diese Sachkunde beim technischen Richter vermutet. Ob das Gericht seine eigene Sachkunde für ausreichend erachtet, liegt dabei grundsätzlich in seinem pflichtgemäßen Ermessen, wobei es ausreicht, wenn auch nur ein Mitglied eines Kollegialgerichtes hinreichende Sachkunde besitzt (BGH MDR 2007, 538, 539 m. w. N.).
III.
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten – vorbehaltlich des Vorliegens der weiteren Rechtsmittelvoraussetzungen, insbesondere einer Beschwer – das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen.
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