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V ZB 8/17

BUNDESGERICHTSHOF V ZB 8/17 BESCHLUSS vom 22. Juni 2017 in der Zurückweisungshaftsache ECLI:DE:BGH:2017:220617BVZB8.17.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juni 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und die Richter Dr. Kazele und Dr. Hamdorf beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim vom 8. November 2016 und der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein vom 9. Dezember 2016 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I.

Der Betroffene, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste 2012 nach Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte seinen Asylantrag im Jahre 2013 ab, forderte ihn zum Verlassen der Bundesrepublik auf und drohte ihm die Abschiebung nach Pakistan an. Seine gegen diesen Bescheid gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 4. März 2016 zurück. Am 7. November 2016 versuchte der Betroffene, von Österreich kommend als Beifahrer in einem PKW auf der Bundesautobahn A 93 nach Deutschland einzureisen. Kurz hinter der Landesgrenze wurde er an einer Grenzkontrollstelle der beteiligten Behörde an der Tank- und Rastanlage InntalOst kontrolliert. Ihm wurde die Einreise in das Bundesgebiet verweigert.

Das Amtsgericht hat auf Antrag der beteiligten Behörde mit Beschluss vom 8. November 2016 Haft zur Sicherung der Zurückweisung des Betroffenen bis längstens 10. Mai 2017 angeordnet. Seine Beschwerde hat das Landgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Haft längstens bis zum 6. Mai 2017 angeordnet wird. Mit seinem Rechtsmittel beantragt der Betroffene die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung im Umfang der Zurückweisung seiner Beschwerde sowie die Feststellung, dass ihn die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts in seinen Rechten verletzt haben. Die Behörde beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene sei auf Grund der nicht unmittelbar vollziehbaren Zurückweisungsentscheidung zu Recht nach § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG in Haft genommen worden. Die Voraussetzungen der Einreiseverweigerung hätten vorgelegen, weil der Betroffene nicht über den für eine Einreise erforderlichen Titel verfügt habe. Die Zurückweisungshaft sei verhältnismäßig, da anderenfalls die Gefahr bestünde, dass der Betroffene sich der Zurückweisung nach Pakistan nicht stellen und untertauchen werde. Hierfür spreche sowohl seine Weigerung, an einer Passersatzbeschaffung mitzuwirken, als auch der Umstand, dass er nach eigenen Angaben bei seiner Einreise im Jahre 2012 einen Betrag von umgerechnet 12.000 € an einen Schleuser gezahlt habe, der vergeblich aufgewendet wäre, wenn der Betroffene nach Pakistan zurückkehrte.

III.

Die mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG statthafte (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Betroffene ist durch den die Haft anordnenden Beschluss des Amtsgerichts und die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts in seinen Rechten verletzt. Es fehlt bereits an einem zulässigen Haftantrag.

1. Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., Senat, Beschlüsse vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 15, vom 9. Oktober 2014 - V ZB 127/13, FGPrax 2015,

Rn. 6, vom 22. Oktober 2015 - V ZB 79/15, InfAuslR 2016, 108 Rn. 15 und vom 30. März 2017 - V ZB 128/16, juris Rn. 6).

2. Danach war der Haftantrag der beteiligten Behörde mangels hinreichender Angaben zu der erforderlichen Dauer der Haft (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG) unzulässig.

a) In dem Antrag wird ausgeführt, dass für die Passersatzbeschaffung, an der der Betroffene nicht mitwirke, durch das zuständige Referat der beteiligten Behörde die nötigen Unterlagen besorgt und bei der pakistanischen Botschaft eingereicht werden müssten. Danach würden diese nach Pakistan versandt, um dort über die Fingerabdrücke die zugeteilte Personalnummer zu erfahren. Erst mit dieser könne die Botschaft einen Pass ausstellen. Nach Angaben des zuständigen Referats dauere die Passbeschaffung in Pakistan nach diesem Verfahren derzeit „bis zu 5 Monate“. Nach Ausstellung des Passersatzes könne mit der Flugbuchung begonnen werden, die vorliegend nur als Charter- bzw. Frontexabschiebung möglich sei. Mit einer Bestätigung des Fluges sei innerhalb eines Monats zu rechnen.

b) Diese Ausführungen sind vor dem Hintergrund, dass die Haft nicht nur in Verfahren der Abschiebungshaft nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, sondern allgemein nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, FGPrax 2012, 225 Rn. 10), unzureichend (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2016 - V ZB 8/15, juris Rn. 7; Beschluss vom 31. März 2017 - V ZB 74/17, juris Rn. 2; Beschluss vom 1. Juni 2017 - V ZB 39/17, zur Veröffentlichung bestimmt). Die Angabe einer Höchstdauer („bis zu“) kann die Erforderlichkeit der Haftdauer für den konkreten Antrag nicht begründen, weil nicht erkennbar wird, ob es sich bei der Dauer von fünf Monaten um den Regel- oder um einen seltenen Ausnahmefall handelt. Variiert die Dauer der Passersatzbeschaffung für das betreffende Zielland bei Anwendung desselben Verfahrens, ist die Behörde daher gehalten, in dem Haftantrag den Zeitraum anzugeben, den sie nach den allgemeinen Rahmenbedingungen und den konkreten Umständen im Fall des Betroffenen voraussichtlich benötigen wird.

c) Der Mangel wurde im weiteren Verfahren nicht geheilt, da weder die Haftrichterin noch das Beschwerdegericht ergänzende Feststellungen zur erforderlichen Dauer der Haft getroffen haben. Das Beschwerdegericht hat zwar den erforderlichen Haftzeitraum mit „etwa fünf Monaten“ angegeben. Es ist aber nicht ersichtlich, dass diese von den Angaben im Haftantrag abweichende Formulierung auf einer ergänzenden Sachaufklärung beruht. Zudem hätte der Betroffene zu etwaigen ergänzenden Angaben der Behörde persönlich angehört werden müssen (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschlüsse vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 21 ff., vom 11. Februar 2016 - V ZB 24/14, juris Rn. 9 und vom 15. September 2016 - V ZB 30/16, juris Rn. 9).

IV. 10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 3 GNotKG.

Stresemann Kazele Brückner Hamdorf Weinland Vorinstanzen:

AG Rosenheim, Entscheidung vom 08.11.2016 - 1 XIV 148/16 LG Traunstein, Entscheidung vom 09.12.2016 - 4 T 3891/16 -

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