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6 StR 84/25

BUNDESGERICHTSHOF StR 84/25 BESCHLUSS vom 6. August 2025 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung ECLI:DE:BGH:2025:060825B6STR84.25.0 Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. August 2025 beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. November 2024 aufgehoben; ausgenommen sind die Feststellungen zum äußeren Geschehen der Anlasstat, die bestehen bleiben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sach- und auf Verfahrensrügen gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verfahrensrügen versagen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts.

2. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der 33 Jahre alte Angeklagte an paranoider Schizophrenie. Am Tattag nahm er wahnbedingt an, der Nebenkläger terrorisiere ihn und habe ihn mehrfach mit dem Tod bedroht. Er lief auf den Nebenkläger zu, als dieser im Begriff war, seine Haustür aufzuschließen, ergriff ihn und versetzte ihm in der Annahme, sich gegen Angriffe auf sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit wehren zu müssen, mit einem etwa 40 Zentimeter langen Beil einen Schlag auf die rechte Schulter. Hierdurch erlitt der Nebenkläger eine drei Zentimeter lange und drei Zentimeter tiefe Wunde, die genäht werden musste.

Die Strafkammer hat die Tat als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB gewertet. Sachverständig beraten ist sie zu dem Ergebnis gelangt, dass der Angeklagte ohne Schuld im Sinne von § 20 StGB gehandelt habe. Die Voraussetzungen des § 63 StGB hat sie als erfüllt angesehen.

b) Die Maßregelanordnung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

aa) Die für eine Unterbringung nach § 63 StGB erforderliche Gefährlichkeit ist gegeben, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Diese Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens (Art, Häufigkeit und Rückfallfrequenz früherer Taten) und der von ihm begangenen Anlasstat zu entwickeln (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2025 – 6 StR 244/25, Rn. 6; Urteil vom 18. September 2024 – 6 StR 154/24, Rn. 5; Beschluss vom 14. Februar 2024 – 2 StR 341/23, Rn. 14). Neben der konkreten Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung sind die auf die Person des Täters und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren einzustellen, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung künftiger Straftaten belegen können.

Das Tatgericht ist nicht nur zu einer sorgfältigen Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen, sondern auch dazu verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte seiner Prüfung in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 2025 – 6 StR 244/25, Rn. 6; vom 5. Februar 2020 – 2 StR 436/19, Rn. 5; vom 1. August 2018 – 5 StR 336/18, Rn. 7).

bb) Danach ist die Gefahrenprognose nicht tragfähig begründet. Die Erwägungen sind lückenhaft.

Das Landgericht hat ‒ der Einschätzung des Sachverständigen folgend ‒ auf die bestehende unbehandelte paranoide Schizophrenie abgestellt, die auch in Zukunft erwarten lasse, dass sich der Angeklagte wahnbedingt gegen vermeintliche Angriffe verteidigen werde. Auch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung sei der Angeklagte noch in seinem Wahn, der zur Anlasstat geführt habe, verhaftet gewesen. Eine Behandlung lehne der Angeklagte ab. Somit bestehe die in der Tat zutage getretene Gefährlichkeit fort und es seien erhebliche Taten vergleichbar mit der Anlasstat, möglicherweise auch mit tödlichem Ausgang, zu erwarten. Hierdurch können Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder gefährdet werden.

Das Landgericht hat nicht erkennbar berücksichtigt, dass der nach den Feststellungen langjährig an psychischen Auffälligkeiten leidende Angeklagte bis zur Anlasstat nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten war. Hierzu wäre es aber gehalten gewesen, denn dieser Umstand kann – jedenfalls, wenn der Defekt bereits länger besteht – ein wichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. März 2025 – 3 StR 12/25, Rn. 13; vom 8. Oktober 2024 – 4 StR 408/24, Rn. 13; vom 1. Juli 2020 – 6 StR 106/20, Rn. 14). Die bisherige Straffreiheit bedurfte hier insbesondere deshalb näherer Erörterung, weil die psychischen Auffälligkeiten des Angeklagten zwar bereits acht Jahre vor der Anlasstat zu einem Umzug aus einer Gemeinschaftsunterkunft in eine eigene Wohnung führten, aber keine Ereignisse bedingten, die auf eine krankheitsbedingte Neigung zu Gewaltdelinquenz hindeuten könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2025 – 3 StR 12/25, Rn. 13). Darüber hinaus ging der Angeklagte bis zu seiner Inhaftierung einer regulären Beschäftigung nach.

3. Die Sache bedarf daher hinsichtlich der Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hebt auch den Freispruch des Angeklagten auf (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Es ist nicht auszuschließen, dass die neue tatgerichtliche Verhandlung und die zur Erstellung einer aktuellen Gefährlichkeitsprognose erforderliche erneute Begutachtung des Angeklagten eine abweichende Beurteilung seiner Schuldfähigkeit bei Begehung der Anlasstat ergeben könnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. November 2024 – 6 StR 564/24, Rn. 16; vom 11. April 2018 – 5 StR 54/18, Rn. 7). Das neue Tatgericht bleibt jedoch gehindert, nach Aufhebung der isoliert angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erneut die Unterbringung anzuordnen und zugleich erstmals Strafe zu verhängen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. November 2024 – 6 StR 564/24, Rn. 16; vom 8. September 2020 – 6 StR 247/20, Rn. 21; vom 14. September 2010 – 5 StR 229/10, Rn. 11).

Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden (§ 353 Abs. 2 StPO).

4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Auch für die Prüfung, ob ein „überdauernder Zustand“ im Sinne von § 20 StGB besteht, können die Gründe vorangegangener stationärer Aufnahmen und die gestellten Diagnosen in den Blick zu nehmen sein. Hierzu kann zumal Anlass bestehen, wenn die Diagnose ‒ wie hier ‒ nicht völlig gesichert erscheint, sondern die Ausführungen des Sachverständigen, der keine „sogenannten Erstrangsymptome einer schizophrenen Psychose“ festzustellen vermochte, dahin wiedergegeben werden, dass sich die psychiatrische Erkrankung „am ehesten als paranoide Schizophrenie diagnostizieren“ lasse.

b) Die Frage der Steuerungsfähigkeit ist grundsätzlich erst dann zu prüfen, wenn der Täter in der konkreten Tatsituation einsichtsfähig war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. September 2023 – 3 StR 229/23, Rn. 15; vom 11. Mai 2022 – 5 StR 125/22, Rn. 10; vom 21. Oktober 2020 – 6 StR 298/20, Rn. 3).

c) Das Landgericht wird bei der Gefährlichkeitsprognose auch das gesamte Verhalten des Angeklagten während der einstweiligen Unterbringung zu bewerten haben. Dieses ist grundsätzlich prognoserelevant und damit gleichfalls erörterungsbedürftig (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. März 2025 – 3 StR 12/25, Rn. 16; vom 11. Juli 2019 – 1 StR 253/19, Rn. 6).

Bartel Arnoldi Fritsche von Schmettau Dietsch Vorinstanz: Landgericht Frankfurt (Oder), 27.11.2024 - 24 KLs 8/24

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