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3 StR 645/14

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES StR 645/14 URTEIL vom 16. April 2015 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. April 2015, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,

die Richter am Bundesgerichtshof Hubert, Dr. Schäfer, Mayer, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 21. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, ausgenommen die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen; diese bleiben aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen Gründe: 1 Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und deren Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft erstrebt eine Verurteilung der Angeklagten auch wegen versuchten Mordes. Das Landgericht habe zu Unrecht einen strafbefreienden Rücktritt der Angeklagten vom Versuch eines Tötungsdelikts angenommen (§ 24 Abs. 1 StGB). Das Rechtsmittel hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Nach den Feststellungen suchte die alkoholisierte Angeklagte - Blutalkoholkonzentration 2,61 ‰ - den mit ihr bekannten Nebenkläger in dessen Wohnung auf. Neben ihm auf der Couch sitzend rief sie nach kurzer Zeit ohne erkennbaren Anlass in dessen Richtung: "Du Kinderficker", zog ein in der Jackentasche verdeckt mitgeführtes Küchenmesser hervor und stieß es dem überraschten Nebenkläger in Tötungsabsicht so in die linke Halsseite, dass die Gesichtsschlagader durchtrennt wurde. Während sich der Nebenkläger die spritzende Halswunde zuhielt, stach die Angeklagte erneut zu und traf dabei dessen erhobenen linken Arm. Dem Nebenkläger gelang es darauf zunächst, die rechte Hand der Angeklagten, in der diese das Messer hielt, zu ergreifen und festzuhalten. Die Angeklagte nahm das Messer jedoch in ihre freie linke Hand und versetzte dem Nebenkläger einen dritten Stich in die Herzgegend, der aber am Brustbein abprallte. Darauf fiel der Nebenkläger zu Boden und blieb dort liegen. Der Angeklagten rief er zu: "Dann mach mich doch richtig tot!".

Aus dieser Äußerung und aus dem Umstand, dass sich der Blutverlust aus der Halswunde infolge des Abdrückens verringerte, schloss die Angeklagte, dass sie den Nebenkläger entgegen ihrer Absicht noch nicht lebensgefährlich verletzt hatte. Sie wollte die Tat nun nicht mehr weiter ausführen, verließ die Wohnung, ohne sich weiter um den am Boden Liegenden zu kümmern, und begab sich zu der in der Nähe wohnenden Zeugin B., der sie erklärte: "Ich wollte das Schwein abschlachten".

Der Nebenkläger befand sich infolge des Blutverlusts und einer beginnenden Verlegung der Atemwege durch Einblutungen in das Halsgewebe in akuter Lebensgefahr. Er konnte einen Wohnungsnachbarn auf sich aufmerksam machen und wurde durch eine Notoperation gerettet.

2. Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte sei mit strafbefreiender Wirkung vom unbeendeten Versuch eines Tötungsdelikts zurückgetreten (§ 24 Abs. 1 StGB), begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch bestimmt sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach dem Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont. Bei einem Tötungsdelikt liegt demgemäß ein unbeendeter Versuch, bei dem allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt führt, dann vor, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend ist. Ein Tötungsversuch, bei dem der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss, ist hingegen nicht nur dann anzunehmen, wenn der Täter den Eintritt des Todes bereits für möglich hält, sondern auch dann, wenn er sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Handelns macht, weil ihm ein Tod des Opfers gleichgültig ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274; vom 12. Juni 2014 - 3 StR 154/14, NStZ 2014, 507, 509).

b) Danach entbehrt bereits die Feststellung des Landgerichts, die Angeklagte sei beim Verlassen der Wohnung davon ausgegangen, sie habe den Nebenkläger entgegen ihrer ursprünglichen Absicht noch nicht lebensgefährlich verletzt, einer dies tragenden lückenlosen und widerspruchsfreien Würdigung der Beweise. Das Landgericht hat auch festgestellt, dass die Angeklagte den in der Wohnung der Zeugin B. anwesenden Zeugen M. jedenfalls nach dessen polizeilicher Aussage aufforderte, er solle zum Nebenkläger gehen um zu sehen, ob sie diesem "den Hals durchgeschnitten" habe. Soweit es hieraus bei der Würdigung der Beweise "allenfalls" den Schluss ziehen will, dass "die Angeklagte im Unklaren darüber war, welche Folgen ihre Stiche für den Nebenkläger gehabt hatten", steht dies gerade im Widerspruch zur Annahme eines inneren Vorstellungsbilds der Angeklagten, noch nicht alles getan zu haben, was zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend ist.

c) Hinzu kommt, dass das Landgericht bei der Prüfung, ob der angenommene Versuch eines Tötungsdelikts im Sinne von § 24 Abs. 1 StGB beendet war, unzureichende rechtliche Maßstäbe angelegt hat; auch deshalb hat es die Beweise nur lückenhaft gewürdigt und ist so zu unvollständigen Feststellungen gelangt.

Das Landgericht hat nur geprüft, ob die Angeklagte den Tod des Nebenklägers für möglich hielt. Dem Landgericht ist deshalb aus dem Blick geraten, dass wesentliche im Urteil festgestellte Beweisanzeichen auch dafür sprechen können, dass sich die Angeklagte, als sie die Wohnung verließ, keine Vorstellungen über die Folgen ihres Handelns machte, weil ihr das weitere Schicksal des Nebenklägers gleichgültig blieb. Dies gilt nicht nur für die oben beschriebene Aufforderung an den Zeugen M.. So bezeichnete die Angeklagte den Nebenkläger gegenüber der Zeugin B. auch unmittelbar nach der Tat als "Schwein"; auf deren Nachfrage, ob mit dem Nebenkläger etwas Schlimmes passiert sei, antwortete sie: "Ich weiß es nicht". Ein weiteres Indiz hierfür kann sich aus der bei der Prüfung des Rücktrittshorizonts insgesamt außer Acht gelassenen erheblichen Alkoholisierung der Angeklagten zur Tatzeit ergeben.

3. Die Feststellungen zum objektiven Tathergang werden von dem Rechtsfehler nicht berührt und können deshalb aufrechterhalten bleiben.

4. Soweit das Landgericht die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet hat (§ 64 StGB), weist der Senat für die neue Hauptverhandlung darauf hin, dass die Annahme eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen Hang und Anlasstat ebenso wie die Annahme der Gefahr neuer erheblicher rechtswidriger Taten einer dies tragenden Beweiswürdigung bedarf.

Becker Mayer RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben.

Becker Spaniol Schäfer

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