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9 W (pat) 395/06

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 395/06

_______________________

(Aktenzeichen)

BESCHLUSS In der Einspruchssache betreffend das Patent 101 54 660 …

BPatG 152 08.05

…

hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 11. Februar 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Hilber sowie der Richter Dipl.-Ing. Bork, Paetzold und Dipl.-Ing. Univ. Nees beschlossen:

Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit:

- Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I, eingereicht mit Schriftsatz vom 25. Januar 2012, eingegangen per Telefax am selben Tage,

- Patentansprüche 2 bis 7 gemäß Hilfsantrag I, eingereicht mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2012, eingegangen per Telefax am selben Tage,

- Beschreibung Seite 2/6 mit handschriftlichen Änderungen gemäß Hilfsantrag I, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 21. November 2012, Beschreibung Seite 3/6 wie Patentschrift,

- Zeichnungen Figuren 1 und 2 wie Patentschrift.

Gründe I.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat nach Prüfung das am 7. November 2001 angemeldete Patent mit der Bezeichnung

„Zusammenschiebbare Lenksäulenanordnung für ein Fahrzeug“

erteilt. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 16. März 2006 erfolgt. Die Priorität der britischen Erstanmeldung 00273177 vom 8. November 2000 ist in Anspruch genommen.

Gegen das Patent hat die T… P… AG per Fax am 14. Juni 2006 Einspruch erhoben. Sie macht den Widerrufsgrund der mangelnden Ausführbarkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 2) sowie der mangelnden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) geltend und verweist hierzu schriftsätzlich auf die folgenden Druckschriften:

D1 DE 35 21 644 C1 D2 US 5 085 467 A D3 EP 0 448 246 A1 D4 DE 694 16 261 T2 D5 DE 1 935 746 A D6 DE 2 027 828 A.

Nach Ablauf der Einspruchsfrist hat sie noch die folgenden Druckschriften zur Begründung angezogen:

D7 WO 98/022325 A1 D7a DE 697 15 235 T2 D8 US 5 052 716 A D9 JP 60-6669 U.

Die Patentinhaberinnen widersprechen dem Vortrag der Einsprechenden in allen Punkten. Sie verteidigen das Streitpatent mit Haupt- und 2 Hilfsanträgen. Nach ihrer Auffassung sind die demnach geltenden Patentansprüche zulässig, die darin bezeichneten Gegenstände patentfähig.

Aufgrund der mündlichen Verhandlung am 21. November 2012 hat der Senat beschlossen, eine Entscheidung an Verkündungs Statt zuzustellen, und den Patentinhaberinnen aufgegeben, jeweils die erforderliche Inlandsvollmacht gemäß § 25 PatG vorzulegen.

Auf Antrag der Beteiligten und nach Eingang der mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2012 nachgereichten Vollmachten hat der Senat am 21. Dezember 2012 die Entscheidung an die Beteiligten zugestellt, dass im Einvernehmen mit den Beteiligten in das schriftliche Verfahren übergegangen werde. Denn die Anpassung der weiterverfolgten Unteransprüche in Reihenfolge und Bezugnahme war noch als erforderlich erachtet worden. Diese von den Patentinhaberinnen mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2012 neu eingereichten Unterlagen sind an die Einsprechende am 10. Januar 2013 zugestellt worden. Sie hat telefonisch am 13. Januar 2013 mitgeteilt, dass sie keine weitere Stellungnahme abgeben werde.

Die Patentinhaberinnen stellen demzufolge nunmehr den Antrag1,

das Patent aufrecht zu erhalten (Hauptantrag),

hilfsweise, das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I, eingereicht mit Schriftsatz vom 25. Januar 2012, eingegangen per Telefax am selben Tage, Patentansprüche 2 bis 7 gemäß Hilfsantrag I, eingereicht mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2012, eingegangen per Telefax am selben Tage, Beschreibung Seite 2/6 mit handschriftlichen Änderungen gemäß Hilfsantrag I, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 21. November 2012, Beschreibung Seite 3/6 sowie Zeichnungen Figuren 1 und 2 wie Patentschrift, weiter hilfsweise, das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II, eingereicht mit Schriftsatz vom 25. Januar 2012, eingegangen per Telefax am selben Tage, Patentansprüche 2 bis 6 gemäß Hilfsantrag II, eingereicht mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2012, eingegangen per Telefax am selben Tage, Beschreibung Seite 2/6 mit handschriftlichen Änderungen gemäß Hilfsantrag II, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 21. November 2012, Beschreibung Seite 3/6 sowie Zeichnungen Figuren 1 und 2 gemäß Patentschrift.

Die Einsprechende stellt weiterhin den Antrag aus der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2012,

das Patent zu widerrufen.

vgl. Protokoll der öffentlichen Sitzung des 9. Senats vom 21. November 2012 (Bl. 201-204 GA) i. V. m. Schriftsatz vom 19. Dezember 2012 (Bl. 187 GA)

Sie ist der Auffassung, dass auch die Gegenstände nach den Hilfsanträgen nicht ausführbar sowie hinsichtlich der D4 nicht neu seien bzw. in Verbindung mit der D1 oder der D5 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.

Das Streitpatent enthält zwei nebengeordnete Patentansprüche 1 und 9, von denen der Patentanspruch 9 folgenden Wortlaut hat (Hauptantrag):

„9. Zusammenschiebbare Lenksäulenanordnung für ein Fahrzeug, die einen Montageträger (5) für die Lenksäule aufweist, der selbst an einem Teil des Fahrzeugkörpers zu befestigen ist, und wobei eine verformbare Komponente (9) mit dem Montageträger (5) verbunden ist und im Falle eines Fahrzeugcrashs sich zusammenschieben kann, um dadurch Energie zu absorbieren, dadurch gekennzeichnet, daß die verformbare Komponente (9) wenigstens einen sich in Längsrichtung der Lenksäule erstreckenden steifen Streifen (9A) aufweist, der einen Schwächungsbereich (9B) aufweist, an dem der Streifen gebogen und somit zusammengeschoben werden kann, wenn er eine Druckkraft längs der Länge des Streifens aufnimmt.“

Wegen des Wortlauts des nebengeordneten Anspruchs 1 sowie der jeweils rückbezogenen Unteransprüche wird auf die Patentschrift verwiesen.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I hat folgenden Wortlaut:

„1. Zusammenschiebbare Lenksäulenanordnung für ein Fahrzeug, die einen Montageträger (5) für die Lenksäule aufweist, der selbst an einem Teil des Fahrzeugkörpers zu befestigen ist, und wobei eine verformbare Komponente (9) mit dem Montageträger (5) verbunden ist und im Falle eines Fahrzeugcrashs sich zusammenschieben kann, um dadurch Energie zu absorbieren, wobei die verformbare Komponente (9) wenigstens einen sich in Längsrichtung der Lenksäule erstreckenden steifen Streifen (9A) aufweist, der einen Schwächungsbereich (9B) aufweist, an dem der Streifen gebogen und somit zusammengeschoben werden kann, wenn er eine Druckkraft längs der Länge des Streifens aufnimmt, dadurch gekennzeichnet, dass ein Ende des Streifens (9A) mit dem Montageträger (5) verbunden ist und das andere freie Ende des Streifens (9A) eine Halterung für ein Gelenkglied (3) bildet.“

Wegen des Wortlauts des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag II sowie der jeweiligen Unteransprüche nach Haupt- und Hilfsanträgen sowie zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 PatG in den vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassungen begründet.

2. Der Einspruch ist gemäß § 59 Abs. 1 PatG frist- und formgerecht erhoben worden sowie ausreichend substantiiert und somit zulässig. In der Sache hat der Einspruch insoweit Erfolg, als er zu einer Aufrechterhaltung des angegriffenen Patents in beschränktem Umfang führt.

3. Der Senat geht bei seiner nachfolgenden Bewertung des Standes der Technik sowie dem Verständnis des Streitgegenstandes von einem Durchschnittsfachmann aus, der als Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Schwerpunkt Fahrzeugtechnik ausgebildet ist. Er ist bei einem Fahrzeughersteller oder -zulieferer mit der Entwicklung von Lenksäulen von Kraftfahrzeugen befasst und verfügt auf diesem Gebiet über mehrere Jahre Berufserfahrung.

4. Zum Hauptantrag Zur Erleichterung von Bezugnahmen ist der erteilte Patentanspruch 9 nachstehend in Form einer Merkmalsgliederung wiedergegeben:

1. Zusammenschiebbare Lenksäulenanordnung für ein Fahrzeug.

2. Die Lenksäulenanordnung hat einen Montageträger (5) für die Lenksäule.

3. Der Montageträger (5) ist an einem Teil des Fahrzeugkörpers befestigt.

4. Eine verformbare Komponente (9) ist mit dem Montageträger (5) verbunden.

5. Die verformbare Komponente (9) kann sich im Falle eines Fahrzeugcrashs zusammenschieben.

6. Durch das Zusammenschieben der verformbaren Komponente (9) wird Energie absorbiert.

7. Die verformbare Komponente (9) hat wenigstens einen steifen Streifen (9A).

8. Der steife Streifen (9A) erstreckt sich in Längsrichtung der Lenksäule.

9. Der steife Streifen (9A) hat einen Schwächungsbereich (9B). 10. Im Fall der Aufnahme einer Druckkraft längs der Länge des Streifens (9A) kann der Streifen (9A) gebogen werden. 11. Das Biegen erfolgt an dem Schwächungsbereich (9B). 12. Durch das Biegen kann der Streifen (9A) zusammengeschoben werden.

Die Zulässigkeit des Patentanspruchs 9 nach Hauptantrag kann dahinstehen, denn sein Gegenstand ist nicht mehr neu. Eine zusammenschiebbare Lenksäulenanordnung mit sämtlichen im Patentanspruch 9 nach Hauptantrag enthaltenen Merkmalen ist nämlich am Prioritätstag des Streitpatents bereits aus der D1 bekannt.

Aus der D1 ist eine zusammenschiebbare Lenksäulenanordnung für ein Fahrzeug bekannt, vgl. Sp. 1 Z. 4 bis 10 (Merkmal 1). Die Lenksäulenanordnung wird an ihrer dem Fahrer zugewandten Seite an zwei karosseriefesten Gleitstücken 39 befestigt, die zusammen als Montageträger dienen, vgl. Sp. 5 Z. 40 bis 53 (Merkmale 2 und 3). Bei extremer Axialbelastung, wie sie etwa beim Frontalaufprall des Fahrzeuges auf ein Hindernis auftritt, wird ein Verformungsprofil 16 der Lenksäule 10 plastisch verformt, um die kinetische Stoßenergie in Verformungsenergie umzuwandeln, vgl. Sp. 5 Z. 16 bis 28 sowie Sp. 6 Z. 22 bis 25 (Merkmal 6). Das Verformungsprofil 16 ist dazu zunächst über zwei Flansche 25/26 an den Gleitstücken 39 über Kunststoffstifte befestigt, vgl. Sp. 6 Z. 2 bis 11 (Merkmal 4). Bei einem Frontalunfall können die als Scherstifte fungierenden Kunststoffstifte abgeschert und das Verformungsprofil 16 gleitet unter gleichzeitiger plastischer Verformung mit den Flanschen 25/26 aus den Gleitstücken 39 heraus, vgl. Sp. 6 Z. 11 bis 22. Dadurch, dass das Verformungsprofil 16 an seiner dem Fahrer abgewandten Seite über eine Stütze 18 mit einem fahrzeugfesten Widerlager 20 verbunden ist, knicken bei dem Aufprall seitliche streifenförmige Stege 33/34 des Verfor- mungsprofils 16 an Stellen 36 einer größten Profilbreite nach außen aus und verkürzen damit die Gesamtlänge des Profils, vgl. Sp. 6 Z. 22 bis 31 (Merkmale 5, 10 und 12). Die unter einem spitzen Winkel zur Lenksäule 10 verlaufenden streifenförmigen Stege 33/34 erstrecken sich ausweislich den Figuren 2 und 5 im Wesentlichen in Längsrichtung zur Lenksäule 10, vgl. Sp. 4 Z. 66 bis Sp. 5 Z. 3 (Merkmale 7 und 8). Eine Ausnehmung 38 dient dazu – zusammen mit den geneigt angeordneten seitlichen Stegen 33/34 und einer halbkreisförmigen Ausklinkung – die plastische Verformung in bestimmter vorher festgelegter Weise zu ermöglichen; sie sind somit als Schwächungsbereiche im streitpatentgemäßen Sinne zu verstehen, an denen die Biegung der streifenförmigen Stege 33/34 bewirkt wird, vgl. Sp. 5 Z. 14 bis 21 (Merkmale 9 und 11). Dabei kann es dahin stehen, ob der Quersteg 37 versteifend wirkt, wie die Patentinhaberinnen vortragen. Seine versteifende Wirkung kann er nach Überzeugung des Senats ersichtlich nicht im Schwächungsbereich 36 des Verformungsprofils entfalten, sondern lediglich davor oder dahinter.

Anders als die Patentinhaberinnen meinen, verlangt der Patentanspruch 9 nicht, dass die verformbare Komponente nur einen einzelnen Streifen aufweist (Merkmal 7). Nach dem Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 9 ist vielmehr wenigstens ein Streifen vorzusehen. Dementsprechend zeigt das Ausführungsbeispiel des Streitpatents zwei Streifen 9. Gleiches offenbart D1 ebenfalls, wie zuvor erläutert. Somit ist das betreffende Merkmal des erteilten Patentanspruchs 9 aus der D1 vorweggenommen.

Die Angabe im Merkmal 8 schließlich, wonach sich der mindestens eine Streifen in Längsrichtung erstrecken soll, schließt nicht aus, dass dieser auch in einem spitzen Winkel zur Lenksäule angeordnet sein kann. Denn auch ein solcher Streifen erstreckt sich offensichtlich in Längsrichtung der Lenksäule und nicht quer dazu.

Vor diesem Hintergrund ist der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 9 nach Hauptantrag nicht patentfähig.

Dass die zusätzlichen Merkmale, die in der verteidigten Fassung der auf Patentanspruch 9 nach Hauptantrag rückbezogenen Patentansprüche vorgesehen sind, zu einer anderen Beurteilung der Patentfähigkeit führen könnten, ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Dementsprechend kann dem Hauptantrag insgesamt nicht entsprochen werden, denn nach ständiger Rechtsprechung kann über einen Antrag nur insgesamt entschieden werden (vgl. BGH, GRUR 1997, S. 120 bis 122 - Elektrisches Speicherheizgerät; Schulte, PatG, 8. Aufl., Einl. Rn. 168).

5. Zum Hilfsantrag I Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I fügt dem Patentanspruch 9 nach Hauptantrag bei ansonsten gleichlautenden Merkmalen folgendes Merkmal hinzu:

13. Ein Ende des Streifens (9A) ist mit dem Montageträger (5) verbunden und das andere freie Ende des Streifens (9A) bildet eine Halterung für ein Gelenkglied (3).

5.1 Zur Zulässigkeit Die geltenden Patentansprüche 1 bis 7 sind unbestritten zulässig. Sämtliche im geltenden Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmale sind in der Streitpatentschrift (SPS) ihrem Wesen nach offenbart. Sie bewirken weder eine Erweiterung noch eine Veränderung, sondern eine zulässige Beschränkung des Patents. Die beanspruchten Merkmale sind sämtlich auch in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart.

Der geltende Patentanspruch 1 beinhaltet die Merkmale der durch Rückbezug verbundenen erteilten Patentansprüche 9 und 10. Diese Merkmalskombination ergibt sich auch aus einer Zusammenfassung der Merkmale nach den durch Rückbeziehung verbundenen ursprünglichen Patentansprüche 1, 9 und 10 mit der den Figuren entnommenen zusätzlichen Angabe, wonach sich der wenigstens einen Streifen in Längsrichtung der Lenksäule erstreckt.

Die Unteransprüche 2 bis 7 stimmen sowohl mit den ursprünglichen Unteransprüchen 5 bis 8 sowie 11 und 12 als auch mit den erteilten Unteransprüchen 11 bis 16 überein und wurden lediglich in Nummerierung und Rückbezug angepasst.

5.2 Zur Ausführbarkeit (§ 21 (1) Nr. 2 PatG)

Die im geltenden Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I enthaltenen Merkmale versetzen den eingangs definierten Fachmann ohne Weiteres in die Lage, die Erfindung auszuführen. Der Fachmann erkennt nämlich, dass beim Streitgegenstand eine Lenkwelle eines Lenkrads im oberen Lenksäulenrohr drehbar angebracht ist. Gemäß SPS soll eine Längen- und/oder Neigungseinstellung der Lenksäule möglich sein, vgl. Abs. 14. Bei einer starren Lenkwelle muss somit ein Gelenk vorgesehen sein, um den Winkelversatz von Lenkgetriebeausgang und Lenkwelle zu kompensieren. Dies soll gemäß SPS offensichtlich von einem Universalgelenk übernommen werden. Zwar ist die genaue Lage dieses Universalgelenks nicht in den Figuren dargestellt; die Angaben in den Ansprüchen 10 und 11 des Streitpatents lassen jedoch keinen Zweifel, dass dieses Universalgelenk im Bereich des Streifens 9 angeordnet ist. Aus fachmännischer Sicht ist die Anbringung des Universalgelenks im Bereich des Montageträgers auch erforderlich, um dieses Gelenk in der Nähe der Schwenkachse der Lenksäule zur Neigungsverstellung anzuordnen. Beispiele für eine solche Anordnung kennt der Fachmann aus dem Stand der Technik, vgl. die in der SPS genannten D2 und D3 sowie insbesondere die Figur 2 der D4. Aus dieser Figur geht auch eine (mittelbare) Abstützung eines Universalgelenks durch ein Gelenkglied 2 hervor. Eine solche Ausgestaltung ist im An-

- 14 spruch 11 der SPS genannt. Die Angaben reichen dem eingangs definierten Fachmann somit aus, um die Erfindung auszuführen. 5.2 Die Lenksäulenanordnung nach Patentanspruch 1 des Hilfsantrages I ist patentfähig. a) Gewerbliche Anwendbarkeit und Neuheit Die mit geltendem Patentanspruch 1 beanspruchte Lenksäulenanordnung ist zweifellos gewerblich anwendbar und auch neu, weil eine Kombination mit sämtlichen Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 durch den Stand der Technik nicht bekannt ist. Aus der D4 (siehe hier wiedergegebene Figur 2, in Klammern sind Teile-Bezeichnungen der bekannten Vorrichtung zitiert) ist eine zusammenschiebbare Lenksäulenanordnung für ein Fahrzeug bekannt (Merkmal 1), die einen Montageträger 1 („Halterung“) für die Lenksäule aufweist, der an einem Teil des Fahrzeugkörpers befestigt ist, vgl. S. 9 Abs. 3 und S. 14 Abs. 3 ff. (Merkmale 2, 3). Eine verformbare in Fahrzeuglängsrichtung verlaufende streifenförmige Komponente 3 („Verformungselement“) ist mit dem Montageträger 1 an einem Ende über eine Schweißnaht verbunden, vgl. S. 9 Abs. 7 i. V. m. Fig. 1 (Merkmale 4, 7, 8). Das andere freie Ende der streifenförmigen Komponente 3 bildet i. V. m. einer Halbachse 5 eine Halterung für ein Gelenkglied 2, vgl. S. 12 Abs. 3 ff. („Verstärkungsteil“, Merkmal 13). Im Falle eines Fahrzeugcrashs wird die verformbare Komponente 3 durch das Verstärkungsteil 2 der Lenksäule in Stoßrichtung S mitgenommen. Hierdurch wird die ursprünglich mäanderförmige Struktur der verformbaren Komponente auseinandergezogen und somit Energie absorbiert (Merkmal 6). Durch die mäanderförmige Struktur werden Schwächungsbereiche am Streifen geschaffen, an denen die Biegung erfolgt, vgl. S. 14 Abs. 2 ff. (Merkmale 9, 11).

Die Lenksäulenanordnung nach dem geltenden Patentanspruch 1 unterscheidet sich somit von der bekannten Lenksäulenanordnung nach der D4 dadurch, dass sich die verformbare Komponente im Falle eines Fahrzeugcrashs zusammenschieben kann und im Fall der Aufnahme einer Druckkraft längs der Länge des Streifens gebogen und somit zusammengeschoben werden kann (Merkmale 5, 10, 12).

Keine der Druckschriften D1 bis D3 sowie D5 bis D9 zeigt das Merkmal 13 des geltenden Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1, wonach ein Ende des Streifens mit dem Montageträger verbunden ist und das andere freie Ende des Streifens eine Halterung für ein Gelenkglied bildet. Gegenteiliges hat auch die Einsprechende nicht vorgebracht.

b) Erfinderische Tätigkeit Die mit Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I beanspruchte Lenksäulenanordnung beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn sie ist durch den zu berücksichtigenden Stand der Technik weder angeregt noch ergibt sie sich daraus in selbstverständlicher Weise.

Am nächsten kommt der beanspruchten Lenksäulenanordnung zweifelsohne der Gegenstand gemäß D4. Ausgehend hiervon hatte der Fachmann keine erkennbare Veranlassung, die verformbare Komponente 3 dergestalt anzuordnen, dass diese im Falle eines Fahrzeugcrashs auf Druck beansprucht wird. Hierzu müsste der Montageträger 1 („Halterung“) zunächst in Fahrzeugrichtung verlängert werden, um ein Gegenlager für ein auf Druck beanspruchtes Verformungselement bereitzustellen, da die Klemmeinrichtung, die in der Achse Z-Z‘ verläuft, beizubehalten wäre. Dies würde jedoch die Abmessung des Teils 1 inakzeptabel vergrößern. Der Fachmann erhält auch aus den Figuren 8 und 9 keinen Hinweis, dass alternativ zur Zugbelastung des Verformungselements 3 eine Druckbelastung desselben in Frage käme. So ist anhand der Figuren 8 und 9 i. V. m. der zugehörigen Beschreibung unklar, wie sich das in der Halterung 1 als Zone um die Halbachsen 5 angeordnete und damit das dort integrierte Verformungselement im Falle eines Fahrzeugcrashs genau verformt und ob hierbei jeweils nur eine reine Zug- oder Druckbelastung oder beides vorliegt. Im Verformungsbereich wird der Fachmann jedenfalls lokal sowohl Zug- als auch Druckspannungen annehmen. Eine Übertragung der Ausgestaltung nach den Figuren 8 und 9 führt aber schon deshalb nicht zum verteidigten Streitgegenstand, weil hier auf ein separates Verformungselement verzichtet wird und der Montageträger 1 („Halterung“) diese Funktion im Bereich der Bohrung 29 mit übernimmt.

Aus dem gleichen Grund wird der Fachmann, anders als die Einsprechende meint, das Prinzip der bei Druckbelastung verformbaren Streifen nach den Druckschriften D1 oder D5 nicht auf die Lenksäule nach der D4 übertragen.

Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften sind von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung im Zusammenhang mit dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nicht mehr angezogen worden. Sie liegen von der beanspruchten Vorrichtung noch weiter ab, so dass sie ebenfalls keine Anregungen zum Patentgegenstand geben können:

Die Lenksäulen nach den D7/D7a und D8 weisen ebenso wie die D4 verformbare Komponenten auf, die im Falle eines Fahrzeugcrashs auf Zug beansprucht werden.

Bei den Gegenständen nach den Druckschriften D2 und D3 sind die verformbaren Komponenten 24/26 (D2) bzw. 70/74 (D3) quer zur Längsrichtung der Lenksäule angeordnet. Im Belastungsfall werden die Materialstreifen zudem im Wesentlichen auf Zug beansprucht und umgebogen. Diese Vorrichtungen sind daher grundsätzlich anders aufgebaut und wirken demnach auch völlig anders.

Auch die Lenksäulen der D6 und der D9 zeigen einen grundsätzlich anderen Aufbau als der Streitgegenstand, da die Steuersäulen starr am Armaturenbrett 6 angebracht sind; eine Neigungsverstellung ist nicht vorgesehen.

Aus alledem folgt, dass der insgesamt in Betracht gezogene Stand der Technik - in welcher Art Zusammenschau auch immer - dem Fachmann eine Lenksäulenanordnung mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I nicht hat nahelegen können.

Die Lenksäulenanordnung gemäß geltendem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist daher patentfähig.

6. Die Unteransprüche 2 bis 7 nach Hilfsantrag I beinhalten nähere Ausgestaltungen der Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1, die nicht völlig selbstverständlich sind. Sie haben zusammen mit dem tragenden Patentanspruch 1 daher Bestand.

7. Die vorstehenden Ausführungen zu Ziffer 5 rechtfertigen eine beschränkte Aufrechterhaltung des Streitpatents nach Hilfsantrag I. Auf den weitergehenden Hilfsantrag II war bei dieser Sachlage nicht mehr einzugehen.

Hilber Bork Paetzold Nees Pü

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