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1 StR 228/22

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES StR 228/22 URTEIL vom 15. November 2022 in der Strafsache gegen wegen des Verdachts des versuchten Totschlags u.a. hier: Revision des Nebenklägers ECLI:DE:BGH:2022:151122U1STR228.22.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. November 2022, an der teilgenommen haben:

Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger als Vorsitzender,

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer, Richterin am Bundesgerichtshof Wimmer, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Leplow und Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Allgayer,

Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwältin als Verteidigerin,

– in der Verhandlung –

der Nebenkläger persönlich – in der Verhandlung –,

Rechtsanwalt

– in der Verhandlung –

als Vertreter des Nebenklägers,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt: 1. Die Revision des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 27. Januar 2022 wird verworfen.

2. Der Nebenkläger hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen Gründe: 1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bedrohung zu einer Jugendstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und ihn vom Vorwurf des versuchten Totschlags zum Nachteil des Nebenklägers freigesprochen. Der Nebenkläger wendet sich mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen den Teilfreispruch. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt sich der Angeklagte am 28. Juni 2021 gegen 17.40 Uhr mit Freunden im Stadtpark K. in N. auf. Am Nachmittag hatte er in einem Drogeriemarkt einer Kundin eine sich auf das bevorstehende Fußballeuropameisterschaftsspiel zwischen Kroatien und Spanien beziehende Bemerkung zugerufen. Die Kundin verstand dies als „Anmache“ und erzählte ihrer Freundin und dem Nebenkläger hiervon. Später begaben sie sich in den Stadtpark und liefen an dem Angeklagten sowie seinen Freunden vorbei. Der Angeklagte rief ihr erneut etwas zu, vermutlich, dass Kroatien gewinnen würde. Darauf entgegnete der Nebenkläger, der Angeklagte möge „sein Maul halten“. Nun lachten der Angeklagte und seine Freunde. Dies fasste der sportliche, 1,77 Meter große Nebenkläger als Provokation auf. Er drehte um und ging zu dem schmächtigen, 1,55 Meter messenden Angeklagten zurück, der sich mit seinen Freunden auf einer Erhöhung mit dort angebrachten Parkbänken aufhielt. Er forderte den Angeklagten auf, zu ihm auf den Fußweg herunterzukommen; dann werde man sehen, wer der Größere und Stärkere von ihnen sei. Der Angeklagte fragte ihn daraufhin, was sein Problem sei, er habe ihm doch nichts getan. Nun stieg der Nebenkläger zu ihm hinauf, legte seine Brille, seine Mütze und sein Mobiltelefon demonstrativ auf die neben dem Angeklagten stehende Parkbank und gab ihm zu verstehen, man könne ja nun klären, wer der Größere und Stärkere sei. Dann stieß er den Angeklagten mit den Händen nach hinten. Ein Freund des Angeklagten versuchte zu schlichten, wurde jedoch von dem Nebenkläger beiseitegestoßen.

Daraufhin zückte der Angeklagte sichtbar sein Einhandmesser und hielt es mit der Klinge nach unten in der rechten Hand. Ihm war bewusst, dass der Nebenkläger entschlossen war, ihn zu verprügeln, und hoffte, diesen durch das Ziehen des Messers in die Flucht zu schlagen. Der Nebenkläger kommentierte dies mit den Worten: „Komm stech´ doch, wenn du ein Mann bist“, zog sein T-Shirt nach oben und verschränkte seine Hände auf dem Rücken. Dann ging er Schritt für Schritt auf den Angeklagten zu. Der Angeklagte wich seinerseits Schritt für Schritt nach hinten zurück. Der Nebenkläger versuchte wiederholt, ihm durch Fußtritte das Messer aus der Hand zu schlagen. Als der Angeklagte nach etwa 20 Metern mit dem Rücken gegen eine Mauer stieß und nicht mehr weiter nach hinten ausweichen konnte, griff der Nebenkläger an die Schulter des Angeklagten. Nun sah der Angeklagte keine andere Möglichkeit, sich aus dem Griff zu lösen und Schlägen auszuweichen, und stach mit dem Messer in Verteidigungsabsicht viermal auf den Nebenkläger ein, wobei er aufgrund der Wucht der Stiche und deren Position dessen Tod zumindest billigend in Kauf nahm. Die Wirkung der Treffer setzte erst zeitverzögert ein. Aus Sicht des Angeklagten waren deshalb alle vier Stiche notwendig, weil der Nebenkläger von den ersten Stichen unbeeindruckt schien und den Angeklagten weiter an der Hand festhielt. Nachdem der Nebenkläger die Hand des Angeklagten losgelassen hatte, ergriff der Angeklagte die Flucht.

Das Leben des Nebenklägers wurde durch eine Notoperation gerettet; ein Stich in den linken Oberbauch hatte den Rippenbogen durchtrennt und die Bauchhöhle eröffnet; ein weiterer Stich in den linken seitlichen Oberkörper hatte die linke Brusthöhle und ein dritter Stich in den rechten mittleren Rücken die rechte Brusthöhle eröffnet.

b) Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht ausgeführt, der Angeklagte sei durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigt gewesen.

2. Die auf die Sachrüge veranlasste revisionsrechtliche Prüfung des Freispruchs von dem Vorwurf des versuchten Totschlags zeigt keinen Rechtsfehler auf. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Rechtfertigung des Angeklagten durch Notwehr (§ 32 StGB) dargelegt hat, begegnen keine Bedenken:

Am Bestehen einer Notwehrlage zum Zeitpunkt des Messereinsatzes besteht kein Zweifel.

Die geführten Messerstiche waren zur Abwehr des Angriffs erforderlich. Der Angeklagte durfte das Messer zu seiner Verteidigung in der festgestellten Weise einsetzen. Auf einen weniger gefährlichen Messereinsatz, dessen Wirkung zweifelhaft gewesen wäre, brauchte er sich nicht einzulassen.

Ein sozialethisch zu missbilligendes, vorwerfbares Vorverhalten des Angeklagten, das zu einer Einschränkung des Notwehrrechts führen könnte, liegt auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen fern. Soweit der Nebenkläger beanstandet, das Landgericht habe den Zeitpunkt, zu dem der Nebenkläger den Angeklagten erstmals gestoßen habe, rechtsfehlerhaft, nämlich im Widerspruch zu den im Urteil dargelegten Ergebnissen der Beweisaufnahme, festgestellt, kommt es darauf nicht an. Denn es ist für das Bestehen einer Notwehrlage zum Zeitpunkt der Messerstiche tatsächlich bedeutungslos, ob der Nebenkläger den Angeklagten – deutlich zuvor – vor oder nach Ziehen des Messers geschubst hatte. Der Nebenkläger hatte die Auseinandersetzung begonnen.

Jäger Fischer Wimmer Leplow Allgayer Vorinstanz: Landgericht Tübingen, 27.01.2022 – 3 KLs 55 Js 14747/21 jug.

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