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V R 47/14

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 18.8.2015, V R 47/14 Anforderungen an einen konkludenten Antrag auf Ist-Besteuerung (§ 20 UStG)

Leitsätze

1. Ein Antrag auf Ist-Besteuerung (§ 20 UStG) kann auch konkludent gestellt werden.

2. Der Steuererklärung muss deutlich erkennbar zu entnehmen sein, dass die Umsätze auf Grundlage vereinnahmter Entgelte erklärt worden sind. Das kann sich aus einer eingereichten Einnahme-/Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ergeben.

3. Hat ein Steuerpflichtiger einen hinreichend deutlichen Antrag auf Genehmigung der Ist-Besteuerung beim FA gestellt, dann hat die antragsgemäße Festsetzung der Umsatzsteuer den Erklärungsinhalt, dass der Antrag genehmigt worden ist.

Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 28. April 2014 16 K 128/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand I. Streitig ist, ob dem Rechtsvorgänger des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten durch den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) gestattet war.

Der Kläger ist ein Verein, der im Jahr 2010 durch Verschmelzung u.a. des X e.V. (X) hervorgegangen ist. Im Jahre 2003 ermittelte X seinen Gewinn wie auch in den Folgejahren durch Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) und erklärte in seinen Umsatzsteuererklärungen die Umsätze nach vereinnahmten Entgelten. Die Umsatzsteuer wurde entsprechend den eingereichten Umsatzsteuererklärungen festgesetzt. Im Anschluss an eine im Jahr 2011 für die Jahre 2006 bis 2010 durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging das FA davon aus, dass dem X die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten nicht gestattet gewesen sei und erließ für die Streitjahre (2006 bis 2008) geänderte Umsatzsteuerbescheide, in denen die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten berechnet wurde.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Zur Begründung seines Urteils führte das FG aus, es habe ein konkludenter Antrag auf Gestattung der Ist-Besteuerung und eine entsprechende Genehmigung des FA vorgelegen, weil spätestens für 2003 ein Antrag des Rechtsvorgängers des Klägers deutlich erkennbar gewesen sei. Die in der Steuererklärung 2003 angegebenen Umsätze entsprächen den Einnahmen in der Einnahme- und Überschussrechnung, was dem FA bekannt gewesen sei, da ein Sachbearbeiter bei den Umsätzen einen Haken gesetzt habe. Da eine Berechnung der Steuern nach vereinnahmten Entgelten für 2003 zu erkennen gewesen sei, habe das FA diese durch die beantragte Besteuerung für 2003 konkludent genehmigt. Mangels Widerrufs habe die Versteuerung auch in den Folgejahren nach vereinnahmten Entgelten erfolgen dürfen.

Hiergegen wendet sich die Revision des FA. Zur Begründung trägt es im Wesentlichen vor, es liege weder mit der Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2003 noch mit der Einreichung der Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre ein konkludenter Antrag auf Ist-Besteuerung vor. Eine Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten sei weder ausdrücklich noch konkludent gestattet worden.

Das FA beantragt sinngemäß,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

Der Prüfer, der im Jahr 2001 die (Vor-)Außenprüfung für die Jahre 1995 bis 2001 durchgeführt habe, habe die Umsätze aus den ihm vorliegenden Kontoauszügen entnommen. Die damalige Betriebsprüfung habe die Besteuerung folglich nach vereinnahmten Entgelten vorgenommen. Entsprechend sei in den Folgejahren verfahren worden, was die Finanzverwaltung auch akzeptiert habe.

Das ergebe sich auch aus dem Schreiben vom 15. März 2000, mit dem die irrtümliche Versteuerung der Umsätze für den Voranmeldungszeitraum Dezember 1999 berichtigt und auf die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten hingewiesen worden sei.

Entscheidungsgründe II. Die Revision des FA ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Entscheidung des FG, dass die Voraussetzungen für eine Besteuerung der Umsätze des Rechtsvorgängers des Klägers (des X) nach vereinnahmten Entgelten vorlagen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Die Steuer für die vom Rechtsvorgänger des Klägers erbrachten Leistungen ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) mit dem Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind, entstanden.

a) Grundsätzlich entsteht die Steuer gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (sog. Sollbesteuerung) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Die Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 63 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL-- (bis 31. Dezember 2006 Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG--). Danach treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.

b) Gemäß § 20 UStG kann das FA unter bestimmten --hier nicht streitigen-- Umständen auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten, sondern nach vereinnahmten Entgelten berechnet. Mit der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG --sog. Ist-Besteuerung--) hat der Gesetzgeber die ihm nach Unionsrecht eingeräumte Ermächtigung ausgeübt, für die Entstehung des Steueranspruchs nach Art. 66 Buchst. b MwStSystRL (Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 3 2. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG) auf die Vereinnahmung des Preises abzustellen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Oktober 2013 V R 31/12, BFHE 243, 451, BStBl II 2015, 674, unter II.2.c). Die Steuer entsteht in diesem Fall mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG).

aa) Gemäß § 20 UStG ist für die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten anstelle der Regelbesteuerung nach vereinbarten Entgelten ein Antrag notwendig, auf Grund dessen das FA nach pflichtgemäßem Ermessen die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten durch formlosen Verwaltungsakt (§ 118 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--) gestattet haben muss (BFH-Beschluss vom 11. Mai 2011 V B 93/10, BFH/NV 2011, 1406). Der Antrag kann auch konkludent gestellt werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit kann aber eine Steuererklärung, bei der die Besteuerungsgrundlagen nach tatsächlichen Einnahmen erklärt worden sind, nur dann als konkludenter Antrag auf Gestattung der Ist-Besteuerung angesehen werden, wenn ihr deutlich erkennbar zu entnehmen ist, dass die Umsätze auf Grundlage vereinnahmter Entgelte erklärt worden sind (BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 1406; vgl. auch Michel in Offerhaus/Söhn/ Lange, Umsatzsteuergesetz, § 20 Rz 136).

Die Würdigung des FG, dass diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist, ist gemäß § 118 Abs. 2 FGO revisionsrechtlich bindend, weil sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist, nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt und, wenn auch nicht zwingend, so doch möglich ist (vgl. BFH-Urteile vom 28. August 2014 V R 22/14, BFH/NV 2015, 17, Rz 18; vom 28. Mai 2013 XI R 44/11, BFH/NV 2013, 1409). Aus den Akten ergibt sich ferner, dass das FA die Verknüpfung zwischen den Umsatzsteuererklärungen und der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG durchaus erkannt hat, denn es findet sich z.B. in der Umsatzsteuerverprobung für das Streitjahr 2006 ein Hinweis des Bearbeiters auf die Gewinn- und Verlustrechnung.

bb) Das FG konnte auch davon ausgehen, dass das FA dem Antrag des Klägers auf Gestattung der Ist-Besteuerung zugestimmt hat. Bei der Gestattung nach § 20 UStG durch das FA handelt es sich um den Erlass eines begünstigenden Ermessens-Verwaltungsaktes i.S. der §§ 130, 131 AO (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Februar 2013 V B 72/12, BFH/NV 2013, 984). Dieser Verwaltungsakt muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch stillschweigend bekanntgegeben werden (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2011, 1406; vom 28. August 2002 V B 65/02, BFH/NV 2003, 210; vom 20. Januar 2000 V B 163/99, BFH/NV 2000, 897). Da die Gestattung einer Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) und die hierauf beruhende Umsatzsteuerfestsetzung (§ 155 AO) zwei verschiedene Verfahren betreffen, kann die Umsatzsteuerfestsetzung nur dann als konkludente Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ausgelegt werden, wenn mit ihr nach außen erkennbar auch eine Entscheidung über den entsprechenden Antrag getroffen wurde (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2013, 984; in BFH/NV 2011, 1406; in BFH/NV 2003, 210). Hieran dürfen aber keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden. Vielmehr ist der Empfängerhorizont der Beteiligten entscheidend. Hat ein Steuerpflichtiger --wie vorliegend der X-- einen konkludenten Antrag auf Genehmigung der Ist-Besteuerung beim FA gestellt, dann hat die antragsgemäße Festsetzung der Umsatzsteuer den Erklärungsinhalt, dass der Antrag genehmigt worden ist.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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