Paragraphen in 17 W (pat) 40/12
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 40/12 Verkündet am 21. Mai 2015
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 11 2006 000 805.6 - 53 …
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder sowie der Richter Dipl.-Ing. Baumgardt und Dipl.-Ing. Hoffmann beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 154 05.11 Gründe:
I.
Die vorliegende Patentanmeldung ist eine PCT-Anmeldung in nationaler Phase, welche die Priorität einer Voranmeldung beim EPA vom 4. April 2005 in Anspruch nimmt und als WO 2006 / 105 640 A1 in englischer Sprache veröffentlicht wurde. Ihr PCT-Anmeldetag ist der 4. April 2006. Sie trägt in der deutschen Übersetzung (DE 11 2005 000 805 T5) die Bezeichnung:
„Tragbare elektronische Vorrichtung mit Textdisambiguierung, die ein verbessertes Wort-Häufigkeits-Lernen-Merkmal einsetzt“.
Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Januar 2012 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Hauptanspruchs mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar sei, denn er sei durch die Druckschrift D2 (s. u.) nahegelegt.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.
Sie stellt in der Beschwerdebegründung vom 21. Mai 2012 sinngemäß den Antrag,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Januar 2012 aufzuheben und die Patenterteilung auf die neu eingereichten Patentansprüche 1 bis 8 vom 21. Mai 2012 zu beschließen,
hilfsweise die Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung an eine andere Prüfungsstelle des DPMA zu beschließen,
weiter hilfsweise eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Zur Begründung trägt die Anmelderin vor, ausgehend von dem zitierten Stand der Technik könne nicht nachgewiesen werden, dass sich die Erfindung in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergebe, da die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erforderlichen Hinweise, Anstöße oder Anregungen fehlten; stattdessen entnehme der Fachmann aus dem Stand der Technik Hinweise, die in eine andere Richtung führten. Die Anmelderin habe sich bemüht, die im Zurückweisungsbeschluss dargelegte Begründung nachzuvollziehen und auf die Argumente der Prüfungsstelle einzugehen, was jedoch durch eine stellenweise fehlende logische und nachvollziehbare Gedankenführung für die im Tenor getroffene Entscheidung erschwert worden sei. Es scheine, dass die Prüfungsstelle stellenweise willkürlich auf beliebige Textstellen im Stand der Technik verweise, um ein Naheliegen der Erfindung zu konstruieren. Dazu erläutert die Anmelderin ausführlich, welche Merkmale des Patentanspruchs 1 in der Druckschrift D2 nicht offenbart seien.
Der geltende Patentanspruch 1, der sich in einigen Formulierungen von der dem Zurückweisungsbeschluss zugrundeliegenden Fassung unterscheidet, lautet (mit einer Gliederung wie im Zurückweisungsbeschluss, jedoch ergänzt um neue Merkmale (x1) und (x2); ferner mit einer Unter-Gliederung des Merkmals (a) in Untermerkmale (a1) bis (a3)):
(a) 1. Verfahren zur Disambiguierung einer Zeichen-Eingabe in ein tragbares elektronisches Gerät (4), wobei das tragbare elektronische Gerät eine Eingabeeinrichtung (8) zum Eingeben von Zeichen in das Gerät, eine Ausgabeeinrichtung (60) zum Ausgeben von Zeichen und einen Prozessor (16) zum elektronischen Verarbeiten von Zeichen mit einem Speicher (20) mit einer Vielzahl von darin abgespeicherten Objekten umfasst,
(a1) wobei die Vielzahl der Objekte eine Vielzahl von Sprachobjekten (100) und eine Vielzahl von Häufigkeitsobjekten (104) zum Angeben der relativen Häufigkeit des Auftretens der Sprachobjekte umfasst,
(a2) wobei jedes von wenigstens einem Teil der Sprachobjekte mit einem Häufigkeitsobjekt aus der Vielzahl der Häufigkeitsobjekte verknüpft ist,
(a3) wobei die Eingabeeinrichtung (8) eine Vielzahl von Eingabeelementen (28, 34) umfasst, wobei jedes von wenigstens einem Teil der Eingabeelemente eine Vielzahl von Zeichen (48) aufweist, die diesem zugeordnet sind,
wobei das Verfahren aufweist:
(b) Erkennen einer anfänglichen mehrdeutigen Eingabe (204), welche eine Betätigung zumindest eines der Eingabeelemente (28, 34) umfasst, das eine Mehrzahl von Zeichen (48) aufweist, die diesem zugeordnet sind;
(c) Feststellen, dass ein erstes Sprachobjekt aus der Vielzahl von Sprachobjekten der anfänglichen mehrdeutigen Eingabe entspricht;
(d) Feststellen, dass ein zweites Sprachobjekt aus der Vielzahl von Sprachobjekten der anfänglichen mehrdeutigen Eingabe entspricht;
(e) Feststellen, dass ein erstes Häufigkeitsobjekt aus der Vielzahl von Häufigkeitsobjekten dem ersten Sprachobjekt zugeordnet ist und einen ersten Häufigkeitswert hat;
(f) Feststellen, dass ein zweites Häufigkeitsobjekt aus der Vielzahl von Häufigkeitsobjekten dem zweiten Sprachobjekt zugeordnet ist und einen zweiten Häufigkeitswert hat;
(g) Feststellen, dass der erste Häufigkeitswert im Vergleich größer als der zweite Häufigkeitswert ist;
(h) Ausgeben einer anfänglichen Ausgabe umfassend eine anfängliche Default-Ausgabe und eine anfängliche Variantenausgabe, wobei das erste Sprachobjekt zumindest einen Teil der anfänglichen Default-Ausgabe bildet und das zweite Sprachobjekt zumindest einen Teil der anfänglichen Variantenausgabe bildet;
(x1) Erkennen einer Auswahl-Eingabe, welche das zweite Sprachobjekt auswählt;
(i) Erkennen einer Trennzeichen-Eingabe, wobei die Trennzeichen-Eingabe die anfängliche mehrdeutige Eingabe abschließt;
(j) Erkennen einer nachfolgenden mehrdeutigen Eingabe, welche eine Betätigung zumindest eines Eingabeelements (28, 34) mit einer Mehrzahl von Zeichen (48), die diesem zugeordnet sind, umfasst, und welche nach der anfänglichen mehrdeutigen Eingabe und der Trennzeichen-Eingabe eingegeben wird, wobei die nachfolgende mehrdeutige Eingabe die gleiche wie die anfängliche mehrdeutige Eingabe ist;
(k) Feststellen, dass das erste Sprachobjekt der nachfolgenden mehrdeutigen Eingabe entspricht;
(l) Feststellen, dass das zweite Sprachobjekt der nachfolgenden mehrdeutigen Eingabe entspricht;
(m) Feststellen, dass das erste Häufigkeitsobjekt dem ersten Sprachobjekt zugeordnet ist und den ersten Häufigkeitswert aufweist;
(n) Feststellen, dass das zweite Häufigkeitsobjekt dem zweiten Sprachobjekt zugeordnet ist und den zweiten Häufigkeitswert aufweist;
(o) Feststellen, dass der erste Häufigkeitswert relativ größer als der zweite Häufigkeitswert ist;
(p) Ausgeben einer nachfolgenden Ausgabe umfassend eine nachfolgende Default- Ausgabe und eine nachfolgende Variantenausgabe, wobei das erste Sprachobjekt zumindest einen Teil der nachfolgenden Default-Ausgabe bildet und das zweite Sprachobjekt zumindest einen Teil der nachfolgenden Variantenausgabe bildet;
(x2) Erkennen einer Auswahl-Eingabe, welche das zweite Sprachobjekt auswählt;
(q) Erkennen einer Trennzeichen-Eingabe wobei die Trennzeichen-Eingabe die nachfolgende mehrdeutige Eingabe abschließt; und das Verfahren gekennzeichnet ist durch die Schritte:
(r) Feststellen, dass die nachfolgende mehrdeutige Eingabe die erste mehrdeutige Eingabe seit der anfänglichen mehrdeutigen Eingabe ist, die mit der anfänglichen mehrdeutigen Eingabe übereinstimmt; und
(s) Zuordnen eines neuen Häufigkeitsobjekts zum zweiten Sprachobjekt mit größerem Häufigkeitswert als der Häufigkeitswert des ersten Häufigkeitsobjekts.
Hinsichtlich des geltenden nebengeordneten Anspruchs 5, der auf ein „tragbares elektronisches Gerät“ gerichtet ist, welches durch entsprechende Detail-Merkmale i. W. für das Verfahren nach Anspruch 1 eingerichtet ist, und der Unteransprüche 2 bis 4 und 6 bis 8 wird auf die Beschwerdeakte verwiesen.
Als zugrundeliegende technische Aufgabe ist in der Beschwerdebegründung, Seite 2 vorletzter Absatz, angegeben: ein tragbares elektronisches Gerät mit reduzierter Tastatur bzw. ein entsprechend angepasstes Verfahren bereitzustellen, bei dem die Auflösung der Mehrdeutigkeiten von Eingaben über eine reduzierte Tastatur im Vergleich zum Stand der Technik verbessert wird.
Als Stand der Technik wurden im Laufe des Verfahrens entgegengehalten:
D1 US 2004 / 155 869 A1 D2 WO 2005 / 8 899 A1 D3 US 6 307 549 B1 II.
Die Beschwerde ist rechtzeitig eingegangen und auch sonst zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, weil der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 bei Nicht-Berücksichtigung von Merkmalen, die zu einer technischen Problemlösung nicht beitragen, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§§ 1, 4 PatG).
1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft ein Verfahren zur Zeichen-Eingabe (Texteingabe) in ein tragbares elektronisches Gerät über eine Eingabeeinrichtung (insbesondere eine Tastatur), welche eine Vielzahl von Eingabeelementen (Tasten) besitzt, von denen wenigstens ein Teil mehrfach belegt ist (Eingabeelement, das „… eine Vielzahl von Zeichen aufweist, die diesem zugeordnet sind“ - Merkmal (a3)); der eingegebene Text wird auf einer Ausgabeeinrichtung (Display) angezeigt, und es wird ferner ein Prozessor benötigt und ein Speicher für den Wortschatz (Merkmal (a)).
Wegen der Mehrfach-Belegung kann eine betätigte Taste nicht eindeutig einem bestimmten Eingabezeichen zugeordnet werden. Daher ist eine „Disambiguierung“ der Eingabe erforderlich, d. h. ein Algorithmus zur Auflösung der Mehrdeutigkeit.
Prinzipiell waren dazu (siehe Beschreibung gemäß DE 11 2006 000 805 T5, Absätze [0005] / [0006]) Verfahren bekannt, bei denen ein einzugebendes Zeichen durch mehrfache Tastenbetätigung ausgewählt wird (z. B. „key chording“, wobei mehrere Tasten gleichzeitig oder zusammenhängend nacheinander betätigt werden, oder „Multi-Tap“, wobei eine Taste mehrfach nacheinander betätigt wird und die Zeichenauswahl durch die Anzahl der Betätigungen erfolgt). Ferner war es aber auch schon bekannt, jeweils nur eine Taste zu betätigen und die Mehrdeutigkeit durch eine Zusammenstellung der aufgrund der bisherigen Eingaben „möglichen“ Wort-Kandidaten aufzulösen, und ggf. unterschiedliche mögliche Worte zur Auswahl anzubieten; dafür ist ein Wörterbuch in der verwendeten Sprache und ggf. auch eine Häufigkeitsinformation für die möglichen Worte erforderlich (siehe Absätze [0007], [0009] und die gesamte Beschreibung, insbesondere das Beispiel gemäß den Figuren 7 bis 10 und Absätze [0121] bis [0135]).
Die vorliegende Anmeldung geht davon aus, dass die möglichen Eingabe-Worte oder Präfixe („Sprachobjekte“) auf Basis einer generischen Wortliste 88 bestimmt werden, in welcher jedem Wortobjekt 108 oder N-Gramm-Objekt (Präfix) 112 auch ein Häufigkeitsobjekt 104 zugeordnet ist, welches die Vorkommens-Häufigkeit des Wortobjektes oder Präfixes in der jeweiligen Sprache ausdrückt (siehe insbesondere die Absätze [0060] bis [0063] - Merkmale (a1), (a2)). Bei der Ausgabe (Anzeige) der möglichen Worte oder Wort-Teile wird dieses Häufigkeitsobjekt bzw. sein „Häufigkeitswert“ berücksichtigt, d. h. es wird eine Liste der möglichen Worte oder Präfixe zur Auswahl angeboten, die nach Vorkommens-Häufigkeit sortiert ist, wobei die Begriffe mit dem größeren Häufigkeitswert weiter oben in der Liste angezeigt werden. Dabei wird das Sprachobjekt mit dem größten Häufigkeitswert als Standard-Vorschlag („Default“) angeboten, die übrigen angezeigten Sprachobjekte werden als „Varianten“ bezeichnet, aus denen der Benutzer wählen kann (siehe Absatz [0009] - Merkmal (h) bzw. (p)).
Die Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 wird in den Absätzen [0152] bis [0154] unter Bezug auf die Figuren 22 und 23 beschrieben:
Dort ist ein Beispiel für die erläuterte Auswahl-Anzeige der möglichen Präfixe oder Eingabe-Worte dargestellt („ARE“, „SEE“ in den Figuren 22 und 23 - Merkmale (h) bzw. (p)). Die Schritte (b) bis (i), die im Prinzip mit den Schritten (j) bis (q) übereinstimmen, definieren im Detail die Anzeige der aufgrund der gedrückten Tasten möglichen Eingabeworte und die Auswahl durch den Benutzer (Schritte (x1) bzw. (x2) in Verbindung mit der Trennzeicheneingabe der Schritte (i) bzw. (q) als Abschluss der jeweiligen Worteingabe), wobei die Häufigkeit der möglichen WortAlternativen ermittelt und das Wort mit der größten Häufigkeit („ARE“) unmittelbar als Standard („Default-Ausgabe“) angeboten wird, der Benutzer aber (durch Bewegung des Cursors, siehe Absätze [0052], [0132]) auch andere Worte („Variantenausgabe“) mit geringerem Häufigkeitswert auswählen kann. Dabei sind die Schritte (b) bis (i) mit den Schritten (j) bis (q) so verknüpft, dass eine zweimalig aufeinanderfolgende Eingabe derselben mehrdeutigen Tasten erkannt wird.
Die Besonderheit soll hier darin bestehen, dass der Häufigkeitswert eines Wortes mit geringerem Häufigkeitswert („Variante“) erhöht wird (Merkmal (s)), und zwar auf einen Wert größer als der Häufigkeitswert des Standard-Vorschlags, wenn fol- gende Bedingung vorliegt: Der Benutzer muss bei derselben Eingabe-Kombination (Merkmal (j): „wobei die nachfolgende mehrdeutige Eingabe die gleiche wie die anfängliche mehrdeutige Eingabe ist“) zweimal in Folge, d. h. ohne zwischendurch eine andere Wahl zu treffen (Merkmal (r): „Feststellen, dass die nachfolgende mehrdeutige Eingabe die erste mehrdeutige Eingabe seit der anfänglichen mehrdeutigen Eingabe ist, die mit der anfänglichen mehrdeutigen Eingabe übereinstimmt“), dasselbe Wort mit dem geringeren Häufigkeitswert ausgewählt haben (anfänglich: Merkmal (x1) „… das zweite Sprachobjekt ausgewählt“; nachfolgend: Merkmal (x2) „… das zweite Sprachobjekt ausgewählt“).
Mit anderen Worten: Wenn der Benutzer zweimal anstelle des Standard-Vorschlags („ARE“) dieselbe angebotene Variante („SEE“) vorzieht, wird deren Häufigkeitswert höher als der Häufigkeitswert des Standard-Vorschlags gesetzt (wodurch er zukünftig zum Standard-Vorschlag wird). Dadurch gelingt eine Anpassung der Vorschläge an die persönliche Verwendungshäufigkeit von Worten des Benutzers.
Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, ein bekanntes, auf WörterbuchVergleich basierendes Disambiguierungsverfahren für die Wort-Eingabe mittels einer reduzierten, mehrfach belegten Tastatur im Vergleich zum Stand der Technik zu verbessern (oder genauer: besser an den persönlichen Wortschatz des Benutzers anzupassen), sieht der Senat einen Informatiker oder System-Programmierer mit Hochschul-Ausbildung an, der einen Experten für Benutzeroberflächen mit Erfahrung im Erkennen und in der Beurteilung von Kundenwünschen bezüglich der Gerätebedienung und evtl. einen Sprachwissenschaftler zur Hilfe heranzieht.
2. Der Beschwerde muss der Erfolg versagt bleiben, weil das beanspruchte Prinzip der Disambiguierung einer mehrdeutigen Eingabe, unter Anpassung der gespeicherten Häufigkeitswerte an den speziellen Wortschatz eines Benutzers, aus dem Stand der Technik bekannt ist, und mit dem Patentanspruch 1 darüber hinaus nur Maßnahmen beansprucht werden, welche bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sind.
2.1 Zunächst ist allerdings festzustellen, dass die Begründung des Zurückweisungsbeschlusses der Prüfungsstelle, die sich allein auf die Druckschrift D2 (WO 2005 / 8 899 A1) stützt, auch für den Senat nicht nachvollziehbar ist (vgl. dazu die ausführliche Argumentation der Anmelderin in der Beschwerdebegründung, Seite 7 Mitte bis Seite 14 Mitte).
2.2 Als nächstkommenden Stand der Technik sieht der Senat hier die Druckschrift D3 (US 6 307 549 B1) an. Sie beschreibt im Sinne des Patentbegehrens ein Verfahren zur Disambiguierung einer Zeichen-Eingabe in ein tragbares elektronisches Gerät (portable computer 52) mittels mehrfach belegter Tasten, wobei das Gerät eine Eingabeeinrichtung 54, eine Ausgabeeinrichtung 53, einen Prozessor 100 und einen Speicher 104 besitzt (siehe Zusammenfassung / Figur 1B, Figur 2), der Vokabular-Module 110 umfasst, wobei jedem Wortobjekt ein Häufigkeitsobjekt zugeordnet sein kann („… associated with a frequency of use“; Spalte 14 Zeile 1: „frequency of use field“). Mögliche Wort-Kandidaten werden in der Reihenfolge der Häufigkeit angezeigt und zur Auswahl angeboten, wobei das Sprachobjekt mit dem größten Häufigkeitswert den Standard-Vorschlag liefert (Figur 8F insbesondere Feld 88 „Done“, Spalte 23 Zeile 24 bis 36).
Eine Überwachung auf zweimalige Eingabe desselben Wortes ist allerdings nicht beschrieben. Spalte 14 Zeile 7 bis 13 gibt jedoch den Hinweis, dass das „frequency of use field“ (Häufigkeitsobjekt) auf Basis der Benutzereingaben angepasst werden kann, um die Häufigkeit der tatsächlichen Verwendung widerzuspiegeln.
Somit unterscheidet sich die Lehre des Patentanspruchs 1 vom Gegenstand der Druckschrift D3 durch das anspruchsgemäße Prinzip der Überwachung, ob der Nutzer zweimal nacheinander dasselbe Sprachobjekt aus der Vorschlags-Liste dem Default-Vorschlag vorzieht, und der davon ausgelösten Erhöhung von dessen Häufigkeitswert, sowie durch den detailliert beanspruchten Algorithmus hierfür.
2.3 Mit den Unterschieden der Lehre des Patentanspruchs 1 gegenüber dem aus dem Stand der Technik Bekannten lässt sich das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen.
Bei der Prüfung einer Erfindung auf erfinderische Tätigkeit sind nur diejenigen Anweisungen zu berücksichtigen, die die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (BGH GRUR 2011, 125 - Wiedergabe topografischer Informationen, Leitsätze a und b). Mit Merkmalen, die zu einer technischen Problemlösung nicht beitragen, lässt sich das Vorliegen einer erfinderische Tätigkeit nicht begründen (vgl. auch BGH GRUR 2013, 275 - Routenplanung, insbesondere III. 2b und 3b).
Im vorliegenden Fall liefert der Stand der Technik (Druckschrift D3) im gegebenen Umfeld (tragbares elektronisches Gerät, Zeichen-Eingabe mit mehrfach belegten Tasten, Wörterbuch mit Häufigkeitsobjekten, Nutzung der einfachen Tastenbetätigung und Disambiguierung) bereits einen deutlichen Hinweis, die gespeicherten Häufigkeitswerte an die tatsächliche Benutzungshäufigkeit anzupassen.
Einer Realisierung dieses Hinweises steht, ausgehend von dem in der Druckschrift D3 beschriebenen Gerät und Verfahren, kein technisches Problem mehr entgegen; denn die technischen Aspekte des zugrundeliegenden „tragbaren elektronischen Gerätes“ haben keinen Einfluss auf die einzelnen Schritte und werden ihrerseits auch nicht durch sie beeinflusst. Bereits die Frage, wodurch jeweils eine Änderung der Häufigkeitswerte ausgelöst werden soll (also hier konkret das zweimalige Vorziehen derselben Variante durch den Benutzer), erfordert keinerlei technische Überlegungen – sie wird ggf. an einen Experten für Benutzeroberflächen gestellt, der Benutzer befragt oder beobachtet und daraus besonders ergonomische oder von den Benutzern besonders gewünschte Gestaltungsmerkmale ablei- tet. Aber auch der konkrete Algorithmus, den der Programmierer dann aus diesen Vorgaben ableitet, bedarf keiner „auf technischen Überlegungen beruhenden Erkenntnisse“ (BGH GRUR 2000, 498 - Logikverifikation): der Programmierer löst das Problem, die erfassten Daten geeignet zu verarbeiten, mit Maßnahmen der Datenverarbeitung. Sonach bestehen hier lediglich Probleme der Benutzerfreundlichkeit und Probleme der Datenverarbeitung, die zu einer technischen Problemlösung nichts mehr beitragen.
Bei letzterem ist zu berücksichtigen, dass die Informatik nicht zu den „herkömmlichen Gebieten der Technik, also der Ingenieurwissenschaften, der Physik, der Chemie oder der Biologie“ (BGH GRUR 2002, 143 - Suche fehlerhafter Zeichenketten) gehört, und dass somit Lösungen, die aus diesem Fachgebiet stammen, nicht allein deshalb bereits als „technische“ Lösungen zu verstehen sein können (vgl. BPatG 2 Ni 4/12 (EP), Urteil vom 14. November 2013).
Daher können die resultierenden Detail-Anweisungen, wie sie vorliegend mit den Merkmalen (c) bis (s) beansprucht werden, bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht berücksichtigt werden. Es ergibt sich, dass das Verfahren nach Patentanspruch 1, soweit es patentrechtlich relevante Merkmale enthält, durch Druckschrift D3 nahegelegt ist.
2.4 Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die übrigen Ansprüche, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.
2.5 Nach alledem kann dahinstehen, ob alle Merkmale der geltenden, neu eingereichten Patentansprüche innerhalb des Rahmens der ursprünglichen Offenbarung bleiben (woran gewisse Zweifel bestehen), und inwieweit eine Verbesserung des Algorithmus zur Disambiguierung überhaupt ein technisches Problem darstellt.
3. Eine Zurückverweisung der Sache an das Patentamt kommt nicht in Betracht; denn die Sache war entscheidungsreif, es bedarf keiner weiteren Aufklärung des Sachverhalts.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Dr. Morawek Eder Baumgardt Hoffmann Fa
Urheber dieses Dokuments ist das Bundespatentgericht. Nach § 5 UrhG geniessen Entscheidungen und Gesetze keinen urheberrechtlichen Schutz. Auflagen des Gerichts können aber die kommerzielle Verwertung einschränken. In Anlehnung an Creative Commons Lizenzen ist die Nutzung mit einer CC BY-NC-SA 3.0 DE Lizenz vergleichbar. Bitte beachten Sie, dass diese Entscheidung urheberrechtlich geschützte Abbildungen enthalten kann. Vor einer Nutzung - über die reine Wiedergabe der Entscheidung hinaus - sind in solchen Fällen entsprechende Nutzungsrechte bei den jeweiligen Rechteinhabern einzuholen.
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