Paragraphen in X ZR 3/22
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Häufigkeit | Paragraph | |
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9 | 651 | BGB |
1 | 128 | ZPO |
1 | 563 | ZPO |
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9 | 651 | BGB |
1 | 128 | ZPO |
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES X ZR 3/22 URTEIL in dem Rechtsstreit Verkündet am: 28. Januar 2025 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2025:280125UXZR3.22.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis 2. Januar 2025 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, die Richter Hoffmann und Dr. Deichfuß und die Richterinnen Dr. Marx und Dr. von Pückler für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Dezember 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Der Kläger beansprucht von der Beklagten die Rückzahlung einer Anzahlung für eine Pauschalreise.
Der Kläger buchte bei der Beklagten eine Ostseekreuzfahrt (Route: Kiel Kopenhagen - Helsinki - St. Petersburg - Tallinn - Kiel), die vom 22. bis zum 29. August 2020 stattfinden und 8.305,10 Euro kosten sollte. Der Kläger leistete eine Anzahlung in Höhe von 3.194 Euro.
Mit Schreiben vom 31. März 2020 trat der Kläger von der Reise zurück. Er bezog sich hierbei auf die Corona-Infektionslage und damit verbundene Reisebeschränkungen. Zu diesem Zeitpunkt bestand eine zunächst bis 28. April 2020 befristete weltweite Warnung des Auswärtigen Amtes vor nicht notwendigen touristischen Reisen in das Ausland.
Die Beklagte sagte die Reise am 10. Juli 2020 wegen der Corona-Pandemie ab. Dem Begehren nach Erstattung der geleisteten Anzahlung kam sie zunächst nicht nach.
Der Kläger klagte daraufhin auf Rückzahlung des geleisteten Betrags von 3.194 Euro. Nachdem die Beklagte während des erstinstanzlichen Verfahrens einen Teilbetrag von 1.701 Euro gezahlt hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit in dieser Höhe für in der Hauptsache erledigt erklärt. Später erbrachte die Beklagte eine weitere Zahlung in Höhe von 139 Euro.
Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung des verbleibenden Restbetrags von 1.354 Euro verurteilt. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage in der noch anhängigen Höhe. Der Kläger tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 30. August 2022 das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-584/22 ausgesetzt. Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 29. Februar 2024 (C-584/22, RRa 2024, 62 - Kiwi Tours) über das Vorlageersuchen entschieden.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Kläger könne die Rückzahlung der restlichen Anzahlung verlangen. Der in § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB geregelte Entschädigungsanspruch der Beklagten sei gemäß § 651h Abs. 3 BGB ausgeschlossen.
Bei der Corona-Pandemie handle es sich nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich um einen unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB, was auch die Beklagte nicht in Frage stelle.
Im Streitfall sei es nicht entscheidungserheblich, ob nach einer ex-anteBetrachtung des Infektionsgeschehens zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein außergewöhnlicher Umstand im Zeitpunkt der Reise zu erwarten gewesen sei. Eine ex-ante-Betrachtung sei nicht maßgeblich, wenn der Reiseveranstalter die Reise letztlich selbst aufgrund eines außergewöhnlichen, unvermeidbaren Umstandes absage.
II. Dies hält der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Die Beklagte hat gemäß § 651h Abs. 1 Satz 2 BGB ihren Anspruch auf den Reisepreis verloren, weil der Kläger nach § 651h Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam vom Pauschalreisevertrag zurückgetreten ist. Damit ist die Beklagte zur Rückzahlung der restlichen Anzahlung verpflichtet.
2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Entschädigungsanspruch aus § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB, den die Beklagte dem Anspruch des Klägers entgegenhalten könnte, nicht ausgeschlossen werden.
a) Wie der Senat bereits im Aussetzungsbeschluss ausgeführt hat, ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Covid-19-Pandemie im streitgegenständlichen Reisezeitraum (August 2020) einen unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB darstellt (BGH, Beschluss vom 30. August 2022 - X ZR 3/22 Rn. 21).
b) Ebenfalls zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass § 651h Abs. 3 BGB auch dann anwendbar ist, wenn dieselben oder vergleichbare Beeinträchtigungen im vorgesehenen Reisezeitraum auch am Heimatort des Reisenden vorliegen (BGH, Beschluss vom 30. August 2022 - X ZR 3/22 Rn. 22 ff.).
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts darf eine erhebliche Beeinträchtigung im Streitfall jedoch nicht deshalb bejaht werden, weil die Reise nach der Rücktrittserklärung abgesagt worden ist.
Nach der auf Vorlage des Senats ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2015/2302 dahin auszulegen, dass für die Feststellung, ob unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände aufgetreten sind, die im Sinne dieser Bestimmung die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen, nur die Situation zu berücksichtigen ist, die zu dem Zeitpunkt bestand, zu dem der Reisende vom Reisevertrag zurückgetreten ist (EuGH, Urteil vom 29. Februar 2024 - C-584/22, RRa 2024, 62 Rn. 28 ff. - Kiwi Tours).
III. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Das Berufungsgericht hat - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, inwieweit bereits zum Zeitpunkt des Rücktritts des Klägers konkrete Umstände absehbar waren, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise nach § 651h Abs. 3 Satz 1 BGB begründen.
Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Hierbei wird das Berufungsgericht insbesondere auch zu berücksichtigen haben, dass eine im Zeitpunkt des Rücktritts begründete Ungewissheit über die weitere Entwicklung ein starkes Indiz dafür bilden kann, dass die Durchführung der Reise schon aus damaliger Sicht nicht zumutbar war. Hierbei sind gegebenenfalls auch individuelle Gesundheitsrisiken zu berücksichtigen, denen die Reisenden bei Durchführung der Reise ausgesetzt wären (BGH, Urteil vom 30. August 2022 - X ZR 66/21, NJW 2022, 3707 = RRa 2022, 283 Rn. 62 ff.; Urteil vom 23. Januar 2024 - X ZR 4/23, NJW-RR 2024, 466 Rn. 31 ff.). Wie der Senat bereits entschieden hat, ist dem Reisenden auch nicht ohne weiteres zuzumuten,
mit einer Entscheidung über den Rücktritt bis kurz vor Reisebeginn zuzuwarten (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2024 - X ZR 79/22, MDR 2024, 1570 Rn. 43 ff.).
Bacher Hoffmann Deichfuß Marx von Pückler Vorinstanzen: AG Hersbruck, Entscheidung vom 21.05.2021 - 1 C 804/20 LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 17.12.2021 - 5 S 3127/21 -
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