4 Ni 49/11 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 49/11 (EP) (Aktenzeichen)
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am 27. 8. 2013 …
In der Patentnichtigkeitssache …
BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 1 389 985 (DE 502 05 285)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. August 2013 durch den Vorsitzenden Richter Engels sowie die Richterin Friehe, die Richter Dipl.-Ing. Veit und Dipl.-Ing. Univ. SchmidtBilkenroth und die Richterin Dipl.-Phys. Univ. Zimmerer für Recht erkannt:
I. Das Patent EP 1 389 985 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1, 3, 4, 6, 7, 8, 9, 10 und 11 insoweit für nichtig erklärt, als diese Patentansprüche über folgende Fassung hinausgehen:
1. Unterschenkelorthese mit einer den Unterschenkel (4) umgreifenden Unterschenkelmanschette (2), die zumindest mit einer Stützfeder (22) gelenkig mit einer Fußmanschette (6) verbunden ist, gekennzeichnet durch einen definierten Anschlag (32) an der hinteren Stirnseite der Fußmanschette (6), der die Biegung der Stützfeder (22) in Richtung der Fußmanschette (6) begrenzt, wobei zwischen einem Fersenteil (30) oder einem unterschenkelseitigen Teil der Stützfeder (22) und der hinteren Stirnseite der Fußmanschette (6) in der Ruheposition (40) keine Berührung stattfindet.
4. Unterschenkelorthese nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Anschlagfläche (34) gegenüber der auf diese auflaufende Stützfläche (36) parallel oder schräg angestellt ist.
6. Unterschenkelorthese nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Stützfeder (22) ab einem Winkel den Anschlag berührt.
7. Unterschenkelorthese nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Stützfeder (22) in einem Fersenteil (30) vorzugsweise gegenläufig gekrümmt ist und die beiden Endabschnitte (26,
28) die Unterschenkelrückseite bzw. die Fußsohle in Längs- und/oder Querrichtung abstützen. 8. Unterschenkelorthese nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Stützfeder (22) mit der Fußmanschette (6) über den fußseitigen Endabschnitt (28) verbunden ist. 9. Unterschenkelorthese nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Unterschenkelmanschette (2) höhenverstellbar ist. 10. Unterschenkelorthese nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Stützfeder eine Blattfeder (22) ist. 11. Unterschenkelorthese nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Blattfeder (22) aus faserverstärktem Kunststoff, vorzugsweise aus kohlefaserverstärktem Kunststoff hergestellt ist. II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. III. Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 389 985 (Streitpatent), das am 23. April 2002 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 101 26 622 vom 31. Mai 2001 angemeldet wurde. Das Streitpatent wurde in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 502 05 285 geführt. Es betrifft eine Unterschenkelorthese und eine dafür vorgesehene Stützfeder und umfasst 12 Patentansprüche, von denen die Ansprüche 1, 3, 4 sowie 6 bis 11 – teils teilweise – angegriffen sind. Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:
Hinsichtlich der weiteren angegriffenen Patentansprüche wird auf die Streitpatentschrift EP 1 389 985 B1 Bezug genommen. Die Kläger sind der Ansicht, der Gegenstand des Patents sei, soweit angegriffen, nicht patentfähig, insbesondere sei er nicht neu und beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Sie berufen sich auf folgende Schriften:
N1 US 2 557 603 N2 DE 299 08 981 U1 N3 US 3 827 430 Die Beklagte hat das Streitpatent in der mündlichen Verhandlung hilfsweise mit neuen Hilfsanträgen 1 bis 4 verteidigt. Die Kläger haben darauf hin erklärt, das Patent in dieser Fassung nicht angreifen zu wollen und insoweit die Klage teilweise zurückgenommen.
Die Kläger beantragen, das europäische Patent 1 389 985 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang des Anspruchs 1, der Ansprüche 3 und 4, soweit diese nicht unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 2 rückbezogen sind, und der Ansprüche 6 bis 11, soweit diese nicht unmittelbar oder mittelbar auf einen oder mehrere der Ansprüche 2, 5 rückbezogen sind, für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung vom 27. 8. 2013 gestellten Hilfsanträgen 1 bis 4 verteidigt wird.
Hilfsantrag 1 enthält die aus dem Tenor ersichtlichen Patentansprüche 1-11.
Zu den Patentansprüchen in der Fassung der Hilfsanträge 2 bis 4 wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei – soweit angegriffen – auch in der erteilten Fassung patentfähig.
Der Senat hat den Parteien einen Bescheid nach § 83 PatG zugestellt; auf Bl. 60 ff. der Akten wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Auf die zulässige Klage war das Patent für nichtig zu erklären, soweit es über die Fassung nach Hilfsantrag 1 hinausgeht.
In der mit Hauptantrag verteidigten erteilten Fassung ist der Gegenstand des Patents, soweit es angegriffen ist, wie von den Klägern geltend gemacht nicht patentfähig, nämlich nicht neu (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ i. V. m. Art. 54 Abs. 1, 2).
Soweit die Beklagte das Streitpatent nach Hilfsantrag 1 verteidigt, haben die Kläger ihre Klage zurückgenommen, so dass das Patent ohne Sachprüfung in dieser Fassung Bestand hat (vgl. BPatG GRUR 2009, 46 ff, RdNrn. 63 ff - Ionenaustauschverfahren; BPatG Urt. v. 27.11.2012, 4 Ni 47/10 (EP) = GRUR 2013, 655 – Kosten bei Teilnichtigkeit BPatG 4 Ni 3/11 (EP) Urt. v. 28.6.2012).
II.
1. Das Streitpatent betrifft eine Unterschenkelorthese und eine dafür vorgesehene Stützfeder. Nach der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift EP 1 389 985 B1 sind im Stand der Technik (z. B. DE 299 08 981 U1) Unterschenkelorthesen nach dem Oberbegriff des Streitpatents bekannt, die aber Nachteile aufweisen.
2. Ausgehend hiervon bezeichnet es die Patentschrift als Aufgabe der Erfindung, eine Unterschenkelorthese und eine Stützfeder zu schaffen, durch die eine hinreichende Beweglichkeit und Stabilität mit minimalem vorrichtungstechnischen Aufwand gewährleistet ist [0007].
3. Zuständiger Fachmann ist ein Orthopädietechniker bzw. Meister mit beruflicher Erfahrung auf dem Gebiet der Orthesen, der bezüglich medizinischer Fragestellungen mit einem Orthopäden zusammenarbeitet.
III.
1. Mit Patentanspruch 1 in der erteilten und gemäß Hauptantrag der Beklagten verteidigten Fassung wird eine Unterschenkelorthese mit folgenden Merkmalen beansprucht:
A0 Unterschenkelorthese A1 mit einer den Unterschenkel (4) umgreifenden Unterschenkelmanschette
(2), A2 die zumindest mit einer Stützfeder (22) gelenkig mit einer Fußmanschette
(6) verbunden ist, A3 gekennzeichnet durch einen Anschlag (32), der die Biegung der Stützfeder
(22) in Richtung der Fußmanschette (6) begrenzt.
2. Nach dem Verständnis des zuständigen Fachmanns und einer sich am Gesamtzusammenhang orientierenden Betrachtung ist zu beurteilen, welche technische Lehre Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist und welcher technische Sinngehalt den Merkmalen des Patentanspruchs 1 im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit zukommt.
Dabei ist in Anspruch 1 die Angabe „mit einer … Unterschenkelmanschette (2), die zumindest mit einer Stützfeder (22) gelenkig mit einer Fußmanschette (6) verbunden ist“ (Merkmal A2) dahingehend zu verstehen, dass die Unterschenkelmanschette (2) durch mindestens eine Stützfeder (22) gelenkig mit einer Fußmanschette (6) verbunden ist. Dies wird durch die im Ausführungsbeispiel des Streitpatents gezeigte Stützfeder (vgl. Fig. 1, 2, 4 u. 5) iVm Abs. [0026] des Streitpatents gestützt, in dem angegeben ist, dass anstelle einer Stützfeder auch mehrere Federn parallel angeordnet werden können.
Die Formulierung im Oberbegriff „gelenkig verbunden“ (Merkmal A2), die sich an keiner anderen Stelle im Streitpatent wiederfindet, bezieht sich lediglich auf die Verbindung der Manschetten und ist technisch funktional auszulegen als „beweglich verbunden“, wie die Beschreibung in den Abs. [0007] und [0008] bestätigt.
Das Merkmal „Biegung der Stützfeder in Richtung der Fußmanschette“ (A3) ist dahingehend auszulegen, dass der unterschenkelseitige Abschnitt der Stützfeder nach vorne zur Fußspitze hin gebogen wird, beispielsweise beim Heben des Fußes (Dorsalflexion) bei der Schritteinleitung (vgl. Beschreibung in der Streitpatentschrift in den Abs. [0023] und [0024]).
Ein Anschlag (Merkmal A3) soll die Biegung der Stützfeder in Richtung der Fußmanschette, beispielsweise bei der Schritteinleitung (Heben des Fußes, Dorsalflexion), begrenzen. Der Patentanspruch 1 lässt offen, wie dieser Anschlag ausgebildet sein soll. Die Funktion des Anschlages kannzum Beispiel auch durch ein Anschlagen von Teilen der Orthese aneinander gegeben sein, wodurch der Biegung der Stützfeder eine Grenze gesetzt ist.
Hiervon ist ein „definierter Anschlag“ zu unterscheiden. Der Begriff „definiert“ ist in dem Sinne zu verstehen, dass der Anschlag gegenständlich ausgebildet ist, wobei „gegenständlich“ nur bedeutet, dass es sich um eine gesonderte räumlichkörperliche Ausbildung handelt, z. B. um eine als Anschlag dienende Erhebung auf einem Teil der Orthese. Es muss sich dabei nicht um ein gesondertes Bauteil handeln.
3. Patentfähigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 nach Hauptantrag Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 (Hauptantrag) ist nicht neu, da er aus der Druckschrift N2 bekannt ist.
Die N2 zeigt eine Unterschenkelorthese 1 (Fig. 1, Anspr. 1, S. 1 Z. 1-3) [= Merkmal A0], mit einer einen Unterschenkel 4 umgreifenden Unterschenkelmanschette 2 [= Merkmal A1], die durch eine Stützfeder 22 gelenkig (im Sinne von beweglich) mit einer Fußmanschette 6 verbunden ist (Anspr. 1) [= Merkmal A2].
Die Fußmanschette 6 und die Unterschenkelmanschette 2 sind durch einen Gelenkschlitz 16 voneinander getrennt. Dieser befindet sich im Übergangsbereich zwischen den beiden Manschetten (S. 5, dritter Abs.). Die Fußmanschette 6 endet somit am Schlitz 16 (am Übergangsbereich), und nicht - wie die Beklagte meint - im angezogenen Zustand erst hinter dem Fuß. Zwar kann die Unterschenkelmanschette einstückig mit der Fußmanschette ausgebildet sein (wie bspw. im Ausführungsbeispiel in der Fig. 1 gezeigt), und der Gelenkschlitz kann zur maximalen Aussteifung auch vollständig geschlos- sen sein (S. 5, letzter Abs.). Dies betrifft jedoch lediglich ein bestimmtes Ausführungsbeispiel (S. 3, dritter Abs.; Fig. 1). In ihrer allgemeinsten Ausführungsform verfügt die Orthese der N2 über eine jeweils separate Unterschenkelmanschette und Fußmanschette, die über eine Stützfeder miteinander verbunden sind (Anspruch 1; S. 2, vorletzter Abs.). Außerdem kann auch bei dem in der Figur 1 gezeigten Ausführungsbeispiel durch entsprechende Wahl der Schlitztiefe T der Gelenkschlitz 16 bis zur Sohle 14 reichen, so dass die Fußmanschette 6 und die Unterschenkelmanschette 2 sogar vollständig voneinander getrennt sein können. In der N2 ist jedenfalls keine Beschränkung der Schlitztiefe T und der Geometrie des Schlitzes angegeben, so dass der Fachmann diese gemäß den individuellen Anforderungen an die Beweglichkeit der Manschetten zueinander frei wählen kann (S. 5, dritter Abs.).
Die Beweglichkeit beim Heben des Fußes (Dorsalflexion) ist unter anderem durch die Öffnungsweite des Schlitzes 16 (Öffnun letzter Satz). Der Öffnungswinkel Heben des Fußes (Dorsalflexion). Die Dorsalflexion und somit die Biegung der Stützfeder 22 in Richtung der Fußmanschette 6 wird zwangsläufig durch ein Anschlagen der Unterschenkel- und Fußmanschette aneinander begrenzt.
Der Einwand der Beklagten, dass die N2 keinen Anschlag zeige, da die Seiten des Schlitzes 16 nicht aneinander anschlagen, sondern bei beispielsweise einem breiten Schlitz aneinander vorbeirutschen, kann nicht überzeugen. Selbst wenn bei einem entsprechend breiten Schlitz die Seiten von Unterschenkel- und Fußmanschette 2, 6 aneinander vorbeirutschen könnten, so würde diese Bewegung schließlich spätestens durch ein seitliches Anschlagen der Manschetten aneinander zwangsläufig beendet werden. Zwar verfügt die Orthese der N2 - wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat - nicht über einen definierten Anschlag zur Begrenzung der Biegung der Stützfeder, sondern ein Anschlagen von Unterschenkelund Fußmanschette aneinander ergibt sich eher zufällig, abhängig von der Geometrie und Öffnungsweite (Öffnungswinkel inen Öffnungs önnen aber auch die beiden Seiten des Gelenkschlitzes direkt aneinander anschlagen. Somit weist die aus der N2 bekannte Unterschenkelorthese auch einen Anschlag im Sinne des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents auf, der die Biegung der Stützfeder 22 in Richtung der Fußmanschette 6 begrenzt [= Merkmal A3].
Damit sind alle Merkmale des Gegenstands des erteilten Patentanspruchs 1 aus der Druckschrift N2 bekannt. Patentanspruch 1 in der erteilten und mit Hauptantrag verteidigten Fassung kann daher keinen Bestand haben.
4. Die weiteren Patentansprüche des Hauptantrags der Beklagten waren nicht mehr zu prüfen. Der Senat teilt die Ansicht des 3. Nichtigkeitssenats des Bundespatentgerichts in der Entscheidung Ionenaustauschverfahren (GRUR 2009, 46, 49), dass, wenn die Patentinhaberin (wie vorliegend) das Streitpatent hilfsweise mit einem zulässig geänderten, patentfähigen Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag 1 verteidigt, sich der Senat mit einer hiervon abweichenden teilweisen Aufrechterhaltung einzelner weiterer Patentansprüche gemäß Hauptantrag in Widerspruch zu dem maßgeblichen Willen der Patentinhaberin setzen würde (BPatG, Urt. v. 15.1.2013 – 4 Ni 13/11 = Mitt. 2013, 352 (Leitsatz) – Dichtungsring).
IV.
Soweit die Beklagte das teilweise angegriffene Streitpatent mit den Patentansprüchen gemäß Hilfsantrag 1 beschränkt verteidigt, waren diese der Teilnichtigerklärung ohne weitere Sachprüfung zugrunde zu legen (BPatG a.a.O. - Ionenaustauschverfahren), da sie von den Klägerinnen nicht mehr angegriffen worden sind und sich die Änderung als zulässig erweist.
Nach einhelliger Meinung ist im Falle der zulässigen Selbstbeschränkung und Rücknahme der weitergehenden Klage aus prozessualen Gründen eine Teilnichtigerklärung entsprechend den übereinstimmenden Anträgen ohne Prüfung der Patentfähigkeit des Restpatents auszusprechen (vgl. Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren 4. Aufl., S. 147 Rdn. 231 m. w. N.).
Dieser Grundsatz muss nach Auffassung des Senats unabhängig davon gelten, ob das Streitpatent durch eine von dem Kläger nicht (mehr) angegriffene zulässige Selbstbeschränkung des Patentinhabers unbedingt oder nur hilfsweise verteidigt wird. Der Senat schließt sich insoweit der Ansicht des 3. Senats des Bundespatentgerichts in der Entscheidung Ionenaustauschverfahren an (a. a. O.)
Die hilfsweise von der Beklagten zulässig beschränkte Fassung der Patentansprüche nach Hilfsantrag 1, welche die Kläger nicht angreifen, ist deshalb für den Senat ebenso bindend wie eine unbedingt erklärte Selbstbeschränkung. Damit unterliegt sie in dem vorliegenden Fall nicht der Sachprüfung durch den Senat, sondern lediglich der Prüfung, ob es sich um eine zulässige Beschränkung handelt. Hieran hat der Senat keinen Zweifel.
Das neu in den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 aufgenommene Merkmal, wonach die Unterschenkelorthese durch einen definierten Anschlag (32) an der hinteren Stirnseite der Fußmanschette (6) gekennzeichnet ist, ist auf S. 6 Z. 17-21 der ursprünglichen Unterlagen (WO 02/096328 A1) sowie im Abs. [0023] der Streitpatentschrift offenbart. Auch das weitere neu aufgenommene Merkmal, wonach zwischen einem Fersenteil (30) oder einem unterschenkelseitigen Teil der Stützfeder (22) und der hinteren Stirnseite der Fußmanschette (6) in der Ruheposition (40) keine Berührung stattfindet, ist sowohl in den ursprünglichen Unterlagen (vgl. WO 02/096328 A1, Anspr. 3) als auch in der Streitpatentschrift (vgl. Anspr. 3) offenbart. Auch die weiteren Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1 sind sowohl in den ursprünglichen Unterlagen (vgl. Anspr. 4 u. 6 bis 11) als auch in der Streitpatentschrift (vgl. Anspr. 4 u. 6 bis 11) offenbart. Die Ansprüche nach Hilfsantrag 1 sind somit zulässig.
Damit war das Patent in der mit Hilfsantrag 1 verteidigten Fassung aufrechtzuerhalten.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 S. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass die Kläger die gemäß Hilfsantrag 1 von der Beklagten verteidigte Fassung des Streitpatents nicht mehr angegriffen haben, ferner, dass es dem Kläger im Patentnichtigkeitsverfahren verwehrt ist, einen Patentanspruch in der Weise beschränkt anzugreifen, dass der Inhaber des Streitpatents durch eine in den Klageantrag aufgenommene Neufassung der angegriffenen Patentansprüche festgelegt wird. Gegenstand der Nichtigkeitsklage kann auch im Fall einer zulässigen Selbstbeschränkung nur das erteilte Patent in seiner geltenden Fassung sein (BPatG a. a. O. – Ionenaustauschverfahren m. w. N.). Es ist ausschließlich Sache des Patentinhabers, das erteilte Patent in einer von ihm neu gefassten eingeschränkten Fassung zulässig zu verteidigen, um die vollständige Nichtigerklärung zu vermeiden. Es ist daher ebenso wenig Sache des Nichtigkeitsklägers wie des Gerichts, von sich aus in eine Prüfung darüber einzutreten, inwieweit in einem insgesamt als nicht schutzfähig angegriffenen Patentanspruch ein bestandsfähiges Minus enthalten ist.
Entsprechend war aufgrund der ergänzend heranzuziehenden Billigkeitsgründe gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG abweichend vom Unterliegensprinzip und den entsprechend geltenden Kostengrundsätzen der §§ 91 ff., 269 Abs. 3 ZPO nicht den Klägern, sondern der Patentinhaberin das mit der Möglichkeit einer zulässigen Beschränkung durch Neufassung des Patentanspruchs verbundene Kostenrisiko aufzubürden, welches hinsichtlich des überschießenden ursprünglichen Klageantrags entsteht (BPatG Urt. v. 27.11.2012, 4 Ni 47/10 (EP) = GRUR 2013, 655 – Kosten bei Teilnichtigkeit; BPatG 4 Ni 3/11 (EP) Urt. v. 28.6.2012).
Engels Friehe Veit Schmidt-Bilkenroth Zimmerer