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IX ZB 59/20

BUNDESGERICHTSHOF IX ZB 59/20 BESCHLUSS vom 17. Februar 2022 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2022:170222BIXZB59.20.0 Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Grupp, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Schultz, die Richterin Dr. Selbmann und den Richter Dr. Harms am 17. Februar 2022 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerden gegen den Beschluss der Zivilkammer 28 des Landgerichts Berlin vom 20. August 2020 werden auf Kosten der Beklagten zu 2 als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.570 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger, ein Rechtsanwalt, nimmt die Beklagten auf Zahlung einer Vergütung in Höhe von 3.570 € für die Übernahme und Bearbeitung einzelner Mandate in Anspruch. Die Beklagte zu 1 betrieb eine Rechtsanwaltskanzlei. Gesellschafter der Beklagten zu 1 waren in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Beklagte zu 3 und der weitere Gesellschafter J. . Die Beklagte zu 2 ist die Alleinerbin des im April 2016 verstorbenen Gesellschafters J. .

Die Beklagte zu 1 beteiligte sich nicht an dem Rechtsstreit. Die Beklagte zu 2 erklärte in erster Instanz ihren Beitritt auf Seiten der Beklagten zu 1 und beantragte für sich und als Streithelferin der Beklagten zu 1 die Abweisung der Klage. Die Beklagte zu 3 erkannte den Anspruch an. Das Amtsgericht verkündete am 13. Juni 2019 eine mit "Versäumnisteil-, Anerkenntnisteil- und Schlussurteil" überschriebene Entscheidung, mit der die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 3.570 € an den Kläger verurteilt wurden. Gegen das den Beklagten zu 1 und zu 2 am 19. Juni 2019 zugestellte Urteil legte die Beklagte zu 2 für sich und als Streithelferin der Beklagten zu 1 am 19. Juli 2019 Berufung ein. Das Landgericht verwarf die von der Beklagten zu 2 für die Beklagte zu 1 eingelegte Berufung nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig, weil zulässiges Rechtsmittel allein der binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegende Einspruch gemäß §§ 338 ff ZPO gewesen sei. Die am 19. Juli 2019 eingelegte Berufung stelle keinen fristgerechten und zulässigen Rechtsbehelf dar. Die von der Beklagten zu 2 für sich selbst eingelegte Berufung wies das Landgericht nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurück.

Hiergegen richten sich die von der Beklagten zu 2 für sich selbst und als Streithelferin für die Beklagte zu 1 eingelegten Rechtsbeschwerden. Für die Beklagte zu 1 wird geltend gemacht, dass das Urteil des Amtsgerichts vom 13. Juni 2019 zu Unrecht als Versäumnisurteil ergangen sei, weil es sowohl an einer Säumnis der Beklagten zu 1 als auch an einem Antrag des Klägers auf Erlass eines Versäumnisurteils gefehlt habe. Außerdem sei das Urteil nicht eindeutig als Versäumnisurteil erkennbar, so dass bei Beachtung des prozessualen Meistbegünstigungsgrundsatzes die eingelegte Berufung als statthaft anzusehen sei. Die von der Beklagten zu 2 eingelegte Rechtsbeschwerde sei ausnahmsweise als statthaft und begründet anzusehen. Es liege ein Fall der notwendigen Streitgenossenschaft der Beklagten zu 1 und zu 2 vor, so dass eine Entscheidung nur einheitlich ergehen könne.

II.

Die von der Beklagten zu 2 als Streithelferin eingelegte Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 1 ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).

1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht das Recht der Beklagten zu 1 auf wirkungsvollen Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht dadurch verletzt, dass es der Beklagten zu 1 den Zugang zur Berufungsinstanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert hat. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass einzig zulässiges Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 13. Juni 2019 der Einspruch nach §§ 338 ff ZPO war und die für die Beklagte zu 1 geltende Rechtsmittelfrist zur Einlegung des Einspruchs nicht eingehalten wurde.

a) Ob ein mit dem Einspruch anzugreifendes Versäumnisurteil oder ein kontradiktorisches und damit dem Rechtsmittel der Berufung unterliegendes Urteil vorliegt, ist im Zweifel durch Auslegung aller Beschluss- oder Urteilsteile zu ermitteln. Dabei kommt es nicht maßgeblich auf die Bezeichnung, sondern auf den Inhalt der angegriffenen Entscheidung an (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 1998 - VI ZB 29/98, NJW 1999, 583, 584 mwN).

Die Entscheidung des Amtsgerichts vom 13. Juni 2019 trug die Überschrift "Versäumnisteil-, Anerkenntnisteil- und Schlussurteil". Nach der Wiedergabe des Tatbestands wird in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass bezüglich der Beklagten zu 1 im Wege des Versäumnisteilurteils zu entscheiden sei, weil sie ihre Verteidigung nicht wirksam angezeigt und auch in den Terminen der mündlichen Verhandlung nicht wirksam vertreten erschienen sei. Sie habe weder durch die Beklagte zu 2 und Streithelferin noch durch die Beklagte zu 3 jeweils allein wirksam vertreten werden können. Eine in Liquidation befindliche Gesellschaft bürgerlichen Rechts könne von den Gesellschaftern grundsätzlich nur gemeinschaftlich vertreten werden. Bezüglich der Beklagten zu 3 sei aufgrund des erklärten Anerkenntnisses im Wege des Anerkenntnisteilurteils zu entscheiden. Anschließend folgen weitere Ausführungen zur Begründetheit der Klage. In der Rechtsbehelfsbelehrung wird zunächst auf das Rechtsmittel der Berufung hingewiesen. Sodann wird ausgeführt, dass der Beklagten zu 1 gegen die Entscheidung der binnen einer Notfrist von zwei Wochen einzulegende Einspruch zustehe.

Sowohl aus der Überschrift des Urteils als auch aus den auf die Beklagte zu 1 bezogenen Entscheidungsgründen und der zwischen Berufung einerseits und Einspruch andererseits differenzierenden Rechtsbehelfsbelehrung ergibt sich, dass das Amtsgericht in Bezug auf die Beklagte zu 1 ein Versäumnisteilurteil erlassen wollte. Mit diesem Inhalt erwies sich die Entscheidung des Amtsgerichts gegenüber der Beklagten zu 1 zweifelsfrei als Versäumnisurteil.

Nicht entscheidend ist, dass das Urteil entgegen der in § 313b Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgesehenen Möglichkeit mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehen ist. Dies beruht erkennbar darauf, dass das Amtsgericht bezüglich der Beklagten zu 2 durch streitiges Urteil entscheiden wollte und entschieden hat und insoweit Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht weggelassen werden konnten.

Für die Beklagte zu 1 war demnach der Einspruch statthafter Rechtsbehelf gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 13. Juni 2019. Bei Einlegung der Berufung am 19. Juli 2019 war die Frist zur Einlegung des Einspruchs bereits abgelaufen.

b) Das Berufungsgericht hat es mit Recht abgelehnt, die Zulässigkeit einer Berufung der Beklagten zu 1 nach dem im Zivilprozess geltenden Meistbegünstigungsgrundsatz zu bejahen.

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte zu 1 vor dem Amtsgericht säumig war und ein Versäumnisurteil deswegen in der Sache zu Recht ergangen ist.

Die Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes, wonach Entscheidungen, die in einer falschen Form erlassen worden sind, sowohl mit dem Rechtsmittel angefochten werden können, welches ihrer Form entspricht, als auch mit demjenigen, welches bei verfahrensrechtlich korrekter Entscheidung gegeben wäre (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1986 - V ZR 169/85, BGHZ 98, 362, 364 f mwN), setzt voraus, dass ein Gericht eine der Form nach unrichtige Entscheidung getroffen hat. Der Grundsatz der Meistbegünstigung greift danach nicht ein, wenn das Erstgericht zu Unrecht einen Fall der Säumnis angenommen und auf dieser Sachlage ein nach Fassung und Inhalt eindeutiges Versäumnisurteil erlassen hat. Eine solche Entscheidung ist dann zwar inhaltlich falsch; das Gericht hat bei ihr aber keinen Verlautbarungsfehler begangen und deshalb durch die Form seiner Entscheidung den Parteien auch keinen falschen Weg für die Art der Anfechtung gewiesen (BGH, Beschluss vom 3. November 1998 - VI ZB 29/98, NJW 1999, 583, 584; vom 16. Oktober 2003 - IX ZB 35/03, juris Rn. 10). So liegt der Fall hier.

2. Das Berufungsgericht hat mit der Verwerfung der Berufung auch nicht gegen den Anspruch der Beklagten zu 1 auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und auf eine willkürfreie Entscheidung nach Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Durch die Verwerfung der Berufung mangels Einhaltung der Einspruchsfrist hat es sich die Entscheidung des Amtsgerichts inhaltlich nicht zu Eigen gemacht,

sondern den Rechtsbehelf der Beklagten zu 1 aus prozessualen Gründen verworfen.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

III.

Die im eigenen Namen eingelegte Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 2 ist nicht statthaft.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zu 2 nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen. Die gegen einen Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO eingelegte Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft. Gründe dafür, die Rechtsbeschwerde hier ausnahmsweise zuzulassen, bestehen nicht.

Grupp Lohmann Schultz Selbmann Harms Vorinstanzen: AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 13.06.2019 - 210 C 27/18 LG Berlin, Entscheidung vom 20.08.2020 - 28 S 14/19 -

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1 2 GG
1 3 GG
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1 574 ZPO
1 577 ZPO

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