I ZR 78/24
BUNDESGERICHTSHOF I ZR 78/24 Nachschlagewerk: BGHZ: BGHR: JNEU:
BESCHLUSS vom
18. Juni 2025 in dem Rechtsstreit ja nein ja nein Förderung der Zellerneuerung Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1; Richtlinie 2005/29/EG Art. 3 Abs. 4 Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342 vom 22. Dezember 2009, S. 59) und zu Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (ABl. L 149 vom 11. Juni 2005, S. 22) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Hat ein Händler, der nicht verantwortliche Person im Sinne von Art. 4 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 ist, gemäß Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 dieser Verordnung Grund zu der Annahme, dass die Werbung eines Herstellers nicht den Anforderungen des Art. 20 Abs. 1 der Verordnung genügt, wenn er die ihm vom Hersteller überlassene Werbung zu eigenen geschäftlichen Zwecken verwendet, ohne zu prüfen, ob die beworbenen Funktionen des kosmetischen Mittels hinreichend belegt sind? Oder hat der Händler nur unter bestimmten - wenn ja, unter welchen - Voraussetzungen gemäß Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 Grund zu der Annahme, dass die von ihm verwendete Werbung des Herstellers nicht den Anforderungen des Art. 20 Abs. 1 der Verordnung genügt, und zu prüfen, ob die beworbenen Funktionen des kosmetischen Mittels hinreichend belegt sind?
2. Schließen die Bestimmungen in Art. 4 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG aus, dass die Werbung eines Händlers mit einer vom Hersteller übernommenen irreführenden Aussage zu den Funktionen eines kosmetischen Mittels als unlautere Geschäftspraxis im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und 4 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG anzusehen ist?
BGH, Beschluss vom 18. Juni 2025 - I ZR 78/24 - OLG Düsseldorf LG Düsseldorf ECLI:DE:BGH:2025:180625BIZR78.24.0 ECLI:DE:BGH:2025:180625BIZR78.24.0 Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2025 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, die Richterin Dr. Schwonke, den Richter Feddersen, die Richterinnen Dr. Schmaltz und Wille beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342 vom 22. Dezember 2009, S. 59) sowie zu Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (ABl. L 149 vom 11. Juni 2005, S. 22) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
3. Hat ein Händler, der nicht verantwortliche Person im Sinne von Art. 4 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 ist, gemäß Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 dieser Verordnung Grund zu der Annahme, dass die Werbung eines Herstellers nicht den Anforderungen des Art. 20 Abs. 1 der Verordnung genügt, wenn er die ihm vom Hersteller überlassene Werbung zu eigenen geschäftlichen Zwecken verwendet, ohne zu prüfen, ob die beworbenen Funktionen des kosmetischen Mittels hinreichend belegt sind? Oder hat der Händler nur unter bestimmten - wenn ja, unter welchen - Voraussetzungen gemäß Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 Grund zu der Annahme, dass die von ihm verwendete Werbung des Herstellers nicht den Anforderungen des Art. 20 Abs. 1 der Verordnung genügt, und zu prüfen, ob die beworbenen Funktionen des kosmetischen Mittels hinreichend belegt sind?
4. Schließen die Bestimmungen in Art. 4 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG aus, dass die Werbung eines Händlers mit einer vom Hersteller übernommenen irreführenden Aussage zu den Funktionen eines kosmetischen Mittels als unlautere Geschäftspraxis im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und 4 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG anzusehen ist?
Gründe:
A. Der Kläger, der Verband Sozialer Wettbewerb e. V., ist ein in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrnehmung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört.
Die Beklagte betreibt ein Reformhaus. Sie bewarb in ihrem Prospekt "Reformhaus D. - Angebote November 2020" die Gesichtscreme "A. L. R. Tag & Nachtpflege" mit einer Angabe zu bestimmten Wirkungen des darin enthaltenen Ginseng-Extrakts. Die Herstellerin der Creme, die Streithelferin zu 1, hatte der Beklagten die Werbeaussage zur Verfügung gestellt und die Werbeanzeige vor der Veröffentlichung freigegeben. Die Angabe findet sich auch auf der Produktverpackung.
Der Kläger hält die Werbeaussage wegen Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 (im Folgenden auch Kosmetik-Verordnung - Kosmetik-VO) für unlauter, weil die Wirksamkeit von Ginseng-Extrakt bei äußerlicher Anwendung wissenschaftlich nicht gesichert sei. Mit Schreiben vom 17. November 2020 mahnte er die Beklagte erfolglos ab.
Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - mit dem Klageantrag zu I 1 beantragt, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten,
im geschäftlichen Verkehr für das kosmetische Mittel "A. L. R. Tag & Nachtpflege" zu werben: "Ginseng fördert die Zellerneuerung und schützt vor freien Radikalen", sofern dies geschieht wie in dem Prospekt "Reformhaus D. - Angebote November 2020" (vorgelegt als erste Anlage K 3) wiedergegeben.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (LG Düsseldorf, MD 2023, 91). Auf die Berufung der Beklagten und der Streithelferin zu 1 hat das Berufungsgericht den Klageantrag zu I 1 abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
B. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 Kosmetik-VO sowie von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG ab. Vor einer Entscheidung über die Revision ist daher das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte hafte nicht für den Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO. Hierzu hat es ausgeführt:
Entgegen Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO täusche die Werbeaussage Merkmale der Gesichtscreme vor, die diese nicht besitze. Die angesprochenen Verbraucher verstünden die Aussage dahin, dass durch die Anwendung des Produkts die Gesichtshaut gepflegt und damit ein gutes, frisches Hautbild und Aussehen des Anwenders erzielt würden. Sie bezögen die Angabe daher allein auf die kosmetische Wirkung der Creme und entnähmen ihr nicht das Versprechen einer weitergehenden gesundheitsbezogenen Wirkung. Die Beklagte habe die beworbene kosmetische Wirkung der Gesichtscreme nicht hinreichend belegt. Sie habe zwar Nachweise dafür vorgelegt, dass dem darin enthaltenen Ginseng eine anti-oxidative Wirkung zukomme und die Creme daher aus Sicht des angesprochenen Verkehrs vor freien Radikalen schütze. Nicht nachgewiesen habe die Beklagte jedoch, dass Ginseng die Zellerneuerung fördere. Der angesprochene Verkehr werde die Werbeaussage dahin verstehen, dass die Creme die Bildung neuer Hautzellen anrege. Die Beklagte habe jedoch lediglich belegt, dass Ginseng durch die Förderung der Kollagenbildung bereits vorhandene Hautzellen besser durchfeuchte.
Die Beklagte habe für den Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO allerdings nicht einzustehen. Sie habe von der Streithelferin zu 1, die als Herstellerin der beworbenen Creme für die Einhaltung von Art. 20 Kosmetik-VO "verantwortliche Person" im Sinne von Art. 5 Abs. 1, Art. 4 Abs. 3 Kosmetik-VO sei, die Werbeaussage unverändert übernommen und für ihre eigene Werbung verwendet. Als "bloße" Händlerin sei sie nicht der Pflicht unterworfen, für die Einhaltung der Vorgaben des Art. 20 Kosmetik-VO zu sorgen, sondern träfen sie lediglich die in Art. 6 Kosmetik-VO geregelten anderweitigen Verpflichtungen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers hat Erfolg, wenn die Beklagte für den Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO (dazu B II 1) haftet, weil sie die von der Streithelferin zu 1 zur Verfügung gestellte irreführende Werbeaussage ungeprüft in ihrem Prospekt zur Vermarktung der Gesichtscreme eingesetzt hat (dazu B II 2 und 3). Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 UWG in der bis zum 30. November 2021 geltenden Fassung (vgl. § 15a Abs. 1 UWG) klagebefugt und sein Unterlassungsantrag nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3a, 3 Abs. 1 UWG begründet ist, wenn die Beklagte für die streitgegenständliche Werbung einzustehen hat.
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Bewerbung der Gesichtscreme mit der angegriffenen Angabe gegen Art. 20 Abs. 1 KosmetikVO verstößt und daher eine nach § 3a UWG unlautere und gemäß § 3 Abs. 1 UWG unzulässige geschäftliche Handlung sein kann.
a) Nach § 3 Abs. 1 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig. Gemäß § 3a UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
Nach Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO dürfen bei der Kennzeichnung, der Bereitstellung auf dem Markt und der Werbung für kosmetische Mittel keine Texte, Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere bildhafte oder nicht bildhafte Zeichen verwendet werden, die Merkmale oder Funktionen vortäuschen, die die betreffenden Erzeugnisse nicht besitzen.
b) Die Vorschrift des Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG dar, die dem Schutz der Verbraucher vor irreführenden Werbeaussagen über die Wirksamkeit und andere Eigenschaften kosmetischer Mittel dient (vgl. Erwägungsgrund 51 der Kosmetik-Verordnung). Ihre Missachtung ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern und Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2016 - I ZR 36/14, GRUR 2016, 418 [juris Rn. 11] = WRP 2016, 463 - Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir; Urteil vom 11. Oktober 2017 - I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 41] = WRP 2018, 413 - Tiegelgröße).
Da die Bestimmung des Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO - jedenfalls in ihrem Zusammenwirken mit der auf der Grundlage von Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 2 Kosmetik-VO ergangenen Verordnung (EU) Nr. 655/2013 der Kommission vom
10. Juli 2013 zur Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln - einen besonderen Aspekt unlauterer irreführender Geschäftspraktiken regelt, geht sie gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG der in Art. 6 jener Richtlinie enthaltenen und in § 5 UWG in deutsches Recht umgesetzten Regelung über irreführende geschäftliche Handlungen im Kollisionsfall vor (vgl. BGH, GRUR 2016, 418 [juris Rn. 12] - Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir; GRUR 2018, 431 [juris Rn. 41] - Tiegelgröße; Heidenreich, PharmR 2023, 205, 208).
c) Die angegriffene Werbeaussage verstößt gegen Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO. Die beworbene Gesichtscreme stellt ein kosmetisches Mittel im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Kosmetik-VO dar. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Werbung mit Blick auf die ausgelobte Förderung der Zellerneuerung Funktionen der Gesichtscreme vortäuscht, die diese nicht besitzt. Seine Annahme, der angesprochene Verkehr entnehme der Werbeaussage die - entgegen Nr. 3.1 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 nicht durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegte - Wirkung, dass die Creme die Bildung neuer Hautzellen anrege, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revisionserwiderung greifen nicht durch.
2. Fraglich ist, ob die gegen Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO verstoßende Werbung eine unzulässige geschäftliche Handlung der Beklagten begründet. Das hängt davon ab, ob die Beklagte in ihrer Funktion als Händlerin bei der Verwendung der von der Streithelferin zu 1 zur Verfügung gestellten Werbeaussage zu eigenen geschäftlichen Zwecken auf die Einhaltung von Art. 20 Abs. 1 KosmetikVO zu achten und deshalb zu prüfen hatte, ob die beworbene Wirkung der Förderung der Zellerneuerung durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt ist.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Auslegung der KosmetikVerordnung ergebe, dass die Beklagte für den Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO nicht einzustehen habe. Für die Einhaltung der Vorschrift sei nach Art. 5 Abs. 1, Art. 4 Abs. 3 Kosmetik-VO der Hersteller des Produkts - vorliegend die Streithelferin zu 1 - die "verantwortliche Person". Dagegen sei die Beklagte als "bloße" Händlerin, die die Werbeaussage der Streithelferin zu 1 unverändert übernommen und zur Vermarktung verwendet habe, nicht den in Art. 20 Kosmetik-VO geregelten Pflichten einer verantwortlichen Person hinsichtlich der Ausgestaltung der Werbung unterworfen. Vielmehr sei sie lediglich Adressatin der in Art. 6 Kosmetik-VO geregelten Sorgfaltspflichten betreffend die Überprüfung bestimmter Kennzeichnungen des kosmetischen Mittels (Abs. 2) und die Einhaltung der Lagerungs- und Transportbedingungen (Abs. 4). Das Verständnis der abgestuften Verpflichtungen des Herstellers als "verantwortlicher Person" und des "bloßen" Händlers entspreche der in den Erwägungsgründen 11, 13 und 14 der Kosmetik-Verordnung zum Ausdruck kommenden Intention des europäischen Gesetzgebers. Auch aus den Leitlinien zur Verordnung (EU) Nr. 655/2013 ergebe sich, dass ein Händler nicht schon durch die unveränderte Übernahme einer Werbeaussage für ein kosmetisches Mittel und deren Verwendung zur eigenen Vermarktung des Erzeugnisses zur "verantwortlichen Person" werde und damit nach Art. 20 Kosmetik-VO für eine Irreführung verantwortlich sei.
b) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Vorschrift des Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO nicht bestimmt, wer Adressat des Irreführungsverbots ist. Die Regelung schreibt nicht vor, dass jede Person, die ein kosmetisches Mittel bewirbt, sicherzustellen hat, dass die Werbung keine nicht vorhandenen Merkmale oder Funktionen des Erzeugnisses vortäuscht.
c) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich aus dem Regelungszusammenhang von Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO mit Art. 5 Abs. 1, Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1, Abs. 6 Kosmetik-VO ergibt, dass grundsätzlich der Hersteller des kosmetischen Erzeugnisses und nur unter besonderen - vorliegend nicht gegebenen - Umständen der Händler die für die Richtigkeit der Werbeaussage "verantwortliche Person" im Sinne der Kosmetik-Verordnung ist.
aa) Gemäß Art. 5 Abs. 1 Kosmetik-VO sorgen verantwortliche Personen dafür, dass (unter anderem) der Artikel 20 eingehalten wird. Nach Art. 2 der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 sorgt die verantwortliche Person im Sinne des Artikels 4 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 [Kosmetik-VO] dafür, dass Formulierungen von Werbeaussagen in Bezug auf kosmetische Mittel die gemeinsamen Kriterien in Anhang I erfüllen und mit der Dokumentation zum Nachweis der für das kosmetische Mittel angepriesenen Wirkung in Einklang stehen, die Teil der Produktinformationsdatei gemäß Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 [Kosmetik-VO] ist.
Gemäß Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 Kosmetik-VO ist die verantwortliche Person für ein innerhalb der Union hergestelltes kosmetisches Mittel, das anschließend nicht ausgeführt und wieder in die Union eingeführt wird, der in der Union ansässige Hersteller. "Hersteller" ist nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. d Kosmetik-VO jede natürliche oder juristische Person, die ein kosmetisches Mittel herstellt bzw. entwickeln oder herstellen lässt und es unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Marke in Verkehr bringt.
Nach Art. 4 Abs. 6 Unterabs. 1 Kosmetik-VO ist der Händler die verantwortliche Person, wenn er ein kosmetisches Mittel unter seinem eigenen Namen und seiner eigenen Marke in Verkehr bringt oder ein Produkt, das sich bereits in Verkehr befindet, so ändert, dass die Einhaltung der geltenden Anforderungen berührt sein kann. "Händler" ist nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. e Kosmetik-VO jede natürliche oder juristische Person in der Lieferkette, die ein kosmetisches Mittel auf dem Unionsmarkt bereitstellt, mit Ausnahme des Herstellers oder des Importeurs.
bb) Nach diesen Regelungen ist die Beklagte keine für die Einhaltung von Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO "verantwortliche Person". Weder ist sie Herstellerin der beworbenen Gesichtscreme noch hat sie als Händlerin die Creme unter ihrer Firma und ihrer Marke in Verkehr gebracht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat sie das von der Streithelferin zu 1 bezogene Produkt unter deren Namen und Marke unverändert vertrieben und es mit der von der Streithelferin zu 1 zur Verfügung gestellten, auf der Produktverpackung angebrachten und unverändert übernommenen Angabe beworben.
d) Die Beklagte könnte in ihrer Funktion als Händlerin allerdings gemäß Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 Kosmetik-VO für die von der Streithelferin zu 1 verfasste Werbeaussage einzustehen haben.
aa) Gemäß Art. 6 Abs. 1 Kosmetik-VO berücksichtigen die Händler im Rahmen ihrer Tätigkeiten die geltenden Anforderungen mit der gebührenden Sorgfalt, wenn sie ein kosmetisches Mittel in Verkehr bringen. Sind Händler der Auffassung oder haben sie Grund zu der Annahme, dass ein kosmetisches Mittel nicht den Anforderungen dieser Verordnung genügt, stellen sie nach Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 1 erster Spiegelstrich Kosmetik-VO das kosmetische Mittel so lange nicht auf dem Markt bereit, bis es mit den geltenden Anforderungen in Übereinstimmung gebracht wurde. Sind Händler der Auffassung oder haben sie Grund zu der Annahme, dass ein von ihnen auf dem Markt bereitgestelltes kosmetisches Mittel nicht dieser Verordnung entspricht, stellen sie gemäß Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 1 zweiter Spiegelstrich Kosmetik-VO sicher, dass die erforderlichen Korrekturmaßnahmen ergriffen werden, um die Konformität dieses Mittels herzustellen oder es gegebenenfalls vom Markt zu nehmen und zurückzurufen.
bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die Pflichten der Händler in Art. 6 Abs. 2 und 4 Kosmetik-VO nicht abschließend geregelt, sondern können sie nach Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 Kosmetik-VO weitere Verpflichtungen treffen (vgl. Reinhart/Voß, KosmetikVO, Art. 6 Rn. 6; Rathke in Sosnitza/
Meisterernst, Lebensmittelrecht, Stand Juli 2016, Art. 6 VO [EG] 1223/2009 Rn. 5). Dabei betreffen die Regelungen in Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 Kosmetik-VO nach Ansicht des Senats nicht nur Verpflichtungen der Händler hinsichtlich der Anforderungen der Kosmetik-Verordnung an die Bereitstellung eines kosmetischen Mittels auf dem Markt, sondern auch hinsichtlich der Anforderungen des Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO an die Bewerbung des auf dem Markt bereitzustellenden oder bereitgestellten kosmetischen Mittels. Hierfür spricht, dass die Anforderungen des Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO nach dem Wortlaut der Vorschrift bei der Werbung ebenso wie bei der Bereitstellung des Erzeugnisses auf dem Markt zu beachten sind. Auch die Leitlinien zur Verordnung (EU) Nr. 655/2013 gehen davon aus, dass die Händler gemäß Art. 6 Abs. 1 KosmetikVO Sorgfaltspflichten bei der Verwendung von der verantwortlichen Person übermittelter Werbeaussagen - namentlich bei deren Übersetzung - treffen.
cc) Die Beklagte könnte gegen das aus Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 1 Kosmetik-VO folgende Verbot verstoßen haben, ein kosmetisches Erzeugnis mit einer nicht den Anforderungen des Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO genügenden Werbung auf dem Markt bereitzustellen, wenn sie Grund zu der Annahme hatte, dass die Werbung nicht vorhandene Funktionen des Erzeugnisses vortäuscht. Einen Grund zu dieser Annahme hätte die Beklagte gehabt, wenn sie im Zusammenhang mit der Bereitstellung der Gesichtscreme auf dem Markt gemäß Art. 6 Abs. 1 Kosmetik-VO verpflichtet gewesen wäre, die ihr von der Streithelferin zu 1 überlassene Werbung darauf zu überprüfen, ob die ausgelobte Förderung der Zellerneuerung durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt war. Der Klärung der sich in diesem Zusammenhang stellenden Frage zur Reichweite der unionsrechtlichen Prüfungspflicht eines Händlers dient die Vorlagefrage 1.
(1) Nach dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 Kosmetik-VO hat der Händler die geltenden Anforderungen im Rahmen seiner Tätigkeit zu berücksichtigen. Nach Erwägungsgrund 14 Satz 2 der Kosmetik-Verordnung sollten die Verpflichtungen des Händlers an seine jeweilige Rolle und den jeweiligen Anteil seiner Tätigkeit in der Lieferkette angepasst werden. Die Regelung beruht auf dem Gesichtspunkt, dass der Händler nur für diejenigen Umstände verantwortlich sein soll, auf die er im Rahmen seiner Tätigkeit Einfluss nehmen kann (vgl. Reinhart/Voß aaO Art. 6 Rn. 4; Rathke in Sosnitza/Meisterernst aaO Art. 6 VO [EG] 1223/2009 Rn. 1). Der Händler kann seine Werbung für ein kosmetisches Mittel regelmäßig beeinflussen. Bewirbt er - wie vorliegend die Beklagte - die Wirkung des Erzeugnisses in einem eigenen Prospekt, setzt er die vom Hersteller stammende Werbung aus eigenem Antrieb ein, um den Absatz des Mittels für seine geschäftlichen Zwecke zu fördern. Das könnte dafür sprechen, dass der Händler eine vom Hersteller übernommene Werbeaussage darauf überprüfen muss, ob das beworbene kosmetische Mittel die ausgelobten Wirkungen besitzt.
(2) Die Leitlinien zur Verordnung (EU) Nr. 655/2013 bieten keinen eindeutigen Hinweis darauf, inwieweit der Einsatz einer vom Hersteller stammenden Werbeaussage zu den Tätigkeiten des Händlers im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Kosmetik-VO zählt. Die Leitlinien sehen unter Verweis auf Art. 6 Abs. 1 KosmetikVO vor, dass die Händler alle von der verantwortlichen Person übermittelten Werbeaussagen so übersetzen sollten, dass der Kern der Werbeaussage erhalten bleibt. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Verwendung einer vom Hersteller verfassten Werbung zu den Tätigkeiten eines Händlers im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Kosmetik-VO zählt. Die Vorgabe in den Leitlinien beruht allerdings auf der Einschätzung, dass der Händler, der eine Werbeaussage der verantwortlichen Person so anpasst, dass die Hauptfunktion des benannten Produkts geändert wird, ein anderes Produkt bewirbt, für das er nach Art. 4 Abs. 6 Kosmetik-VO zur verantwortlichen Person wird. Danach knüpft die Einstandspflicht des Händlers letztlich an seine Stellung als verantwortliche Person an.
(3) Die Prüfungspflichten der Händler werden nach dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 Kosmetik-VO dadurch begrenzt, dass sie die geltenden Anforderungen nur mit der gebührenden Sorgfalt berücksichtigen müssen. Der Händler hat sich zwar zu vergewissern, dass der Hersteller, der ihm das Produkt zur Verfügung gestellt hat, die nach den anzuwendenden Unionsrechtsvorschriften erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat (vgl. Leitfaden der Kommission für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2022 ["Blue Guide"], S. 41 unter 3.4). Dabei kann er sich aber grundsätzlich auf die Angaben des Herstellers verlassen, weil dieser am ehesten in der Lage ist, für ein gesetzeskonformes Vermarktungssystem zu sorgen, und deshalb regelmäßig als "verantwortliche Person" die primäre rechtliche Verantwortung trägt (vgl. Reinhart/Voß aaO Art. 6 Rn. 7 und 10; Rathke in Sosnitza/Meisterernst aaO Art. 6 VO [EG] 1223/2009 Rn. 6). Der Händler hat allerdings Grund zu der Annahme, dass die Anforderungen der KosmetikVerordnung nicht eingehalten sind, wenn ihm konkrete Anhaltspunkte hierfür bekannt werden und er gleichwohl eine eigene Prüfung unterlässt (vgl. Rathke in Sosnitza/Meisterernst aaO Art. 6 VO [EG] 1223/2009 Rn. 5 f.).
(a) Nach diesen Grundsätzen erscheint zweifelhaft, ob der Händler stets überprüfen muss, ob die in einer Werbeaussage des Herstellers ausgelobten Funktionen eines kosmetischen Mittels hinreichend belegt sind, bevor er die Werbung für eigene geschäftliche Zwecke einsetzt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Streithelferin zu 1 der Beklagten die Werbeaussage zur Verfügung gestellt. Die Beklagte hat die Aussage unverändert in ihre Werbeanzeige übernommen, die von der Streithelferin zu 1 vor der Veröffentlichung freigegeben worden ist. Zudem entsprach die Werbeaussage der Angabe der Streithelferin zu 1 auf der Produktverpackung. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass für die Beklagte vor der Veröffentlichung des Werbeprospekts ein konkreter Anlass bestand, einen hinreichenden Nachweis der beworbenen Wirkung der Gesichtscreme in Zweifel zu ziehen. Die Revision macht nicht geltend, das Berufungsgericht habe entsprechenden Sachvortrag des Klägers übergangen.
(b) Gegen eine uneingeschränkte Pflicht des Händlers zur Überprüfung einer vom Hersteller des kosmetischen Mittels verfassten Werbung nach Art. 6 Abs. 1 Kosmetik-VO könnte der Regelungszusammenhang mit Art. 5 Abs. 1,
Art. 4 Abs. 6 Kosmetik-VO sprechen. Danach hat der Händler für eine gegen Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO verstoßende Werbung ohne Weiteres einzustehen, wenn er das beworbene kosmetische Mittel unter seinem eigenen Namen und seiner eigenen Marke in Verkehr bringt und dadurch zur "verantwortlichen Person" wird. Daraus könnte zu folgern sein, dass ein Händler, der nicht "verantwortliche Person" ist, für eine vom Hersteller übernommene Werbung gemäß Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 Kosmetik-VO nur unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen haftet.
(c) Gegen eine umfassende Pflicht des Händlers zur Überprüfung der Richtigkeit einer Werbung des Herstellers könnte außerdem sprechen, dass nach den Regelungen der Kosmetik-Verordnung das Vorhalten von Nachweisen für die Wirkung eines kosmetischen Mittels in den Verantwortungsbereich des Herstellers fällt.
Wenn ein kosmetisches Mittel in Verkehr gebracht wird, führt gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Kosmetik-VO die verantwortliche Person darüber eine Produktinformationsdatei. Die Produktinformationsdatei enthält nach Art. 11 Abs. 2 Buchst. d Kosmetik-VO, wenn dies aufgrund der Beschaffenheit des kosmetischen Mittels oder seiner Wirkung gerechtfertigt ist, den Nachweis der für das kosmetische Mittel angepriesenen Wirkung. Gemäß Art. 2 der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 sorgt die verantwortliche Person im Sinne des Artikels 4 der Kosmetik-Verordnung dafür, dass Formulierungen von Werbeaussagen in Bezug auf kosmetische Mittel die gemeinsamen Kriterien in Anhang I erfüllen und mit der Dokumentation zum Nachweis der für das kosmetische Mittel angepriesenen Wirkung in Einklang stehen, die Teil der Produktinformationsdatei gemäß Artikel 11 der Kosmetik-Verordnung ist. Dabei bestimmt nach Anhang I (Kriterium "Belegbarkeit") der Leitlinien zur Verordnung (EU) Nr. 655/2013 die verantwortliche Person die angemessene und ausreichende Methodik zur Bestätigung von Werbeaussagen sowie die sachdienlichen Belege für den hinreichenden und überprüfbaren Nachweis von Werbeaussagen über kosmetische Mittel.
Nach diesen Regelungen ist es Aufgabe des Herstellers als "verantwortlicher Person", für hinreichende Nachweise zu den von ihm ausgelobten Wirkungen eines kosmetischen Mittels zu sorgen und diese Nachweise zu dokumentieren. Insbesondere hat der Hersteller dafür zu sorgen, dass die Formulierung von Werbeaussagen mit diesen Nachweisen in Einklang steht. Mit Blick darauf erscheint fraglich, ob einem Händler abverlangt werden kann zu prüfen, ob eine vom Hersteller stammende Werbeaussage durch die in der Produktinformationsdatei hinterlegten Belege nachgewiesen ist. Dagegen könnte einerseits sprechen, dass die Produktinformationsdatei nach Art. 11 Abs. 3 Kosmetik-VO lediglich für die zuständige Behörde leicht zugänglich sein muss, um ihr eine effektive Marktüberwachung zu ermöglichen (vgl. Erwägungsgrund 17 und 61 der Kosmetik-Verordnung; Reinhart/Reinhart aaO Art. 11 Rn. 9 f.). Für den Händler ist die Produktinformationsdatei nicht ohne Weiteres einsehbar. Für eine Prüfungspflicht des Händlers könnte andererseits sprechen, dass der Hersteller nach der gesetzlichen Regelung über die erforderlichen Nachweise verfügt und sie daher dem Händler auf dessen Anforderung zur Verfügung stellen kann.
(d) Jedenfalls könnte der Händler Grund zu der Annahme haben, dass die ihm vom Hersteller überlassene Werbung nicht den Anforderungen des Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO genügt, wenn er aufgrund einer Abmahnung - wie vorliegend die Beklagte nach der Veröffentlichung der Werbung aufgrund des Schreibens des Klägers vom 17. November 2020 - von der Ansicht des Abmahnenden Kenntnis erlangt, die beworbenen Funktionen des kosmetischen Mittels seien nicht hinreichend belegt. Ist die Abmahnung so konkret gefasst, dass der Händler den Rechtsverstoß unschwer und ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung feststellen kann, so muss der Händler nach Ansicht des Senats die Abmahnung zum Anlass einer Überprüfung des betreffenden Produkts nehmen und darf es nicht weiter auf dem Markt bereitstellen, selbst wenn der Hersteller die Beanstandungen für unbegründet hält (zu Art. 14 Abs. 1 und 2 Unterabs. 3 der Verordnung [EU] 2017/745 über Medizinprodukte vgl. BGH, Beschluss vom
21. Dezember 2023 - I ZR 17/23, GRUR 2024, 227 [juris Rn. 49 bis 51] = WRP 2024, 190 - Trockenluftkompressor). Entsprechendes gilt für die Überprüfung der Richtigkeit einer Werbeaussage und die Einstellung einer Werbemaßnahme im Anschluss an eine Abmahnung. Eine solche Prüfung ist dem Händler anhand der vom Hersteller anzufordernden, in der Produktinformationsdatei hinterlegten Nachweise unschwer möglich.
(4) Der Schutzzweck von Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO dürfte dafür sprechen, dass der Händler für eine vom Hersteller übernommene irreführende Werbung gemäß Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 Kosmetik-VO uneingeschränkt einzustehen hat.
Nach Erwägungsgrund 51 Satz 1 der Kosmetik-Verordnung sollten die Verbraucher vor irreführenden Werbeaussagen über die Wirksamkeit und andere Eigenschaften kosmetischer Mittel geschützt werden. Dementsprechend ist nach Erwägungsgrund 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 das wichtigste Ziel der Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln, ein hohes Niveau an Schutz für die Endverbraucher, insbesondere vor irreführenden Aussagen in Bezug auf kosmetische Mittel, zu gewährleisten. Ein effektiver Schutz des Verbrauchers ist sichergestellt, wenn der Händler ohne Weiteres auf Unterlassung der Werbung mit einer irreführenden Aussage über die Wirkungen eines kosmetischen Mittels in Anspruch genommen werden kann. Hat - wie im Streitfall - der Hersteller die irreführende Werbung verfasst, haftet dieser zwar als verantwortliche Person (Art. 5 Abs. 1, Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1, Art. 25 Abs. 1 Buchst. i Kosmetik-VO). Der Schutz des Verbrauchers ist jedoch umso wirksamer, je umfassender die Prüfungspflichten des Händlers nach Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 KosmetikVO verstanden werden und je eher deshalb der Händler zusätzlich zum Hersteller für die Richtigkeit der Werbeaussage einzustehen hat (zu Art. 14 Abs. 1 und 2 Unterabs. 3 der Verordnung [EU] 2017/745 vgl. BGH, GRUR 2024, 227 [juris Rn. 41] - Trockenluftkompressor). Dem entspricht es, dass dem Händler nach dem "Blue Guide" (S. 41 unter 3.4) bei der Marktüberwachung eine Schlüsselrolle zukommt.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus (Art. 1 der Richtlinie 2005/29/EG) die Werbung eines Händlers mit einer irreführenden Angabe zu den Vorteilen eines Produkts gemäß Art. 5 Abs. 1 und 4 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG und den diese Bestimmungen in deutsches Recht umsetzenden Vorschriften der § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG eine verbotene unlautere Geschäftspraxis des Händlers darstellt, auch wenn er die Werbung vom Hersteller übernommen hat. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, warum der Schutz des Verbrauchers vor einer irreführenden Werbung des Händlers für ein kosmetisches Mittel nach Art. 20 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 3 der - einen besonderen Aspekt unlauterer Geschäftspraktiken regelnden - KosmetikVerordnung hinter seinem Schutz vor einer irreführenden Werbung des Händlers für ein sonstiges Produkt nach den allgemeinen Unlauterkeitstatbeständen der Richtlinie 2005/29/EG zurückbleiben sollte.
3. Die Vorlagefrage 1 ist entscheidungserheblich. Sollte die Beklagte nicht nach Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 Kosmetik-VO für die gegen Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO verstoßende Werbung einzustehen haben, haftet sie nach Ansicht des Senats für die irreführende Werbung nicht nach allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Grundsätzen.
Mit der Kosmetik-Verordnung werden nach ihrem Erwägungsgrund 4 die Rechtsvorschriften über kosmetische Mittel in der Union umfassend harmonisiert, um zu einem Binnenmarkt für kosmetische Mittel zu gelangen und zugleich ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten. Die vollharmonisierenden Vorschriften der Kosmetik-Verordnung regeln die Einstandspflicht des Händlers eines kosmetischen Mittels nach Auffassung des Senats abschließend. Es ist nicht erkennbar, dass der Unionsverordnungsgeber in Art. 4, 5 Abs. 1 sowie Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 Kosmetik-VO lediglich Mindestverantwortlichkeiten der an einer Werbung beteiligten Personen schaffen wollte. Dem steht entgegen, dass in der Kosmetik-Verordnung nicht nur die Verpflichtungen des Herstellers als "verantwortlicher Person" (Art. 5 Abs. 1, Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 Kosmetik-VO), sondern in ihren Art. 4 Abs. 6 und Art. 6 auch die Verantwortlichkeit und Verpflichtungen des Händlers im Einzelnen geregelt sind.
Nach Auffassung des Senats können die speziellen Bestimmungen der Art. 4 Abs. 6, Art. 6 Kosmetik-VO gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG nicht durch einen Rückgriff auf die damit gegebenenfalls kollidierenden allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Grundsätze zu einer irreführenden geschäftlichen Handlung des Händlers nach Art. 5 Abs. 1 und 4 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG (§ 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG) und seine danach möglicherweise uneingeschränkt bestehende Unterlassungspflicht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 UWG unterlaufen werden. Soweit nach Erwägungsgrund 51 Satz 1 und 2 der Kosmetik-Verordnung zum Schutz der Verbraucher vor irreführenden Werbeaussagen insbesondere die Richtlinie 2005/29/EG gilt (vgl. auch Erwägungsgrund 5 der Verordnung [EU] Nr. 655/2013), betrifft dies nach der Rechtsprechung des Senats Täuschungsgesichtspunkte, die nicht von Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO erfasst werden und hinsichtlich derer deshalb die allgemeinen Regelungen zur Irreführung nicht durch die speziellen Vorschriften des Kosmetikrechts verdrängt werden (vgl. BGH, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 41] - Tiegelgröße; vgl. auch Reinhart/Natterer aaO Art. 20 Rn. 19; Heidenreich, PharmR 2023, 205, 224 f.).
Etwas anderes könnte allerdings gelten, wenn die in Art. 6 Kosmetik-VO geregelten Verpflichtungen des Händlers seine Werbung mit einer vom Hersteller übernommenen Aussage nicht erfassen oder wenn Erwägungsgrund 51 Satz 2 der Kosmetik-Verordnung so zu verstehen sein sollte, dass bei Werbeaussagen über tatsächlich nicht vorhandene Funktionen eines kosmetischen Mittels die Richtlinie 2005/29/EG neben den Vorschriften der Kosmetik-Verordnung anwendbar ist. In diesem Fall läge eine Kollision im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG nicht vor. Dieser Klärung dient die Vorlagefrage 2.
Koch Schwonke Feddersen Schmaltz Wille Vorinstanzen: LG Düsseldorf, Entscheidung vom 10.10.2022 - 37 O 41/21 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.04.2024 - I-20 U 283/22 - Verkündet am: 18. Juni 2025 Hemminger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle