5 StR 225/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 225/24 (alt: 5 StR 133/23)
BESCHLUSS vom 2. Juli 2024 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ECLI:DE:BGH:2024:020724B5STR225.24.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Juli 2024 gemäß § 46 Abs. 1 StPO beschlossen:
Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 2. Oktober 2023 wird als unzulässig verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hatte den Angeklagten am 7. Dezember 2022 im ersten Rechtszug wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 290.800 Euro angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das Urteil betreffend die Tat 1 der Urteilsgründe im Straf- und im Einziehungsausspruch, soweit die Einziehung des Wertes von Taterträgen über einen 3.500 Euro hinausgehenden Betrag angeordnet worden war, mit den Feststellungen zum Weiterverkauf von vier Kilogramm Haschisch sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
Nun hat das Landgericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und elf Monaten verhängt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in gleicher Höhe angeordnet. Der Angeklagte hat hiergegen durch seinen früheren Wahlverteidiger form- und fristgerecht Revision eingelegt, diese aber nicht rechtzeitig begründet (§ 345 Abs. 1 StPO). Das Landgericht hat die Revision deshalb am
22. Januar 2024 gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen. Am 30. Januar 2024 hat der Angeklagte durch seinen neuen Verteidiger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung der Revision und – gestützt auf die Verletzung materiellen Rechts – Aufhebung des Urteils beantragt. Der Wiedereinsetzungsantrag bleibt ohne Erfolg.
I.
Der neue Wahlverteidiger des Angeklagten hat den fristgerecht bei dem Landgericht gestellten Antrag (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO) damit begründet, dass diesen kein Verschulden an der Fristsäumnis treffe, weil er seinen früheren Wahlverteidiger mit der Fristenkontrolle sowie der Einlegung und Begründung der Revision beauftragt habe. In dem Antrag ist folgendes Geschehen geschildert, dessen Richtigkeit der Verteidiger anwaltlich versichert hat:
Der frühere Wahlverteidiger habe absprachegemäß Revision gegen das Urteil eingelegt. Dieser habe den Angeklagten jedoch nicht „umfassend“ über die Notwendigkeit der Begründung der Revision und die Folgen einer Unterlassung derselben informiert. Er sei davon ausgegangen, dass sein Verteidiger „alles Notwendige und Sinnvolle in seinem Sinne absprachegemäß tun würde“. Aufgrund der Revisionseinlegung habe er darauf vertraut, dass das Rechtsmittel sach- und fachgerecht begründet werde. Erst durch den Verwerfungsbeschluss des Landgerichts vom 22. Januar 2024 habe er von der Unterlassung der Revisionsbegründung Kenntnis erlangt. Am 26. Januar 2024 habe der frühere Verteidiger telefonisch mitgeteilt, dass er diesen Beschluss soeben erhalten habe. Versuche des neuen Verteidigers, diesen am 30. Januar 2024 telefonisch zu erreichen, seien erfolglos geblieben. Eine Kanzleimitarbeiterin habe nicht sagen können, ob und gegebenenfalls wann der Verwerfungsbeschluss zugegangen sei.
II.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung der Revision ist unzulässig.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Wiedereinsetzungsgrund machen. Die erforderlichen Angaben sind, ebenso wie ihre Glaubhaftmachung, Voraussetzung der Zulässigkeit des Antrags. Ein Wiedereinsetzungsantrag muss daher unter konkreter Behauptung von Tatsachen so vollständig begründet und glaubhaft gemacht werden, dass ihm die unverschuldete Verhinderung des Antragstellers entnommen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2017 – 2 StR 129/17, NStZ-RR 2017, 285). Daran fehlt es hier.
Der Vortrag ist insofern widersprüchlich und belegt deshalb nicht, dass der Angeklagte ohne Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Denn einerseits ist ausgeführt, der Angeklagte habe seinen früheren Verteidiger mit der Begründung des Rechtsmittels beauftragt. Andererseits heißt es, er habe aufgrund der Revisionseinlegung seines Verteidigers bloß darauf vertraut, dass dieser das Rechtsmittel rechtzeitig begründen werde. Damit lässt sein Vortrag offen, ob er seinen Verteidiger überhaupt mit der Begründung des Rechtsmittels beauftragt hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145, 146).
Ungeachtet dessen hat er seinen Vortrag – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat – auch nicht glaubhaft gemacht (§ 45 Abs. 2 Satz 1 StPO). Zwar hat sein neuer Verteidiger diesen anwaltlich versichert. Dies genügt den Anforderungen an die Glaubhaftmachung unter den gegebenen Umständen nicht. Denn eine anwaltliche Erklärung kann mit Blick auf die Wahrheitspflicht nur dann ausreichen, wenn ihr hinreichend sicher zu entnehmen ist, dass das geschilderte Geschehen vollständig seiner eigenen Wahrnehmung unterlag (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2022 – 5 StR 454/21). Ob der Angeklagte seinen früheren Verteidiger mit der Revisionsbegründung beauftragt hat, kann sein neuer Verteidiger indes nicht aus eigener Wahrnehmung als richtig versichern, sondern nur, dass der Angeklagte ihm dies so geschildert hat. Die eigene Erklärung des Angeklagten ist aber kein den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes Mittel der Glaubhaftmachung (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2014 – 1 StR 74/14). Dass es ihm nicht möglich gewesen sei, eine entsprechende Erklärung seines damals mit der Sache befassten Verteidigers zu erlangen, hat er nicht vorgetragen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass dahingehende Bemühungen von vornherein aussichtslos gewesen sein könnten. Dem Vortrag ist im Gegenteil zu entnehmen, dass der Angeklagte innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO mit dem Verteidiger telefoniert, dabei aber lediglich den Eingang des – dem Angeklagten bereits vorliegenden – Verwerfungsbeschlusses thematisiert hat.
Nach alledem hat es mit dem die Revision nach § 346 Abs. 1 StPO verwerfenden Beschluss des Landgerichts sein Bewenden.
Gericke Mosbacher Köhler Resch von Häfen Vorinstanz: Landgericht Berlin, 02.10.2023 - (542 KLs) 279 Js 68/22 (15/23)