10 W (pat) 58/14
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 58/14 Verkündet am 12. März 2015
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 197 14 919
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BPatG 154 05.11
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hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Lischke sowie der Richter Dr.-Ing. Großmann, Dipl.-Ing. Richter und der Richterin Uhlmann beschlossen:
Der Beschluss der Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 5. März 2010 wird aufgehoben. Das Patent 197 14 919 wird widerrufen.
Gründe I.
Das Patent 197 14 919 mit der Bezeichnung „V-förmig gerippter Transmissionsriemen“ ist am 2. April 1997 unter Inanspruchnahme der japanischen Priorität vom 2. April 1996, Aktenzeichen 106302-96, angemeldet worden. Gegen die Patenterteilung, die am 28. August 2008 veröffentlicht worden ist, ist Einspruch eingelegt worden und das Patent mit Beschluss der Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 5. März 2010 aufrechterhalten worden. Laut Beschluss seien die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 12 ausreichend offenbart, neu gegenüber der D1 = EP 0 429 284 A2 und auch nicht ausgehend von der D1 in Kombination mit der D2 = US 3 616 832 oder anderen Druckschriften in ihrer Gesamtheit nahegelegt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 27. August 2010 eingegangene Beschwerde der Einsprechenden, welche die Patentfähigkeit als nicht gegeben sieht. So sei die vermeintliche Erfindung nicht ausreichend offenbart, um nacharbeitbar zu sein. Des Weiteren seien die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 12 nicht neu gegenüber der D1, zumindest gelange der Fachmann aber ausgehend von der D1, ggf. in Verbindung mit der D2, zwangsläufig zum beanspruchten Gegenstand bzw. Verfahren.
Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin hat sich hierzu nicht geäußert und ist auch entsprechend ihrer Fax-Mitteilung vom 5. März 2015 nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen.
Der Vertreter der Beschwerdeführerin und Einsprechenden stellt den Antrag,
den Beschluss der Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. März 2010 aufzuheben und das Patent 197 14 919 in vollem Umfang zu widerrufen.
Bei der Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin wird im Hinblick auf deren Interessenlage davon ausgegangen, dass von dieser sinngemäß beantragt ist,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Bei der vorliegenden Sachlage sind folgende im Verfahren befindliche Schriften entscheidungserheblich:
D1: EP 0 429 284 A2 D2: US 3 616 832 A Im Hinblick auf die Auslegung der Patentansprüche 1 und 12 ist von der Einsprechenden im Beschwerdeverfahren auch die Prioritätsschrift, die als P1: JP H9-273607 A veröffentlicht worden ist, herangezogen worden.
Das Patent betrifft nach dem erteilten Patentanspruch 1 einen
„Transmissionsriemen, enthaltend einen Körper (12) mit einer Länge, einer lnnenseite (16), einer Außenseite (18), in einem seitlichen Abstand voneinander angeordneten Seiten (20, 22) und mindestens einer Rippe (34), wobei der sich in Längsrichtung erstreckende Körper (12) weiterhin einen Kompressionsbereich (24), einen Zugspannungsbereich (26) und eine lasttragende Schnur (28) zwischen der lnnenseite (16) und der Außenseite (18), umfasst, wobei die lasttragende Schnur (28) gedrehte Polyesterfaserfilamente, die Ethylen-2,6-naphthalat aufweisen und eine Deniergröße von 4000-8000 besitzen, enthält, wobei die lasttragende Schnur (28) mit mindestens einer Epoxidverbindung und einer lsocyanatverbindung behandelt ist, wobei die Schnur (28) nach der Behandlung mit der mindestens einen Epoxidverbindung und der Isocyanatverbindung getrocknet, mit einer RFL-Lösung behandelt und nach der Behandlung bei einer kontrollierten Umgebungstemperatur gestreckt worden ist, wobei es einer Belastung von mindestens 500 N pro Rippe (34) bedarf, um eine Verlängerung des Riemens (10) um 3% zu bewirken, und wobei der Riemen (10) eine Trockenschrumpfungsbelastung zwischen 100 N und 200 N aufweist, nachdem der Riemen (10) mit einer Anfangsbelastung von 147 N belastet und bei einer Umgebungstemperatur von 100°C für 30 Minuten gehalten wurde.“
und nach dem erteilten Anspruch 12 ein
„Verfahren zur Herstellung eines Transmissionsriemens, wobei das Verfahren die folgenden Schritte umfasst: Zusammendrehen einer Vielzahl von Polyesterfaserfilamenten, enthaltend Ethylen-2,6-naphthalat, um so eine lasttragende Schnur (28) mit einer Deniergröße von 4000 - 8000 herzustellen; Behandlung der lasttragenden Schnur (28) mit mindestens einer Epoxidverbindung und einer lsocyanatverbindung; Trocknung der mindestens einen Epoxidverbindung und der einen lsocyanatverbindung und Behandlung der lasttragenden Schnur (28) mit einer RFL-Lösung; Streckung der Schnur (28), nachdem die Schnur (28) bei einer kontrollierten Umgebungstemperatur behandelt wurde; Einlassen der Schnur (28) in einen Körper (12); und Formung des Körpers (12), um so einen Transmissionsriemen (10) mit mindestens einer Rippe (34) herzustellen, wobei die Behandlungs- und Streckungsschritte so kontrolliert werden, dass es a) einer Belastung von mindestens 500 N pro Rippe (34) bedarf, um eine Streckung des Riemens (10) um 3% zu bewirken, und b) der Riemen (10) eine Trockenschrumpfungsbelastung zwischen 100 N und 200 N aufweist, nachdem der Riemen (10) mit einer Anfangsbelastung von 147 N belastet wurde und bei einer Umgebungstemperatur von 100°C für 30 Minuten gehalten wurde.“
Wegen der auf den Anspruch 1 bzw. 12 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 11 bzw. 13 bis 16 sowie zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß § 73 PatG zulässig. Auf den gemäß §§ 59 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG zulässig erhobenen Einspruch war das Streitpatent unter Aufhebung des angegriffenen Beschlusses zu widerrufen, da es nicht auf erfinderischer Tätigkeit gemäß §§ 1 Abs. 1, 4 PatG beruht.
1. Zum Patentgegenstand Das Patent betrifft gemäß Absatz 1 der Streitpatentschrift Transmissionsriemen mit einem kontrollierten Schlupfverhältnis. In der Patentschrift ist angegeben, dass es für diese Art von Riemen zur effizienten Kraftübertragung zu und von zusammenarbeitenden Teilen wichtig ist, ein relativ geringes Schlupfverhältnis zwischen dem Riemen und der zusammenwirkenden Riemenscheibe aufzuweisen, wobei das Schlupfverhältnis durch Erhöhung der Spannung des Riemens vermindert werden kann. Es wird auch erläutert, dass durch eine Erhöhung der Riemenspannung die Trockenschrumpfungsbelastung erhöht wird und das Trockenschrumpfungsverhältnis und die Schrumpfung im Laufe der Zeit ansteigen (Absätze 2 und 3).
Hiervon ausgehend wird in Absatz 4 die Aufgabe gestellt, die vorgenannten Probleme zu lösen und einen V-förmig gerippten Riemen mit einem relativ geringen Schlupfverhältnis und einer guten Lebenserwartung zur Verfügung zu stellen.
Gelöst wird diese Aufgabe durch einen Riemen mit den Merkmalen gemäß Anspruch 1 sowie dem Verfahren nach Anspruch 12, das die Herstellung eines derartigen Riemens betrifft.
In den Ansprüchen haben sich einige Punkte als auslegungsbedürftig erwiesen. So ist anzumerken, dass die lasttragende Schnur nicht alleinig aus Ethylen-2,6- naphthalat (nachfolgend „PEN“ genannt) bestehen muss, sondern durch die Formulierung „… enthält“ auch Mischfasern mit umfasst sind, die nur einen Anteil PEN, der sich von größer 0% bis 100% erstrecken kann, aufzuweisen brauchen.
Die durchgängig im Patent verwendete Formulierung für die Vorbehandlung mit „mindestens einer Epoxidverbindung und einer Isocyanatverbindung“ legt der Senat dahingehend aus, dass das Mittel zur Vorbehandlung neben einer Mischung von Isocyanat- und Epoxidverbindungen auch noch weitere Bestandteile aufweisen kann. Diese Auslegung führt weder zu Widersprüchen im Patent noch mit dem Fachwissen, da auch die Kombination beider Verbindungen praktikabel ist. Die von beiden Beteiligten angeregte Auslegung im Sinne einer „oder“-Verknüpfung der beiden Verbindungen ist im Hinblick auf eine unzulässige Erweiterung jedenfalls bedenklich und würde auch zu einer Erweiterung des Schutzbereichs führen. So ist zwar in Absatz 39 eine Isocyanatverbindung als alleiniges Mittel zur Vorbehandlung offenbart; der umgekehrte Fall, nämlich die Vorbehandlung nur mit einer Epoxidverbindung, ist jedoch an keiner Stelle der Streitpatentschrift angeführt.
Bezüglich der Tests der Trockenschrumpfungsbelastung ist es im Hinblick auf eine zum Patent kompatible Nacharbeit des Prüfverfahrens gemäß Absatz 52 bzw. für die Vergleichbarkeit der Ergebnisse erforderlich, die prioritätsbegründende Schrift P1 heranzuziehen, da diese noch den für die Ausführung des Prüfverfahrens notwendigen Hinweis enthält, dass sich die Riemenprobe auf fünf Schnüre bezieht (siehe Abs. 34 der P1, in engl. Maschinen-Übersetzung: „to prepare a measurement sample composed of five cordes“).
Bei der Anforderung, dass mindestens eine Belastung von 500 N pro Rippe für eine 3%-Streckung des Riemens erforderlich sein soll, ist schließlich zu beachten, dass sich dieser Wert in der Praxis zumindest aus einer Kombination der Parameter Dicke, Dehnverhalten sowie Anzahl der lasttragenden Schnüre pro Rippe ergibt, wobei das Dehnverhalten der Schnur wiederum vom verwendeten Fasermaterial, der Verdrillung sowie ihrer Behandlung abhängt. Als erfindungswesentlich wird jedoch in den Ansprüchen 12 bzw. 1 lediglich beansprucht, die Temperatur-Behandlung und Streckung der Schnur so zu kontrollieren, dass die Bedingungen für eine 3%-Streckung und die Trockenschrumpfungsbelastung erfüllt werden, wobei im Übrigen von einem Riemen bzw. einer lasttragenden Schnur mit entsprechend dem Anforderungsprofil geeigneten Eigenschaften ausgegangen wird (siehe hierzu auch die Ausführungen zur Ausführbarkeit unter Punkt II.3.).
Als Fachmann wird in Übereinstimmung mit dem Einspruchsbeschluss ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit ausgeprägten chemischen Kenntnissen in der Kunststofftechnik angesehen.
2. Der Gegenstand ist so ausreichend klar offenbart, dass ein Fachmann die Lehre des Patents ausführen kann.
Entsprechend der Lehre des Patents wird insbesondere gefordert, die Behandlungs- und Streckungsschritte der lasttragenden Schnur so zu kontrollieren, dass die Trockenschrumpfungsbelastung innerhalb eines festgelegten Bereichs liegt und für eine 3%-Dehnung des Riemens eine Belastung von mindestens 500 N pro Rippe erforderlich ist. Zur Lösung dieser aufgabenhaften Anspruchsformulierung wird dem Fachmann bereits in Anspruch 13 sowie in der Beschreibung des Ausführungsbeispiels in Absatz 29 eine Behandlungsmethode offenbart, mit der diese Anforderungen erfüllt werden können. Hierbei wird im vorliegenden Fall als unschädlich angesehen, dass der Fachmann bei der Nacharbeit handwerklich tätig werden muss, um nicht explizit im Patent offenbarte Ausgestaltungsmerkmale zu ergänzen. So erhält er bereits im Anspruch 1 bzw. 12 Angaben bzw. Anhaltswerte zur Feinheit der lasttragenden Schnur, die eine Deniergröße von 4000 bis 8000 aufweisen soll, sowie in Absatz 33 den Hinweis, über die Anzahl der Windungen den Modul des Riemens einzustellen. Mit diesen Angaben und seinem Fachwissen ist er in der Lage, ohne erfinderisches Bemühen Unvollständigkeiten bzw. fehlende Ausgestaltungsmerkmale zu ergänzen und mit Hilfe orientierender Versuche geeignete Riemenparameter zu ermitteln, ausgehend von denen dann in Verbindung mit dem patentgemäßen Behandlungsverfahren die beanspruchten Anforderungen erfüllt werden können (vgl. Schulte Patentgesetz, 9. Auflage, § 34 PatG, Rdn. 398 bis 404, BGH GRUR 2010, 916 – Klammernahtgerät).
3. Das Verfahren nach dem erteilten Anspruch 12 ist jedoch nicht patentfähig (§ 4 PatG)
3.1 Zwar ist das gewerblich anwendbare Verfahren nach Anspruch 12 gemäß § 3 Abs. 1 PatG neu.
Die D1 betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Transmissionsriemens (vgl. Titel und Figuren 1 und 2), wobei für die lasttragende Schnur verschiedene Polyesterfasern verwendet werden, die unter anderem einer speziellen Temperatur- und Streckbehandlung unterzogen werden. Dabei werden wesentliche Schritte des streitpatentgemäßen Verfahrens offenbart, was nachfolgend an Hand des Ausführungsbeispiels dargelegt wird (ab Seite 4, Zeile 47):
- Zusammendrehen einer Vielzahl von Polyesterfilamenten, um so eine lasttragende Schnur mit einer Deniergröße von 6000 bis 6600 zu bilden (Seite 4, Zeilen 47 bis 49 i. V. m. Seite 3, Zeile 52):
- Behandlung der lasttragenden Schnur mit einer Isocyanatverbindung (Seite 5, Zeile 15);
- Trocknung der vorgenannten Verbindung und Behandlung der lasttragenden Schnur mit einer RFL-Lösung (Seite 5, Zeile 15f.);
- Streckung der Schnur, nachdem die Schnur bei einer kontrollierten Umgebungstemperatur behandelt wurde (Seite 5, Zeilen 16 bis 18 i. V. m. Tabelle 2, Spalte “Treatment Conditions; Temperature“);
- Einlassen der Schnur in einen Körper (Figuren 1 und 2, Bezugszeichen 58, Seite 5, Z. 47 f.);
- Formung eines Körpers, um so einen Transmissionsriemen mit mindestens einer Rippe herzustellen (Figuren 1 und 2 i. V. m. Seite 5, Zeilen 47 f.),
- wobei die Behandlungs- und Streckungsschritte so kontrolliert werden, dass der Riemen gemäß der Tabelle 3 auf Seite 6 eine Trockenschrumpfungsbelastung zwischen 100 N und 200 N, konkret zwischen 120 N bzw. 0,37 g/d bei Probe 4 und 152 N bzw. 0,47 g/d bei Probe 2, aufweist, nachdem der Riemen mit einer Anfangsbelastung von 0,5 g/d, was einer Belastung von 162 N bei einer Deniergröße von 6600 entspricht, belastet wurde und bei einer Umgebungstemperatur von 100°C für 30 Minuten gehalten wurde (siehe Seite 6, Tabelle 3, Spalte „Belt shrinkage stress (g/d)“, i. V. m. Zeilen 45 bis 48).
Die zuletzt genannten Belastungswerte ergeben sich dabei direkt aus den auf die Deniergröße bezogenen Belastungen einer einzelnen Schnur in Tabelle 3, indem dieser Wert mit der zugehörigen Deniergröße, dem Faktor 9,81 (Umrechnung „kg“ in „N“) und dem Faktor 5 für die Anzahl der Schnüre/Probe multipliziert worden ist (s. a. diesbezügliche Ausführungen unter Punkt II.1.).
Im Ergebnis unterscheidet sich das Verfahren nach der D1 vom patentgemäßen Verfahren zunächst dadurch, dass gemäß Anspruch 12 die Polyesterfilamente ausdrücklich Polyethylen-2,6-naphthalat („PEN“) enthalten müssen und sich demgegenüber die D1 nur allgemein auf Polyester bezieht. Zwar gehört PEN ebenfalls der Gruppe der Polyester an, jedoch fehlt der unmittelbare Hinweis auf diese spezielle Polyesterart, so dass die Anforderung hinsichtlich einer eindeutigen, unmittelbaren Offenbarung dieses Merkmals nicht erfüllt ist (s. a. BGH GRUR 2009, 382 – Olanzapin). Als weitere Unterschiede fehlen der D1 die Merkmale der Vorbehandlung mit mindestens einer Epoxid- und, Isocyanatverbindung, die konkrete Anfangsbelastung von 147 N für die Tests der Trockenschrumpfungsbelastung sowie die Offenba- rung, dass bei einer lasttragenden Schnur, die PEN-Fasern enthält und einer patentgemäßen thermischen Streckfixierung unterzogen worden ist, für eine 3-prozentige Streckung eine Mindestbelastung von 500 N / Rippe erforderlich sein soll.
Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften weisen noch weitere Unterschiede zum anspruchsgemäßen Verfahren auf und wurden von der Einsprechenden auch nicht herangezogen.
3.2 Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 12 beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von § 4 PatG.
Bei der dem Streitpatent zugrundeliegenden Aufgabenstellung, einen V-förmig gerippten Riemen mit einem relativ geringen Schlupfverhältnis und einer guten Lebenserwartung zur Verfügung zu stellen, ist es für den Fachmann offenkundig, dass hierfür ein Riemen mit einer hohen Dimensionsstabilität sowohl im Betrieb als auch über die Lebensdauer erforderlich ist. So soll sich der Riemen während des Betriebs möglichst wenig längen, da der damit einhergehende Spannungsverlust zu einer Zunahme des Schlupfes führt. Eine geringe Längung bei einer hohen Spannung ergibt sich zum einen grundsätzlich aus einem „steifen“ Riemen mit einem hohen Modul, wobei patentgemäß eine Streckung des Riemens um 3% erst bei einer Kraft größer als 500 N pro Rippe bewirkt wird, zum anderen aus einem günstigen Dehnverhalten der lasttragenden Schnur bei höheren Temperaturen, wobei diese Eigenschaft durch eine entsprechende Behandlung beeinflusst und über die Trockenschrumpfungsbelastung beurteilt werden kann (vgl. Absatz 35 der Streitpatentschrift).
Als nächstkommende Schrift wird die bereits im Neuheitsvergleich behandelte D1 angesehen, der die vergleichbare Aufgabe zugrunde liegt, einen Riemen zu schaffen, der sich während des Betriebs nur minimal längt, über die Lebensdauer stabil bleibt und die vorteilhaften Eigenschaften von Polyesterfasern ausnutzt (Seite 2, Zeilen 45 bis 48). Gemäß der D1 wird dieses Ziel, einen optimalen Kom- promiss zwischen minimaler Ausdehnung im Betrieb und Dimensionsstabilität über die Lebensdauer zu schaffen, wie beim Streitpatent durch die Behandlung der lasttragenden, aus Polyesterfilamenten bestehenden Schnur erreicht (siehe Seite 4, Zeilen 34 bis 37). Dabei entspricht insbesondere das Behandlungsverfahren nach der D1, demnach die Schnur bei einer Temperatur 200° bis 250°C von -1 % bis 2% gestreckt wird (vgl. Seite 4, Zeile 6f. sowie Anspruch 3), im Wesentlichen dem bevorzugten Behandlungsverfahren gemäß Anspruch 13 des Streitpatents und führt bei der lasttragenden Schnur aus Polyesterfilamenten auch hinsichtlich der Trockenschrumpfungsbelastung zum selben Ergebnis (siehe Neuheitsvergleich unter II.4.1.). Hierbei ist vernachlässigbar, dass die Anfangsbelastung bei dem Testverfahren nach der D1, die bei den Testschnüren mit einer Deniergröße von 6600 bei 162 N liegt, geringfügig von dem patentgemäßen Festwert von 147 N abweicht, da auch bei einer Verschiebung um 15 N die anspruchsgemäßen Anforderungen noch erfüllt werden. (Hierzu ist anzumerken, dass sich der Festwert von 147 N in offensichtlicher Weise auch bei der D1 ergeben würde, wenn von einer Deniergröße von 6000 ausgegangen wird, die den Mittelwert des patentgemäßen Bereichs von 4000 bis 8000 darstellt.). Hinsichtlich der Vorbehandlung der lasttragenden Schnur haben beide Beteiligten zum Ausdruck gebracht, dass es im vorliegenden Fall unwesentlich ist, ob als Behandlungslösung eine Epoxid- oder eine Isocyanatverbindung verwendet wird, da im Stand der Technik beide geläufig sind; gleiches gilt auch für die patentgemäße Kombination von beiden Verbindungen, deren Auswahl ebenfalls im fachmännischen Ermessen liegt. Die D1 liefert allerdings keine Hinweise, welcher Polyestertyp für die lasttragende Schnur zu verwenden ist. Hierzu erhält der Fachmann jedoch aus der D2 die Anregung, Polyesterfilamente aus PEN vorzusehen, da dieser Polyestertyp für Treibriemen, wie z. B. in Figur 4 dargestellt, besonders geeignet ist. In diesem Zusammenhang wird auch in Spalte 1, Zeilen 31 bis 38, ausgeführt, dass bei Treibriemen die zur Verstärkung dienenden Fasern insbesondere einen hohen „Young-Modulus“ (entspricht dem E-Modul) sowie eine hohe Dimensionsstabilität aufweisen sollen und geeignete PEN-Fasern gerade diese Eigenschaften in Kombination aufweisen können (vgl. Spalte 6, Zeilen 51 bis 57). Aufgrund dieser Eigenschaften ist dem Fachmann im Hinblick auf die geforderte Dimensionsstabilität in Kombination mit einem hohen E-Modul bzw. Young-Modulus die Verwendung von PEN als Material für die lasttragende Schnur nach der D1 nahegelegt.
Durch die Verwendung von PEN-Fasern in der lasttragenden Schnur erhält der Fachmann somit zwangsläufig einen Riemen, der auf Grund des höheren E-Moduls der Schnur im Vergleich zu Riemen mit Schnüren aus anderen Polyesterfasern eine größere Steifigkeit aufweist. Damit sind auch höhere Belastungen erforderlich, um die gleiche Dehnung zu bewirken (siehe auch Figur 5 der D2, Vergleich von PEN zu PET), wobei sich das Dehnverhalten des Riemens insgesamt im Zusammenwirken mit anderen Parametern ergibt (siehe diesbezügliche Ausführungen unter Punkt II.1). Da der Fachmann üblicherweise zur Abstimmung der relevanten Parameter Versuche durchführen und hierbei diejenigen Parameterbereiche ermitteln wird, in denen der Riemen die geforderten Eigenschaften hinsichtlich Riemenlängung im Betrieb und Dimensionsstabilität über die Lebensdauer erfüllt, stellt die anspruchsgemäße Anforderung, dass 500 N pro Rippe erforderlich sein sollen, um eine 3%-Streckung zu bewirken, eine rein fachmännische Maßnahme dar. Damit kann auch dieses Merkmal keine erfinderische Tätigkeit begründen, zumal hierdurch auch keine besonderen Effekte oder Wirkungen zum Ausdruck gebracht werden, die über Bekanntes oder vorhersehbare Wirkungen hinausgehen. Abschließend ist hierzu noch anzumerken, dass gemäß Tabelle 5 des Streitpatents bereits bei Riemen mit Vergleichsschnüren aus PET 490 N pro Rippe für eine 3%-Streckung benötigt werden; da PEN im Vergleich zu PET bereits den 2,5-fachen E-Modul aufweist (vgl. D2, Spalte 8, Tabelle 1), ergäbe sich bei einem vollständigen Ersatz des PET durch PEN und ansonsten identischen Parametern für die 3%-Streckung ein deutlich über den geforderten Belastungswert von 500 N pro Rippe liegender Wert, nämlich theoretisch 1225 N pro Rippe.
Damit gelangt der Fachmann ausgehend vom Verfahren nach der D1 durch Heranziehung der D2 und seines Fachwissens in naheliegender Weise zum Verfahren nach Anspruch 12.
4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist ebenfalls nicht patentfähig.
Die D1 offenbart in den Figuren 1 und 2 jeweils einen Transmissionsriemen mit dem grundsätzlichen Aufbau bzw. den strukturellen Merkmalen nach Anspruch 1, d. h. einen Riemen mit mindestens einer Rippe, einem Kompressions- und einem Zugspannungsbereich und einer eingelagerten lasttragenden Schnur. Die hinsichtlich des Anspruchs 12 dargelegte Argumentation zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit lässt sich auch auf den Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. auf dessen weitere Merkmale übertragen und führt in entsprechender Weise zu demselben Ergebnis, nämlich dass der Gegenstand des Anspruchs 1 zwar neu ist, jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß § 4 PatG beruht.
5. Mit den nicht gewährbaren Ansprüchen 1 und 12 sind auch die jeweils hierauf rückbezogenen Unteransprüche nicht gewährbar (BGH GRUR 1997, 120 „Elektrisches Speicherheizgerät“ in Verbindung mit BGH GRUR 1980, 716, 718 „Schlackenbad“).
6. Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin hat von der ihr durch Anberaumung einer mündlichen Verhandlung eingeräumten Möglichkeit der Erörterung der Sach-und Rechtslage keinen Gebrauch gemacht und im Übrigen auf die Einspruchsbeschwerde der Einsprechenden nicht erwidert. Zudem hat sie auch trotz eines diesbezüglichen Hinweises im Ladungszusatz keinen Antrag gestellt. Über ihren Vortrag im Einspruchsverfahren hinaus hat sie damit nichts zur Patentfähigkeit ausgeführt, was den Senat hätte zu einem anderen Ergebnis gelangen lassen können.
Der Beschluss der Patentabteilung 12 war daher aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
III.
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass 1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4 . ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Dr. Lischke Dr. Großmann ist wegen Urlaub an der Unterschrift verhindert Dr. Lischke Richter Uhlmann prö