5 StR 105/25
BUNDESGERICHTSHOF StR 105/25 BESCHLUSS vom 5. Juni 2025 in der Strafsache gegen
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wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2025:050625B5STR105.25.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Juni 2025 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 sowie entsprechend § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten S.
und K. wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. September 2024 aufgehoben in den Einziehungsaussprüchen wie folgt:
a) hinsichtlich des Angeklagten S. , soweit die Einziehung von Taterträgen in Höhe von mehr als 11.400 Euro und des Wertes von Taterträgen in Höhe von mehr als 38.800 Euro angeordnet ist; b) hinsichtlich des Angeklagten K. , soweit die Einziehung des Wertes von Taterträgen (412.450 Euro) angeordnet ist, im Fall 7 der Urteilsgründe einschließlich der zugehörigen Feststellungen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Im Übrigen werden die Revisionen der Angeklagten S. und K. verworfen.
2. a) Die Revision des Angeklagten L. wird mit der Maßgabe verworfen, dass er wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von mehr als 60 Gramm Cannabis, mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis, wegen Besitzes von mehr als 60 Gramm Cannabis in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis sowie wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt ist.
b) Die Revision des Angeklagten R.
wird verworfen.
c) Die Angeklagten R.
und L.
ihrer Rechtsmittel zu tragen.
haben die Kosten Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: Den Angeklagten S. und – unter Freisprechung im Übrigen – den Angeklagten K. jeweils wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis, wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis in zwei Fällen (S. ) und in vier Fällen (K. ) sowie wegen Handeltreibens mit Cannabis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren (S. ) und acht Jahren (K. ); den Angeklagten R.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis und wegen Weitergabe von Cannabis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und den Angeklagten L.
wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen,
davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von mehr als 60 Gramm Cannabis und mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Besitzes von mehr als 60 Gramm Cannabis in Tateinheit mit Beilhilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis sowie wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten.
Gegen die Angeklagten S. , K. und R.
hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen ihre Verurteilungen mit jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweisen sie sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Schuldsprüche betreffend die Angeklagten S. , K. und R. halten rechtlicher Nachprüfung stand.
Das gilt auch, soweit das Landgericht den Angeklagten K. im Fall 5 der Urteilsgründe wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 3 KCanG) verurteilt hat. In der Gesamtschau der zu dieser Tat getroffenen Feststellungen beruht die Annahme des Landgerichts, dass es sich um eine Bandentat handelt, auf möglichen Schlüssen.
Das Landgericht hat zu dieser Tat festgestellt, dass der Angeklagte kurz vor dem 21. August 2023 von einer in B.
ansässigen Kontaktperson („B. “)
auf Kommissionsbasis 17 kg Marihuana (Wirkstoffgehalt mindestens
1.360 g THC) erwarb. Am 21. August 2023 übergab er den Kaufpreis an einen Kurierfahrer des belgischen Lieferanten auf dem Parkplatz „B. -C. “ in H. . Zu diesem Zeitpunkt war das Marihuana bereits vollständig verkauft.
Eine Beteiligung des Angeklagten S.
an dieser Tat, obwohl naheliegend,
hat die Strafkammer nicht feststellen können.
Das Landgericht hat die Annahme einer Bandentat rechtsfehlerfrei darauf gestützt, dass die Übergabe des Kaufpreises auf dem von den Bandenmitgliedern immer wieder – so auch im Fall 11 der Urteilsgründe (UA S. 26, 96) und schon vor dem hier relevanten Tatzeitraum (UA S. 151) – für Treffen mit Abnehmern und Lieferanten aufgesuchten Parkplatz „B. -C. “ (UA S. 17, 96) stattfand. Dieser Ort befand sich nach den Feststellungen unweit der von der Bande ab 21. August 2023 als Drogenbunker genutzten Wohnung des „B. B. “ (UA S. 16, 26). Dass die Strafkammer im Fall 6 der Urteilsgründe demgegenüber zugunsten des Angeklagten keine Bandentat angenommen hat, steht dazu nicht in Widerspruch. Denn insoweit war für sie maßgeblich, dass der Angeklagte das Marihuana „bei sich zu Hause“ oder an einem anderen unbekannten, nicht von der Bande genutzten Bunkerort vorrätig hielt und daher die Infrastruktur der Gruppierung nicht nutzte (UA S. 166). Hier (Fall 5 der Urteilsgründe) liegt es indes anders, zumal da die Strafkammer zusätzlich festgestellt hat, dass das Marihuana, ebenso wie bei der Bandentat im Fall 7 der Urteilsgründe, von dem in Belgien ansässigen „B. “ bezogen wurde, mithin von einem mit der Bande kooperierenden Lieferanten.
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2. Hinsichtlich des Angeklagten L.
bedarf der Schuldspruch im Fall 11 der Urteilsgründe, wie in den schriftlichen Gründen des Urteils ausgeführt,
der Korrektur. Der Angeklagte ist insoweit zusätzlich wegen tateinheitlicher Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis zu verurteilen. Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2025 – 2 StR 651/24 Rn. 9 mwN). Gleiches gilt für die Vorschrift des § 265 StPO, weil der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
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3. Die Einziehungsentscheidungen gegen die Angeklagten S.
und K. weisen Rechtsfehler zu deren Lasten auf und haben nur teilweise Bestand.
a) Angeklagter S.
aa) Die Anordnung der Einziehung des aus den abgeurteilten Straftaten herrührenden Bargeldes in Höhe von 11.700 Euro gemäß § 73 Abs. 1 StGB kann nur in Höhe von 11.400 Euro bestehen bleiben. Nach den Urteilsgründen waren bei dem Angeklagten anlässlich von Durchsuchungsmaßnahmen in Anschluss an die Tat im Fall 11 der Urteilsgründe Bargeldbeträge von 900 Euro und von 10.500 Euro gefunden worden (UA S. 33).
bb) Die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB in Höhe von insgesamt 296.700 Euro hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung zu einem großen Teil nicht stand.
Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte über die Taterlöse in den Fällen 1, 3, 4, 8, 10 und 11 der Urteilsgründe die tatsächliche Verfügungsgewalt auszuüben „vermochte“ (insgesamt 296.700 Euro). Diese Wertung wird von den getroffenen Feststellungen nur im Fall 1 getragen, wonach der Angeklagte den Veräußerungserlös in Höhe von 50.500 Euro „verwahrte“.
In den verbleibenden Fällen hat die Strafkammer lediglich festgestellt,
dass „die Angeklagten S.
und K. “ Erlöse von mindestens 75.000 Euro
(Fall 3), 20.000 Euro (Fall 4), 20.000 Euro (Fall 10) und 124.600 Euro (Fall 11) „erzielten“ oder (Fall 8) der „Tätergruppierung“ mindestens 18.000 Euro „zuflossen“. Der letztgenannte Fall wird im Rahmen der Beweiswürdigung dahingehend konkretisiert, dass der Angeklagte K. aus dem Verkauf des Haschisch
18.000 Euro vereinnahmte.
Die Strafkammer hat insoweit nicht bedacht, dass allein die mittäterschaftliche Tatbeteiligung des Angeklagten die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Verkaufserlöse und damit ein Erlangen im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB nicht begründet. Einem Tatbeteiligten kann ein Teil oder die Gesamtheit des aus der Tat Erlangten nur dann zugerechnet werden, wenn sich die Beteiligten einig sind, dass ihm Mitverfügungsgewalt hierüber zukommen soll, und er eine solche auch tatsächlich hatte, wobei eine zumindest faktische oder wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über den Vermögensgegenstand ausreicht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen konnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. April 2024 – 5 StR 4/24 Rn. 20; vom 6. Juli 2021 – 2 StR 3/20 Rn. 3).
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich in den Fällen 3, 4, 8, 10 und 11 nicht, auf welchen konkreten Taterlös der Angeklagte selbst ungehinderten Zugriff im Sinne eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses hatte. Soweit das Landgericht einzelne Verkaufstätigkeiten festgestellt hat, wurden diese überwiegend von anderen Tatbeteiligten ausgeführt. Im Fall 3 hat der Angeklagte zwar eine Teilmenge von 12 kg des gehandelten Marihuanas (insgesamt 25 kg) eigenhändig verkauft. Zu einem Erlangen von Verkaufserlösen durch ihn oder zu einer Weiterleitung von Einnahmen an ihn gibt es aber keine Feststellungen.
cc) Der Senat hebt die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 257.900 Euro auf. Er folgt damit dem Antrag des Generalbundesanwalts und lässt die Einziehungsentscheidung (nur) in Höhe von 38.800 Euro bestehen. Dieser Betrag ergibt sich nach Abzug des vom Landgericht gemäß § 73 Abs. 1 StGB als Taterlös eingezogenen Bargeldes (11.700 Euro) von dem im Fall 1 der Urteilsgründe festgestellten Veräußerungserlös in Höhe von 50.500 Euro. Hinsichtlich der tatsächlichen Höhe des sichergestellten Bargeldes, soweit sie den Betrag von 11.400 Euro übersteigt, wird das neue Tatgericht ergänzende Feststellungen zu treffen haben (Ziffer 3.a)aa).
b) Angeklagter K.
Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB ist insgesamt aufzuheben.
Grundlage der Einziehungsentscheidung in Höhe von 412.450 Euro sind festgestellte Einnahmen der Bande aus dem Drogenverkauf in den Fällen 1, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 10 und 11 der Urteilsgründe in Höhe von 50.500 Euro, 75.000 Euro, 20.000 Euro, 51.000 Euro, 84.000 Euro, 100.000 Euro, 18.000 Euro, 20.000 Euro und 124.800 Euro, insgesamt 543.100 Euro. Hiervon hat das Landgericht einen Betrag in Höhe des beim Angeklagten sichergestellten und gemäß § 73 Abs. 1 StGB eingezogenen Bargeldes von 130.650 Euro, welches aus den verfahrensgegenständlichen Taten herrührt, abgezogen.
Diesen Angeklagten betreffend ist aber nur in den Fällen 5 und 8 und zum Teil im Fall 6 ein Erlangen von Taterlösen im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB festgestellt. Danach hatte der Angeklagte im Fall 5 den vereinbarten Kaufpreis (45.250 Euro) an den Kurier des Lieferanten übergeben, nachdem er das auf Kommissionsbasis erworbene Marihuana zum Preis von insgesamt 51.000 Euro veräußert hatte, mithin über den Verkaufserlös verfügte. Im Fall 6 lässt sich die tatsächliche Verfügungsgewalt des Angeklagten über einen Teilbetrag in Höhe von 24.000 Euro jedenfalls der im Urteil mitgeteilten, von der Strafkammer als glaubhaft erachteten Einlassung des Angeklagten entnehmen, wonach er 8 kg Marihuana zum Einkaufspreis weiterverkauft habe, so dass er später dem Verkäufer den noch offenen Kaufpreis habe übergeben können. Der festgestellte Kilogrammpreis von mindestens 3.000 Euro beruht auf einer rechtsfehlerfreien Schätzung der Strafkammer. Dass der Angeklagte im Fall 8 durch den (später rückabgewickelten) Verkauf von 10 kg Haschisch einen Erlös von 18.000 Euro tatsächlich vereinnahmt hat, ergibt sich ebenfalls aus der Einlassung des Angeklagten und dem Inhalt der im Urteil mitgeteilten Chats.
In den Fällen 1, 3, 4, 6 (in Höhe weiterer 60.000 Euro), 10 und 11 ist es nach dem Urteilsinhalt zum Abverkauf der gehandelten Rauschmittel gekommen. Jedoch hat das Landgericht nicht festgestellt, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Angeklagte hieraus Erlöse im Sinne einer tatsächlichen Verfügungsgewalt erlangt hat. Dies lässt sich auch der Gesamtschau der Urteilsgründe nicht entnehmen. Danach haben im Fall 1 lediglich der Angeklagte S.
den Verkaufserlös in Höhe von 50.500 Euro „verwahrt“ und „die Angeklagten S.
und K. “ (Fälle 3, 4, 10 und 11) die jeweils ermittelten Verkaufserlöse „erzielt“. Dies erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 StGB. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen betreffend den Angeklagten S.
verwiesen (Ziffer 3.a)bb).
Im Fall 7 hat das Landgericht zwar festgestellt, dass der Angeklagte 5 kg Kokaingemenge zügig an unbekannte Abnehmer zum Preis von mindestens 20.000 Euro gewinnbringend veräußerte und hierdurch einen Erlös von 100.000 Euro erzielte. Diese Feststellungen sind aber nicht beweiswürdigend unterlegt. Nach dem Inhalt der im Urteil mitgeteilten Kommunikation mit dem Verkäufer wollte der Angeklagte den Kaufpreis für das erworbene Kokain erst nach dessen Verkauf persönlich dem Verkäufer überbringen. Dass es zu einer solchen Geldübergabe kam, ist nicht ersichtlich.
Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen hat damit insgesamt keinen Bestand. Das vom Landgericht rechtsfehlerfrei als Taterlös gemäß § 73 Abs. 1 StGB eingezogene, beim Angeklagten aufgefundene Bargeld in Höhe von 130.650 Euro, welches aus den verfahrensgegenständlichen Taten herrührte, übersteigt den Betrag der in den Fällen 5, 8 und (teilweise) 6 rechtsfehlerfrei festgestellten Taterträge in Höhe von 93.000 Euro, so dass kein Raum für eine teilweise Aufrechterhaltung der Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB verbleibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2023 – 6 StR 500/22 Rn. 24; vom 16. März 2021 – 4 StR 22/21).
c) Im Umfang der Aufhebung muss über die Einziehung neu verhandelt und entschieden werden. Der Aufhebung von zugehörigen Feststellungen bedarf es nur im Fall 7 der Urteilsgründe. Im Übrigen sind die Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen worden und können durch ihnen nicht widersprechende Feststellungen ergänzt werden.
VRi’inBGH Cirener ist urlaubsbedingt gehindert zu unterschreiben.
Gericke Resch Gericke Mosbacher Werner Vorinstanz: Landgericht Hamburg, 13.09.2024 - 612 KLs 2/24 6200 Js 10/23