7 Ni 6/14 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 6/14 (EP) (Aktenzeichen)
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IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am
27. März 2014 …
In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05
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betreffend das europäische Patent 0 844 402 (DE 597 01 214)
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, des Richters Dipl.-Ing. Küest, der Richterin Kortge sowie der Richter Dr.-Ing. Großmann und Dipl.-Ing. Univ. Richter für Recht erkannt:
1. Das europäische Patent 0 844 402 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass a) dem Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 1 angefügt wird: „, und wobei der Schlagbolzen (5) mit Wulsten (6) versehen ist, derart, dass er nach dem Einführen im Tellerbereich klemmend festgehalten ist“
b) und sich die Patentansprüche 2 bis 5 bei unverändertem Wortlaut auf die geänderte Fassung des Patentanspruchs 1 rückbeziehen.
2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 2/3, die Beklagte 1/3.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents EP 0 844 402 (Streitpatent), das auf eine Anmeldung vom 25. Oktober 1997 zurückgeht und unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Voranmeldung DE 19648823 vom 26. November 1996 in deutscher Verfahrenssprache mit der Bezeichnung „Dämmstoffhalter“ u. a. mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt worden ist. Es wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 597 01 214.8 geführt und umfasst fünf Ansprüche, die alle mit der vorliegenden Klage angegriffen werden. Die Ansprüche 2 bis 5 sind jeweils unmittelbar auf den Hauptanspruch 1 zurückbezogen.
Patentanspruch 1 hat in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut:
1. Dämmstoffhalter mit einem Halteteller⃰ (2) und einem die Dämmstoffplatte (27) durchdringenden Hohlschaft (13), an den sich ein geschlitzter Spreizbereich (12) anschließt, der durch Eintreiben eines Spreiznagels (3) zur Verankerung des Dämmstoffhalters in einem Bohrloch eines Mauerwerks aufspreizbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Spreiznagel (3) aus Stahl besteht und mit einem Schlagbolzen (5) aus Kunststoff in den Spreizbereich (12) des Dämmstoffhalters eintreibbar ist, wobei der Schlagbolzen (5) in dem Hohlschaft (13) klemmend in der Weise eingesetzt ist, dass der Überstand des Schlagbolzens (5) über den Halteteller (2) der Länge des Spreizbereichs (12) des Dämmstoffhalters entspricht.
⃰ In der Streitpatentschrift wörtlich „Halterteller“; dabei handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler.
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 844 402 B1 Bezug genommen.
Die Klägerin macht den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a)) geltend. Sie beruft sich auf folgenden Stand der Technik:
NK3 NK4a bis NK4i NK5, NK5a NK6 NK7 NK8 NK9 NK10 NK11 NK12 NK13 NK14 NK15 NK16 DE 195 39 041 A1; Korrespondenz zur angeblichen offenkundigen Vorbenutzung des sog. THIHA-Dübels; Fotos und Zeichnungen des angeblich vorbenutzten THIHA-Dübels; EP 0 042 573 A2; US 3,765,295; DT 25 47 018 A1; DE 33 18 800 A1; DE 39 07 034 A1; EP 0 420 799 A2; DE 92 06 380 U1; deutsche Offenlegungsschrift 1 919 225; EP 0 074 469 A1; DE 26 07 338 C2; weiteres Anlagenkonvolut zur angeblichen Vorbenutzung des THIHA-Dübels.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 0 844 402 für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung der Ansprüche 1 bis 5 gemäß Hauptantrag, hilfsweise die Fassung der Ansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 1, weiter hilfsweise die Fassung der Ansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 2, weiter hilfsweise die Fassung der Ansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag 3 (sämtliche Anspruchsfassungen eingereicht mit Schriftsatz vom 26. September 2012) erhält.
In der Fassung des Hauptantrags ist der Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 1 - bei unverändertem Wortlaut der Ansprüche 2 bis 5 - wie folgt ergänzt (Ergänzung durch Unterstreichung kenntlich gemacht):
1. Dämmstoffhalter mit einem Halteteller (2) und einem die Dämmstoffplatte (27) durchdringenden Hohlschaft (13), an den sich ein geschlitzter Spreizbereich (12) anschließt, der durch Eintreiben eines Spreiznagels (3) zur Verankerung des Dämmstoffhalters in einem Bohrloch eines Mauerwerks aufspreizbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Spreiznagel (3) aus Stahl besteht und mit einem Schlagbolzen (5) aus Kunststoff in den Spreizbereich (12) des Dämmstoffhalters eintreibbar ist, wobei der Schlagbolzen (5) in dem Hohlschaft (13) klemmend in der Weise eingesetzt ist, dass der Überstand des Schlagbolzens (5) über den Halteteller (2) der Länge des Spreizbereichs (12) des Dämmstoffhalters entspricht, und wobei der Schlagbolzen (5) mit Wulsten (6) versehen ist, derart, dass er nach dem Einführen im Tellerbereich klemmend festgehalten ist.
Wegen des Wortlauts der Hilfsanträge 1 bis 3 wird auf Bl. 100 bis 102 der Gerichtsakte verwiesen.
Die Klägerin ist von der Beklagten wegen angeblicher Verletzung des Streitpatents vor dem Landgericht Düsseldorf verklagt worden (Az. 4c O 17/13), wobei diese Patentverletzungsklage auf eine dem vorliegenden Hauptantrag entsprechende eingeschränkte Fassung des Streitpatents gestützt ist. Das Landgericht hat diesen Rechtsstreit bis zu einer Entscheidung des vorliegenden Nichtigkeitsverfahrens mit Beschluss vom 24. Oktober 2013 ausgesetzt.
Das gemäß Hauptantrag der Beklagten neu hinzugekommene Merkmal ist nach Meinung der Klägerin ursprünglich nicht offenbart. Durch dieses Merkmal werde der Anspruch zudem unklar. Im Übrigen vertritt sie die Auffassung, der Gegenstand des Anspruchs 1 in der Fassung des Hauptantrags der Beklagten sei nicht neu gegenüber der älteren (nachveröffentlichten) Schrift NK3 und gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung des THIHA-Dübels gemäß Anlagen NK4a bis NK4i, NK5, NK5a sowie NK16.
Die Anmelderin der Offenlegungsschrift NK3, die Fa. T… GmbH, habe einen dem Gegenstand der NK3 entsprechenden Dübel vor dem Prioritätstag des Streitpatents entwickelt, von der B… GmbH fertigen und von der Fa. E… GmbH vertreiben lassen. Die Fa. Z… GmbH & Co. KG habe ein Muster des Dübels samt einem Begleitschreiben mit technischen Erläuterungen erhalten (Anlagen NK4i, NK4h). Später seien das Muster und das Schreiben an einen Mitarbeiter der Klägerin weitergegeben worden. Der in den Fotos der Anlage NK5 und in den Zeichnungen der Anlage NK5a dargestellte THIHA-Dübel sei vor dem Prioritätstag durch Lieferung an die Firmen r… GmbH (Anlage NK4g), S… GmbH und H… GmbH & Co. (Anlagen NK16.10, NK16.11) offenkundig geworden. In der Produktionsphase seien an dem Dübel nur noch kleine, im vorliegenden Zusammenhang unwesentliche Änderungen vorgenommen worden. Zum Nachweis dieser Vorgänge bietet die Klägerin die Herren E1… (Mitarbeiter der Fa. T…, in NK3 als Erfinder genannt),
W… (Mitarbeiter der Fa. Z…) und S1… (Mitarbeiter der Klägerin) als Zeugen an. Die Klägerin ist ferner der Ansicht, der Gegenstand des mit dem Hauptantrag verteidigten Anspruchs 1 sei dem Fachmann am Prioritätstag auf Grund des vorbenutzten THIHA-Dübels nahe gelegt gewesen. Auch unter Berücksichtigung der Schriften NK8 bis NK13 habe der Fachmann mit Hilfe seines Fachwissens zu dem genannten Anspruchsgegenstand gelangen können.
Die Beklagte bestreitet die behauptete offenkundige Vorbenutzung und hält den Gegenstand des Anspruchs 1 in der Fassung ihres Hauptantrags, zumindest aber in der Fassung eines ihrer Hilfsanträge, gegenüber sämtlichen Angriffen für bestandsfähig.
Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 27. November 2013 einen frühen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG übersandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien mit sämtlichen Anlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe I.
Die Klage ist zulässig, sie hat aber nur teilweise Erfolg. Das Streitpatent ist ohne Sachprüfung insoweit für nichtig zu erklären, als es über die von der Beklagten in zulässiger Weise nur noch beschränkt verteidigte Fassung hinausgeht (Schulte/Voit, PatG, 9. Aufl., § 81 Rn. 127). Im Übrigen erweist sich die Klage als unbegründet, weshalb sie insoweit nach Maßgabe des Hauptantrags der Beklagten abzuweisen ist.
1. Die patentierte Erfindung betrifft einen Dämmstoffhalter mit einem Halteteller. Dabei geht das Streitpatent (Beschreibung Absatz 2) von einem Stand der Technik gemäß dem Patent EP 0 042 573 A2 (= NK6) aus. Daraus sei ein Dämmstoffhalter mit einem Hohlschaft bekannt, der an seinem äußeren Ende einen flachen Halteteller und an seinem inneren Ende einen geschlitzten Spreizbereich aufweise. Zur Befestigung einer Dämmstoffplatte werde der Dämmstoffhalter in ein vorbereitetes Bohrloch eingeschoben. Danach werde ein Kunststoffnagel in den Hohlschaft soweit eingetrieben, bis ein am Kunststoffnagel angeordneter Bund am Halteteller aufsitze. Vorher könne in Abhängigkeit von dem Material der Tragschale durch Abbrechen eines Teilstückes des Nagels an einer Sollbruchstelle eine Anpassung der Nagellänge durchgeführt werden.
Durch Überwinden der durch den Bund am Nagel sich ergebenden Einschlagsperre werde der Dämmstoffhalter in Richtung Tragschale geschoben und dabei die Dämmstoffplatte mit dem Halteteller verspannt. Gleichzeitig dringe der Kunststoffnagel in den Spreizbereich ein und weite diesen zur Verankerung des Dämmstoffhalters in der Tragschale auf. Die Verwendung eines Kunststoffnagels bei dem bekannten Dämmstoffhalter habe zwar den Vorteil, dass keine Kältebrücke entstehe, allerdings sei der bekannte Dämmstoffhalter nur für untergeordnete Befestigungen geeignet, da der Kunststoffnagel nur geringe Spreizkräfte ermögliche. Obwohl eine Anpassung der Länge des Kunststoffnagels in Abhängigkeit vom Material des Ankergrunds möglich sei, könne dennoch auf Grund der dem Dämmstoffhalter entsprechenden Gesamtlänge des Nagels bei dessen Eintreiben in den Spreizbereich eine Stauchung auftreten, die den Kunststoffnagel beschädige und ein vollständiges Eintreiben unmöglich mache.
Bei dem aus der US 3 765 295 A (= NK7) bekannten Befestigungselement sei (laut Beschreibung Absatz 3) der aus Kunststoff bestehende Spreiznagel im Bereich des Haltetellers im Hohlschaft in der Weise festgesetzt, dass die überstehende Länge des Spreiznagels zum vollständigen Eintreiben des Spreiznagels ausreiche. Da der Spreiznagel zur ordnungsgemäßen Verankerung des Befestigungselements dessen Gesamtlänge entsprechen müsse, ergebe sich demzufolge ein annähernd der Länge des Befestigungselementes entsprechender Überstand des Spreiznagels. Abgesehen davon, dass auf Grund der höheren Reibung zwischen einem aus Kunststoff bestehenden Spreiznagel und dem ebenfalls aus Kunststoff bestehenden Befestigungselement zum Eintreiben eine höhere Schlagenergie erforderlich sei, bestehe zusätzlich durch den erforderlichen größeren Überstand die Gefahr des Abknickens des Spreiznagels. Im Hinblick darauf könne das bekannte Befestigungselement nur bei geringen Klemmdicken des zu befestigenden Gegenstandes verwendet werden. Ferner sei auf Grund der begrenzten Übertragung von Schlagenergie das Befestigungselement nur für untergeordnete Befestigungen einsetzbar, bei denen nur geringe Haltewerte benötigt würden.
Der Erfindung liege daher die Aufgabe zu Grunde, einen Dämmstoffhalter zu schaffen, der unabhängig vom Material der Tragschale und der Dicke der zu befestigenden Dämmstoffplatten einfach und problemlos zu montieren sei, keine Kältebrücke bilde und eine kontrollierte Verankerung des Dämmstoffhalters mit hohen Haltewerten in der Tragschale ermögliche (Beschreibung Absatz 4).
2. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Patentanspruch 1 in der von der Beklagten mit Hauptantrag verteidigten Fassung einen Dämmstoffhalter mit folgenden Merkmalen vor:
a) Dämmstoffhalter mit einem Halteteller (2) b) und einem die Dämmstoffplatte (27) durchdringenden Hohlschaft
(13), c) an den sich ein geschlitzter Spreizbereich (12) anschließt, der durch Eintreiben eines Spreiznagels (3) zur Verankerung des Dämmstoffhalters in einem Bohrloch eines Mauerwerks aufspreizbar ist, d) der Spreiznagel (3) besteht aus Stahl, e) der Spreiznagel (3) ist mit einem Schlagbolzen (5) aus Kunststoff in den Spreizbereich (12) des Dämmstoffhalters eintreibbar, f) wobei der Schlagbolzen (5) in dem Hohlschaft (13) klemmend in der Weise eingesetzt ist, dass der Überstand des Schlagbolzens (5) über den Halteteller (2) der Länge des Spreizbereichs (12) des Dämmstoffhalters entspricht,
g) wobei der Schlagbolzen (5) mit Wulsten (6) versehen ist, derart, dass er nach dem Einführen im Tellerbereich klemmend festgehalten ist.
3. Zuständiger Durchschnittsfachmann auf dem vorliegenden Gebiet ist nach Meinung des Senats ein Ingenieur (FH) der Fachrichtung Bauingenieurwesen oder Maschinenbau, der über Erfahrung auf dem Gebiet der Befestigungstechnik verfügt. Dieser Fachmann wird bei der Auslegung des Streitpatents von folgendem Verständnis ausgehen:
a) Dem Wortlaut des mit Hauptantrag verteidigten Anspruchs 1 ist zu entnehmen, dass Gegenstand dieses Anspruchs zunächst ein Dämmstoffhalter ist, der aus einem Halteteller, einem Hohlschaft und einem Spreizbereich besteht (Merkmale a) bis c)), und der so konstruiert ist, dass ein aus Stahl bestehender Spreiznagel mit einem Schlagbolzen aus Kunststoff in den Spreizbereich eintreibbar ist (Merkmale c) bis e)). Nach der Anspruchsformulierung könnte zweifelhaft erscheinen, ob der stählerne Spreiznagel und der gemäß den Merkmalen f) und g) ausgestaltete Schlagbolzen als solche ebenfalls zum Schutzgegenstand zu rechnen sind. Wäre dies nicht der Fall, könnte allerdings die erfindungsgemäße Aufgabe, nämlich die Schaffung einer kontrollierten Verankerung des Dämmstoffhalters in der Tragschale, nicht gelöst werden. Seine Halter-Funktion kann der Dämmstoffhalter nur im Zusammenwirken mit dem Spreiznagel und dem Schlagbolzen (jeweils versehen mit den patentgemäßen Merkmalen) ausüben, weshalb der Patentanspruch so zu interpretieren ist, dass sein Gegenstand zusätzlich zu dem eigentlichen, vorzugsweise aus Kunststoff hergestellten (Streitpatentschrift, Beschreibung Spalte 3, Zeilen 18 f.) Dämmstoffhalter auch den stählernen Nagel und den Schlagbolzen aus Kunststoff umfasst.
b) Der in Merkmal a) genannte Halteteller (d. h. der Teil des Dämmstoffhalters, der nach dem Eintreiben des Dübels in das Bohrloch auf dem Isoliermaterial aufliegt, siehe Streitpatentschrift, Beschreibung Spalte 2, Zeilen 20 f.) und der gemäß Merkmal b) die Dämmstoffplatte durchdringende Hohlschaft sind in räumlicher Hinsicht nicht in der Weise voneinander abgegrenzt, dass sich der Hohlschaft ausschließlich außerhalb des Bereichs des Haltetellers bzw. - nach der Montage ausschließlich im Bereich der Dämmstoffplatte befinden würde. Bei Betrachtung der Figur 1 der Streitpatentschrift ist dem Fachmann im Zusammenhang mit dem Merkmal f) klar, dass der Schlagbolzen in dem Hohlschaft klemmend eingesetzt ist, und zwar im Bereich des Haltetellers. Der Hohlschaft muss sich durch den Halteteller hindurch erstrecken, weil sonst ein klemmendes Einsetzen des Schlagbolzens nicht möglich wäre.
c) Unter einem „Wulst“ i. S. d. Merkmals g) ist eine in Umfangsrichtung längliche Erhebung zu verstehen. Dieses dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechende Verständnis (vgl. etwa den von der Beklagten als Anlage NB7 vorgelegten Auszug aus Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Ausgabe 1986, S. 1447: Wulst = längliche Verdickung, länglicher Auswuchs, und das als Anlage NB8 vorgelegte Duden-online-Ergebnis: Wulst = längliche, gerundete Verdickung) wird durch die Figur 2 der Streitpatentschrift gestützt. Aus dieser Querschnittszeichnung ist zu erkennen, dass der Schlagbolzen in Umfangsrichtung von länglichen Erhebungen mit zwei axial gerichteten Unterbrechungen (Beschreibung Spalte 3, Zeilen 35 bis 37) umgeben ist.
d) Gemäß Merkmal g) ist der Schlagbolzen „mit Wulsten versehen“, d. h. mit mindestens zwei Wulsten, wobei diese Formulierung offen lässt, wo sich diese Wulste am Schlagbolzen befinden.
Die Streitpatentschrift gibt dem Fachmann keine Hinweise für eine gegenüber dem Anspruchswortlaut präzisere bzw. engere Auslegung. Zwar sind die in den Figuren 1 und 4 des Streitpatents gezeichneten Schlagbolzen jeweils an ihren beiden Enden mit zwei im Abstand zueinander angeordneten Wulsten versehen. Diese Ausgestaltung entspricht aber dem zusätzlichen, in Patentanspruch 3 des Streitpatents enthaltenen Merkmal, was dafür spricht, dass es sich insofern nur um ein Ausführungsbeispiel handelt, durch welches der Schutzgegenstand des übergeordneten Anspruchs 1 nicht eingeschränkt wird.
Auch der Patentbeschreibung kann eine derartige Einschränkung nicht entnommen werden.
In Absatz 6 der Beschreibung (Streitpatentschrift, Spalte 2, Zeilen 14 f.) ist davon die Rede, „dass der Schlagbolzen mit den Wulsten versehen ist“. Dieser Hinweis ist für die Auslegung des erteilten Anspruchs 1, auf den er sich bezieht, schon deshalb unbehelflich, weil in der erteilten Fassung Wulste nicht Gegenstand des Anspruchs sind. Diese Beschreibungsstelle sagt auch nichts über die Anordnung der Wulste an dem Schlagbolzen aus.
Konkreter heißt es in Absatz 11 (Spalte 3, Zeilen 1 bis 3): „Die beidseitige Anordnung der Wulste an dem Schlagbolzen sichert eine schnelle Komplettierung des Dämmstoffhalters“. Dieser Hinweis bezieht sich eindeutig auf die Anbringung von Wulsten an beiden Enden des Schlagbolzens, er besagt aber nicht, wie viele Wulste jeweils an einem Ende vorhanden sein müssen. Auch jeweils ein einziger Wulst an jedem der beiden Enden des Schlagbolzens würde nicht im Widerspruch zu der Angabe stehen, „dass der Schlagbolzen mit Wulsten versehen ist“.
Entsprechendes gilt für die Textstelle in Spalte 3, Zeilen 32 bis 35, der Streitpatentschrift, wo es heißt: „Dadurch, dass der Schlagbolzen 5 an seinen beiden Enden mit Wulsten 6 versehen ist, wird sichergestellt, dass der Schlagbolzen in dem Hohlschaft 13 klemmend festgehalten wird“. Auch hier bezieht sich die Angabe „mit Wulsten 6“ darauf, dass an dem Schlagbolzen insgesamt - und nicht jeweils an beiden Enden - mindestens zwei Wulste vorhanden sein müssen. Für den Fachmann ist klar, dass das klemmende Festhalten des Schlagbolzens im Hohlschaft auch mit nur einem Wulst am Ende des Bolzens erreicht werden kann. Er hat somit keinen Anlass, die genannte Textstelle über ihren Wortlaut hinausgehend so zu interpretieren, dass an beiden Enden jeweils mehrere Wulste vorhanden sein müssten.
II.
In der von der Beklagten als Hauptantrag vorgelegten, gegenüber dem erteilten Patent eingeschränkten Fassung hat das angegriffene Patent Bestand.
1. Die geänderte Fassung des Patentanspruchs 1 ist zulässig.
a) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung geht die verteidigte Fassung des Patentanspruchs 1 nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus. Das zusätzlich aufgenommene Merkmal g) ist an die Beschreibung des Streitpatents (Streitpatentschrift Spalte 2, Zeilen 14 bis 17) bzw. an die ursprüngliche Anmeldung (vgl. EP 0 844 402 A1, Anlage NK2a, Spalte 1, Zeilen 46 bis 49) angelehnt, wo es übereinstimmend heißt: „Dadurch, dass der Schlagbolzen mit den Wulsten versehen ist, wird erreicht, dass der Schlagbolzen nach dem Einführen im Tellerbereich klemmend festgehalten wird“. Es besteht zwischen dieser Formulierung und derjenigen des Merkmals g) kein sachlicher Unterschied, weshalb der Fachmann den nunmehr von der Beklagten beanspruchten Gegenstand bereits der ursprünglichen Anmeldung entnehmen konnte.
b) Die geänderte Fassung führt auch nicht zu einer Erweiterung des Schutzbereichs, da der Fachmann bereits dem erteilten Patent an Hand der Patentbeschreibung entnehmen konnte, dass das Vorhandensein von Wulsten am Schlagbolzen, wodurch dieser nach dem Einführen im Tellerbereich klemmend festgehalten wird, zu der in dem erteilten Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre gehört. Da der Beschreibung keine Festlegung im Hinblick auf die Anordnung der mehreren Wulste an dem Schlagbolzen entnommen werden kann (s. o. I.3.d), brauchte das zusätzliche Merkmal zur Vermeidung einer Schutzbereichserweiterung auch nicht in der Weise konkretisiert zu werden, dass an jedem Ende des Schlagbolzens zwingend eine Wulst (oder gar mehrere Wulste) vorhanden sein müssten.
2. Der Gegenstand des von der Beklagten mit deren Hauptantrag verteidigten Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem von der Klägerin aufgezeigten Stand der Technik neu. Keine der Entgegenhaltungen zeigt einen Dämmstoffhalter, der das Merkmal g) - wonach der Schlagbolzen (5) mit Wulsten (6) versehen ist, derart, dass er nach dem Einführen im Tellerbereich klemmend festgehalten ist - aufweist.
a) Bei der älteren nachveröffentlichten Schrift NK3 ist ohne weiteres zu erkennen, dass der zu dem dortigen Befestigungselement gehörige Schlagbolzen einen glatten Schaft hat, also nicht mit einem Wulst versehen ist. Ein Wulst ist bei NK3 zur Erzielung einer form- bzw. kraftschlüssigen Verbindung auch nicht erforderlich. Vielmehr wird die kraftschlüssige Verbindung dadurch hergestellt, dass der Außenumfang des Schafts im unwirksamen Zustand des Spreizteils geringfügig größer ist als der Innenumfang des ihn aufnehmenden Aufnahmeabschnittes (Spalte 1, Zeilen 49 bis 53). Aus diesem Grund wird bei NK3 das Merkmal g) vom Fachmann - entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung - auch nicht ohne weiteres mitgelesen.
b) Die zur Begründung der behaupteten Vorbenutzung vorgelegten Fotos (NK5) und die undatierte Skizze (NK5a) zeigen einen Schlagbolzen, an dessen unterem Ende eine Ringnut ausgebildet ist. Die Ringnut wirkt mit einem im Inneren des Hohlschafts mit deutlichem Abstand zum Halteteller angeordneten Wulst zusammen, wodurch erreicht wird, dass der Schlagbolzen beim Transport nicht aus dem Dämmstoffhalter fällt. Am Schlagbolzen selbst ist keine Wulst vorgesehen. Entgegen der Meinung der Klägerin können insbesondere die am Schlagbolzen oberund unterhalb der Ringnut befindlichen Bereiche - schon allein auf Grund ihrer Längenerstreckung - nicht als Wulste bezeichnet werden. Damit stünde der angeblich vorbenutzte Dämmstoffhalter der Neuheit des Streitgegenstands auch dann nicht entgegen, wenn die Vorbenutzung tatsächlich stattgefunden haben sollte.
c) Auch der Spreizdübel nach der NK10 weist nicht sämtliche anspruchsgemäßen Merkmale auf. Insbesondere ist dort das einzutreibende Teil nicht in Spreiznagel und Schlagbolzen geteilt und der mit dem Schlagbolzen vergleichbare Abschnitt weist nicht die streitpatentgemäßen Wulste auf, sondern statt deren einen Abscherring (13) und einen Anschlagbund (15).
d) Die übrigen Druckschriften zeigen einen weiter abliegenden Stand der Technik. Die Schrift NK6 zeigt einen Dämmplattenhalter, bei dem der Schlagbolzen und der Spreiznagel nicht als getrennte Teile ausgeführt sind. Die Entgegenhaltungen NK8, NK9, NK11, NK12 und NK14 zeigen Dämmplattenhalter mit einem anderen Aufbau als der hier in Rede stehende Anspruchsgegenstand. Die Druckschriften NK7, NK13 und NK15 betreffen keine Dämmplattenhalter.
e) Die als Anlage NK16 eingereichten Unterlagen zeigen zwar Dämmplattenhalter, aber nur solche, bei denen Schlagbolzen und Spreiznagel stofflich eine Einheit bilden und bei denen das dem Schlagbolzen entsprechende Teil glatt ist und keinen Wulst erkennen lässt. Somit würde auch bei gegebener Vorbenutzung dieser Dämmplattenhalter dem Gegenstand des Anspruchs 1 in der mit Hauptantrag der Beklagten verteidigten Fassung nicht neuheitsschädlich entgegenstehen.
3. Dieser Patentgegenstand beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit, weil der Fachmann dem vorveröffentlichten druckschriftlichen Stand der Technik keine Hinweise entnehmen kann, die ihn dazu angeregt haben könnten, einen Dämmplattenhalter mit den angegebenen Merkmalen zu schaffen.
a) Bei den angeblich vorbenutzten Dämmstoffhaltern (NK5, NK5a, NK16) sind die Merkmale a bis f verwirklicht, es findet sich dort aber keine Ausführungsform, bei der der Schlagbolzen gemäß Merkmal g) mit Wulsten versehen und im Tellerbereich klemmend festgehalten ist. Bei unterschiedlichen Längen ändern sich bei diesen Dämmstoffhaltern die Längen der Spreiznägel, nicht aber die Längen der Schlagbolzen, so dass die im Inneren des Hohlschafts angeordneten Wulste (s. o.
II.2.b) stets den gleichen Abstand zum Halteteller aufweisen. Der Kopf dieser Schlagbolzen ist nach deren Eintreiben in den Dämmstoffhalter vollständig im Teller aufgenommen. Zur Aufnahme des Kopfes ist im Bereich des Tellers der Durchmesser des Hohlschafts aufgeweitet. Gerade diese Aufweitung führt den Fachmann weg von der Lösung, den Schlagbolzen mit Wulsten im Tellerbereich klemmend zu halten. Die Schlagbolzen (bzw. die Wulste) müssten nämlich - um ausgehend von NK5, NK5a das Merkmal g) zu verwirklichen - einen so großen Durchmesser aufweisen, dass der Bolzen nicht mehr in den Schaft eingetrieben werden könnte.
Damit kann der in NK5, NK5a dargestellte Dämmstoffhalter den Streitgegenstand dem Fachmann nicht nahelegen, auch wenn die Vorbenutzung als gegeben unterstellt wird.
b) Die NK10 weist ebenfalls einen anderen Weg zur Sicherung des Schlagbolzens gegen ein Herausfallen beim Transport. Dort ist auf dem Schaftmantel - an der Stelle, wo der Einschlagteil in den Spreizteil übergeht - eine in Längsrichtung orientierte Klemmnase 34 vorgesehen. Der seiner Funktion nach mit einem Wulst vergleichbare Abscherring 13 befindet sich nach dem Einführen des Schlagbolzens im Bereich des Hohlschafts, während der Tellerbereich gegenüber dem Schaftbereich aufgeweitet ist, um den Anschlagbund 15 aufzunehmen. Somit führt auch diese Druckschrift eher weg vom Erfindungsgedanken.
c) Bei der Schrift NK6 sind Schlagbolzen und Spreiznagel einstückig und aus einheitlichem Material ausgeführt und als Spreiznagel 5 bezeichnet. An dem oberen Ende des Spreiznagels ist ein Dichtwulst 11 angeordnet, durch den bei eingetriebenem Spreiznagel das Eindringen von Wasser in den Hohlschaft verhindert werden soll. Diese Anordnung des Wulstes vermittelt dem Fachmann keine Anregung, ihn gemäß Merkmal g) so anzubringen, dass der Überstand des als Schlagbolzen wirkenden oberen Teils im Tellerbereich klemmend festgehalten ist und der Länge des Spreizbereichs des Dämmstoffhalters entspricht.
d) Die NK8 zeigt eine Befestigungsvorrichtung für Leichtbauplatten mit einem Halteteller und einem Hohlschaft, aber weder Spreiznagel noch Schlagbolzen. Eine Anregung zu einer besonderen Gestaltung des Schlagbolzens kann sie daher nicht geben.
e) Die NK9 betrifft eine völlig andere Konstruktion eines Dämmstoffhalters, bei der der Spreiznagel und der Halteteller einstückig ausgeführt sind. Das Problem, den Schlagbolzen an Halteteller und Hohlschaft halten zu müssen, tritt somit nicht auf.
f) Die Befestigungselemente nach NK11 oder NK12 weisen keine Schlagbolzen auf; bei demjenigen nach der NK14 wird er nicht durch Wulste klemmend gehalten.
g) Die übrigen Entgegenhaltungen NK7, NK13 und NK15 betreffen keine Dämmstoffhalter und sind von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr aufgegriffen worden, um damit die erfinderische Tätigkeit in Frage zu stellen.
4. Somit erweist sich der mit Hauptantrag der Beklagten verteidigte Patentanspruch 1 - und mit ihm die Unteransprüche 2 bis 5 mit ihrem Rückbezug auf den beschränkten Hauptanspruch - als bestandsfähig, wobei es hierfür auf den Nachweis der behaupteten Vorbenutzungen nicht ankommt.
Die Klage war daher abzuweisen, soweit sie sich gegen diese Anspruchsfassung richtet. Über die Hilfsanträge der Beklagten brauchte nicht entschieden zu werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
Eine Anwendung von § 93 ZPO kommt nicht in Betracht, weil die Beklagte der Klägerin Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Da das Streitpatent trotz seiner beschränkten Geltendmachung im Verletzungsverfahren weiterhin uneingeschränkten Bestand hatte, konnte die (hiesige) Klägerin ihren Nichtigkeitsangriff nicht auf den im Verletzungsverfahren geltend gemachten Umfang des Streitpatents beschränken (vgl. BPatG, Beschluss v. 20. Oktober 1999 – 2 Ni 12/98, BPatGE 42, 92 f.; Schulte/Voit, a. a. O., § 84 Rn. 32 a. E.).
IV. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden.
Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Rauch Küest Kortge Dr. Großmann Richter prö