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VI ZR 165/23

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VI ZR 165/23 Nachschlagewerk: ja BGHZ:

nein BGHR:

ja JNeu:

nein URTEIL in dem Rechtsstreit BGB § 630h Abs. 2 Satz 2 a) Die hypothetische Einwilligung im Sinne von § 630h Abs. 2 Satz 2 BGB bezieht sich auf die tatsächlich durchgeführte Maßnahme. Keine hypothetische Einwilligung im Sinne von § 630h Abs. 2 Satz 2 BGB kann angenommen werden, wenn der Patient zwar in eine entsprechende, jedoch erst später durchgeführte Maßnahme eingewilligt hätte.

b) Die Berufung des Schädigers auf rechtmäßiges Alternativverhalten, d.h. der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden (hypothetischer Kausalverlauf), kann nach allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätzen auch dann in Betracht kommen, wenn die Berufung des Behandlers auf eine hypothetische Einwilligung des Patienten (§ 630h Abs. 2 Satz 2 BGB) keinen Erfolg hat. So kann sich der Behandler etwa darauf berufen, dass der Patient zu einem anderen Zeitpunkt eingewilligt hätte, die tatsächlich durchgeführte Maßnahme später durchzuführen, und dass diese zum selben Ergebnis geführt hätte. Die Beweislast dafür, dass es auch bei zutreffender bzw. rechtzeitiger Aufklärung des Patienten zu einem schadensursächlichen Eingriff gekommen wäre, liegt bei der Behandlungsseite.

BGH, Urteil vom 25. November 2025 - VI ZR 165/23 - OLG Schleswig ECLI:DE:BGH:2025:251125UVIZR165.23.0 LG Kiel Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2025 durch den Vorsitzenden Richter Seiters, die Richterinnen Dr. Oehler und Müller, den Richter Dr. Allgayer sowie die Richterin Dr. Linder für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 10. Mai 2023 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte nach ärztlicher Heilbehandlung auf materiellen und immateriellen Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin stellte sich am 24. Mai 2013 (Freitag) mit dem Verdacht auf ein linksseitiges Felsenbeinmeningeom in der neurochirurgischen Klinik der Beklagten vor. Dort wurde eine Operationsindikation gestellt und ein Operationstermin für den 28. Mai 2013 (Dienstag) vereinbart. Die Klägerin wurde am 27. Mai 2013 (Montag) zur Operation aufgenommen und über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt. Am 28. Mai 2013 erfolgte eine Teilresektion des Tumors.

Die Klägerin behauptet, die Operation habe insbesondere ein chronisches Subduralhämatom, eine therapieresistente Trigeminusneuropathie sowie eine Lähmung der Augen- und Lidmuskulatur des linken Auges verursacht, durch welche ihre Sehfähigkeit erheblich beeinträchtigt sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre Ansprüche nur noch auf eine mangelhafte Aufklärung gestützt hat, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch wegen Fehlens einer ordnungsgemäßen Aufklärung. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, über Behandlungsalternativen aufzuklären. Zwar sei die Aufklärung der Klägerin über die Risiken der Behandlung am Vorabend der Operation zu spät erfolgt und ihre Einwilligung damit unwirksam. Die Beklagte habe sich jedoch erfolgreich darauf berufen, dass die Klägerin die Einwilligung auch nach ordnungsgemäßer Aufklärung erteilt hätte und den Eingriff in gleicher Weise von der Beklagten hätte durchführen lassen.

Das Aufklärungsgespräch habe am späten Nachmittag oder frühen Abend des 27. Mai 2013 stattgefunden. Diese Aufklärung am Vorabend der Operation sei hier verspätet. Die Umstände des Einzelfalls gäben keinen Anlass, von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen abzuweichen. Die Beklagte hätte die Klägerin bereits am Freitag, den 24. Mai 2013 über die Risiken der Operation aufklären können, als ihr zu dem operativen Eingriff geraten und zugleich ein Operationstermin mit ihr vereinbart worden sei. Dies wäre der richtige Zeitpunkt für die Aufklärung gewesen, auch wenn eine rechtzeitige Aufklärung noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Zu diesem Zeitpunkt hätten alle wesentlichen Informationen vorgelegen, die dann auch zu der Entscheidung für die Operation geführt hätten.

Die Beklagte habe jedoch dargelegt, dass die Klägerin die Einwilligung auch nach ordnungsgemäßer Aufklärung erteilt und den Eingriff in gleicher Weise von der Beklagten hätte durchführen lassen. Genüge die Aufklärung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen (§ 630e BGB), könne sich der Behandelnde darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte (§ 630h Abs. 2 Satz 2 BGB). An einen dahingehenden Nachweis, der dem Behandelnden obliege, seien strenge Anforderungen zu stellen, damit nicht auf diesem Weg der Aufklärungsanspruch des Patienten unterlaufen werde. Den Arzt treffe für seine Behauptung, der Patient hätte bei ordnungsgemäßer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt, die Beweislast aber erst dann, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel mache, dass er - wären ihm rechtzeitig die Risiken des Eingriffs verdeutlicht worden - vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte, wobei an die Substantiierungspflicht zur Darlegung eines solchen Konflikts keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürften.

Anders als das Landgericht meine, habe die Klägerin vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden. Sie hätte bei einer früheren Aufklärung am 24. Mai 2013 (Freitag) - wie von ihr bei ihrer Anhörung plausibel geltend gemacht - die Möglichkeit gehabt, sich eine Zweitmeinung einzuholen und wohlüberlegte Gedanken zu machen. Die Klägerin hätte sich aber auch bei einer rechtzeitigen Aufklärung für eine Operation entschieden. Zum einen habe der Sachverständige dargelegt, dass auch eine Zweitmeinung eines verantwortungsbewussten Neurochirurgen der Klägerin primär zu einer Operation geraten hätte.

Zum anderen hätte die Klägerin sich operieren lassen, wenn die Zweitmeinung auch zur Operation geraten hätte. Dies habe die Klägerin erklärt, nachdem der Sachverständige ihr im Einzelnen dargelegt habe, wie er das Aufklärungsgespräch zur Durchführung der Operation geführt hätte. Sie habe danach zunächst erklärt, das Aufklärungsgespräch in der mündlichen Verhandlung sei hundertprozentig anders gewesen als das Gespräch, das in der Klinik geführt worden sei. Wenn ihr am Vortag um die Mittagszeit das so erläutert worden wäre, wie der Sachverständige es in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, hätte sie sich daran gemacht, nach anderen Meinungen zu suchen. Wenn die Meinung des zweiten konsultierten Arztes anders ausgefallen wäre als die Meinung des ersten, hätte sie das abgewogen und für sich die Entscheidung getroffen, die logisch erschienen wäre. Wenn die Aussage des Zweitbefragten die gleiche gewesen wäre wie die des zuerst Befragten, dann hätte sie Sicherheit gehabt und sich operieren lassen.

Der Beklagten sei der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht im Hinblick auf den Schutzzweck des Einwilligungserfordernisses bei ärztlichen Eingriffen verwehrt. Der Arzt, der ohne eine auf seine Person bezogene Einwilligung des Patienten operiert habe, könne sich nicht darauf berufen, dass der Patient mit der Vornahme des Eingriffs durch einen anderen - zumal besser qualifizierten - Operateur einverstanden gewesen sei. Eine derartige Situation sei vorliegend aber nicht gegeben. Es gehe um eine wirksame Zustimmung der Klägerin zu einem operativen Eingriff zu einem späteren Zeitpunkt und nicht durch einen anderen Operateur. Soweit die Berufung darauf abstelle, bei einer Operation zu einem späteren Zeitpunkt hätte nicht sicher mit demselben Gesundheitsschaden gerechnet werden müssen und es könne sein, dass die Nervenbeeinträchtigung bei einer etwas späteren Operation nicht eingetreten wäre, komme es darauf wegen § 630h Abs. 2 Satz 2 BGB nicht an.

II.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts können Ansprüche der Klägerin wegen unwirksamer Einwilligung in die Operation nicht verneint werden.

1. Vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, ist der Behandelnde verpflichtet, die Einwilligung des Patienten einzuholen (§ 630d Abs. 1 Satz 1 BGB). Wenn der ärztliche Eingriff nicht durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gedeckt und damit rechtswidrig ist sowie den Arzt insoweit ein Verschulden trifft, haftet der Arzt grundsätzlich für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen (vgl. Senat, Urteile vom 20. Dezember 2022 - VI ZR 375/21, BGHZ 236, 42 Rn. 14; vom 21. November 2023 - VI ZR 380/22, NJW 2024, 589 Rn. 18; vom 21. Januar 2025 - VI ZR 204/22, NJW-RR 2025, 790 Rn. 29).

2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Wirksamkeit der Einwilligung voraussetzt, dass der Patient vor der Einwilligung nach Maßgabe von § 630e Abs. 1 bis 4 BGB aufgeklärt wurde (§ 630d Abs. 2 BGB).

3. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte die Klägerin mangels Gleichwertigkeit nicht über eine Strahlentherapie als Behandlungsalternative aufklären musste (§ 630e Abs. 1 Satz 3 BGB). Soweit die Revision meint, dies sei auf den gehörswidrigen Umgang des Berufungsgerichts mit den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zurückzuführen, hat der Senat diese Verfahrensrügen geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung sieht der Senat insoweit ab (§ 564 Satz 1 ZPO).

Das Berufungsgericht meint, die Aufklärung der Klägerin am Vorabend der Operation sei jedoch zu spät erfolgt (§ 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB) und ihre Einwilligung sei damit unwirksam (§ 630d Abs. 2 BGB).

4. Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe sich erfolgreich darauf berufen, dass die Klägerin die Einwilligung auch nach ordnungsgemäßer Aufklärung erteilt hätte und den Eingriff in gleicher Weise von der Beklagten hätte durchführen lassen (§ 630h Abs. 2 Satz 2 BGB, "hypothetische Einwilligung"), hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Nach § 630h Abs. 2 Satz 2 BGB kann, wenn die Aufklärung nicht den Anforderungen des § 630e BGB genügt, der Behandelnde sich darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte. Diese Vorschrift regelt die Rechtslage für den Fall einer behaupteten hypothetischen Einwilligung des Patienten nach unterbliebener bzw. unzureichender Aufklärung und soll die dazu bestehende Rechtsprechung des Senats gesetzlich umsetzen (BT-Drucks. 17/10488, S. 29). Danach bezieht sich die hypothetische Einwilligung auf die tatsächlich durchgeführte Maßnahme (vgl. Senat, Urteil vom 21. Mai 2019 - VI ZR 119/18, NJW 2019, 3072 Rn. 16; Staudinger/Gutmann [2021], § 630h BGB Rn. 101; Frahm/Walter, Arzthaftungsrecht, 7. Aufl., Rn. 474; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 84. Aufl., § 630h Rn. 5). Dies ist etwa nicht der Fall, wenn der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung nur mit einem weniger weitgehenden Eingriff, einem Eingriff durch einen besonders qualifizierten und erfahrenen Spezialisten (vgl. Senat, Urteil vom 22. Januar 1980 - VI ZR 263/78, NJW 1980, 1333, juris Rn. 21; siehe weiter zur Operation ohne eine auf die Person des Operateurs bezogene Einwilligung des Patienten Senat, Urteil vom 19. Juli 2016 - VI ZR 75/15, NJW 2016, 3523 Rn. 8 ff.) oder mit derselben Operation in einer (anderen) Fach- oder Spezialklink (vgl. Senat, Urteile vom 9. Juli 1996 - VI ZR 101/95, NJW 1996, 3073, juris Rn. 16; vom 13. Dezember 1988 - VI ZR 22/88, NJW 1989, 1541, juris Rn. 16) einverstanden gewesen wäre. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 630h Abs. 2 Satz 2 BGB ("in die Maßnahme eingewilligt hätte") und der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/10488, S. 29: "die Maßnahme", "den Eingriff", "Maßnahme in dem konkreten Umfang" - Unterstreichungen hier). Danach kann auch keine hypothetische Einwilligung im Sinne von § 630h Abs. 2 Satz 2 BGB angenommen werden, wenn der Patient zwar in eine entsprechende, jedoch erst später durchgeführte Maßnahme eingewilligt hätte (a.A. OLG Brandenburg, NJW-RR 2023, 451 Rn. 22; wohl auch Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht 8. Aufl., C.IV. Rn. 137 S. 406 unter Bezugnahme auf OLG Karlsruhe, VersR 2001, 860).

b) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Klägerin im Fall einer ordnungsgemäßen (d.h. rechtzeitigen) Aufklärung in die durchgeführte Operation eingewilligt hätte. Bereits der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts ist unzutreffend. Denn es hat insoweit rechtsfehlerhaft nicht auf die hypothetische Einwilligung in die tatsächlich durchgeführte, sondern in eine hypothetische entsprechende, aber später durchgeführte Operation abgestellt.

Zunächst führt das Berufungsgericht aus, dass sich die Klägerin auch bei einer rechtzeitigen Aufklärung für eine Operation entschieden und den Eingriff in gleicher Weise hätte durchführen lassen. Schon die Formulierungen "eine Operation" und "in gleicher Weise" deuten darauf hin, dass das Berufungsgericht damit einen hypothetischen späteren Eingriff meint. Weiter führt das Berufungsgericht aus, es gehe "um eine wirksame Zustimmung der Klägerin zu einem operativen Eingriff zu einem späteren Zeitpunkt". Abschließend heißt es: "Soweit die Berufung darauf abstellt, bei einer Operation zu einem späteren Zeitpunkt hätte nicht sicher mit demselben Gesundheitsschaden gerechnet werden müssen und es könne sein, dass die Nervenbeeinträchtigung bei einer etwas späteren Operation nicht eingetreten wäre, kommt es darauf wegen § 630h Abs. 2 Satz 2 BGB nicht an." Ersichtlich geht das Berufungsgericht davon aus, dass es der Klägerin auch bei rechtzeitiger Aufklärung nicht mehr möglich gewesen wäre, die von ihr gewünschte Zweitmeinung so schnell einzuholen, dass sie ihre Entscheidung noch vor der durchgeführten Operation hätte treffen können. Vielmehr hätte die Klägerin zwar eine Zweitmeinung eingeholt und sich auch auf dieser Grundlage für die vorgeschlagene Operation entschieden, diese hätte jedoch wegen der zeitlichen Abläufe später durchgeführt werden müssen.

5. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Die Zurechnung des Schadens ist auf Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht wegen eines hypothetischen Kausalverlaufs ausgeschlossen.

a) Die Berufung des Schädigers auf rechtmäßiges Alternativverhalten, d.h. der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden (hypothetischer Kausalverlauf), kann nach allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätzen und jenseits spezifischer arzthaftungsrechtlicher Regeln für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein (vgl. Senat, Urteile vom 29. Januar 2019 - VI ZR 495/16, BGHZ 221, 55 Rn. 42; vom 21. Januar 2025 - VI ZR 204/22, NJW-RR 2025, 790 Rn. 31; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 6. Aufl., A 1891a; BeckOK BGB/Katzenmeier, 75. Ed. 1.8.2025, BGB § 630h Rn. 41; jeweils m.w.N.). Dies gilt auch für den Fall, dass die Berufung des Behandlers auf eine hypothetische Einwilligung des Patienten (§ 630h Abs. 2 Satz 2 BGB) keinen Erfolg hat (vgl. etwa Senat, Urteile vom 13. Dezember 1988 - VI ZR 22/88, NJW 1989, 1541, juris Rn. 16 f.; vom 15. März 2005 - VI ZR 313/03, NJW 2005, 1718 Rn. 14 ff.; vom 5. April 2005 - VI ZR 216/03, NJW 2005, 2072 Rn. 11, 15; vom 21. Januar 2025 - VI ZR 204/22, NJW-RR 2025, 790 Rn. 31, 39; siehe allerdings weiter zur Operation ohne eine auf die Person des Operateurs bezogene Einwilligung des Patienten Senat, Urteil vom 19. Juli 2016 - VI ZR 75/15, NJW 2016, 3523 Rn. 8 ff.). So kann sich der Behandler etwa darauf berufen, dass der Patient zu einem anderen Zeitpunkt eingewilligt hätte, die tatsächlich durchgeführte Maßnahme später durchzuführen, und dass diese zum selben Ergebnis geführt hätte (vgl. Senat, Urteil vom 14. April 1981 - VI ZR 39/80, VersR 1981, 677, juris Rn. 7, 9).

Steht fest, dass der Arzt dem Patienten durch rechtswidriges ärztliches Handeln einen Schaden zugefügt hat, so muss der Arzt beweisen, dass der Patient den gleichen Schaden auch bei einem rechtmäßigen Handeln erlitten hätte. Auch soweit es darum geht, ob es zu einem schadensursächlichen Eingriff auch bei zutreffender bzw. rechtzeitiger Aufklärung des Patienten gekommen wäre, liegt die Beweislast bei der Behandlungsseite. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, wonach der Schädiger zu beweisen hat, dass sich ein hypothetischer Kausalverlauf bzw. eine Reserveursache ebenso ausgewirkt haben würde wie der tatsächliche Geschehensablauf (vgl. Senat, Urteile vom 5. April 2005 - VI ZR 216/03, NJW 2005, 2072 Rn. 15; vom 23. Oktober 1984 - VI ZR 24/83, NJW 1985, 676, juris Rn. 15; BeckOK BGB/Katzenmeier, 75. Ed. 1.8.2025, BGB § 630h Rn. 42; jeweils mwN).

b) Das Berufungsgericht hat sich zwar davon überzeugt, dass die Klägerin sich auf Grundlage auch einer Zweitmeinung für die von der Beklagten empfohlene Operation entschieden hätte und dass diese zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt worden wäre. Allerdings hat das Berufungsgericht - auf Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig - schon keine Feststellungen dazu getroffen, welche der von der Klägerin behaupteten Gesundheitsschäden durch die Operation verursacht wurden. Ebenso hat es ausdrücklich keine Feststellungen dazu getroffen, ob diese Gesundheitsschäden durch eine spätere, entsprechende Operation ebenso verursacht worden wären (vgl. dazu Senat, Urteile vom 2. Juli 2024 - VI ZR 363/23, NJW-RR 2025, 216 Rn. 18; vom 13. Dezember 1988 - VI ZR 22/88, NJW 1989, 1541, juris Rn. 17; vom 14. April 1981 - VI ZR 39/80, VersR 1981, 677, juris Rn. 9). Insbesondere würde sich dies nicht schon aus der Feststellung ergeben, dass die Klägerin "den Eingriff in gleicher Weise von der Beklagten hätte durchführen lassen" (vgl. dazu Senat, Urteile vom 9. Juli 1996 - VI ZR 101/95, NJW 1996, 3073 1996, 1239, juris Rn. 17; vom 23. Oktober 1984 - VI ZR 24/83, NJW 1985, 676, juris Rn. 15).

III.

Danach ist das angefochtene Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Seiters Oehler Müller Allgayer Linder Vorinstanzen: LG Kiel, Entscheidung vom 21.05.2021 - 8 O 279/18 OLG Schleswig, Entscheidung vom 10.05.2023 - 4 U 98/21 - VI ZR 165/23 Verkündet am: 25. November 2025 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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Paragraphen in VI ZR 165/23

Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit Paragraph
20 630 BGB
1 4 BGB
1 561 ZPO
1 562 ZPO
1 563 ZPO
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