14 W (pat) 37/12
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 37/12
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(Aktenzeichen)
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung … (hier: Antrag auf Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung eines Patentanwalts) hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 19. Oktober 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Maksymiw sowie der Richterin Dr. Proksch-Ledig und der Richter Schell und Dr. Jäger beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 152 08.05 Gründe I.
Der Antragsteller hat für seine am 12. September 2008 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangene Patentanmeldung mit der Bezeichnung
"…" mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2008 Verfahrenskostenhilfe für das Patenterteilungsverfahren und die im Erteilungsverfahren fällig werdenden Jahresgebühren sowie die Beiordnung eines Anwalts beantragt. Mit Beschluss vom 29. November 2011 hat das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) den Antrag zurückgewiesen.
Dem Beschluss lagen die ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 14 zugrunde. Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 4 haben folgenden Wortlaut:
1. Verfahren zur Abwehr von Wirbelstürmen (W) unter Verwendung einer Vorrichtung mit einem plattenförmigen Körper (K), welcher Aussparungen (A) oder Tragkörper für mindestens zwei Luftfahrzeuge (F), insbesondere Drehflügelflugzeuge aufweist, bei dem: • die Drehflügelflugzeuge (F) den plattenförmigen Körper (K) zum Wirbelsturm (W) transportieren, • die Besatzungen der Drehflügelflugzeuge (F) mit diesem plattenförmigen Körper (K) das untere Segment des Wirbelsturmes (W) in ausreichender Höhe zu den darunter liegenden Wohngebieten horizontal durchtrennen, • dann dieser Wirbelsturm (W) nur noch auf diesem plattenförmigen Körper (K) tanzt und
• die Besatzungen der Drehflügelflugzeuge (F) den Wirbelsturm (W) solange transportieren, bis sich derselbe von den davon gefährdeten Wohngebieten/Fabrikanlagen etc. ausreichend entfernt oder aber ausreichend abgeschwächt hat,
• so dass die darunter liegenden Wohngebiete von diesem Wirbelsturm (W) gewissermaßen nach oben abgeschottet sind.
4. Vorrichtung zur Abwehr von Wirbelstürmen (W), welche aufweist: • einen plattenförmigen Körper (K) mit mindestens zwei Aussparungen (A) oder zwei angeformten oder kraft- oder formschlüssig verbundenen Tragkörpern, • jeweils mit einem Ende in die Aussparung (A) einbringbares oder an den Tragkörper befestigbares Seil oder Band oder Kette (S) und • am anderen Ende des Seils oder Band oder Kette (S) befestigbare Hebevorrichtung eines Luftfahrzeugs (F), insbesondere Drehflügelflugzeugs, • so dass die Drehflügelflugzeuge (F) den plattenförmigen Körper (K) zum Wirbelsturm (W) transportieren, das untere Segment des Wirbelsturmes (W) in ausreichender Höhe zu den darunter liegenden Wohngebieten horizontal durchtrennen und dann dieser Wirbelsturm (W) nur noch auf diesem plattenförmigen Körper (K) tanzt.
Zur Begründung hat die Prüfungsstelle im Wesentlichen ausgeführt, dass keine Aussicht auf eine Patenterteilung bestehe. Der Fachwelt seien vom Wirbelsturm abgerissene und davongetragene Dächer ausreichend bekannt, wobei dazu auch die Erkenntnis über die physikalischen Vorgänge gehörten, nach denen an solchen Ereignissen hohe Unterdrücke in den Wirbeln von zum Beispiel 100 hPa beteiligt seien. Angesichts dessen sei davon auszugehen, dass eine an Flugzeugen hängende Platte mitsamt den Flugzeugen ein ebensolcher Spielball der Naturkräfte sein werde. Dieses ergebe sich auch anhand der im Bescheid vom 20. Februar 2009 dargelegten überschlägigen Rechnung, wonach dabei allein auf eine Fläche von 100 m² eine nach oben gerichtete Kraft von 900000 kp wirken könne. Da ein auf einer solchen Platte tanzender Wirbelsturm daher wirklichkeitsfremd sei, sei der Patentanspruch 1 aufgrund fehlender technischer Ausführbarkeit nicht gewährbar. Dies gelte ebenso für die mit Patentanspruch 4 beanspruchte Vorrichtung. Diese bleibe aufgrund der mangelnden Durchführbarkeit des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 ohne praktischen Nutzen, weshalb auch dieser Patentanspruch nicht gewährbar sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er trägt im Wesentlichen sinngemäß vor, der Beschluss des Amtes vom 29. November 2011 stelle einen Verstoß gegen § 135 Abs. 1 PatG dar, weil nicht die Patentabteilung, sondern unzulässigerweise ein einzelner Prüfer entschieden habe. Die Auslegung des Beschlusses als Zurückweisung der Verfahrenskostenhilfe würde zudem dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen, da das DPMA dem Anmelder zuvor bereits zwei Prüfungsbescheide im Prüfungsverfahren der Patentanmeldung übermittelt habe. Nachdem der Beginn der Prüfung aber voraussetze, dass die beantragte Verfahrenskostenhilfe bereits bewilligt worden sein müsse, komme eine Zurückweisung des Antrags nicht mehr in Betracht. Außerdem seien die Gründe des angefochtenen Beschlusses auch deshalb nicht tragfähig, da die Erfindung in der Anmeldung hinreichend deutlich und vollständig offenbart worden sei.
Der Anmelder beantragt sinngemäß,
I. Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungs- und Beschwerdeverfahren zu gewähren D… in S…, beizuordnen,
sowie Patentanwalt II. den Beschluss vom 29. November 2011 aufzuheben und die Prüfung in der Reihenfolge von Hauptantrag und Hilfsantrag 1 bis Hilfsantrag 4 vorzunehmen und das Patent zu erteilen.
Der Hauptantrag entspricht den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 1 bis 14.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet folgendermaßen:
1. Verfahren zur Abwehr von Wirbelstürmen (W) unter Verwendung einer Vorrichtung mit einem plattenförmigen Körper (K), welcher Aussparungen (A) oder Tragkörper für mindestens zwei Luftfahrzeuge (F), insbesondere Drehflügelflugzeuge aufweist, bei dem: • die Drehflügelflugzeuge (F) den plattenförmigen Körper (K) zum Wirbelsturm (W) transportieren, • die Besatzungen der Drehflügelflugzeuge (F) diesen plattenförmigen Körper (K) in das untere Segment des Wirbelsturms (W) in ausreichender Höhe zu den darunter liegenden Wohngebieten horizontal einführen.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 hat folgenden Wortlaut:
1. Vorrichtung zur Abwehr von Wirbelstürmen (W), welche aufweist: • einen plattenförmigen Körper (K) mit mindestens zwei Aussparungen (A) oder zwei angeformten oder kraft- oder formschlüssig verbundenen Tragkörpern, • jeweils mit einem Ende die Aussparung (A) einbringbares oder an den Tragkörper befestigbares Seil oder Band oder Kette (S) und • am anderen Ende des Seils oder Band oder Kette (S) befestigbare Hebevorrichtung eines Luftfahrzeugs (F), insbesondere Drehflügelflugzeugs, • wobei die Drehflügelflugzeuge (F) den plattenförmigen Körper (K) zum Wirbelsturm (W) transportieren und diesen in das untere Segment des Wirbelsturmes (W) in ausreichender Höhe zu den darunter liegenden Wohngebieten horizontal einführen.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 in dem zusätzlichen Merkmal:
"• der plattenförmige Körper (K) zum Durchtropfen des Regens und Durchströmung der Luft weitere über die Fläche verteilte Aussparungen aufweist,".
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 in dem zusätzlichen Merkmal:
"• der plattenförmige Körper (K) zum Durchtropfen des Regens und Durchströmung der Luft weitere über die Fläche verteilte Aussparungen aufweist und der plattenförmige Körper (K) sich von der Oberseite zur Unterseite erstreckende Luftführungskanäle aufweist,".
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gebührenfreie Beschwerde (PatKostG § 2 Abs. 1 i. V. m. Gebührenverzeichnis Nr. 401 300) ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 73 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 PatG). In der Sache bleibt sie ohne Erfolg, da die Prüfungsstelle den Verfahrenskostenhilfe-Antrag des Anmelders zu Recht zurückgewiesen hat.
Verfahrenskostenhilfe ist nach Maßgabe der §§ 130 bis 138 PatG einem bedürftigen Anmelder nur dann zu gewähren, wenn für die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (§ 130 Abs. 1 PatG). Diese Voraussetzung ist hier jedoch nicht gegeben, da einer späteren Patenterteilung im vorliegenden Fall durchgreifende Bedenken entgegenstehen.
Der Antragsteller hat gegen die begründeten Bedenken der Prüfungsstelle, ob die gestellte Aufgabe, ein Verfahren und eine Vorrichtung derart zu konzipieren, dass die Erdoberfläche von den zerstörerischen Auswirkungen von Wirbelstürmen gewissermaßen abgeschirmt werden könne, keine gewichtigen Umstände vorgetragen, welche die schlüssige und überzeugende Darstellung der Prüfungsstelle infrage stellen. Der Vortrag des Antragstellers im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt ist nicht geeignet, die Erzielbarkeit der behaupteten Wirkung und die Ausführbarkeit, d. h. die technische Brauchbarkeit, zu belegen (vgl. Schulte PatG. 9. Aufl. § 34 Rdn. 349 a). Daher ist nicht erkennbar, inwiefern mit dem beanspruchten Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag bzw. mit der gemäß Patentanspruch 4 nach Hauptantrag beanspruchten Vorrichtung die Erdoberfläche tatsächlich von den Zerstörungen durch Wirbelstürme abgeschirmt werden kann. Auch eine Reproduzierbarkeit der behaupteten Wirkung ist aus den von der Prüfungsstelle genannten Gründen nicht gewährleistet. Die begründeten Bedenken gegen die Ausführbarkeit und damit gegen die technische Brauchbarkeit bestehen daher weiterhin. Die Würdigung des bisherigen Vortrags des Antragstellers durch die Prüfungsstelle lässt auch keinen Fehler erkennen, so dass sich der Senat die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses in vollem Umfang zu eigen macht.
Keine andere Sach- und Rechtslage ergibt sich mit den mit den Hilfsanträgen 1 bis 4 vorgelegten Anspruchsfassungen. Diese unterscheiden sich vom Patentbegehren gemäß Hauptantrag darin, dass nach Hilfsantrag 1 das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nunmehr ausschließlich auf die technischen Maßnahmen beschränkt worden ist und gemäß den Hilfsanträgen 2 bis 4 nur noch die Vorrichtung zur Abwehr von Wirbelstürmen beansprucht wird. Dabei mag - im Patentanspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 - eine Klarstellung im Zusammenhang mit dem angestrebten Zweck erfolgt sein bzw. - wie in den Patentansprüchen 1 gemäß den Hilfsanträgen 3 und 4 - die Vorrichtung durch die Angabe weiterer technischer Maßgaben konkretisiert worden sein. Ein neuer Sachverhalt hat sich damit jedoch nicht ergeben. Denn auch diese Maßnahmen können die von der Prüfungsstelle dargelegten und auch auf Seiten des Senates aus den im Prüfungsverfahren genannten Gründen bestehenden Zweifel an der Ausführbarkeit im Sinne einer technischen Brauchbarkeit nicht widerlegen.
Somit fehlt es an der für die Gewährung der Verfahrenskostenhilfe erforderlichen Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung. Damit scheidet auch die beantragte Beiordnung des benannten Patentanwalts aus, da eine Beiordnung die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe notwendigerweise voraussetzt (§ 133 S. 1 PatG).
Soweit der Anmelder rügt, der angefochtene Beschluss hätte durch die Patentabteilung getroffen werden müssen und nicht - wie vorliegend geschehen - durch einen einzelnen Prüfer, ist diese Auffassung rechtlich nicht zutreffend. Gemäß § 27 Abs. 4 PatG kann der Vorsitzende der Patentabteilung sämtliche Angelegenheiten, die er allein bearbeiten kann, auch einem einzelnen technischen Abteilungsmitglied übertragen. In diesem Fall führt das beauftragte Mitglied das Verfahren allein und repräsentiert dabei die Abteilung (vgl. Schulte/Rudloff-Schäffer, PatG, 9. Aufl., § 27 Rdn. 21 f.; Busse/Brandt, PatG, 7. Aufl., § 27 Rdn. 34 ff.). Im vorliegenden Fall wurde eine entsprechende Beauftragung durch den Leiter der zuständigen Patentabteilung mit Delegationsverfügung vom 29. September 2011 erlassen. Die Beschlussfassung durch den unterzeichnenden Prüfer war somit zulässig.
Der angefochtene Beschluss ist entgegen der Ansicht des Anmelders auch nicht etwa als Zurückweisung der Anmeldung, sondern eindeutig als Zurückweisung des Antrags auf Verfahrenskostenhilfe zu werten. Der Umstand, dass der Beschluss zur mangelnden technischen Brauchbarkeit bzw. zur fehlenden Ausführbarkeit des Patentgegenstands Stellung nimmt, steht dem ebenso wenig entgegen, wie der Umstand, dass dem Anmelder zuvor bereits andere Bescheide übermittelt worden waren. Die Ausführungen zur Patentfähigkeit der Anmeldung beziehen sich auf die gebotene summarische Prüfung der Patentanmeldung, die im Verfahrenskostenhilfeverfahren notwendig ist, um eine Prognose über die Erfolgsaussichten der Patentanmeldung treffen zu können.
Dass die Beschwerde des Anmelders dem Bundespatentgericht vom DPMA nicht innerhalb der Frist des § 73 Abs. 3 PatG vorgelegt wurde, sondern erst mehrere Monate nach Ablauf dieser Frist, verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Denn bei der Frist des § 73 Abs. 3 PatG handelt es sich nach den gesetzlichen Vorgaben um eine verfahrensrechtliche Frist, deren Nichteinhaltung letztlich folgenlos bleibt (vgl. Schulte/Püschel, PatG, 9. Aufl., § 73 Rdn. 127; Busse/Engels, PatG, 7. Aufl., § 73 Rdn. 151).
Die Beschwerde war somit zurückzuweisen. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 135 Abs. 3 PatG).
Maksymiw Proksch-Ledig Schell Jäger Fa