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8 W (pat) 343/06

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 343/06

_______________________

(Aktenzeichen)

BESCHLUSS In der Einspruchssache betreffend das Patent 103 12 922 …

BPatG 152 08.05

…

hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 5. September 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Zehendner und die Richter Kätker, Dipl.-Ing. Rippel und Dipl.-Ing. Dr. Dorfschmidt beschlossen:

1. Das Einspruchsverfahren ist in der Hauptsache erledigt.

2. Der Antrag der Einsprechenden, der Patentinhaberin die Kosten für den auf den 8. Mai 2012 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe I.

Gegen das Patent 103 12 922 ist von der Einsprechenden II (im Folgenden: der Einsprechenden) am 16. Mai 2006 - fristgemäß, unter Zahlung der Einspruchsgebühr und unter Erörterung des Gegenstands des Streitpatents anhand mehrerer Druckschriften - Einspruch erhoben worden. Ein weiterer Einspruch einer anderen Einsprechenden ist bereits im Jahr 2009 zurückgenommen worden.

Der Senat hat zur mündlichen Verhandlung auf den 8. Mai 2012 geladen.

Hierauf haben die Vertreter der Patentinhaberin zunächst einen Terminsverlegungsantrag vom 27. April 2012 eingereicht, den sie mit einer Terminskollision des bearbeitenden Patentanwalts begründet haben.

Sodann hat die Patentinhaberin mit an das Patentamt gerichteter Erklärung vom 2. Mai 2012, die am gleichen Tag per Fax als Kopie dem Senat übersandt worden ist, auf das Streitpatent verzichtet. Daraufhin ist der für den 8. Mai 2012 anberaumte Termin aufgehoben worden. Die Benachrichtigung über die Terminsaufhebung vom 3. Mai 2012 ist von der Senatsgeschäftstelle am gleichen Tag zur Post gegeben und den Vertretern der Einsprechenden ausweislich der Empfangsbescheinigung am 8. Mai 2012 zugestellt worden.

Die Einsprechende hat auf Anfrage des Senats mit Schriftsatz vom 29. Mai 2012 mitgeteilt, dass sie kein Rechtsschutzbedürfnis am rückwirkenden Widerruf des Patents geltend mache. Zugleich hat sie beantragt, der Patentinhaberin die Reisekosten der Einsprechenden zur Wahrnehmung der ursprünglich anberaumten mündlichen Verhandlung aufzuerlegen, soweit diese trotz Stornierung von der Einsprechenden zu zahlen sind. Während das gebuchte Hotelzimmer noch gebührenfrei storniert werden konnte, beliefen sich die Kosten für die Buchung eines (stornierten) Fluges von Düsseldorf nach München und zurück nach Abzug einer Gutschrift der Fluggesellschaft auf 135,- €. Diese Kosten seien der Einsprechenden durch den verspäteten Verzicht der Patentinhaberin entstanden.

Die Einsprechende beantragt sinngemäß,

der Patentinhaberin die Kosten für den auf den 8. Mai 2012 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuerlegen.

Die Patentinhaberin beantragt sinngemäß,

den Kostenantrag zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung sei es üblich, dass jeder Beteiligte des Einspruchsverfahrens seine eigenen Kosten trage. Die Patentinhaberin habe jederzeit auf ihr Patent verzichten können, sowohl vor der anberaumten mündlichen Verhandlung, an deren Anfang als auch in deren Verlauf. Die Einsprechende werde dadurch nicht anders gestellt als bei einem Widerruf des Patents durch das Gericht. Zudem habe der Verzicht vor der mündlichen Verhandlung der Einsprechenden Kosten erspart, da zumindest ein Teil der Reise- u. Übernachtungskosten entfallen sei, ebenso die anwaltlichen Honorarkosten.

Die Terminsaufhebung sei der Einsprechenden im Übrigen auch nicht erst mit der Zustellung der Abladung am 8. Mai 2012, sondern bereits am 4. Mai 2012 bekannt gewesen, wie sich aus der von ihr vorgelegten Stornierungsbestätigung des Hotelunternehmens H… vom 4. Mai 2012 ergebe. Nachdem die Buchung des Fluges und möglicherweise auch die des Hotels schon am 11. März 2012 erfolgt sei, hätte eine noch frühere Verzichtserklärung der Einsprechenden auch wenig zusätzliche Kostenvorteile gebracht.

Die Patentinhaberin verweist auf die Grundsätze der Entscheidungen in den Verfahren 7 W (pat) 307/11, S. 7, unter c) und 6 W (pat) 312/06. Wenn schon der Erfolg des Einsprechenden in Form eines Patentwiderrufs keinen Billigkeitsgrund für eine Kostenauferlegung darstelle, so müsse dies erst recht gelten, wenn das Einspruchziel auf andere Weise, insbesondere durch Verzicht erreicht werde. Die Einsprechende habe ihr Ziel des Patentuntergangs letztendlich auf besonders leichte Weise erreicht.

II.

1.a) Der Senat ist für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren auch nach der - mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten - Aufhebung der Übergangsvorschriften des § 147 Abs. 3 PatG auf Grund des Grundsatzes der „perpetuatio fori“ gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 Patt zuständig (vgl. BGH GRUR 2009, 184, 185 - Ventilsteuerung; GRUR 2007, 862 f. - Informationsübermittlungsverfahren II).

b) Das Streitpatent ist durch Verzicht erloschen. Wegen des Erlöschens besteht kein Interesse der Allgemeinheit mehr an einem Widerruf des Patents für die Vergangenheit. Da die Einsprechende kein eigenes Rechtsschutzbedürfnis für einen rückwirkenden Widerruf geltend gemacht hat und ein solches auch nicht erkennbar ist, ist das Einspruchsverfahren erledigt (vgl. dazu ausführlich BPatG (21. Sen.) GRUR 2010, 363, 364 - Radauswuchtmaschine; Mitt. 2011, 366 - Optische Inspektion von Rohrleitungen; BGH GRUR 1997, 615 ff. - Vornapf, BGH v. 26. Juni 2012 (X ZB 4/11) - Sondensystem).

c) Um das Einspruchsverfahren förmlich abzuschließen und zur Klarstellung der Sach- und Rechtslage im Interesse der Verfahrensbeteiligten sowie Dritter ist die Erledigung des Einspruchsverfahrens durch einen der förmlichen Rechtskraft fähigen Beschluss auszusprechen (vgl. BPatG, 21. Sen., a. a. O., LS3 - Radauswuchtmaschine).

2. Der Kostenantrag der Einsprechenden ist unbegründet.

a) Da nach § 147 Abs. 3 Satz 2 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung für das Einspruchsverfahren vor dem Beschwerdesenat die §§ 59 bis 62 PatG gelten, ist vorliegend nach § 62 PatG über die Kosten zu entscheiden.

Nach dieser Bestimmung kann die Patentabteilung (hier: das Patentgericht) nach billigem Ermessen bestimmen, inwieweit einem Beteiligten die durch eine Anhörung oder eine Beweisaufnahme verursachten Kosten zur Last fallen.

Der Senat geht davon aus, dass eine Kostenentscheidung trotz des Wortlauts "durch eine Anhörung … verursachten Kosten" nicht bloß über die Kosten einer tatsächlich durchgeführten Anhörung bzw. mündlichen Verhandlung getroffen werden kann, sondern dass sie auch noch im Falle einer ursprünglich zwar anberaumten, dann aber nicht mehr durchgeführten mündlichen Verhandlung möglich ist. Andernfalls würde die Vorschrift entgegen ihrem erkennbaren Zweck den wichtigen Bereich sämtlicher Vorbereitungskosten im Vorfeld einer Anhörung oder mündlichen Verhandlung nicht erfassen, die erfahrungsgemäß zu den „kostenträchtigen Elementen im Verfahrensbetrieb“ (so Benkard, Patentgesetz und Gebrauchsmustergesetz, 10. Aufl., § 62 PatG, Rdn. 3) gehören. Zudem könnte die Bestimmung des § 62 Abs. 1 Satz 2 PatG dadurch umgangen werden, dass der mögliche Kostenschuldner dadurch der Gefahr der Kostentragung entginge, dass er rechtzeitig vor einer anberaumten Anhörung oder Verhandlung die Rücknahme des Einspruchs oder den Verzicht auf das Patent erklärt. Daher ist eine weite Auslegung des § 62 Abs. 1 Satz 1 PatG geboten, die auch die im Vorfeld einer (später nicht durchgeführten) Anhörung oder mündlichen Verhandlung entstandenen Kosten erfasst.

b) Die Entscheidung über die Auferlegung von Kosten trifft der Senat nach billigem Ermessen (vgl. Benkard, a. a. O., Rdn. 5), wobei vom Grundsatz auszugehen ist, dass jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt (vgl. Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., § 62, Rdn. 3; Benkard, a. a. O., Rdn. 1). Für ein Abweichen von dieser Regel bedarf es daher besonderer Umstände. Diese können in einer schuldhaften Verletzung der prozessualen Sorgfaltspflicht liegen (Benkard, a. a. O., Rdn. 5b; Busse, a. a. O., Rdn. 17).

Solche besondere Umstände sieht der Senat vorliegend nicht. Insbesondere stellt ein unmittelbar vor dem anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung erklärter Verzicht auf das Streitpatent für sich genommen keinen Verstoß gegen prozessuale Sorgfaltspflichten dar (vgl. BPatG v. 7. April 2009 (6 W (pat) 312/06), 2. Leitsatz, zu einem einen Tag vor der Verhandlung erklärten Verzicht (Leitsatz abgedruckt in Mitt. 2009, 233); ähnlich BPatG v. 19. Juni 1997 (7 W (pat) 66/95) zu einer zwei Tage vor der Verhandlung zurückgenommenen Beschwerde (Leitsatz abgedruckt in GRUR 1999, 91)). Der Senat folgt dem 6. und 7. Senat, die in den Begründungen der beiden o. g. Entscheidungen maßgeblich darauf abstellen, dass es der betreffende Beteiligte auch auf die mündliche Verhandlung hätte ankommen lassen können, ohne befürchten zu müssen, mit dem Kostenrisiko der Gegenseite belastet zu werden. Andernfalls würde ein Beteiligter, der eine verfahrenserledigende Handlung relativ spät vornimmt, mit einem höheren Kostenrisiko belastet, obwohl er durch diese Handlung insgesamt noch (für alle Beteiligten) zu einer Kostenminimierung beigetragen hat. Zudem würde die Aufbürdung eines solchen Kostenrisikos die Beteiligten von verfahrenserledigenden Handlungen abschrecken, was dem Interesse der Beteiligten und des Gerichts an ökonomisch durchgeführten Verfahren und einer möglichst unkomplizierten Erledigung des Rechtstreits zuwiderlaufen würde. Diesen grundsätzlichen Erwägungen schließt sich der Senat an. Ein erst kurz vor der anberaumten mündlichen Verhandlung erklärter Verzicht auf das Streitpatent stellt damit also solches noch keinen Umstand dar, der eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen rechtfertigt.

c) Allerdings können sich im Einzelfall zusätzliche Umstände ergeben, die insgesamt dennoch die Annahme einer Sorgfaltspflichtverletzung nahe legen.

aa) Ein solcher Fall kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Patentinhaber kurz vor dem Termin zu einer Anhörung auf das Patent verzichtet, ohne den Einsprechenden unmittelbar und so rechtzeitig zu benachrichtigen, dass ihm keine vermeidbaren weiteren Kosten entstehen (vgl. Benkard, a. a. O., Rdn. 5c; Busse, a. a. O., Rdn. 19, beide unter Hinweis auf PA Mitt. 39, 25).

Vorliegend ist jedoch davon auszugehen, dass die Einsprechende bereits spätestens am 4. Mai 2012, d. h. zwei Tage nach Erklärung des Patentverzichts vom 2. Mai und vier Tage vor der für den 8. Mai anberaumten Verhandlung über den Patentverzicht informiert war, so dass sie nicht erst durch die Zustellung der Abladung vom Verzicht und der Terminsaufhebung erfuhr. Dies ist jedenfalls der von der Einsprechenden als Ausdruck vorgelegten E-Mail des Hotelunternehmens … über die Bestätigung der Stornierung des Hotelzimmers zu entnehmen, da diese E-Mail bereits vom 4. Mai 2012 stammt. Der entsprechenden Behauptung der Patentinhaberin über die Kenntnis der Einsprechenden vom Patentverzicht bereits am 4. Mai 2012 hat die Einsprechende auch nicht widersprochen. Damit liegt kein Sachverhalt vor, der dem in PA Mitt. 39, 25 behandelten Fall entspricht.

bb) Auch aus dem Terminsverlegungsantrag der Patentinhaberin vom 27. April 2012 ergeben sich keine Umstände, die hier - jedenfalls mit der erforderlichen Kausalität für die Kostenverursachung - eine Kostenauferlegung rechtfertigen können. Zwar erweckt dieser Antrag den Verdacht unlauteren prozessualen Handelns, da die darin geltend gemachte angebliche Terminskollision zum einen bereits seit über sechs Wochen (nach Zustellung der Ladungen in den beiden Verfahren) bekannt gewesen sein musste, zum anderen hatte sich aus der Akte des Verfahrens 6 W (pat) 326/07 nicht ersehen lassen, dass dort der gleiche Anwalt wie im vorliegenden Verfahren tätig gewesen ist. Dort trat vielmehr ein Kollege aus der Sozietät der Patentinhabervertreter auf. Dementsprechend hatte der Senat auch die Zurückweisung des Verlegungsgesuchs beabsichtigt und einen entsprechenden Bescheid vorbereitet.

Jedoch fehlt es an der (Mit-)Ursächlichkeit des Verlegungsgesuchs für die Entstehung bzw. Nichtvermeidung von Reisekosten der Einsprechenden. Der Terminsverlegungsantrag hat nichts bewirkt und ist noch vor seiner vorgesehenen Zurückweisung durch den Patentverzicht überholt worden. Er spricht hier sogar eher gegen eine Kostenauferlegung, denn wäre der Antrag von der Senatsgeschäftstelle sofort an die Einsprechende zugestellt worden oder besser von der Patentinhaberin direkt übersandt worden, so hätte die Einsprechende noch früher Anlass gehabt, ihre Reisebuchungen zu überdenken und ggf. früher zu stornieren.

Der Kostenantrag der Einsprechenden war damit zurückzuweisen.

Dr. Zehendner Kätker Rippel Dr. Dorfschmidt Cl

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